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TEILDOKUMENT:



Konrad Gilges
Statement zur Gesprächsrunde:
Was können wir tun, um Beschäftigung zu erhalten und zu fördern?


[Seite der Druckausg.: 57 ]

  • Leitgedanke: Die Gewerkschaften halten ein Bündnis für Arbeit in der Kommune nicht nur für möglich, sondern für unabdingbar.

Teilnehmen an einem solchen Bündnis sollten neben den Gewerkschaften (Arbeitnehmervertretungen) die Arbeitgeberverbände (Arbeitgebervertretungen), die Kommunen (Rat, Verwaltung) sowie Institutionen, die direkt oder indirekt den Arbeitsmarkt beeinflussen (Arbeitsämter, Kammern, Innungen, Wirtschaftsvereinigungen ...).

Ein Bündnis für Arbeit auf kommunaler Ebene sollte den Austausch von Informationen, den Austausch über Interessen sowie den Austausch von Gemeinsamkeiten und gemeinsamen Aktionen zur Bewältigung der Arbeitslosigkeit zum Inhalt haben.

  • 1. These: Der Schwerpunkt von Aktivitäten im Rahmen eines Bündnisses für Arbeit auf kommunaler Ebene sollte im Bereich der Bildung und Fortbildung liegen.

Die Qualifikation der „eigenen" Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist der einzige echte Vorteil gegenüber anderen konkurrierenden Gemeinden. Verbesserungsbedarf gibt es auf allen Ebenen des Bildungssektors, vom Kindergarten bis hin zu Weiterbildungseinrichtungen. Entsprechend vielfältig müssen die Aktivitäten der Kommunen ausfallen.

In Kindergärten müssen neben der generellen Ausstattung vor allem die Möglichkeiten verbessert werden, um Kinder von sogenannten benachteiligten Gruppen (z.B. ausländische Mitbürger) gezielt fördern zu können und somit der späteren, häufig durch Ausgrenzung bedingten Perspektiv-

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losigkeit möglichst frühzeitig vorzubeugen. Ähnliches ist auch für Grundschulen zu fordern.

In den Hauptschulen erhalten immer noch annähernd 60% der Jugendlichen, die später eine Lehre in einem Handwerksberuf absolvieren, ihre Schulausbildung. Die Qualifikation, die auf Hauptschulen erworben werden kann, darf daher auf keinen Fall schlechter werden. Dies ist auch für die Arbeitgeber von Interesse, schließlich leidet andernfalls die Qualifikation der Arbeitnehmer, in Realschulen und Gymnasien sind bei weitem keine so großen Defizite zu verzeichnen wie in Hauptschulen.

Ein wichtiges Element im dualen Bildungssystem der Bundesrepublik sind nach wie vor die Berufsschulen. Im Gegensatz zu ihrer Bedeutung ist ihre technische Ausstattung und daher die inhaltliche Qualität der Ausbildung häufig mangelhaft. Außerdem ist die Frage, ob nicht die Lehrpläne von Berufsschulen der Modernisierung bedürfen. Neben der Ausbildung in den Schulen weist auch die praktische in den Betrieben als der zweiten Säule des dualen Systems gravierende Mängel auf. Auch hier können sich die Kommunen im Rahmen eines Bündnisses für Arbeit viel stärker als bisher um Abhilfe bemühen. Denkbar ist z.B., mittels sogenannter Ausbildungskonferenzen zunächst einmal auf kommunaler Ebene Angebot und Nachfrage im Ausbildungsbereich zu ermitteln.

Der gesamte Bereich der beruflichen Weiterbildung hat in unserer Zeit des raschen technologischen Fortschritts und Wandels sowie schneller struktureller Veränderungen eine ebenso große Bedeutung wie die sogenannte Erstausbildung. Bislang garantieren die Weiterbildungsangebote keine bedarfsgerechte Versorgung der Erwerbsbevölkerung. Tatsache ist: Weiterbildung ist für die Arbeitnehmer nicht nur unerläßlich, um konkurrenzfähig zu bleiben, sondern auch, um die persönliche Befriedigung am Arbeitsplatz so groß wie möglich zu gestalten. Die Arbeitgeber ihrerseits haben ein Interesse an Weiterbildung, weil gut geschultes Personal stets zu ihren wichtigsten Vorteilen gegenüber ausländischen Konkurrenten zählte. Ein Bündnis für Arbeit in der Kommune sollte also vor allem den Bereich Weiterbildung im Blick haben. Hier sind nicht allein Kommunen gefordert, sondern alle an einem solchen Bündnis Beteiligten. Schließlich bedarf z.B. die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Universitäten neuer Anstöße und vielfältiger Unterstützung.

[Seite der Druckausg.: 59 ]

  • 2. These: Die Attraktivität des Standortes durch eine stetige Verbesserung der Infrastruktur ist eine zweite wichtige Säule eines Bündnisses für Arbeit auf kommunaler Ebene.

Unerläßlich sind gut ausgebaute Verkehrswege zu Schiene, Wasser und Straße. Jedoch darf in der heutigen Zeit das Thema Umweltschutz nicht mehr vernachlässigt werden. Gefordert ist also eine umwelt- und bedarfsgerechte Infrastruktur. Sie ist im Interesse aller an einem Bündnis für Arbeit Beteiligten, die demnach gemeinsam - falls nötig - Verbesserungen herbeiführen müssen.

Von immer größerer Bedeutung im Bereich Infrastruktur sind moderne Kommunikationsmöglichkeiten. Ihr Ausbau ist eine wesentliche Voraussetzung für Konkurrenzfähigkeit und muß demnach ein zentrales Anliegen eines kommunalen Bündnisses für Arbeit sein, nicht zuletzt auch, um die ständige Reduzierung von Warenflüssen auffangen zu können.

  • 3. These: Die Beteiligten an einem kommunalen Bündnis für Arbeit müssen die optimalen Voraussetzungen dafür schaffen, daß sich bestehende Industrieansiedlungen erhalten lassen und gleichzeitig neue geschaffen werden können.

Dies wäre ein wichtiger und unerläßlicher Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung vor Ort und setzt die Bereitschaft der Unternehmen zu Investitionen und mit ihnen verbundener Innovation voraus. Nur so ließe sich ein erfolgreicher Strukturwandel ermöglichen.

  • 4. These: Beteiligte an einem kommunalen Bündnis für Arbeit müssen sich vor allem um Bevölkerungsgruppen wie jugendliche Arbeitslose oder Langzeitarbeitslose kümmern.

Sie können aller Erfahrung nach häufig nur mit großen Mühen wieder bzw. überhaupt in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Gerade die Kom-

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munen sind daher gefordert, öffentliche Beschäftigungsprogramme für diese Menschen zu entwickeln, die sonst keine Chance mehr haben.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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