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[Seite der Druckausg.: 41 ]


Klaus-Dieter Kossow
Anforderungen an die zukünftige ambulant-ärztliche Honorargestaltung


Die Entwicklung des Gesundheitswesens ist auf absehbare Zeit gekennzeichnet durch:

  • wachsende Lebenserwartung,
  • wachsende Morbidität, insbesondere im Alter,
  • medizinische Anforderungen aus verschiedenen Kulturkreisen durch Zuwanderung in die Bundesrepublik (zum Ausgleich der niedrigen Geburtenrate),
  • wachsendes Angebot medizinisch-technischer Innovationen, insbesondere in der Informatik, Gentechnik, Pharmakotherapie, bildgebenden Verfahren und alloplastischer sowie Transplantations-Chirurgie,
  • zunehmende Zahl von ärztlichen und nichtärztlichen Heilberufen bei steigender Spezialisierung mit der Folge wachsenden Koordinationsbedarfs.

Insbesondere diesen Tendenzen muß eine zukünftige ambulant-ärztliche Honorargestaltung gerecht werden. Hierzu sind zur Überprüfung der Ho-norarbudgetierung folgende Prinzipien zu beachten:

  1. An die Stelle einer reinen Geldverbrauchskontrolle bei der ärztlichen Vergütung muß eine effizienz-orientierte Betrachtung treten. Hierzu ist erforderlich, daß der Ertrag ärztlicher Arbeit möglichst ebenso exakt gemessen wird wie der Geldverbrauch. Wenn dies nicht möglich ist, müssen die Patientenansprüche ebenso budgetiert werden wie der Mittelaufwand. Auf die Dauer kann es keine Globalbudgetierung bei sozialrechtlich garantiertem unbegrenzten Leistungsanspruch geben.
  2. Die Mengenkomponente bei der Entwicklung ärztlicher Leistungen muß auch weiterhin kontrolliert werden, wenn die Globalbudgetierung abgeschafft wird. Dies sollte durch das Vier-Augen-Prinzip geschehen. Teure ärztliche Leistungen oder solche mit einer besonderen Tendenz zur Mengenexpansion sollten nicht durch die Leistungserbringer

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    selbst, sondern durch andere Ärzte veranlaßt werden, die an der Erbringung der Leistung kein eigenes finanzielles Interesse haben.

  3. Es besteht die Notwendigkeit zu einer Großgeräteplanung nach dem sogenannten Überlaufprinzip. Großgeräte verstärken eine Tendenz zur Mengen- und damit Kostenexpansion, weil sie einen besonders hohen Amortisationsdruck auslösen, wenn sie erst einmal aufgestellt sind. Deswegen muß die Zahl der Großgeräte bedarfsgerecht geplant werden. Dies erfolgt nach dem Überlaufprinzip, welches die Aufstellung eines neuen Großgerätes erst zuläßt, wenn die bisher aufgestellten ausgelastet sind.
    Die Höhe des Honorars für Großgeräteleistungen muß sich nach den erforderlichen Leistungsfrequenzen in der Region richten. Dies bedeutet, daß in Ballungsgebieten mit hoher Leistungsdichte der Stückpreis für Großgeräteleistungen niedriger sein muß als in dünn besiedelten Gebieten.
  4. Grundsätzlich sind ärztliche Leistungen so zu vergüten, daß sie die Betriebskosten der ärztlichen Praxis und das ärztliche Honorar in angemessener Weise abdecken. Die Versichertengemeinschaft hat allerdings Anspruch auf eine wirtschaftliche Gestaltung der Praxisform. Insbesondere teure Investitionen müssen durch ärztliche Arbeitsgemeinschaften und Gruppenpraxen genutzt werden. Dem ist bei der betriebswirtschaftlichen Kalkulation der Honorare Rechnung zu tragen.
  5. Bei der ärztlichen Honorierung ist der Grundsatz „Soviel ambulant wie möglich" zugrunde zu legen. Bisher werden Krankenhausleistungen bei gleicher Problemlösungskraft in vielen Fällen besser bezahlt als ambulante Leistungen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn in der pre- und poststationären Versorgung höhere Vergütungen gezahlt werden als im ambulanten Bereich und wenn Teile des Krankenhausetats vom Krankenhausträger finanziert werden.
    Die Tendenz ist umzukehren. Im ambulanten Bereich erbrachte Leistungen müssen so attraktiv sein, daß Krankenhauseinweisungen zur Vermeidung ambulanter Leistungserbringung künftig unterbleiben.
  6. Die ärztliche Gebührenordnung ist entsprechend der Gliederung der ambulanten Versorgung nach § 73 SGB V (Sozialgesetzbuch) in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Teil zu trennen. Für die Ver-

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    sorgungsbereiche müssen zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkassen getrennte Gesamthonoraranteile ausgehandelt werden, die in der Honorarverteilung dem hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereich exklusiv zugeführt werden. Nur auf diese Weise ist es möglich, daß eine Honorarverlagerung durch die mengendynamischen Spezialleistungen zu Gunsten mancher Spezialgebiete und zu Lasten der hausärztlichen Versorgung unterbleibt.
    Zur Mengenkontrolle sind Pauschalen und Komplexgebühren einzuführen, wie dies bei der jetzt in Arbeit befindlichen Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes vorgesehen ist. Für Auftragsüberweisungen, Notfalleistungen und exakt beschreibbare Leistungsanteile, die sich aus dem Zustand des Patienten ergeben, sowie für Leistungen, die vom Standard des jeweiligen Faches abweichen, ist eine angemessene Einzelleistungsvergütung beizubehalten.
    Das Prinzip der Honorarverhandlungen zwischen den „Tarifpartnern" (Kassenärztliche Vereinigung und Krankenkassen) sollte beibehalten werden.

  7. Verträge mit vernetzten Praxen und vernetzten Budgets sollten - wenn überhaupt - innerhalb der KV-Verträge abgeschlossen werden. Hierbei ist sicherzustellen, daß die Ärzte durch einen hohen Regelungs- und Konfliktdruck zur Einhaltung der Budgets nicht daran gehindert werden, die Patienten problemgerecht zu versorgen.

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© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000

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