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Andreas Tressin
Statement zur Gesprächsrunde:
Was können wir tun, um Beschäftigung zu erhalten und zu fördern?


Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit ist das dringendste sozial-, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Problem in unserem Land. Ihre Ursachen sind vielfältig und liegen in den unterschiedlichsten Bereichen: in der Tarif- und Sozialpolitik, der Forschungs- und Innovationspolitik, der Finanz- und Wirtschaftspolitik, um nur einige besonders wichtige zu nennen. Zur Lösung des Beschäftigungsproblems wurde nach meiner Auffassung in den letzten Monaten dabei zu einseitig auf Gespräche im Rahmen verschiedener „Bündnisse für Arbeit" gesetzt, anstatt die Verantwortlichkeiten aus Politik und Wirtschaft klar zu erkennen. Als gegenseitige Information und Koordinierung von Beschäftigungsstrategien sind solche Gespräche zwar durchaus sinnvoll, dies kann indessen nicht über einige sehr bedenkliche Aspekte der vergangenen Bündnisgespräche hinwegtäuschen:

  • Zum einen ist strikt abzulehnen, daß dort der Abschluß beschäftigungsfreundlicher Tarifverträge von staatlichen Gegenleistungen abhängig gemacht wird.

  • Zum anderen ist an den bisherigen Bündnisgesprächen zu bemängeln, daß teilweise eine Blockadehaltung gegenüber verschiedenen Aspekten der Lohnpolitik eingenommen wurde, indem diese zu „Tabu-Themen" erklärt wurden, wie es beispielsweise bei den Themenkomplexen Überstunden, Sonderzahlungen und zuletzt Lohnfortzahlung mitunter der Fall war bzw. ist.

  • Schließlich ist die Gefahr nicht gering, daß sich „runde Tische" im Rahmen solcher Bündnisse, die über eine gegenseitige Information und gegebenenfalls eine Koordination hinausgehen, zu Fremdkörpern im demokratischen Entscheidungsprozeß entwickeln. Denn Entscheidungen haben die Organe zu treffen, die dafür von der Verfassung vorgesehen sind und nicht Ad-hoc-Gremien von Staat und Interessengruppen.

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Worum geht es im Kern bei der Debatte, um ein Bündnis für Arbeit und - wie die Arbeitgeber mit Recht hinzu gesetzt haben - Wettbewerbsfähigkeit?

Der Hintergrund läßt sich durch eine Aussage des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Babcock-Borsig, H. Westphal, kurz skizzieren: „Wir sind eine Anspruchsgesellschaft und treten in den Wettbewerb mit leistungsfähigen Verzichtsgesellschaften."

Zum Hintergrund:

Die Globalisierung der Weltmärkte und der rasche technologische Fortschritt haben in den letzen Jahren die Taktzahl des Strukturwandels deutlich erhöht. Produktivität, Wertschöpfung und damit auch Arbeitsplätze lassen sich immer rascher und einfacher von einem Ende der Welt an das andere verlagern. Nationale Grenzen spielen bei der Entscheidung, wo produziert werden soll, unter diesen Bedingungen eine immer geringere Rolle. Unsere bisherigen Vorteile gegenüber anderen Staaten relativieren sich im Ergebnis der erwähnten Entwicklung. Zahlreiche Schwellenländer des asiatisch-pazifischen Raums schicken sich an, auch mit technologisch anspruchsvollen Gütern mindestens genauso erfolgreich zu werden wie wir. Aber auch im Bereich der technologisch weniger anspruchsvollen, arbeitsintensiven Güter wächst die Konkurrenz deutlich an - nach dem Fall des eisernen Vorhangs, vor allem aus dem Kreis der mittel- und osteuropäischen Reformstaaten.

Nicht mehr nur die einzelnen Unternehmen, sondern die Volkswirtschaften insgesamt einschließlich ihrer Sozialsysteme stehen im Zuge der Globalisierung in einem immer intensiveren Wettbewerb. Hongkong als Synonym für kostengünstige Produktionsstandorte ist mit dem Fortfall des eisernen Vorhangs gleichsam in unmittelbare Nähe zu uns gerückt.

Je globaler die Weltwirtschaft wird, um so größer wird die Bedeutung der jeweiligen nationalen Rahmenbedingungen wie Steuerpolitik, Ausmaß der staatlichen Regulierung und nicht zuletzt Arbeitskosten und sonstige Arbeitsbedingungen für die Standortqualität und damit auch für die Beschäftigungsentwicklung.

Damit bin ich bei den strukturellen Problemen der Standortdebatte. Aus der Sicht der heimischen Industrie sind dies vor allem folgende Bereiche:

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  1. die hohe Kostenbelastung der Wirtschaft und

  2. die Überregulierung vieler Wirtschaftsbereiche, insbesondere der Tarifverträge.

Die Arbeitskosten sind es in erster Linie, die für etliche Unternehmen in Leverkusen das Hauptmotiv dafür liefern, daß sie in der Vergangenheit die Belegschaften reduzierten sowie für die kommenden Jahre Investitionen im Ausland planen.

Dabei zählen insbesondere die Lohnzusatzkosten zu den Standorthandicaps. So müssen die Betriebe über den eigentlichen Stundenlohn hinaus noch einmal 82% an „Extras" bezahlen. Dabei geht es um die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Zahlungen für Urlaub und Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen und andere betriebliche Sozialleistungen. Westdeutschland ist bei den Lohnzusatzkosten mit 20,44 DM pro geleisteter Stunde absolute Spitze, gefolgt von Österreich (18,33). Diese Extras betragen in Japan 14,56, in Frankreich 13,98, in Italien 12,39, in den USA 7,42, in Großbritannien 6,00 und in Portugal gar nur 4,08 DM pro Stunde. Die westdeutschen Unternehmen haben weiterhin die höchste Steuerlast zu tragen. So ist die Gesamtsteuerquote in Westdeutschland mittlerweile auf 64,9% gestiegen, im Vergleich zu Japan 59,2, Italien 53, USA 45,3, Großbritannien 33% sowie 28% in Schweden. Mehr Arbeitsplätze können nur entstehen, wenn diese Nachteile beseitigt werden. Hier sind ausschließlich die Tarifvertragsparteien und der Gesetzgeber zu dringend notwendigen Korrekturen gefordert.

Dies ist zunächst eine Feststellung des Tatbestandes. Das Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit sollte die Reaktion hierauf sein: Arbeit in Deutschland bei fundamental geänderten internationalen Wettbewerbsbedingungen halten zu können.

Wie sieht nun der ursprüngliche Vorschlag der IG Metall für ein Bündnis für Arbeit aus? Anfang November 1995 hatte der IG Metall-Vorsitzende Zwickel den Verzicht auf Reallohnsteigerungen im Jahr 1997 und niedrige Einstiegstarife für Langzeitarbeitslose angeboten. Im Gegenzug sollten die Metallarbeitgeber zu Neueinstellungen von 300.000 Beschäftigten innerhalb von drei Jahren und zur Einstellung von 30.000 Langzeitarbeitslosen bereit sein.

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Die Bedingungen, an die die IG Metall ihren Vorschlag knüpft, sind in der formulierten Form auch nicht ansatzweise erfüllbar. Die Gewerkschaft kann die Augen nicht davor verschließen, daß sich der Arbeitsplatzabbau weiter fortsetzt und allenfalls an eine Verlangsamung der Belegschaftsreduzierung gedacht werden bzw. hoffnungsfroh eine Stabilisierung auf dem derzeitigen Niveau erwartet werden kann. Bindende Festlegungen über die Beschäftigungsentwicklung durch die Tarifvertragsparteien sind nicht möglich. Der beklagenswerte Personal- und Ausbildungsstellenabbau kann nicht dadurch umgedreht werden, daß man durch Festlegung von Kündigungsverboten, Einstellungs- und Ausbildungsverpflichtungen und Verbot von Mehrarbeit die Betriebe zu Beschäftigungsgesellschaften umwandelt. Die Beschäftigungsmöglichkeiten bestimmen sich ebenso nach den Marktbedingungen, wie dies auch für Produktion und Absatz gilt. Mit der so eingängigen, aber genauso wirklichkeitsfremden Dreisatzmentalität - 2 Millionen Überstunden = 800.000 neue Beschäftigungsmöglichkeiten - lassen sich sicher keine realen Arbeitsplätze schaffen.

Die gesellschaftspolitischen Vorstellungen für ein Bündnis für Arbeit müssen somit von zwei Seiten in Frage gestellt werden:

Zum einen ist eine quasi verordnete Arbeitsplatz(be-)schaffung irreal, zum anderen die Vorstellung der Aufrechterhaltung des bestehenden Arbeitskostenniveaus als nicht Arbeitsplatz gefährdend illusorisch.

Die höchst kritische gesamtpolitische Einordnung des Themas ist die eine, der durch die Diskussion ausgelöste Pragmatismus der kleinen Schritte in die Beschäftigungspolitik die andere Seite der „Bündnismedaille".

Es hat sich gezeigt, daß ungeachtet der tarifpolitisch ergebnislosen Gespräche in der Metallspitze und nachfolgend auch auf Landesebene regional und vor allem betrieblich praxisnahe Lösungen zur Beschäftigungssicherung und zusätzliche arbeitsmarktwirksame Anreize möglich sind.

So wurde in Nordrhein-Westfalen mit der IG Metall Ende März 1996 ein Arbeitsplan zur Vorbereitung von Maßnahmen für die Sicherung und Förderung von Beschäftigung in der M+E-Industrie NRW abgesprochen. Soweit darin flankierende Maßnahmen angesprochen sind, die von Landesregierung und Landesarbeitsamt unterstützt werden, liegen entsprechende Zusicherungen vor.

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In der Reihenfolge des Arbeitsplans handelt es sich um folgende Maßnahmen:

  • Der bestehende Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung eröffnet die Möglichkeit, daß die Betriebsparteien eine Absenkung der Arbeitszeit bis zu 30 Stunden für alle Beschäftigten - dann ohne Lohnausgleich - oder für Beschäftigte in einzelnen Betriebsteilen - dann mit einem Teil-Lohnausgleich - vereinbaren können.
    Eine zeitlich befristete und betriebsbezogene Absenkung der Arbeitszeit kann zumindest zeitweise als beschäftigungssichernde Maßnahme bei Unterauslastung der betrieblichen Kapazitäten sinnvoll sein, ebenso wie ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit im Jahresverlauf bei saisonalen Produktionsschwankungen oder bei Kurzarbeit. Auch mit einer Kombination dieser Instrumente können sich Betriebe bei Konjunkturschwankungen oder bei Engpässen und betrieblichen Umstellungen behelfen, ohne gleich zum Mittel der Personalreduzierung zu greifen.
    Solche Zeiten können für die Mitarbeiter für Qualifizierungsmaßnahmen genutzt werden, die der Beschäftigungssicherung dienen. Zielsetzung sollte sein, unter Einbindung auch staatlicher Hilfen, betriebsspezifische Paketlösungen vor Ort anbieten zu können.
    Es gibt mehrere Ansatzpunkte für solche Maßnahmepakete: zum einen die Erkenntnis, daß Zeit ein wertvolles Gut ist, das optimal und effektiv genutzt werden sollte; zum anderen die Erfahrung, daß die Chance, Arbeitslosigkeit zu vermeiden, um so höher ist, je qualifizierter der Mitarbeiter ist. Schließlich sollen die bereits vorhandenen tarifvertraglichen Flexibilisierungsinstrumente gerade bei der Verteilung der Arbeitszeit noch viel stärker genutzt werden als bisher.

  • Die Wiedereingliederung von Arbeitslosen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die allerdings nur umgesetzt werden kann, wenn grundsätzlicher Bedarf in den Betrieben besteht, die Qualifikation passend zum Bedarf angeboten werden kann und bei sogenannten Problemgruppen Anreize für die Übernahme vorhanden sind.
    Man muß sich darüber im klaren sein, daß zusätzliche Beschäftigung nicht am Markt vorbei geschaffen werden kann, zumindest punktuell

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    und zeitweise gibt es allerdings Möglichkeiten und Bedarf, insbesondere Langzeitarbeitslose in ein Beschäftigungsverhältnis zu bringen, auch durch befristete Arbeitsverhältnisse. In der Kombination von vorbereitender beruflicher Qualifizierung und anschließender Vermittlung als Leiharbeitnehmer mit der Chance der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis arbeitet die von den Arbeitgeberverbänden als Gesellschafter mitgestaltete START Zeitarbeit GmbH mittlerweile recht erfolgreich in NRW. Dieses Angebot sollte unter Mitwirkung der Arbeitsämter weiter ausgebaut und ergänzt werden. Außerdem sollte auf tariflicher Ebene wie in der chemischen auch für die M+E-Industrie ein „Wiedereingliederungsentgelt" für Langzeitarbeitslose ermöglicht werden, das unterhalb der derzeitigen Tarifentgelte liegt.

Ein weiterer Akzent zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit wurde durch die Initiative zum Einsatz junger arbeitsloser Ingenieure gesetzt. Solche Modelle existieren bereits auf regionaler Ebene und sollten auch auf Leverkusen ausgedehnt werden.

Die Qualifizierung im Wege einer Kombination von 12-monatigem betrieblichen Praktikum und gezielter Weiterbildung - so zeigt die Erfahrung - ist erfolgreich. Allein das sogenannte Essener Modell bietet zur Zeit nahezu 300 Teilnehmern in mehr als 90 Unternehmen die Möglichkeit, sich in der Praxis zu profilieren.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Bereitstellung von Ausbildungsplatzkapazitäten. Aufgrund der Umstrukturierungen sind insbesondere in großen Firmen Ausbildungskapazitäten heute nicht mehr und nicht mehr voll genutzt, faktisch aber vorhanden. Auf der anderen Seite sind kleine und mittlere Betriebe oft nicht in der Lage, im eigenen Haus Facharbeiter-Ausbildung durchzuführen, obwohl sie qualifizierten Nachwuchs benötigen. Hier bestehen Ansatzpunkte für Entwicklungshilfe. Durch eine regionale Clearingstelle können Ausbildungsverbünde hergestellt werden, soweit Bedarf von technischen Ausbildungskapazitäten besteht.

Schließlich sollten die vorhandenen regionalen Kompetenzen gebündelt werden in einem zu gründenden Ausschuß für Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung.

In diesem Ausschuß sollten zunächst die Informationen zur Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung ausgetauscht werden mit dem Ziel, Ver-

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änderungen, die Aktivitäten erfordern könnten, möglichst frühzeitig zu erkennen und damit Voraussetzungen für präventive Maßnahmen und Vorgehensweisen zu schaffen. In diesem Ausschuß sollten insbesondere Maßnahmen abgestimmt werden, die Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretung gezielt unterstützen, damit notwendige Veränderungen in den Unternehmen bewältigt werden können, die sich aus neuen Marktbedingungen und aus Strukturveränderungen ergeben.

Zielsetzung des Ausschusses muß dabei insbesondere sein, für die Unternehmen Perspektiven zu öffnen, die sich aus einer betriebsbezogenen wirtschaftsfördernden Umsetzung der Tarifverträge und der sonstigen wirtschafts- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen ergeben.

Die zu definierenden Aufgabenbereiche sollten dabei letztendlich wesentlich von der Erschließung von Wirtschafts- und Beschäftigungsförderprogrammen und Möglichkeiten der Städte, des Landes, des Bundes und der Europäischen Union und der Förderung von Kooperation und Synergien zwischen den Unternehmen und der Region abhängen.

Dabei sollte das gesamte Akteurspektrum, welches sich letztendlich für eine regionale Arbeitsmarktpolitik verantwortlich zeigt, einbezogen werden. Hierzu gehören die Kommune, die örtlichen Arbeitsämter, möglicherweise überörtliche Institutionen, die Programme örtlicher Maßnahmen beeinflussen sowie Vertreter der örtlichen Tarifparteien.

Nicht unerwähnt bleiben darf, daß es im Frühjahr in anderen Branchen zum Teil zu bemerkenswerten tariflichen Ergebnissen kam. Bemerkenswert war insbesondere das „Textil- und Bekleidungs-Bündnis für Beschäftigung und Ausbildung". Hier wurde u.a. vereinbart, daß Unternehmen in schwierigen wirtschaftlichen Situationen die Tariferhöhung (1,5%) ganz oder teilweise aussetzen können, wenn zugleich eine betriebliche Beschäftigungszusage gegeben wird.

Aber auch in anderen Branchen, so in der chemischen Industrie, in der Druckindustrie und im Groß- und Außenhandel wurden tarifliche Regelungen zur Beschäftigungssicherung und -förderung abgeschlossen.

So gelten in der chemischen Industrie für ehemals Langzeitarbeitslose im 1. Beschäftigungsjahr verminderte Einstellbezüge von 90%. Die Chemie gehört außerdem zu den Pioniertarifbereichen, die einen Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit abgeschlossen haben. Diese vorgenannten ta-

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riflichen Regelungen gilt es nun durch „betriebliche Bündnisse für Arbeit" umzusetzen.

Sicher ist mit den bisherigen tarifpolitischen Ergebnissen im Jahre 1996 allenfalls ein Anfang gemacht worden, um die negativen Beschäftigungsentwicklungen der letzten Jahre nicht noch weiter durch überhöhte Abschlüsse zu fördern. Ein grundlegender Umschwung ist aber leider noch nicht erkennbar, weil die Gewerkschaften nach wie vor Probleme haben, anzuerkennen, daß nicht jeder einstmals „erkämpfte" tarifliche Besitzstand angesichts der weltwirtschaftlichen Realitäten Bestandsschutz haben kann.

Durch die Vielzahl betrieblicher „Bündnisse für Arbeit" - teilweise auch abseits tariflicher und damit unrechtmäßiger Regelungen - wird diese Notwendigkeit inzwischen aber auch empirisch nachgewiesen. An der Reform der Tarifverträge führt deshalb kein Weg vorbei, um die Gestaltungsspielräume auf betrieblicher Ebene zu erhöhen und die tarifvertraglichen Vereinbarungen wieder in Einklang mit der betrieblichen Wirklichkeit zu bringen. Ich bin deshalb der Überzeugung, daß im Rahmen der Tarifautonomie Öffnungs- bzw. Optionsklauseln für diese Reformen der einzig sachgerechte und erfolgversprechende Weg sind, um nicht nur Beschäftigung zu sichern, sondern auch Arbeitsplätze zu schaffen. Der Präsident von Gesamtmetall, Herr Dr. Stumpfe, hat deshalb recht, wenn er konstatiert, noch wehrt sich die IG Metall gegen solche Tarifregelungen, aber sie wird diese Position nicht durchhalten können, denn sie führt in die tarifpolitische Belanglosigkeit, mit der die Gewerkschaft auf Dauer nicht leben kann.

Die Podiumsdiskussion auf der Veranstaltung „Bündnis für Arbeit in der Kommune - Chance oder Utopie?" war nach meiner Auffassung jedenfalls ein erster Anfang eines konstruktiven Dialogs. Den Stellungnahmen müssen nunmehr Taten folgen. Kommunen, Gewerkschaften und Wirtschaften sind hier gleichermaßen gefordert. Die vorgenannten Ausführungen verdeutlichen aus meiner Sicht mögliche Handlungsfelder zur konkreten Umsetzung auf kommunaler Ebene.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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