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[Seite der Druckausg.: 45 ]


Hans Jürgen Ahrens
Mein Arzt hat Zeit für mich - Ein Vorschlag der AOK zur Honorierung ärztlicher Leistungen


Das Honorierungssystem als zentrales Steuerungssystem ärztlicher Leistungen entscheidet über die Wirtschaftlichkeit und Qualität der ambulanten Versorgung. Das zur Zeit gültige System der Einzelleistungsvergütung honoriert in weit höherem Maße den Einsatz von Medizin-Technik und labormedizinischen Leistungen als die zeit- und gesprächsintensive primärärztliche Versorgung durch den Hausarzt.

Der Hausarzt wird in Zukunft mehr denn je Lotsenfunktion in unserem Medizinsystem übernehmen müssen, damit Mehrfachdiagnostik und unabgestimmte Therapiepläne im Interesse der qualitativen Versorgung des Patienten vermieden werden. Die AOK sieht den Hausarzt als Anlaufstelle für den Patienten, der gemeinsam mit diesem die richtigen Antworten für komplexe Probleme findet. Der Patient soll sagen können: „Mein Hausarzt hat Zeit für mich."

Für eine solche zeitintensive ärztliche Zuwendung setzt das derzeitige Honorierungssystem falsche Anreize. Sorgfältige Anamnesen kommen zu kurz, der Rezeptblock ersetzt viel zu häufig das Gespräch.

Zu den klassischen Aufgabenfeldern der Hausärzte kommen durch Veränderungen des Krankheitsspektrums - mehr chronische Leiden und Multimorbidität - neue Aufgaben gerade im Bereich der Organisation integrativer Dienstleistungsprozesse, der ambulanten Rehabilitation und der Betreuung Pflegebedürftiger hinzu.

Das erweiterte Leistungsspektrum erfordert somit ein neues Vergütungssystem, welches neben den notwendigen medizintechnischen und labormedizinischen Leistungen vor allem die „sprechende Medizin" adäquat honoriert.

Der Grundstock der hausärztlichen Vergütung sollte aus unserer Sicht eine Basispauschale sein, die die bei einem akuten Krankheitsfall anfallenden Tätigkeiten des Arztes abdeckt.

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Darüber hinaus ist der AOK-Bundesverband der Überzeugung, daß der Hausarzt zu dieser Basispauschale eine Praxispauschale für die Vorhaltung des notwendigen medizintechnischen und labormedizinischen Leistungsspektrums bekommen soll, die die Wirtschaftlichkeit dieser Einrichtungen ohne die Abhängigkeit von einer bestimmten Nutzungsfrequenz sicherstellt. Der Amortisationsdruck soll dadurch entfallen.

Als dritte Honorierungskomponente sollten aufgabenorientierte, zeitintensive Leistungskomplexe eingeführt werden, die zusätzlich zur Pauschale in Abhängigkeit vom erforderlichen Zeitaufwand honoriert werden.

Eine Ergänzung der Aus- und Weiterbildung in der Allgemeinmedizin um klientenzentrierte Gesprächsführung, Psychosomatik und um das Wissen, daß ambulante Rehabilitation gerade bei geriatrischen Patienten in Ergänzung zur Krankenbehandlung gesehen werden muß, fördert die sprechende Medizin.

Die Struktur der ärztlichen Vergütung hat in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, daß arztintensive Leistungen nur unterproportional am Umsatzwachstum beteiligt waren. Die internen Honorarverteilungsmechanismen und die Honorarstruktur des alten Einheitlichen-Bewertungsmaßstabs (EBM) werden dem Ziel einer umfassenden hausärztlichen Versorgung nicht gerecht. Der neue EBM, der am 1.1.1996 in Kraft treten soll, wird eine Reihe von Fehlentwicklungen korrigieren. So sind im EBM Komponenten vorgesehen, die eine Stärkung der hausärztlichen Versorgung bewirken sollen. Sollte der gewünschte Effekt aber nicht eintreten, wird die AOK unmittelbar auf Nachverhandlungen drängen.

Der Gesetzgeber hat vor kurzem mit der 4. SGB V-Novelle nach dem GKV-Anpassungsgesetz den zweiten Versuch unternommen, einmalig mit 600 Mio. DM die hausärztliche Grundvergütung zu erhöhen. Eine Beseitigung struktureller Defizite ist im Gesetzesvorhaben nicht beabsichtigt. Dies scheint uns kein besonders sorgsamer Umgang mit den Beiträgen unserer Versicherten und deren Arbeitgeber zu sein.

Die AOK hat das Hausarztmodell im Interesse ihrer Versicherten entwikkelt. Über zusätzliche Gelder werden wir mit uns reden lassen, wenn die strukturellen Rahmenbedingungen seitens des Gesetzgebers und der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen stimmen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000

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