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TEILDOKUMENT:


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Hans Klose
Statement zur Gesprächsrunde:
Was können wir tun, um Beschäftigung zu erhalten und zu fördern?


Wirtschaftspolitik ist in unserem Zuständigkeitsstaat normalerweise Sache der Bundes- und Landespolitiker. Dabei werden deren praktische Einwirkungsmöglichkeiten oft überschätzt. Sie sind in der Regel bescheiden, werden aber so dargestellt und unter die Leute gebracht, als ob sich wirklich die Welt bewege. Bei Licht betrachtet sind die Folgen der „scharfsichtigen" Bonner Einfälle zur Wirtschafts- und Finanzpolitik eher traurig, ja verheerend. Zuverlässige Steigerungen erfahren nur die Arbeitslosenzahlen. „Otto Normalverbraucher", also der Durchschnittsverdiener bzw. die Durchschnittsverdienerin, macht nur eine Erfahrung: Er hat immer weniger in der Tasche und kann sich immer weniger leisten.

In Verbindung mit den allgegenwärtigen Arbeitsplatzverlusten haben die Menschen berechtigte Zukunftsängste. In der Situation erleben sie den Staat - vom Bund bis zu den Gemeinden - als „vormundschaftlichen Nur-Kassierer", der mit Hinweis auf Fiskalprobleme in Wahrheit den Sozialstaat nach wirtschaftsliberalen Mustern des vergangenen Jahrhunderts abbaut. Es ist schon erschreckend zu sehen, wie einfallsreich unsere Politiker sind, wenn man „den Mann/die Frau auf der Straße" stärker belasten will und welche Gedankenblässe sie wie Mehltau überkommt, wenn es um das gute Leben derselben geht. Das wirkt sich nicht nur negativ auf die politische Kultur unseres Landes aus, es ist auch völlig perspektivlos. Die Arbeitslosenzahlen sinken leider nicht!

Genau hier aber liegt das Problem der Kommunen. Sie sind Lückenbüßer einer fehlerhaften staatlichen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, tatsächlich der „Reservesozialstaat" geworden. Die Kommunen federn lokal den Abbau des Sozialstaates ab. Das führt, im Verein mit wirtschaftlich bedingten Einnahmeausfällen, mit einheitsbedingten Sonderlasten und radikalen Zuweisungskürzungen des Bundes und der Länder, zur Finanzkrise der Städte und Gemeinden. Leverkusen z.B. schiebt kurzfristige Schulden von mehr als 40 Millionen vor sich her und die langfristigen werden bald die

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halbe Milliarde erreichen. Wenn man die Bürgschaften, die wir für Dritte übernommen haben, hinzurechnet, sind wir schon viel weiter. Mit Tilgung und Zinsen müssen diese Verbindlichkeiten aktuell bedient werden, was den Spielraum für notwendige Infrastrukturmaßnahmen deutlich einengt. Gänzlich beseitigt wird dieser durch die Folgelasten der lokalen Arbeitslosigkeit. Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben erscheint da manchem als Ausweg, und selbst abenteuerliche Vorschläge, wie die Wiederanmietung zuvor verkaufter städtischer Infrastruktur an Private, werden als innovativ gefeiert.

Neben diesen finanzpolitischen Spielertricks werden die Bonner Einfälle zur Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik nachgerade zur Landplage. Inzwischen ist klar: Die kommunalen Haushalte werden nicht mehr seriös finanziert. Im Ergebnis leben wir auf Kosten der Vergangenheit und auf Kosten der Zukunft, und das gleichzeitig. Wir verzehren das angesammelte Vermögen, unterlassen notwendige Reparaturen und Korrekturen an Häusern, Straßen, an Kanälen und der Umwelt, und was wir anschaffen, das lassen wir von unseren Kindern bezahlen. Zur Verdeutlichung: Überdehnte Schulden entlasten die heutige Generation, belasten aber die nachfolgende. Das ist auch ein Ergebnis der Arbeitslosigkeit.

In Leverkusen finden nahezu 13% der arbeitswilligen Menschen keinen Arbeitsplatz mehr. Könnten wir diese Quote nur halbieren, wir hätten keine Haushaltsprobleme mehr. Wir brauchen deshalb: Arbeitsplätze! Arbeitsplätze! Arbeitsplätze! Ein Spruch, der uns Sozialdemokraten im Wahlkampf wenig geholfen hat, der aber den Kern der Sache trifft.

Zurückhaltung in wirtschaftspolitischen Fragen ist nicht mehr angezeigt. Wir Kommunalpolitiker müssen uns einmischen! Ein „Bündnis für Arbeit" - auch auf lokaler Ebene - ist wichtiger denn je. Einmischung ist auch erforderlich, weil die wirtschaftspolitische Debatte in Deutschland auf einem Niveau geführt wird, das vielleicht den Bürgern von Schilda zur Ehre gereicht hätte, die Intelligenz jedes Durchschnittsbürgers aber nachgerade beleidigt. Mit der „Standortdebatte" - die dem bekannten Muster: „Haltet den Dieb!" folgt - steht plötzlich die arbeitende Bevölkerung im Zentrum der Kritik. Ihr gehe es zu gut, sie lebe mit sozialen Hängematten in einem Freizeitparadies und, und, und... Das sagen in der Regel die, die sich auf Kosten anderer Leute ein feines Leben machen. Die Sprüche sollen nur das eine bewirken: Die Löhne sollen runter! Das ist die Botschaft vieler

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vermeintlicher und auch mancher selbsternannter Wirtschaftsgurus. Im Ergebnis gäbe das wieder neue Impulse, Deutschland wäre gerettet. Wer nicht ganz so schamlos ist, redet von zu hohen Lohnnebenkosten und meint in der Sache doch ein gleiches. Dabei ist zu fragen, ob es nicht gerade die hohen Löhne waren, die in der Vergangenheit die Produktivitätsfortschritte in Deutschland provozierten? Nur aus Versehen sind wir doch nicht zu Außenhandelsweltmeistern geworden.

Damit will ich nicht behaupten, in unserer Wirtschaft sei alles zum besten bestellt. Manches könnte besser laufen. Nur, wir haben kein Lohn-, sondern ein massives Management- und ein Innovationsproblem. Diese Probleme müssen wir meistern, wenn wir den Spitzenplatz in der Weltwirtschaft halten wollen. Warum unsere Manager auf die Verliererstrategie der Kostensenkung setzen, ist verständlich. Sie wollen von ihrem Versagen ablenken. Weniger verständlich ist, warum wir uns alle auf solch eine Diskussion einlassen. Die Kostensenkungsstrategie will unausgesprochen alte Strukturen bewahren und ist dem Neuen gegenüber reserviert bis ablehnend eingestellt. Sie führt zwangsläufig zum Verlust unserer Weltmarktfähigkeit, weil wir den Wettbewerb im Löhnesenken gar nicht gewinnen können. Was wir brauchen, ist eine nachhaltige Erneuerung der Produktpalette, die wir der Welt zu bieten haben. Dann brauchen wir uns vor Globalisierung nicht zu fürchten. Im Gegenteil, sie nutzt uns.

Was das Land aber weiter dringend braucht, sind neue Manager, neue Managementmethoden. Die jetzige Managergeneration ist theoretisch nicht auf der Höhe der Zeit und setzt praktisch auf wenig überzeugende Strategien. Daß wir es oft mit Verlierern zu tun haben, zeigen die Pleiten der vergangenen Jahre. Da wurde ein Großunternehmen nach dem anderen „vor die Wand gesetzt", nicht der hohen Löhne wegen, sondern durch unfähige Manager.

Mich ärgert, daß wir uns von solchen Leuten Standort- und Lohnkostendebatten aufschwätzen lassen. Es reicht eben nicht aus, gut leben zu wollen und das eigene Gehalt in Zugspitzhöhen zu katapultieren. Es reicht auch nicht aus, fremde Taschen - vornehmlich die der Arbeitnehmer - zu leeren. Damit betreibt man kurzfristig etwas positive Kurspflege, langfristig führt das aber in den Ruin.

Weil dieses Versagen so offensichtlich ist, müssen die Kommunalpolitiker ihrer bisherigen klassischen Wirtschaftsförderung einiges hinzufügen. Wir

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müssen zu einer neuen Gründerkultur kommen. Was ich meine, ist mehr, als die bloße individuelle Begleitung von Firmenneugründungen, auch mehr als das Aufzeigen von Fördermöglichkeiten, von Begleitung durch den Bürokratendschungel und das Wegräumen von Genehmigungshindernissen. Wir müssen in den Kommunen den Neugründungen auch sozial einen ganz anderen Status geben: Ihnen muß mehr gesellschaftliche Anerkennung zukommen. Wir müssen selbst auf neue Möglichkeiten aufmerksam machen und ganz konkret Entwicklungshilfe leisten. Das kann bedeuten, daß wir Gründungspaten suchen, mit den Gewerkschaften, den Kammern und Arbeitgeberverbänden. Warum greifen wir nicht auf das ungeheuer reiche Potential derer zurück, die mit 60 oder 65 aus dem produktiven Arbeitsprozeß ausscheiden? Die könnten solche Paten werden. Im übrigen, Politik sollte gestalten, nicht verwalten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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