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TEILDOKUMENT:

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Arbeitsgruppe II: Ansätze und Konzepte beruflicher Bildung in altindustriellen Regionen
- Statement -


Peter Storz
Wirtschaftsstrukturen - Strukturen beruflicher Bildung -Ausbildungsverbund. Gedanken aus der Perspektive der Chemieindustrie Sachsens


1. Faktoren des gesellschaftlichen Wandels

Das Motto der Fachkonferenz hat mit seinem Fragesatz: „Brauchen wir eine neue Ausbildungskultur?" programmatischen Charakter. Jedoch scheint mir, daß diese Fragestellung für Deutschland insgesamt legitim ist. Sicher gibt es Besonderheiten in den neuen Bundesländern - und ich bin der Friedrich-Ebert-Stiftung dankbar, vor diesem Hintergrund eingeladen zu haben - der Wandel in den Wirtschaftsstrukturen und damit die Reflexion auf berufliche Bildung ist indes breiter zu erörtern.

Wenn heute von Produktions- und Dienstleistungsstrukturen 2000 am Standort Deutschland die Rede ist, so können in diesem Kontext Bildungsstrukturen 2000 nicht ausgespart sein. Ich persönlich glaube, daß strukturell in der beruflichen Bildung der nächsten Jahre einiges in Bewegung kommen wird. Herr Wolfgang Hübel und ich möchten über den Ausbildungsverbund Sachsen für Chemieberufe sprechen - ein Strukturmodell beruflicher Bildung im Bewegungsrahmen des dualen Systems, dem gerade für klein- und mittelständische Wirtschaftsstrukturen künftig mehr Aufmerksamkeit zukommen sollte. Ich werde in meinem Teil versuchen, den Zusammenhang von Wirtschaftsstrukturen, Wandel in der Facharbeit und Anforderungen an die berufliche Bildung zu umreißen. Herr Hübel wird dann die Struktur und didaktische Organisation des Ausbildungsverbundes darstellen.

Wirtschaft, Politik und Wissenschaft sind sich heute weitgehend einig in der Bewertung des sich vollziehenden gesellschaftlichen Wandels als eines

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tiefen und längerfristigen Strukturwandels. Wesentliche Einflußfaktoren seien kurz genannt:

  • Der Zeitfaktor in Form einer Verkürzung der Produkt- und Überführungszyklen.

  • Veränderung der Bedarfsfelder. Diese letztlich globale Änderung äußert sich in der Abdeckung von Bedarfsfeldern durch neue Länder am Markt und damit einer Verringerung freier Bedarfsfelder.

  • Der Dienstleistungssektor wird zu einem unmittelbaren Innovationstreiber und bestimmt die volkswirtschaftliche Wertschöpfung entscheidend mit.

  • Wachsende Prozeßorientierung der Innovationen. Darunter ist eine Verlagerung der Wertschöpfung von der Herstellung moderner Technik zum Betreiben dieser Technik in Produktion und Dienstleistung zu verstehen.

An dieser Stelle ist nicht Zeit, diese Einflußfaktoren umfassend zu erörtern: vielmehr soll der Hinweis auf die Tiefe des Strukturwandels genügen, dem auch in der beruflichen Bildung kaum mit kosmetischen Änderungen entsprochen werden kann.

In der Chemieindustrie, die ihre Traditionen als eine stärker Großchemie, als eine Chemie der mehr großtonnagigen Produkte und Verfahren begründet hat, scheinen die Wandlungen besonders tief zu verlaufen. Klein- und mittelständische Chemieunternehmen hat es zwar stets gegeben, aber in wesentlich geringerer Ausprägung als in den Fertigungsindustrien. Bei allen Unsicherheiten in der heute möglichen Kennzeichnung von Perspektiven der Chemie zeichnen sich einige Tendenzen des Strukturwandels ab, die in den neuen Bundesländern - und hier wiederum in Sachsen - als bereits reale und zu gestaltende Wandlungen verlaufen.

Im wesentlichen kann man die Perspektiven der Chemie als strukturelles Problemfeld mit folgenden vier Merkmalen charakterisieren:

  • Eine intelligenzintensive, auf Veredlung setzende Chemie, d.h. Wandel in den Produktstrukturen bei insgesamt hoher Produktflexibilität, die auch auf Spezialitäten und Nischenprodukte zielen muß.

  • Eine Chemie mit hoher Standortmobilität und Querschnittscharakter für das verarbeitende Gewerbe sowie für primäre und sekundäre

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    Dienstleistungen. Die dazu notwendige konsequente Kundenorientierung von der Akquisition bis zur Betreuung schließt besonders auch Qualitätsfragen ein.

  • Eine Chemie mit veränderten Größenverhältnissen. Die Tendenz geht absehbar in Richtung klein- und mittelständischer Chemieunternehmen. Große werden zu eher mittleren Unternehmen, die dann zu den größten Chemiebetrieben gehören, ohne die üblichen Strukturen von chemischen Großbetrieben aufzuweisen.

  • Eine Chemie mit veränderten Leitbildern bei Verfahrenstechnik bzw. auch Labortechnik, Unternehmens- und Arbeitsorganisation sowie Qualifikation des Personals. Chargenprozesse mit spezifischen mehrproduktorientierten Organisationsstrukturen ergänzen bzw. verdrängen Fließprozesse. Kleine Gefäße sind produktflexibel zu beherrschen und über Informations- und Kommunikationstechnik zu verknüpfen. Produktflexibilität schlägt auf Arbeitsplätze durch. All das wirkt sich recht gravierend auf Chemiearbeit in Produktion und Labor aus.

2. Chemiebranche und Chemiearbeit in Sachsen

In Sachsen ist eine durchgängige klein- und mittelständische Chemie etabliert. Rechnet man den chemiebezogenen Mineralölsektor sowie die Kunststoffherstellung dazu, so sind im April 1995 ca. 400 Unternehmen zu finden, die über 18,5 Tausend Beschäftigte haben. Die Branche ist in hohem Maße konsumenten- und dienstleistungsorientiert, querschnittübergreifend (verarbeitendes Gewerbe) und damit markt- sowie produktflexibel. Die Produktpalette umfaßt Kosmetika, Pharmaka, Haushaltspflegemittel, Lacke und Farben, Feinchemikalien, Siliconprodukte, Kunststoffe u.a. Hinzu kommen ca. 100 selbständige naturwissenschaftlich-technische Laborunternehmen mit einem breiten Dienstleistungsprofil.

Facharbeit in Chemiefabrik und Labor ist in solchen Chemiestrukturen durchaus größeren Wandlungen unterworfen:

  • Wenige lösen in klein- und mittelständischen Chemieunternehmen vielfältige Aufgaben. So ist der Geschäftsführer nicht selten auch Perso-

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    nalchef oder ein Laborant betreut Kunden, für die das jeweilige Laborunternehmen arbeitet.

  • Die Arbeitsteilung ist also wesentlich flacher, die Verantwortlichkeiten sind dezentraler und komplexer auslegbar als in großen Chemieunternehmen. Mitunter stört eine feste Arbeitsteilung und situative, flexible Arbeitsorganisationen entsprechen den anfallenden und sich dynamisch verändernden Arbeiten wesentlich effektiver.

  • Berufs- und qualifikationsebenenübergreifendes Arbeiten ist charakteristisch. In kleinen und mittleren Unternehmen stören „steile Qualifikationspyramiden", welche die Arbeit in Ingenieur- oder akademische Arbeit einerseits sowie Facharbeit andererseits separieren. Kommunikation und Kooperation an den „Überlappungen" zwischen den Qualifikationen, realisierbar über interdisziplinäre Gruppenarbeit, sind Markenzeichen einer kundennahen flexiblen Branche.

  • Elemente verschiedener Tätigkeitsbereiche verschmelzen miteinander und werden über einen Beruf abgefordert. [Fn.1: Größere Unternehmen reagieren auf die Erfordernisse in der Regel mit beruflicher Arbeitsteilung, bspw. zwischen Chemikant und Prozeßleitelektroniker zur Beherrschung rechnergestützter technischer Systeme.] In einem modernen naturwissenschaftlichen Labor beispielsweise bleiben natürlich traditionell naturwissenschaftliche Tätigkeiten erhalten. Hinzu kommen Arbeitstätigkeiten aus der informationstechnologischen Verknüpfung in einem modernen Labor sowie kaufmännisch orientierte Arbeiten, wenn man an die Bearbeitung von Kundenreklamationen, das Entwerfen von Geschäftsbriefen u.a. denkt. [ Fn.2: Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, daß nicht einfach traditionelle Tätigkeiten durch neue ersetzt werden. Solche vereinfachte, aber nicht selten formulierte Substitutionsmuster gingen am Wesen des tatsächlichen Wandels in der Chemiearbeit vorbei und hätten fatale Konsequenzen für die Fundierung neuer Leitbilder beruflicher Bildung.]

Die hier kurz genannten Merkmale von Chemiearbeit unter den Bedingungen klein- und mittelständischer Chemiestrukturen sind als Möglichkeiten zu verstehen. Forschungen zum Wandel der Chemiearbeit in Fabrik und Labor haben bestätigt, daß in der Gestaltung anspruchsvoller Arbeit mit qualifiziertem Personal Chancen liegen, welche die Flexibilität dieser

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Unternehmen günstig beeinflussen und somit nicht nur sozial anspruchsvoll sind, sondern betriebswirtschaftlich effektiv. [Fn.3: Die Untersuchungen liefen im Rahmen des Sächsischen Chemieprojektes (Kurztitel), gefördert seit 1992 vom BMFT, das den Strukturwandel der Chemiebranche Sachsens unter organisatorischen und qualifikatorischen Aspekten begleitete (vgl. Reihe: Arbeit - Bildung - Beruf, Hrsg.: Drechsel, K.; Storz, P.; Wiesner, G.; Hefte 1 und 6, Verlag Modernes Studieren, Hamburg - Dresden 1993 und 1994).]

Diesen Chancen einer enttaylorisierten Arbeitswelt als Gestaltungsperspektive klein- und mittelständischen Chemieunternehmen stehen natürlich auch Risiken gegenüber. Tages- und Finanzzwänge führen nicht selten zu Maßnahmen mit einem zu kurzen perspektivischen Vorhaltewinkel. Innovation wird in Unternehmen nicht selten auf Zukauf moderner Technik reduziert und ihr komplexer Gestaltungsbedarf im Gesamtfeld Technik - Arbeit - Bildung unterschätzt. Neotaylorismus mit sozialen und letztlich auch betriebswirtschaftlichen Spätfolgen wird nicht im automatischen Gang zu vermeiden sein. Abbildung 1 faßt das Gesagte modellhaft vergleichend zusammen und umreißt damit den Gestaltungsanspruch. Man kann nur begrüßen, wenn staatliche Fördermaßnahmen künftig verstärkt für klein- und mittelständische Unternehmen greifen sollen und das insbesondere auch für berufliche Bildung.

Abbildung 1: Leitbilder zur Gestaltung von Technik - Arbeit - Bildung im Unternehmen

Neotaylorismus


Enttaylorisierung

|


|

Zerlegung der Ablaufstrukturen


Ganzheitliche Inseln

* Hierarchisierung


* flache Hierarchien

* starre Produktlinien


* Mehrproduktinseln

* Zentralisierung der Produktionssteuerungen


* Dezentrale Steuerungen
mit Kompetenzen vor Ort"

* starre und tiefe Arbeitsteilungen


* Flexible Arbeitsteilungen veränderlicher Tiefe

* Polarisierungen der Arbeit durch
„Qualifikationspyramiden"


* Überlappungsfelder in der Arbeit - "Qualifikationszwiebel"

* Lernbarrieren


* Arbeitssystem als Lernstatt

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3. Berufliche Bildung als Wertschöpfung in den Unternehmen

Wie reproduziert die skizzierte Chemiebranche ihre Innovationsfähigkeit über berufliche Bildung? Mit dieser Frage kehre ich zur Programmatik der Konferenz: „Brauchen wir eine neue Ausbildungskultur?" zurück. Wollte man die Frage umfassend beantworten, müßte man dies auf zwei Ebenen tun:

Erstens ist neue Ausbildungskultur ein Problem des Hinterfragens und Gestaltens von Bildungsstrukturen, die den klein- und mittelständischen Unternehmensstrukturen äquivalent sind.

Zweitens ist moderne Ausbildungskultur eine Frage moderner didaktischer Gestaltungsansätze für die verschiedenen Lernorte beruflicher Bildung.

Beides spielt selbstverständlich zusammen, ist an dieser Stelle aber nicht umfassend erörterbar.

Zur didaktischen Ebene sei nur kurz erwähnt, daß man hier durchaus größere Defizite registrieren muß. Aus den Erläuterungen zum Wandel in der Facharbeit unter den Bedingungen klein- und mittelständischer Chemiestrukturen sollte deutlich werden, wie berufliches Wissen prozeßhaft geworden ist und heute als arbeitsprozeßbezogenes Wissen zur Verfügung stehen muß. D.h., Problemlöseverhalten in flexiblen und situativ veränderlichen Prozessen ist gefragt, und da diese Probleme stets berufsübergreifend sind und nicht nach tradierten Berufsbildern fragen, ist prozeßhaftes Wissen zugleich interdisziplinäres Wissen. Gelernt wird dagegen häufig noch in Ressorts: beachtliche Fächerdifferenzierungen sind zu bewältigen, Schule hier - Betrieb da, nicht selten durch Rollenzuordnungen von Theorie zu Schule und Praxis zu Betrieb verstärkt. Vermeintliche Königswege wie Gruppenlernen in dezentralen Lernstrukturen können diese Defizite allein kaum richten. Wenn beispielsweise Facharbeit wenig lernhaltig gestaltet ist, führt dezentrales Lernen im Arbeitsprozeß eher zur engen Erfahrungsbornierung als zum disponiblen beruflichen Erfahrungserwerb.

Zum Ausbildungsverbund Sachsen für Chemieberufe als ein zweckmäßiges strukturelles Konzept für berufliche Bildung kleiner und mittlerer Chemieunternehmen:

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Nach meinen Erfahrungen - verwiesen sei nochmals auf das bereits erwähnte Sächsische Chemieprojekt - ist es nicht die Kostenfrage für Bildung allein, welche von den Unternehmen aufgeworfen wird. Begleitend war da stets auch die Frage (oder der Zweifel), ob über Ausbildung die Kompetenzen bei Facharbeitern entwickelt werden können, welche Unternehmen heute benötigen? Auch Zweifel an der Wirksamkeit qualifizierten Personals werden unternehmerseits laut, wenngleich dies keine bestimmende Tendenz ist. Diese Fragen und Zweifel müssen gerade in klein- und mittelständischen Unternehmen verstärkt auftreten, da die Lernorte Berufsschule und der eigene Betrieb nicht mehr für eine Ausbildung im benötigten Beruf genügen. Betriebliche Ausbildung reduziert sich in einem solchen Unternehmen auf Spezialisierung, nicht selten sogar sehr enger Natur. Damit sind nicht nur Grenzen für die lehrplangerechte Ausbildung im jeweiligen Beruf gegeben. Die Betriebe selbst merken, welche beruflichen Grundlagen fehlen, die über den Lernort Schule nicht abdeckbar sind, und sie artikulieren diese Grundlagen auch (kooperative Beherrschung moderner Prozeßleittechnik in chemischen Verfahren, Grundlagen moderner Laboranalytik u.a.).

Diese Gesamtüberlegungen waren es, die zur Idee und Gründung des o.g. Ausbildungsverbundes führten. Er konstituiert sich

  • aus Chemieunternehmen, die ihre unterschiedlichen Bildungspotentiale einbringen, dies neben den betrieblichen Spezialisierungen auch für berufliche Grundbefähigungen,

  • aus einer überbetrieblichen Bildungsstätte zur Koordinierung betrieblicher Bildung sowie eigenen Bildungsleistungen mit beruflichem Grundlagencharakter, aber auch ersten Spezialisierungen,

  • aus Berufsschule mit ihren berufsqualifizierenden Potenzen sowie mit ihrem eigenständigen Bildungsauftrag.

Alle Lernorte haben in dieser Bildungsstruktur ihren Beitrag zur beruflichen Grundbefähigung in der Ausbildung zu leisten. Die überbetriebliche Bildungsstätte verdrängt weder die Schule mit ihrem eigenständigen Bildungsauftrag, noch ist sie ein Ersatz für betriebliche Bildung. Allerdings muß bei der Ausgestaltung der einzelnen Lernorte Organisation und berufsdidaktische Qualität des Lernens in der Berufsschule recht gründlich mit bedacht werden. Unsere Erfahrungen besagen, daß Berufsschulen

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infolge fehlender Autonomie heute nur schwer in der Lage sind, sich flexibel in eine wechselnde Lernortkooperation einzubringen.

Näheres über Struktur und didaktische Organisation des Ausbildungsverbundes ist im folgenden Beitrag von W. Hübel ausgeführt.

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Page Top Arbeitsgruppe II: Ansätze und Konzepte beruflicher Bildung in altindustriellen Regionen
- Statement -

Wolfgang Hübel
Aufgaben, Struktur und Organisationsform des Ausbildungsverbundes Sachsen für Chemieberufe


1. Ausgangssituation und Zielstellung

Der Ausbildungsverbund Sachsen für Chemieberufe wurde am 23.6.1994 gegründet. Ihm gehören gegenwärtig 15 klein- und mittelständische sächsische Betriebe an. Innerhalb des Verbundes befinden sich 102 Lehrlinge in der beruflichen Ausbildung in den traditionellen Chemieberufen

  • Chemielaborant/-in,

  • Lacklaborant/-in,

  • Chemikant/-in,

  • Pharmakant/-in.

Mit dem Ausbildungsjahr 1995/96 wird mit mindestens 50 neuen Ausbildungsverhältnissen ein wieder deutlicher Anstieg bei der Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze erwartet. Die Arbeit des Verbundes wird im entscheidenden Maße geprägt:

  • von den Ergebnissen des Sächsischen Chemieprojekts (SCP), eines auf Bundesebene geförderten Forschungsprojektes, das den Strukturwandel in der sächsischen Chemieindustrie und die daraus resultierenden Bildungskonsequenzen in qualifikatorischer und organisatorischer Hinsicht untersucht hat (vgl. Beitrag von P. Storz),

  • von den langjährigen Erfahrungen der Sächsischen Bildungsgesellschaft für Umweltschutz und Chemieberufe Dresden mbH bei der überbetrieblichen beruflichen Ausbildung in Chemieberufen sowohl auf den fachlichen Teil der Ausbildung bezogen als auch auf das Know-how bei der Organisation kooperativer Ausbildungsbeziehungen

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    zwischen den verschiedenen Lernorten und den Vorleistungen der Bildungseinrichtung bei der Gründung des Ausbildungsverbundes Sachsen in der Ver- und Entsorgung mit den ver- und entsorgepflichtigen Körperschaften des öffentlichen Dienstes und der privaten Wirtschaft als Verbundpartner,

  • von der wissenschaftlichen Begleitung durch das Institut für berufliche Fachrichtungen der Fakultät für Erziehungswissenschaften der TU Dresden,

  • von der ausgeprägten Kooperation zwischen den dezentralen und zentralen Lernorten im Verbund und der besonderen didaktischen Gestaltung der Lernortschnittstellen und

  • von der direkten Unterstützung des Bildungsprojekts durch die Tarifpartner

    Arbeitgeberverband Chemie und verwandte Industrien Ost (AVCO) e.V. sowie

    Industriegewerkschaft Chemie - Papier - Keramik.

Der Ausbildungsverbund Sachsen für Chemieberufe ist eine bildungsinhaltliche Konsequenz des Strukturwandels in der sächsischen Chemieindustrie und versteht sich als ein didaktisch begründetes, auf Freiwilligkeit beruhendes Zweckbündnis der durchgängig klein- und mittelständischen sächsischen Chemieindustriebranche.

Der eindeutig ausgeprägte klein- und mittelständische Charakter der sächsischen Chemieindustrie mit der Dominanz der Chargenproduktion bei konsumentennahen Produkten mit hoher Produktflexibilität und hoher Spezialisierung hat neben veränderten Arbeitsanforderungen an das Fachpersonal zur Folge, daß in den Betrieben für die berufliche Ausbildung vielfach die notwendigen Arbeits- und damit Lernplätze nicht zur Verfügung stehen, die umfassend den Ausbildungsverordnungen gerecht werden. Mit der vom Berufsbildungsgesetz geforderten berufsfeldbreiten Ausbildung und den immer deutlicheren berufsfeldübergreifenden Qualifikationsanforderungen an den modernen Facharbeiter in der Chemiebranche ist der Klein- und Mittelbetrieb oft überfordert. Hier bedarf es in Sachsen modifizierter Ausbildungskonzepte, die im Rahmen des dualen Systems deren Vorzüge effektiv zur Wirkung bringen und gleichzeitig Spielraum für situationsgemäße qualifikatorische und organisatorische

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Aspekte der beruflichen Bildung im klein- und mittelständischen Chemiebetrieb lassen.

Der Ausbildungsverbund Sachsen für Chemieberufe sichert die Umsetzung der Rahmenausbildungspläne in den traditionellen Chemieberufen in ihrer Gesamtheit. Damit erwirbt jeder ausbildungswillige Betrieb die Berechtigung zur Einstellung und Ausbildung seiner eigenen Lehrlinge.

Das duale System beruflicher Bildung wird nicht in Frage gestellt, sondern gefestigt, weil die Verbundausbildung zweifellos eine mögliche Reaktion auf die Herausforderungen darstellt, vor denen das duale System heute steht.

Das grundsätzliche Ziel der Ausbildung im Ausbildungsverbund Sachsen für Chemieberufe hat demnach sowohl qualitative Aspekte

  • Sicherung der Qualität und Attraktivität der beruflichen Bildung im klein- und mittelständischen Bereich

als auch quantitative Aspekte

  • Bereitstellung von mehr Ausbildungsplätzen.

Darauf konzentriert sich die gesamte Arbeit aller Partner im Verbund.

2. Darstellung von Schwerpunktaufgaben

Die Hauptaufgabe des Ausbildungsverbundes Sachsen für Chemieberufe besteht gemäß seiner Satzung in der Sicherung der Qualität der Ausbildung in traditionellen Chemieberufen angesichts der sich ständig verändernden Qualifikationsanforderungen. Dabei sollen besonders Niveauunterschiede z.B. im technischen Ausstattungsgrad der Unternehmen durch gemeinsames Nutzen moderner Ausbildungskapazitäten bzw. Schaffen moderner Ausbildungsplätze ausgeglichen und überwunden werden.

Hauptaugenmerk gilt dabei der „Entwicklung der Chemiearbeit in Sachsen" und in besonderem Maße der Entwicklung und Stabilisierung der Ausbildungssituation.

Darüber hinaus konzentriert sich die Arbeit des Verbundes auf folgende Problemfelder:

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  • Öffentlichkeitsarbeit und Berufswerbung

    • Berufskundeveranstaltungen für Berufsberater der Arbeitsämter

    • Informationsveranstaltungen für Berufsberaterlehrer in den Schulen

    • Chemiebezogene Schnupperkurse für Schüler

    • Ausgestaltung von Berufsbildungsmessen

  • Einbeziehung von Elementen der chemiebezogenen Fort- und Weiterbildung

    • Schaffung eines Stützpunktes für die berufsbegleitende Qualifizierung von Ausbildern/Innen in Chemieberufen

    • Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung (Industriemeister - Fachrichtung Chemie)

    • Kursangebote zur fachspezifischen Weiterbildung von Chemielehrern der verschiedenen Schulformen

  • Herstellung und Pflege der Kooperationsbeziehungen zu anderen Zentren der Chemieausbildung in den neuen Bundesländern

    • z.B. zu dem Bildungsverbund Chemie und Technik Halle e.V. (BVCT)

  • Bearbeitung von Forschungs- bzw. Modellprojekten

    • „Berufsübergreifendes kooperatives Lernen Auszubildender in der Chemiebranche an Prozeßleittechnik" in Kooperation mit dem BVCT Halle

    • „Handlungsorientiertes Lernen in der Umweltbildung und Verbesserung der Lernortkonzeption" in Kooperation mit dem Bildungswerk der Sächsischen Wirtschaft e.V. (bsw)

    • Modellversuch zur wissenschaftlichen Begleitung der Ausbildung im Ausbildungsverbund Sachsen für Chemieberufe in Kooperation mit dem Institut für berufliche Fachrichtungen der Fakultät für Erziehungswissenschaften der TU Dresden

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3. Strukturelle Merkmale des Ausbildungsverbundes Sachsen für Chemieberufe

Der Ausbildungsverbund Sachsen für Chemieberufe arbeitet nach dem Verbundtyp „Leitbetrieb mit Partnerbetrieben" in modifizierter Form mit Koordinierungsbetrieben für die verschiedenen Berufe.

Auf Beschluß der Mitgliederversammlung arbeitet der Verbund ohne rechtsverbindliche Struktur, um Kosten und Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten.

Die Funktion des Leitbetriebes nimmt die Sächsische Bildungsgesellschaft für Umweltschutz und Chemieberufe wahr und koordiniert in dieser Funktion in Zusammenarbeit mit den Partnern des Sächsischen Chemieprojektes folgende Aufgaben:

  • Steuerung der Gesamtaktivitäten des Ausbildungsverbundes

  • Öffentlichkeitsarbeit

  • Wissenschaftliche Begleitung

  • Fortbildung der Ausbilder

  • Pädagogisch-methodische Beratung der Verbundausbildung

  • Zusammenarbeit mit dem Fachbeirat des Ausbildungsverbundes

  • Zusammenarbeit mit den Koordinierungsbetrieben - Ausbildungsbetrieben - Berufsschulzentren - zuständigen Stellen

  • Vorbereitung der jährlichen Mitgliederversammlung

Der Leitbetrieb des Verbundes ist eine traditionelle ordentliche berufsbildende Einrichtung der Chemiebranche, der mit seiner erfolgreichen Privatisierung und der umfangreichen Förderung seines Bildungsprojektes durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt alle ausstattungsseitigen und personellen Voraussetzungen für seine verantwortungsvolle Aufgabe erfüllt.

Für die gesamte Verbundarbeit ist entscheidend, daß nicht der Leitbetrieb, sondern ausschließlich der klein- und mittelständische Chemiebetrieb Ausbildender im Sinne des Berufsbildungsgesetzes ist.

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Entsprechend des Ausbildungsberufes im Verbund arbeiten Koordinierungsbetriebe mit folgendem Aufgabenspektrum:

  • Beratung der Betriebe in allen Ausbildungsfragen

  • Unterstützung der Ausbildenden beim Erstellen des Ausbildungsplanes und beim Erarbeiten der sachlichen und zeitlichen Gliederung

  • Vorbereitung und Abschluß der Rahmenvereinbarungen zum Ausbildungsverbund und der entsprechenden Zusatzvereinbarungen

  • Rationalisierung überbetrieblicher Ausbildungsabschnitte

Diese berufsbezogene Koordinierungsfunktion nehmen wahr:

  • Arzneimittelwerk Dresden GmbH für die Berufe

    • Pharmakant/-in und

    • Chemikant/-in

  • Sächsische Bildungsgesellschaft für Umweltschutz und Chemieberufe Dresden mbH für die Berufe

    • Chemikant/-in und

    • Lacklaborant/-in

Die gesamte Arbeit des Ausbildungsverbundes wird begleitet von einem Fachbeirat, der entsprechend seiner Geschäftsordnung bei allen fachlichen, didaktischen und organisatorischen Problemen beratend und kontaktfördernd beim Aufbau von Kooperationsstrukturen wirkt.

Die nachfolgende Übersicht zeigt die wesentlichen Strukturelemente im Ausbildungsverbund Sachsen für Chemieberufe.

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Übersicht 1: Struktur des Ausbildungsverbundes für Chemieberufe


4. Organisationsform der Ausbildung im Ausbildungsverbund

Grundlage für die Ausbildung im Verbund ist ein berufsspezifisches Kurssystem, das im Wechsel von betrieblicher und überbetrieblicher

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Ausbildung die in den Ausbildungsverordnungen vorgegebenen Mindestanforderungen sichert und individuell mit jedem Verbundpartner entsprechend seinen eigenen Ausbildungsvoraussetzungen abgestimmt wird. Dieses Abstimmungsergebnis findet dann seinen Niederschlag in konkreten vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Ausbildungsbetrieben und Koordinierungsbetrieben bzw. zwischen den Ausbildungsbetrieben untereinander. Dadurch wird für alle Partner zweifelsfrei sichergestellt, welche Inhalte laut Ausbildungsberufsbild in welchen Kursen gemäß Ausbildungsrahmenplan von wem und in welcher zeitlichen Folge zu realisieren sind.

Während eine Rahmenvereinbarung das grundsätzliche Verhältnis der Partner im Verbund untereinander regelt, wird auf jedes einzelne Ausbildungsjahr bezogen über Zusatzvereinbarungen festgeschrieben:

  • kursbezogene Leistungen der Vertragspartner
  • Ausbildungskosten
  • Versetzungspläne (zeitliche Wechsel der Lernorte)
  • Praktikumsaufgaben für betriebliche Ausbildungsabschnitte (bei Bedarf)

Diese kurz beschriebene Organisation der Ausbildung im Verbund hat sich bewährt und ist Ausdruck der Seriosität und Verläßlichkeit der Verbundpartner untereinander.

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Anhang 1:

Mitglieder des Fachbeirates für den Ausbildungsverbund Sachsen - Konstituierungsphase -

1 Herr Dr. Hanisch

Bildungsverantwortlicher des Arbeitge-berverbandes Chemie und verwandte Industrien Ost (AVCO) e.V.

2 Herr Weiß

Bezirkssekretär Brandenburg - Sachsen der IG Chemie - Papier - Keramik

3 Herr Prof. Dr. Storz

Leiter der Beruflichen Fachrichtung Chemietechnik an der Fakultät für Erziehungswissenschaften der TU Dresden

4 Herr Böhme

Leiter Personalentwicklung Arzneimittelwerk Dresden GmbH

5 Herr Prof. Dr. Klöden

Institut für Verfahrenstechnik an der TU Dresden

6 Herr Haferkorn

Geschäftsführer

Florena Cosmetik GmbH

7 Frau Langer

Lehrerin am BSZ Radebeul

8 Herr Hübel

Geschäftsführer

SBG Dresden

Sachverständiger des Fachbeirates - Konstituierungsphase -

9 Herr Dr. Damerius

Bundesinstitut für Berufsbildung

Vorsitzender des Fachbeirates - - Konstituierungsphase -

Prof. Dr. Storz

Stv. Vorsitzender des Fachbeirates
- Konstituierungsphase -

Herr Haferkorn

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Anhang 2:

Ausbildungsverbund Sachsen

für

Chemieberufe

ein strukturförderndes und
didaktisch begründetes Zweckbündnis
der klein- und mittelständischen Chemieindustrie
in Sachsen




Leitbetrieb: Sächsische Bildungsgesellschaft für Umwelt-
schutz und Chemieberufe
Dresden mbH

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Positionen zu Ziel und Anliegen sowie zur Organisationsform und Arbeitsweise des Ausbildungsverbundes Sachsen für Chemieberufe

- Satzung -

  1. Der Ausbildungsverbund ist ein freiwilliger Zusammenschluß von klein- und mittelständischen Unternehmen der chemischen Industrie mit der Zielsetzung, im Freistaat Sachsen eine hohe Qualität der beruflichen Erstausbildung in den traditionellen Chemieberufen Chemikant, Pharma-kant, Chemielaborant und Lacklaborant zu sichern.

  2. Die Verbundausbildung dient als Organisationsform der beruflichen Ausbildung besonders für klein- und mittelständische Betriebe mit dem Ziel, die Qualität der Ausbildung im dualen System angesichts der sich ständig verändernden Qualifizierungsanforderungen zu sichern.

  3. Die Verbundausbildung orientiert sich dabei an den Festlegungen des BBiG § 22 Abs. 2
    Eine Ausbildungsstätte, in der die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht im vollen Umfang vermittelt werden können, gilt als geeignet, wenn dieser Mangel durch Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte behoben wird."

  4. Durch die Bildung des Ausbildungsverbundes Sachsen für Chemieberufe sollen Niveauunterschiede z.B. im technischen Ausstattungsgrad der Unternehmen im Freistaat Sachsen durch gemeinsames Nutzen moderner Ausbildungskapazitäten bzw. Schaffen moderner Ausbildungsplätze ausgeglichen und überwunden werden.

  5. Dem Ausbildungsverbund können alle sächsischen Unternehmen beitreten, die an einer Ausbildung in den genannten Chemieberufen interessiert sind, gleichwohl

    • ob sie derzeit ausbilden

    • die Einstellung von Auszubildenden jetzt oder später beabsichtigen

    • oder spezielle Ausbildungskapazitäten anbieten möchten.

  6. Die Mitgliedschaft wird durch Beitrittserklärung gegenüber dem Leitbetrieb begründet. Mit der Beitrittserklärung wird der Mitgliedsbe

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    trieb [Fn.1: Mitgliedsbetrieb ist der dem Verbund beigetretene Betrieb. Ausbildender ist der ausbildungsvertragabschließende Betrieb entsprechend § 3 BBiG.] in die Arbeit des Verbundes einbezogen (Einladung zu Beratungen der Mitgliedsbetriebe, Übergabe von Informationsmaterial etc.).

  1. Bei der Inanspruchnahme von Leistungen werden die Rechte, Pflichten und Kosten zwischen Ausbildenden und Koordinierungsbetrieb bzw. anderen Mitgliedsbetrieben vertraglich geregelt.

  2. Die Mitgliedschaft kann jederzeit durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leitbetrieb gekündigt werden.
    Dies berührt jedoch nicht die unter Punkt 7 genannten vertraglichen Regelungen.

  3. Die Gründung des Ausbildungsverbundes bildet einen logischen Schritt, der im Rahmen des Sächsischen Chemieprojektes von den Projektpartnern initiiert wurde.
    Hauptaugenmerk gilt der „Entwicklung der Chemiearbeit in Sachsen" und in besonderem Maße der Entwicklung und Stabilisierung der Ausbildungssituation.
    Der Ausbildungsverbund wird getragen vom Arbeitgeberverband Chemie und verwandte Industrien Ost (AVCO) e.V. und der Industriegewerkschaft Chemie - Papier - Keramik.

  4. Der Ausbildungsverbund Sachsen für Chemieberufe arbeitet nach dem Verbundtyp „Leitbetrieb mit Partnerbetrieben" in modifizierter Form mit Koordinierungsbetrieben für die einzelnen Berufe.

  5. Der Leitbetrieb koordiniert in Zusammenarbeit mit den Partnern des Sächsischen Chemieprojektes folgende Aufgaben:
    • Gesamtaktivitäten des Ausbildungsverbundes,
      dazu benennt der Leitbetrieb einen leitenden Ausbilder

    • Öffentlichkeitsarbeit

    • Wissenschaftliche Begleitung

    • Fortbildung der Ausbilder

    • Pädagogisch-methodische Beratung der Verbundausbildung

    • Zusammenarbeit mit dem Fachbeirat des Ausbildungsverbundes

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    • Zusammenarbeit zwischen Koordinierungsbetrieben - Ausbildungsbetrieben - Berufsschulzentren - zuständigen Stellen

    • Vorbereitung der jährlichen Mitgliederversammlung

  1. Die Funktion des Leitbetriebes nimmt die Sächsische Bildungsgesellschaft für Umweltschutz und Chemieberufe Dresden mbH (SBG) wahr.

  2. Die Funktion der Koordinierungsbetriebe umfaßt folgende Aufgaben:

    • Beratung der Betriebe in Ausbildungsfragen

    • Unterstützung der Ausbildenden beim Erstellen des Ausbildungsplanes und beim Erarbeiten der sachlichen und zeitlichen Gliederung

    • Realisierung überbetrieblicher Ausbildungsabschnitte zur Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten

    • Vorbereitung und Abschluß der Rahmenvereinbarung zum Ausbildungsverbund und der entsprechenden Zusatzvereinbarungen.

  3. Als Koordinierungsbetriebe wirken

    • für die Berufe Chemielaborant/Lacklaborant
      die Sächsische Bildungsgesellschaft für Umweltschutz und Chemieberufe Dresden mbH

      für die Berufe Chemikant/Pharmakant

    • die Arzneimittelwerk Dresden GmbH.

    Unberührt von dieser Regelung bleibt die bisher branchenspezifische Regelung bei der Ausbildung von Chemielaboranten der Pharmazie und von Chemikanten der Farben- und Lackindustrie.
    Beide Koordinierungsbetriebe verfügen über alle personellen und ausstattungsseitigen Voraussetzungen für eine überbetriebliche Ausbildung und koordinieren bzw. organisieren bereits gegenwärtig die Ausbildung von Auszubildenden für den Lernort Betrieb.

  4. Die Mitgliederversammlung des Ausbildungsverbundes wird mindestens 1 x jährlich vom Leitbetrieb einberufen. In ihr werden prinzipielle Fragen beraten, eine Änderung der Satzung kann mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitgliedsfirmen erfolgen.

  5. Der Ausbildende schließt mit seinen Auszubildenden die Berufsausbildungsverträge ab und meldet diese bei der zuständigen Stelle zur Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse an.

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    Die schriftlichen Vereinbarungen entsprechend Punkt 7 betreffen nur das Verhältnis der Mitgliedsbetriebe untereinander (Innenverhältnis), nicht jedoch das Verhältnis zum Auszubildenden.
    Die Gesamtpflichten des Ausbildenden gegenüber dem Auszubildenden werden durch die Nutzung von Leistungen des Ausbildungsverbundes nicht berührt.

  1. Der Ausbildende benennt im Berufsausbildungsvertrag einen verantwortlichen Ausbilder (fachlich und persönlich geeigneter Mitarbeiter des Betriebes). Der Ausbildende kann auch einen Mitarbeiter des Koordinierungsbetriebes als verantwortlichen Ausbilder benennen, insbesondere dann, wenn

    • im Ausbildungsbetrieb kein persönlich und fachlich geeigneter Mitarbeiter beschäftigt wird,

    • Ausbildungsabschnitte vorwiegend überbetrieblich durchgerührt werden und

    • der Koordinierungsbetrieb dem zustimmt.

  2. Die Mitgliedsbetriebe stellen im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Ausbildung geeignete Arbeitsplätze auch für Auszubildende anderer Mitgliedsbetriebe zur Verfügung, wenn dies der Erfüllung der inhaltlichen Vorgaben der Ausbildungsverordnung dient.

  3. Wesentlich für eine erfolgreiche Gestaltung der Ausbildung im Verbund ist die Einbeziehung des Lernortes Berufsschule in den Verbund.
    Die Zusammenarbeit mit den Beruflichen Schulzentren, denen Bezirksfachklassen für Chemieberufe zugeordnet wurden, und die erteilte Zustimmung der Schulbehörden zur Blockbeschulung in den betreffenden Berufen bilden grundlegende Voraussetzungen für die Verbundausbildung.

  4. Der Ausbildungsverbund Sachsen für Chemieberufe wird in seiner gesamten Arbeit von einem Fachbeirat beraten (vgl. Anhang 1).
    Von dem Neueintritt bzw. Ausscheiden eines Unternehmens aus dem Ausbildungsverbund werden die zuständigen Stellen rechtzeitig in Kenntnis gesetzt.

Dresden/Radebeul, 23. Juni 1994

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Page Top Arbeitsgruppe II: Ansätze und Konzepte beruflicher Bildung in altindustriellen Regionen
- Statement -

Wolfgang Anlauft
Probleme der Berufsausbildung und Möglichkeiten und Grenzen von Ausbildungsverbünden


1. Diskussionshintergrund

Die Sächsische Aufbau- und Qualifizierungsgesellschaft mbH Zwickau (SAQ) wurde 1991 gegründet und hatte den Auftrag, den Personalabbau der Sachsenring Automobilwerke Zwickau (Trabantproduktion) arbeitsmarkt-, sozial- und strukturpolitisch zu begleiten. Die Sachsenring Automobilwerke Zwickau verfügte über eine umfangreiche Abteilung „Berufsausbildung", die mit dem Niedergang der Trabantproduktion in ihrer Existenz gefährdet war. Die Abteilung Berufsausbildung wurde in die SAQ überführt. Neben der Ausbildung der zu DDR-Zeiten bei der Sachsenring Automobilwerke Zwickau (SAZ) zur Ausbildung eingestellten Jugendlichen auf ihre Abschlußprüfung (damals ca. 400 Jugendliche) übernahm die SAQ bereits im Jahr 1991 die Funktion eines überbetrieblichen Berufsausbildungszentrums im Rahmen des dualen Ausbildungssystems für die neu entstandenen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie.

Wesentliche Elemente eines Ausbildungsverbundes, wie er derzeit bildungspolitisch diskutiert wird, wurden in Zwickau bereits 1991 realisiert.

2. Zur Situation der Berufsausbildung in der Region Zwickau

Die vorhandenen quantitativen und qualitativen Probleme in der Berufsausbildung stehen in einer engen Wechselwirkung zur strukturellen und konjunkturellen Entwicklung des regionalen Arbeitsmarktes. Der Rückgang industrieller Arbeitsplätze bewirkte ebenfalls einen deutlichen Rückgang gewerblich-technischer Berufsausbildungsplätze. Durch den mas-

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senhaften Abbau industrieller Arbeitsplätze konnten die Unternehmen aus einem gut qualifiziertem Facharbeiterpotential auswählen. Mit Hilfe neuer Formen betrieblicher Arbeitsorganisation und dem Einsatz neuer Technologien ergaben/ergeben sich erhebliche Rationalisierungspotentiale, die es ermöglichen, deutliche Steigerungen des Umsatzvolumens mit dem gleichen Personalbestand abzudecken. Die mangelnde Etablierung neu entstandener industrieller KMU's auf dem Markt führt bei der betrieblichen Personalentwicklungsplanung eher zu einer Orientierung an kurzfristigen als an mittelfristigen Zielsetzungen. Da betriebliche Berufsausbildung ein Instrument mittelfristiger betrieblicher Personalentwicklung darstellt, verliert sie dadurch, zumindest im industriellen Bereich, unter Bedingungen des Strukturbruchs tendenziell an Bedeutung. Hinzu kommt, daß die Großzahl der neu entstandenen Unternehmen nicht auf eine langjährige Ausbildungskultur zurückgreifen konnten.

Im Ausbildungsjahr 1995 ist erstmalig ein gestiegenes Angebot der industriellen Arbeitsplätze in der Metall- und Elektroindustrie in der Region Zwickau bemerkbar, dies jedoch vor dem Hintergrund, daß die Ausbildungsplätze in dieser Branche in den letzten Jahren extrem zurückgeschraubt wurden.

Nachfrageseitig ist durch die demographische Entwicklung und der unvermindert anhaltenden Attraktivität des dualen Systems für die Jugendlichen mit einem deutlichen Anstieg zu rechnen. Abgänger aus Warteschleifen erhöhen ihrerseits die Nachfrage.

Die Lücke zwischen dem Angebot betrieblicher Ausbildungsplätze und den Berufswünschen der Jugendlichen konnte in den letzten Jahren nur durch staatliche Förderprogramme (Gemeinschaftsinitiative Ost, deutliche Ausweitung der Berufsausbildung nach § 40 c Abs. 2) ausgeglichen werden.

Neben dem quantitativen Problem ergeben sich erhebliche Disparitäten zwischen dem vorhandenen Angebot und den Berufswünschen der Jugendlichen. Viele Jugendliche orientieren sich in ihrem Berufswahlverhalten offenkundig an den Zukunftsaussichten einzelner Branchen. Dies führte in den letzten Jahren dazu, daß trotz erheblicher quantitativer Probleme bei der Ausbildungsplatzsituation einzelne Ausbildungsplätze in der Metall- und Elektroindustrie nicht besetzt werden konnten, da keine entsprechenden BewerberInnen gefunden wurden.

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Unter den veränderten konjunkturellen und strukturellen Problemen muß festgestellt werden, daß die vereinbarte Arbeitsteilung zwischen Staat und Wirtschaft im Rahmen des dualen Ausbildungssystemes nicht mehr funktioniert. Diese Aufgabenteilung besagte, daß der Staat die theoretische Berufsausbildung organisiert und bezahlt, mittels Modellversuchen Innovationen im Bereich der Berufsausbildung initiiert und durch ein differenziertes System staatlicher Förderprogramme die Berufsausbildung für Benachteiligte unterstützt bzw. organisiert und finanziert. Die Wirtschaft selbst garantiert eine ausreichende Zahl betrieblicher Ausbildungsplätze und übernimmt damit einen erheblichen Anteil der Kosten zur Sicherung ihres mittelfristigen Personalbestandes.

Öffentlicher Dienst und Industrie haben in den letzten Jahren ihr Ausbildungsangebot deutlich reduziert. Die Steigerungen betrieblicher Ausbildungsplätze in handwerklichen Berufen konnten diesen Rückgang nicht kompensieren. Die vor allem in Ostdeutschland drastisch reduzierte Fertigungstiefe führte im industriellen Bereich dazu, eigene Abteilungen der betrieblichen Berufsausbildung aufzulösen und die mit der Ausbildung verbundenen Leistungen weitgehend über Dritte (Bildungsträger u.a.) abzudecken.

Die Berufsbildungspolitik des Bundes und der Länder versuchte in den letzten Jahren durch eine Vielzahl von staatlichen Förderprogrammen

  • die Ausbildungskosten bei der betrieblichen Berufsausbildung für die Betriebe zu reduzieren,

  • die Ausbildungsbereitschaft durch öffentlichkeitswirksame Appelle zu erhöhen,

  • das verbleibende Ausbildungsplatzdefizit durch einen Ausbau außerbetrieblicher Berufsausbildungsmaßnahmen und Warteschleifen auszugleichen.

Trotz erheblicher Subventionierung betrieblicher Ausbildungsplätze hat dies nicht dazu geführt, daß Betriebe die erforderliche Zahl an Berufsausbildungsplätzen zur Verfügung stellten. Eine weitere Ausweitung staatlicher Subventionen für den betrieblichen Bereich birgt die Gefahr in sich, daß Mitnahmeeffekte ansteigen und die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen von der Gewährung staatlicher Subventionen abhängig gemacht wird.

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Eine Ausweitung außerbetrieblicher Berufsausbildung führt tendenziell zu einem Abkoppeln von Berufsausbildung und Arbeitsmarktentwicklung.

Die Inkaufnahme hoher Jugendarbeitslosigkeit wiederum führt zu erheblichen mittelfristigen sozial-, bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Problemen.

Der Widerspruch zwischen einzelbetrieblichem Entscheidungskalkül (Betriebe entscheiden nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, ob sie ausbilden oder nicht) und gesamtgesellschaftlicher Aufgabe (jeder Jugendliche, der dies will, erhält einen Ausbildungsplatz) ist unter veränderten strukturellen und konjunkturellen Rahmenbedingungen nicht auflösbar. Ohne eine andere Finanzierungsregelung (Umlagefinanzierung - in welcher Form auch immer) sind die genannten Probleme nicht lösbar.

3. Ausbildungsverbünde

Ausbildungsverbünde sind ein wirkungsvolles Instrument, die betriebliche Ausbildungsbereitschaft zu erhöhen. Sie sind um so wirkungsvoller, je eher sie in der Lage sind, umfangreiche Systemlösungen anzubieten. Aufgaben von Ausbildungsverbünden können sein:

  • Schnupperkurse für Schulabgänger in den gewerblich-technischen Berufen,

  • Hilfestellung bei der Auswahl der Auszubildenden,

  • Hilfestellung bei der Gestaltung der Berufsausbildung,

  • Überbetriebliche Fachkurse im Rahmen der berufspraktischen Ausbildung für industrielle Metall- und Elektrounternehmen,

  • Optimierung von Berufsausbildung durch Lernortverzahnung (Berufsschule - überbetriebliche Ausbildung - betriebliche Durchläufe),

  • Innovation in der Berufsausbildung fördern:

    • neue arbeitsorganisatorische Ansätze,

    • neben- und überfachliche Qualifizierung),

    • Umweltschutz als integrierte Aufgabe,

    • Verzahnung Berufsausbildung und mittelfristige Personalentwicklung.

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Ausbildungsverbünde sind ein Instrument zur Verbesserung der Qualität betrieblicher Berufsausbildung und zur Reduzierung betrieblicher Ausbildungskosten durch die Nutzung von Synergien in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der Nutzung der Kapazitäten eines überbetrieblichen Ausbildungszentrums.

Am oben skizziertem Grundwiderspruch können sie nichts verändern. Die Entlastung des Defizits an vorhandenen Ausbildungsstellen ist mit diesem Instrument möglich, jedoch in der Wirkung begrenzt.

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Page Top Arbeitsgruppe II: Ansätze und Konzepte beruflicher Bildung in altindustriellen Regionen
- Statement -

Friedrich Pohlisch
Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt in Sachsen-Anhalt-Thüringen und Maßnahmen der Arbeitsverwaltung


1. Zur Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt

Die Bundesanstalt für Arbeit ist über den Ausbildungsstellenmarkt sehr besorgt.

Sie befürchtet in diesem Jahr einen Ausbildungsstellennotstand, wenn nicht energische Maßnahmen zur Ausbildungsplatzbereitstellung erfolgen!

Die erwartete deutliche Zunahme der Bewerber um Berufsausbildungsstellen ist eingetreten.

Dafür gibt es drei Gründe:

  • erstens: mehr Schulabgänger durch eine höhere Jahrgangsstärke,

  • zweitens: mehr Nachfrager aus früheren Schulentlaßjahrgängen (Warteschleifen. Ausbildungsabbrecher) - zur Zeit bereits über 20% der Bewerber,

  • und drittens: den anhaltend starken Zuspruch, den die duale betriebliche Ausbildung findet.

Die duale Ausbildung wird gegenüber früher auch mehr von älteren Jugendlichen durchlaufen.

Der wachsenden Zahl der Bewerber um Berufsausbildungsstellen steht im Vergleich zu den Vorjahren ein geringeres Angebot an vermittelbaren betrieblichen Berufsausbildungsstellen gegenüber!

Die Zusicherung der Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft, die Zahl der Lehrstellen gegenüber dem Vorjahr zu steigern, wird in Sachsen-Anhalt und Thüringen noch nicht umgesetzt.

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Um für jeden ausbildungswilligen Bewerber eine Lehrstelle zu finden, müssen in Sachsen-Anhalt bis zum Beginn des Ausbildungsjahres 1995 noch etwa 14.000, in Thüringen noch etwa 12.000 Ausbildungsplätze geschaffen werden - bei ca. 10.000 bisher gemeldeten betrieblichen Lehrstellen in Sachsen-Anhalt und 11.000 in Thüringen.

Besonders stark nachgefragt werden von den Jungen die Ausbildungsberufe Kraftfahrzeugmechaniker, Elektroinstallateur, Maurer/Hochbaufacharbeiter, Tischler und Maler. Starke Nachfrage von Mädchen richtet sich auf die Ausbildungsberufe Bürokauffrau, Bankkauffrau, Hotelfachfrau, Einzelhandelskauffrau, Verkäuferin (außer Nahrungsmittelbereich), Verwaltungsfachangestellte, Industriekauffrau, Arzthelferin, Köchin und Friseurin.

2. Maßnahmen der Berufsberatung zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage

Die Berufsberatung wendet sich vor allem unmittelbar an die Unternehmer, Handwerksmeister, Geschäftsinhaber und -führer - besonders an jene, die nicht oder zu wenig ausbilden - und fordert die Ausbildungszusage der Wirtschaftsverbände ein (im Mai zentrale Betriebsbesuchsaktion).

Derzeit bildet nur etwa ein Drittel der bestehenden Firmen aus.

Nach den Feststellungen der Arbeitsämter gibt es in den wirtschaftlichen Schwerpunktbereichen folgende Erscheinungen:

  • Im Handwerk, das in den vergangenen Jahren das Ausbildungsstellenangebot am meisten ausweitete, besteht Zurückhaltung in der Erteilung von Vermittlungsaufträgen, weil bislang die Landesregierungen sich nicht zur Bewilligung finanzieller Mittel für die Förderung der Erstausbildung äußerten - wozu jetzt Entscheidungen in Sachsen-Anhalt und Thüringen vorliegen.

  • Aus der Bauwirtschaft und den Baunebengewerken gibt es weniger Lehrstellen, weil einerseits die Ausbildungsleistungen in den vergangenen Jahren wesentlich erhöht wurden und andererseits nicht wenige Unternehmen wirtschaftliche Probleme haben.

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  • Im Bereich Metall und Elektro verfügen aus den früheren Großbetrieben ausgegründete Klein- und Mittelbetriebe nicht über die Voraussetzung zur Durchführung einer Berufsausbildung nach den Forderungen der Ausbildungsordnungen. Hier könnten z.B. Ausbildungsverbünde einen weiteren Ausbildungsstellenrückgang verhindern.

  • Im Handel sind Umsatzrückgänge als Gründe für einen Ausbildungsstellenabbau bekannt.

  • In den kaufmännischen und Verwaltungs- und Büroberufen, bei der Deutschen Bahn AG und den Nachfolgeunternehmen der Post führen Rationalisierungsmaßnahmen und beim Öffentlichen Dienst Haushaltseinschränkungen zur Reduzierung des Ausbildungsstellenangebotes.

  • Bei den Freien Berufen sind weitere Niederlassungen neuer Praxen Ausnahmen und bei den bestehenden Unternehmen die Ausbildungsmöglichkeiten ausgeschöpft.

Aus regionaler Sicht sind in Sachsen-Anhalt besonders die Arbeitsamtsbezirke Magdeburg, Halle und Merseburg im Vergleich zum Vorjahr vom Ausbildungsstellenrückgang betroffen.

Besonders immer mehr größere Unternehmen ziehen sich aus der Ausbildung zurück.

Spekulieren vielleicht diese Unternehmen darauf, in anderen Firmen die von ihnen ausgebildeten Fachkräfte abzuwerben?

Offensichtlich ist, daß sich in nicht wenigen ausbildenden Unternehmen die betriebliche Ausbildung nicht mehr am Gedanken orientiert, die heranwachsende Generation durch Ausbildung sozial abzusichern. Sie ist nicht mehr auf Versorgung der Jugend mit Ausbildung, sondern im Regelfall nur auf Berufsdeckung der Betriebe mit Nachwuchs gerichtet.

Bemühen sich die Arbeitsämter, den Bewerbern auch Alternativen zu den von ihnen gewünschten Ausbildungen aufzuzeigen?

Aufgrund des mangelnden Stellenangebotes sind viele Jugendliche genötigt, andere Ausbildungen ins Auge zu fassen, als die von ihnen gewünschten.

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Die Berufswähler in den neuen Bundesländern entscheiden sich unter den vorhandenen Angeboten für die Alternativen, die attraktiv sind. Attraktiv ist, was Einkommen durch Berufsausübung erwarten läßt.

Obwohl das Ausbildungsstellenangebot bei weitem nicht ausreicht, gibt es Ausbildungsstellen, die bisher nicht ausreichend nachgefragt werden!

Dazu zählen in vielen Arbeitsämtern die Ausbildungsberufe Landwirt, Chemikant, Kunststoff-Formgeber, Zerspannungs- und Konstruktionsmechaniker, Schlosser/Metallbauer, Industriemechaniker, Werkzeugmechaniker, Energieelektroniker, Straßenbauer, Tiefbaufacharbeiter, Fleischer, Fachverkäufer im Nahrungsmittelhandwerk, Schornsteinfeger, Ver- und Entsorger.

3. Verbund- und Kooperationsformen in der Berufsausbildung könnten Unternehmen, die selbst nicht die Voraussetzungen zur Umsetzung der Ausbildungsordnungen erfüllen, die Einstellung von Auszubildenden ermöglichen

Vom Bundesinstitut für Berufsbildung vor kurzem vorgestellte Varianten von Verbundausbildungen sollten verbreitet umgesetzt werden:

Mehrere Ausbildungslösungen in Sachsen-Anhalt und in Thüringen sind schon dementsprechend angelegt.

Die Variante der Realisierung einzelner Ausbildungsphasen bei Bildungsträgern oder anderen Unternehmen mit Ausbildungskostenerstattung durch die Unternehmen, die die Lehrlinge einstellen, wird vielerorts realisiert, so z.B. im Bildungsverbund Chemie und Technik Halle.

Viele Betriebe stellen Auszubildende ein und lassen bestimmte Phasen ihrer Ausbildung, die sie selbst nicht realisieren können, in einem anderen Unternehmen oder bei einem Bildungsträger gegen Entgelt ausbilden.

Der Variante, daß Betriebe mit anderen einen Ausbildungsverein gründen, der die Ausbildung der von den einzelnen Unternehmen eingestellten Lehrlinge organisiert und möglicherweise ganz oder zeitweise zentralisiert in einem Ausbildungsbetrieb überbetrieblich ausbildet, entspricht die in der Bauwirtschaft organisierte Berufsausbildung (so z.B. im Verein zur

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Berufsförderung der Bauindustrie in Sachsen-Anhalt e.V., mit den neuen Ausbildungszentren Holleben und Magdeburg).

Diese Variante liegt auch den Berufsausbildungen an den Standorten Leuna und Bitterfeld für die Unternehmen der chemischen Industrie zugrunde.

Das LAA Sachsen-Anhalt-Thüringen ist für jede betriebsnah organisierte außerbetriebliche Berufsausbildung, die die in den Ausbildungsordnungen geforderte Qualität gewährleistet. Ein Garant dafür ist für unsere Arbeitsämter eine von den zuständigen Kammern initiierte und organisierte duale Ausbildung.

Auf Initiative der IHK Erfurt wurde jetzt der Firmenausbildungsverbund Wartburgkreis e.V., mit 41 Mitgliedsunternehmen gegründet. Er beginnt, sich jetzt Berufsausbildungen zuzuwenden und wird damit noch im Ausbildungsjahr 1995 starten.

Weitere Ausbildungsverbünde werden im Bereich der Handwerkskammern Magdeburg und Halle entstehen. Sie sollen sich insbesondere den Ausbildungen im kaufmännischen Bereich für das Handwerk zuwenden.

Erwartet wird von uns natürlich, daß aus solchen Ausbildungsverbundlösungen zusätzliche Ausbildungsplätze resultieren, sicher kaum noch für 1995, aber hoffentlich in den kommenden Jahren!

Wir benötigen diese Ausbildungslösungen, damit wir unseren gesetzlichen Auftrag der Berufsausbildungsstellenvermittlung an die ausbildungswilligen Jugendlichen erfüllen können.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000

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