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[Seite der Druckausg.:71]


Friedel Martiny
Statement zur Gesprächsrunde:
Was können wir tun, um Beschäftigung zu erhalten und zu fördern?


„Wir sind als Arbeitgeber nicht dazu da, Arbeitsplätze zu stiften, sondern Erträge zu erwirtschaften."

In dieser Form wurde mein Eingangsstatement zitiert. So habe ich es gesagt, und dem gibt es auch nichts hinzuzufügen, wenn man einmal davon absieht, daß von Unternehmen üblicherweise verlangt wird, daß sie zumindest im Nachsatz glaubhaft versichern, sich dennoch ihrer sozialen Verpflichtung bewußt zu sein. Was auch immer dies in der täglichen Praxis bedeuten mag.

Erstrangiges Ziel ist und bleibt es in unserer Wirtschaftsverfassung, das Unternehmen überlebensfähig zu machen, seine Ertragskraft zu stärken und die Marktposition zu festigen. Gelingt dies, so wird als Ergebnis dieser Anstrengungen auch die Beschäftigungslage gefestigt und verbessert.

Dementsprechend ist ein „Bündnis für Arbeit" solange Utopie - insbesondere auf kommunaler Ebene -, als dadurch die eingangs postulierte Zielsetzung des Unternehmens in den Hintergrund gedrängt wird. Ein solches „Bündnis" ist Makulatur, wenn

  • der Bestand des Unternehmens nicht dauerhaft gesichert wird,

  • die Kraft, innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, nicht gestärkt wird,

  • Prozesse und Strukturen ebenso wie Einstellungen und Verhalten der Mitarbeiter und Führungskräfte nicht verändert werden.

Ein „Bündnis für Arbeit" kann also nur dann ein realistischer und wünschenswerter Ansatz sein, wenn dieses gleichzeitig ein „Bündnis für Wettbewerbsfähigkeit" darstellt.

T&N - als weltweit agierende Unternehmensgruppe - und ebenso der deutsche Teilkonzern, die T&N Holdings GmbH, operieren auf dem weltweit hart umkämpften Markt der Automobilzulieferer.

[Seite der Druckausg.: 72 ]

In Deutschland ist dieser Markt gekennzeichnet durch mangelndes Wachstum, durch jahrelange Preisnachlässe (d.h. Umsatzverluste) bei gleichzeitiger Kostensteigerung. Alleine die Personalkosten stiegen in 1995/96 im Vergleich zum Dezember 1994 um über 10%.

Die notwendigen Anstrengungen zur Produktivitätserhöhung mußten zwangsläufig auf Kosten der Beschäftigung gehen. Dieser Trend hält so lange an, wie es nicht gelingt, die genannten Rahmenbedingungen positiv zu beeinflussen. Gelingt dies nicht, wird sich der Trend möglicherweise sogar beschleunigen, da die Erwartungen der Kapitalgeber vom Standort Deutschland schon im europäischen Vergleich nicht erfüllt werden.

Beispiel: Die Nettorendite bei einem deutschen Automobilhersteller beträgt bei einem 20.000-DM-PKW ca. 320,- DM (das sind 1,6% Nettorendite). In Großbritannien beträgt die Rendite über 6%.

Heute findet ein starker Wettbewerb auch noch innerhalb Europas statt, morgen wird Europa gegen den „Rest der Welt" im Wettbewerb stehen und um Überlebensfähigkeit von Standorten ringen.

Eine weitere wesentliche Voraussetzung ist m.E., daß die Diskussion über die Wettbewerbsfähigkeit und deren Verbesserung weniger plakativ geführt wird.

Es nutzt keinem, wenn in der Automobil-Zulieferer-Industrie mit Daten operiert wird, die im Vergleich z.B. mit Japan das japanische Gaststättengewerbe mit einbeziehen.

Die Fakten sind so einfach wie eindeutig:

Alleine in unserer Unternehmensgruppe sind im Vergleich zwischen schottischen und deutschen Produktionsstandorten die Arbeitskosten nicht nur bei absolut vergleichbaren Maschinenarbeitsplätzen, sondern auch für Arbeitsplätze in der Datenverarbeitung und bei den Einstiegsgehältern für Hochschulabsolventen in Deutschland doppelt so hoch.

Sicherlich, auch die Produktivität ist in Deutschland höher - aber nicht annähernd im gleichen Umfang.

Diese Fakten führen zu dem Ergebnis, daß der Kampf um Produktionsstandorte alleine innerhalb unserer Unternehmensgruppe in vollem Gang ist.

[Seite der Druckausg.: 73 ]

Wollen wir diesen Kampf nicht verlieren, kann es sich bei jedem Bündnis - gleich auf welcher Ebene, gleich mit welchem Partner - immer nur um ein Bündnis zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit handeln.

Der Vorwurf, den Sozialstaat und den sozialen Frieden zu gefährden, der Vorwurf, die gesellschaftspolitische Verantwortung nicht zu akzeptieren, ist zu populistisch und macht Bündnisversuche a priori zur Utopie.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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