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TEILDOKUMENT:


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Ruth Brandherm
Zusammenfassung


Eine kommunale Beschäftigungsförderung und Arbeitsmarktpolitik, ein Bündnis für Arbeit in der Kommune, wird angesichts der anhaltenden Beschäftigungskrise und der zunehmenden Belastung der kommunalen Haushalte durch steigende Sozialhilfekosten immer bedeutsamer.

Den Strukturwandel in NRW und die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik der Landesregierung skizziert Winfried Mengelkamp. Noch sei der Wegfall von Arbeitsplätzen, vor allem im produzierenden Gewerbe, nicht abgeschlossen. Der Standort NRW als führender Außenhandelsplatz ist außerdem einem immer stärkeren Standortwettbewerb ausgesetzt. Die Technologiepolitik der Landesregierung zielt darauf, die Situation der Unternehmen und den Transfer von Forschung in die Praxis zu verbessern. Die regionale Wirtschaftsförderung des Landes ist besonders auf die Klein- und Mittelbetriebe gerichtet. Mit einer 1995 gestarteten Gründungsoffensive sollen die Zahl der Existenzgründungen erhöht und die Lebenschancen jetziger Unternehmen verbessert werden.

Die seit Mitte der 80er Jahre regionalisierte Strukturpolitik der Landes habe das Engagement und die Kooperation der Kommunen, der Wirtschaft, der Verbände und der Gewerkschaften gestärkt und den Strukturwandel sozial verträglich gestaltet. Wesentliches Element eines solchen Politikansatzes sei eine forcierte Ausbildungs- und Qualifizierungspolitik, die ihren Ausdruck z.B. in dem im Herbst 1996 verabschiedeten Ausbildungskonsens NRW findet.

Auf die notwendige Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik angesichts der veränderten wirtschaftlichen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen geht Michael Heidinger ein. Heute stehe die Frage im Zentrum, wie sich die Effizienz der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen erhöhen läßt. Dazu präsentiert er drei Ansätze: Die Strategie der Kommunalisierung zielt darauf, Konzepte und Maßnahmen auf die spezifischen Anforderungen einer Region abzustellen und Handlungskompetenzen zu dezentralisieren. Durch eine Strategie der konzertierten Arbeitsmarktpolitik soll der mehrfachen Zersplitterung der Arbeitsmarktpolitik begegnet werden. Durch die Konzentration von Fördermitteln auf prioritäre Maßnahmen

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und Zielgruppen soll die Effizienz eingesetzter Fördermittel und der Wiedereingliederungserfolg der Teilnehmer erhöht werden.

Unterschiedliche Ansatzpunkte und Konzepte einer kommunalen Beschäftigungspolitik werden in drei Praxisbeispielen vorgestellt: Ende 1994 gründete die Stadt Krefeld die Zentralstelle für Beschäftigungsförderung. Sie entwickelt beschäftigungsfördernde Initiativen in den Bereichen Soziales, Bildung, Jugend und Gleichstellung und verknüpft sie mit Aspekten der Stadtentwicklung, der Wirtschaftsförderung und des Umweltschutzes. Gerd Ackermann führt aus, daß sie außerdem Fördermittel der Europäischen Union, des Bundes und des Landes einwirbt und die Arbeitsmaßnahmen der Stadt abwickelt. Die Arbeit der Zentralstelle zielt auf eine enge Kooperation mit den Unternehmen, mit Qualifizierungsträgern und dem örtlichen Arbeitsmarkt um insbesondere für Sozialhilfeempfänger den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt zu realisieren. Neu aufgebaut wurde ab 1995 ein Informations- und Beratungssystem für Sozialhilfeempfänger.

Die Stadt Oberhausen verfolgt einen zielgruppenorientierten Ansatz. Für Jugendliche, Frauen nach der Familienphase, Langzeitarbeitslose, Sozialhilfeempfänger sowie von Arbeitslosigkeit Bedrohte werden spezifische Maßnahmen entwickelt. Harald Elke betont, daß zukünftig angesichts der Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik des Bundes, die Kommune zunehmend eigene Wege der Beschäftigungsförderung - auch im Hinblick auf deren Finanzierung - gehen müsse. Dabei sei die Erschließung neuer finanzieller Ressourcen für die kommunale Beschäftigungspolitik entscheidend. Dies kann z.B. durch eine stärkere Verzahnung von Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik erfolgen.

Die Umsetzung der regionalisierten Struktur- und Arbeitsmarktpolitik in einer ländlich geprägten Region, dem Kreis Borken, stellt Günter Klemm vor. Bereits 1989 wurden in Borken erste Vorarbeiten für die Programmabwicklung und die Einrichtung eines Regionalsekretariats in Angriff genommen. Die entsprechenden Institutionen, Regionalkonferenz und Regionalsekretariat, konnten bald darauf tätig werden. Bis Ende April 1996 wurden 98 Projekte mit einem finanziellen Gesamtvolumen von rund 70 Mrd. DM gefördert. Das Maßnahmespektrum reicht von Existenz- und Einstellungbeihilfen über präventive Qualifizierung für von Arbeitslosigkeit Bedrohte bis zu Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose, Jugendliche und Berufsrückkehrerinnen.

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Wie Beschäftigung gesichert und gefördert werden kann, stand im Mittelpunkt der ersten Gesprächsrunde: Konrad Gilges sieht den inhaltlichen Schwerpunkt eines Bündnisses für Arbeit auf der kommunalen Ebene vor allem im Bildungssektor und fordert hier verstärkte Aktivitäten. Weitere Schwerpunkte sind aus seiner Sicht die Verbesserungen der Infrastruktur und die Verbesserung der Voraussetzungen für den Standorterhalt und die Neuansiedlung von Unternehmen. Zielgruppen sollten vor allem jugendliche Arbeitslose und Langzeitarbeitslose sein.

Auf die derzeitige Lückenbüßerfunktion der Kommunen als Folge einer verfehlten Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik weist Hans Klose hin. Die Einmischung der Kommunalpolitiker hält er für dringend geboten, um der einseitige wirtschaftspolitische Debatte entgegenzuwirken. Aus seiner Sicht muß die klassische Wirtschaftsförderung aber auch um innovative Elemente ergänzt und von bürokratischen Hemmnissen befreit werden, um so u.a. zu einer neuen Gründerkultur beizutragen.

Herbert Kötter zeigt am Beispiel der BAYER AG auf, daß in erster Linie der internationale Wettbewerb das Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt. Neben einer Verbesserung der Umsatzrendite sieht er eine Hauptaufgabe darin, auf zukünftigen Wachstumsmärkten mit eigenen Produktionsstätten präsent zu sein. Die neuen Herausforderungen setzen einen Umdenkungsprozeß z.B. in der Lohn-, Tarif- und Arbeitszeitpolitik voraus. Im Unternehmen wird über neue Modelle der Beschäftigungssicherung, wie z.B. die Einrichtung von Beschäftigen- oder Ausbildungspools, nachgedacht.

Friedel Martiny definiert als erstes Ziel unternehmerischen Wirtschaftens die Steigerung der Ertragskraft und die Festigung der Marktposition, woraus dann auch eine Stabilisierung und Verbesserung der Beschäftigungslage resultiere. Ein Bündnis für Arbeit müsse gleichzeitig durch ein Bündnis für Wettbewerbsfähigkeit flankiert werden.

Andreas Tressin betont, daß beim Wettbewerb zwischen „Anspruchsgesellschaften" und „leistungsfähigen Verzichtsgesellschaften" im globalisierten Markt nationale Grenzen eine immer geringere Rolle für die Standortentscheidung von Unternehmen spielen. Nicht mehr einzelne Unternehmen, sondern Volkswirtschaften und ihre sozialen Sicherungssysteme seien dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Im Unterschied zu dem Bündnisvorschlag des IG-Metall-Vorsitzenden sieht er in Nordrhein-

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Westfalen in der Vereinbarung zwischen den Tarifparteien der M+E Industrie einen konkreten Ansatzpunkt für Maßnahmen zur Sicherung und Förderung von Beschäftigung.

In der zweiten Gesprächsrunde standen Maßnahmen zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern im Mittelpunkt: Detlev Appenrodt weist auf die hohe Zahl Langzeitarbeitsloser hin und hebt insbesondere die psycho-sozialen Folgen hervor. Zur Unterstützung des Wiedereingliederungsprozesses sollte das vielseitige arbeitsmarktpolitische Instrumentarium noch stärker auf die Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit abgestimmt werden.

Simone Fey-Hoffmann macht darauf aufmerksam, daß bundesweite und landesbezogene „Frauenbündnisse" gegen Sozialabbau die spezifischen Interessen von Frauen herausstellen. Junge, alleinerziehende Frauen tragen ein besonders großes Arbeitsmarkt- und Sozialhilferisiko. Hier müßten konkrete kommunal- und beschäftigungspolitische Handlungsstrategien ansetzen. Ein übergreifend zusammengesetzter Koordinierungskreis sollte für den Teilnehmerinnenkreis geeignete Maßnahmen und Konzepte entwickeln.

Auf die besonderen Problemlagen von benachteiligten Jugendlichen weist Thomas Inden hin. Schulabgänger ohne oder mit einem schlechten Schulabschluß sowie ausländische Jugendliche sind zunehmend von einem Verdrängungswettbewerb auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt betroffen. 1990 wurde in Leverkusen eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die ein verzahntes Verbundsystem von Maßnahmen und Aktivitäten entwickeln sollte. Seit 1996 wird eine stärkere Vernetzung und Koordination in diesem Bereich durch die offene Jugendberufshilfe wahrgenommen.

In Anlehnung an positive Erfahrungen mit der Förderung von Zeitarbeit in den Niederlanden verfolgt die START-Zeitarbeit NRW GmbH das Ziel, insbesondere schwer vermittelbare Personen über sozialverträgliche Zeitarbeit in Dauerarbeitsverhältnisse zu bringen. Frank Skrube erläutert den Ansatz und berichtet über erste Erfahrungen.

Kommunale Beschäftigungspolitik, insbesondere die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern als Teil der Wirtschafts- und Sozialpolitik, muß nach Ansicht von Ernst Küchler gegenüber klassischen Politikfeldern stärkere Bedeutung erlangen und in enger Kooperation der örtlichen Akteure in der Kommune erfolgen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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