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TEILDOKUMENT:


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Walter Mende
Begrüßung


Herzlich willkommen zu dieser Fachkonferenz in der Stadt Leverkusen. Ich danke den Organisatoren der Friedrich-Ebert-Stiftung, daß sie Leverkusen gerade zu einem so aktuellen Thema in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik als Veranstaltungsort gewählt haben.

Die Stadt mit ihren 161.000 Einwohnern ist über die deutschen Grenzen hinaus als Standort der chemischen Industrie bekannt. Bayer Leverkusen und die Tochterfirma Agfa - daran läßt sich nicht rütteln - sind ein Markenzeichen, auch für die Stadt. Zu einem Synonym ist Leverkusen geradezu im Bereich des Sports geworden.

Zum Thema Wirtschaft und Arbeitsmarkt:

Die strukturprägende Chemische Industrie stellt beinahe jeden zweiten Arbeitsplatz in Leverkusen. Die daraus ableitbare Monostruktur der Stadt mit den bekannten Schwächen ist allerdings zu relativieren:

  • zum einen aufgrund der breiten Produktpalette innerhalb des Chemiebereichs (u.a. Pharma, Farben, Pflanzenschutzmittel, Schaumstoffprodukte, Photopapiere),

  • zum anderen aufgrund des hohen Anteils an technischen und dienstleistungsorientierten Berufsbildern, die in der Hauptverwaltung eines Konzerns, in der Forschung und Anwendungstechnik beschäftigt werden.

Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Leverkusen befinden sich in einem intensiven Strukturwandel. Deutlich wird dieser Prozeß seit Anfang der neunziger Jahre, als erkennbar wurde, daß die strukturellen Veränderungen nicht mehr durch die Konjunktur kompensiert wurden.

Die Beschäftigtenentwicklung insgesamt ist seit dieser Zeit stark rückläufig und verzeichnet einen Verlust von ca. 7.000 Arbeitsplätzen bis Ende 1995.

Maßgeblich geprägt wird die Situation von Verlusten des dominierenden verarbeitenden Gewerbes. Bei den Dienstleistungsbranchen sind durch-

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gängige Zuwächse zu verzeichnen, die aber zu keinem ausgeglichenen Saldo ausreichen.

Die Arbeitslosenquote stieg von einem traditionell niedrigen Niveau seit Beginn der neunziger Jahre stark an und liegt mit 11,9% (August 1996) deutlich höher als im Durchschnitt des Landes Nordrhein-Westfalen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die relativ hohe Zahl von Vorruheständlern die Statistik verfälscht.

Die weitere wirtschafts- und arbeitsmarktstrukturelle Entwicklung Leverkusens ist im Kontext der weltwirtschaftlichen Anforderungen sowie der speziellen bundesdeutschen wirtschaftlichen Standortfaktoren und konjunkturellen Rahmenbedingungen zu sehen. Diese sind u.a. gekennzeichnet durch

  • Internationalisierung der Märkte,

  • Produktionsverlagerungen an kostengünstige Standorte,

  • Konzentration auf das Kerngeschäft

  • und die arbeitsplatzsparende Automatisierung von Produktionsverfahren.

Weitere Einflußfaktoren sind die Folgen der deutschen Wiedervereinigung, die Realisierung des europäischen Binnenmarktes und die nur zögernde wirtschaftliche Öffnung Osteuropas. Daneben stehen außerdem technische Veränderungen wie die Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechniken sowie die Entwicklung und Produktion neuer Technologien, die sich z.B. auf Arbeitsmarkt, Verkehr und Flächennachfrage auswirken.

Die nach wie vor große Abhängigkeit der Leverkusener Wirtschaftsstruktur von der Chemischen Industrie und Zulieferung zur Automobilproduktion läßt die Feststellung zu, daß die vor Ort in diesen Branchen bisher abgebauten Arbeitsplätze auf Dauer verlorengegangen sind. Ein Arbeitsplatzwachstum im unternehmensbezogenen Dienstleistungssektor setzt nach wie vor eine entsprechende Nachfrage aus dem verarbeitenden Gewerbe voraus. Neben der Förderung von Existenzgründern, der ortsansässigen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) muß der Standort Leverkusen daher auch für die Ansiedlung bisher noch nicht oder noch nicht deutlich vertretener Branchen wie z.B. Umwelttechnologie, Meß- und Regeltechnik, „intelligente" Logistik aufbereitet werden.

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Durch Maßnahmen der Wirtschaftsförderung werden in Leverkusen bereits seit längerem beschäftigungssichernde und beschäftigungsfördernde Ziele verfolgt und umgesetzt. Zur „direkten" kommunalen Beschäftigungsförderung liegen bisher vor allem erste Erfahrungen mit der Zielgruppe der Sozialhilfeempfänger vor.

Die Beschäftigungsförderung Arbeitsloser ist auch in Leverkusen ein Schwerpunkt für Aktivitäten. Obwohl dies nicht zum klassischen Aufgabenbereich einer Kommune gehört, sollte die Stadt sich als Initiator, Vermittler und Begleiter engagieren und gemeinsam mit dem Arbeitsamt Bergisch Gladbach entsprechende Maßnahmen unterstützen.

Die im Frühjahr 1996 durchgeführte 1. Arbeitsmarktkonferenz und die Sitzung des daraufhin eingesetzten Arbeitskreises haben nach Übereinstimmung aller Beteiligten nicht nur zunehmende Probleme auf dem Ausbildungsstellenmarkt deutlich gemacht, sondern auch den allgemeinen Arbeitsmarkt angerissen.

Während derzeit alle zur Arbeitsmarktkonferenz eingeladenen Institutionen und Verbände intensive Schritte und Maßnahmen zur Verbesserung des Ausbildungsplatzangebotes und zur Deckung der Ausbildungsplatznachfrage unternehmen, sollen die Probleme der Arbeitslosigkeit auf einer 2. Arbeitsmarktkonferenz im Herbst diskutiert werden. Fest steht allerdings schon heute, daß die bestehenden Probleme insbesondere speziellerer Gruppen (Langzeitarbeitslose, un- bzw. gering qualifizierte Arbeitslose) nicht durch den sogenannten ersten Arbeitsmarkt gelöst werden können. In anderen Städten (z.B. Köln, Bielefeld) werden schon seit mehreren Jahren im Rahmen von Beschäftigungsförderung städtische oder in der Trägerschaft Dritter stehende Maßnahmen zur beruflichen Bildung und Qualifizierung initiiert und durchgeführt. Dies ist künftig auch in Leverkusen durch Inanspruchnahme von Fördermitteln der EU, der Arbeitsverwaltung, des Bundes und des Landes NRW vorgesehen. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang die beiden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für den Abriß einer Industriebrache mit insgesamt 30 Stellen für Langzeitarbeitslose zu nennen, von denen 12 auf einen regulären Arbeitsplatz gewechselt sind.

Als erster Schritt zum Einstieg in die Beschäftigungsförderung soll ein gemeinsamer Antrag des Rheinisch-Bergischen Kreises, des Oberbergischen Kreises und der Stadt Leverkusen zur Einrichtung eines Regionalsekreta-

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riates für den Arbeitsamtsbezirk Bergisch Gladbach gestellt werden. Dies setzt die positive Willensbildung der politischen Entscheidungsgremien voraus. Gleichlautende Vorlagen werden zur Zeit zur Beratung und Entscheidung in den jeweiligen Kreistagen bzw. im Rat der Stadt Leverkusen eingebracht.

Meine Damen und Herren, ich wünsche dieser Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung interessante Referate und Gesprächsrunden und setze darauf, daß davon wichtige Impulse für unsere weitere Arbeit ausgehen. Ihnen allen eine angenehme Konferenzatmosphäre und einen schönen Aufenthalt in unserer Stadt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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