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TEILDOKUMENT:

Podiumsdiskussion: Öko-Steuern - Weg zu mehr und qualifizierter Beschäftigung?



Birgit Ladwig
Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr/ÖTV
- Statement -


[Seite der Druckausg.: 75 ]

Die Gewerkschaft ÖTV hat sich in ihrer Satzung verpflichtet, sich für Vollbeschäftigung und die Förderung eines umweltverträglichen wirtschaftlichen Handelns einzusetzen. Umweltverträglichkeit und Sozialverträglichkeit gehören für uns untrennbar zusammen.

Wir sagen, daß für das Erreichen umweltpolitischer Ziele nicht nur auf ein oder nur wenige umweltpolitische Instrumente gesetzt werden kann. Unterschiedliche Interessen im Bereich der Energie-, Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschafts- und Industriepolitik müssen dabei zusammengeführt werden. Aber ich will und kann hier nicht die Gesamtheit der umweltpolitischen Vorschläge der Gewerkschaft ÖTV vortragen, da es auf dieser Tagung vornehmlich um Öko-Steuern geht.

Die DGB-Gewerkschaften haben sich Ende 1991 auf die Forderung nach einer allgemeinen Energieabgabe verständigt, die auf alle nicht-regenerativen Energieträger erhoben werden soll. Das Finanzaufkommen sollte daraus zweckgebunden für Energieeinsparungsinvestitionen, die Förderung regenerativer Energiequellen sowie als Überbrückungshilfe für Strukturanpassungen privater Haushalte und Unternehmen verwendet werden.

In der Zeit danach, besonders im Sommer 1994, kam eine neue Dynamik und neue Qualität in die Öko-Steuerdiskussion, weil das Thema Aufkommensneutralität verstärkt eine Rolle spielte. Dies hat auch die gewerkschaftliche Diskussion weiter angeregt. In einem gemeinsamen Antrag der IG Chemie-Papier-Keramik, der IG Metall und der Deutschen Postgewerkschaft auf dem DGB-Bundeskongreß vom Juni 1994 wird eine entschiedene sozialökologische Reformstrategie gefordert. Dazu gehört u.a. die Forderung nach einer ökologischen Steuerreform und einer Modernisierung des Ordnungsrechts. Zumindest sollten diese Instrumente weiterentwickelt und systematisiert werden.

[Seite der Druckausg.: 76 ]

Auch die Gewerkschaft ÖTV hat sich in ihrem Antrag für den DGB-Kongreß zum Umweltschutz als gewerkschaftliche Reformaufgabe für eine ökologisch-orientierte Steuer- und Abgabenpolitik (sowie kommunale Tarif- und Gebührengestaltung) zur Beschleunigung des ökologischen Umbaus ausgesprochen. Dazu gehört unserer Auffassung nach ebenfalls die verursachergerechte Anlastung gesellschaftlicher Folgekosten. Bezogen auf die Instrumente verfolgen wir einen umfassenden Ansatz, der Steuer- und Abgabenlösungen ebenso einbezieht wie Regulierung.

Ich habe eingangs gesagt, daß Sozialverträglichkeit gleich nach der ökologischen Treffsicherheit und Wirksamkeit für die Gewerkschaft ÖTV von höchster Priorität ist. Umweltschutzpolitik im Sinne einer langfristigen Gesundheitsvorsorge gehört für uns zu den Aufgaben des Sozialstaats. Das Erfordernis der sozialen Gerechtigkeit verlangt, daß für Arbeitnehmerhaushalte durch Ökosteuern keine zusätzliche verteilungspolitische Schieflage entsteht.

Unter diesem Blickwinkel haben wir besonders kritisch die genannte DIW-Studie geprüft, die u.a. zu dem Ergebnis kam, daß per saldo bis zum Jahre 2005 ca. 500.000 Arbeitsplätze durch eine Ökosteuerreform geschaffen werden könnten. Damit wurden zum ersten Mal Berechnungen über Beschäftigungseffekte vorgelegt, deren Trend durch spätere Untersuchungen bestätigt wurde. M.E. wäre hier aber noch eine genauere sektorspezifische Untersuchung der Beschäftigungswirkungen einer Öko-Energiesteuer und anderer begleitender umweltpolitischer Maßnahmen notwendig. Sonst diskutiert man zu allgemein über die betroffenen Sektoren. So wird z.B. oft gesagt, die Gewerkschaft ÖTV trete nur deshalb für die Einführung von Energiesteuern ein, weil ihre Organisationsbereiche nicht so stark davon belastet wären. Das ist eine viel zu pauschale und deshalb falsche Sichtweise. So muß man z.B. den Verkehrssektor oder die Energiewirtschaft viel differenzierter betrachten. Der Straßengüterverkehr ist möglicherweise ceteris paribus negativ betroffen; ganz anders sähe es jedoch beim Verkehrsträger Binnenschiffahrt und beim ÖPNV aus. Hier hängt aber viel von flankierenden verkehrspolitischen Maßnahmen ab. Würden Energiedienstleistungen und regenerative Energie eine höhere Bedeutung erlangen, so ist auch in diesem Sektor nicht mit gravierenden negativen Beschäftigungseffekten zu rechnen.

[Seite der Druckausg.: 77 ]

Trotzdem will ich nicht darum herumreden, daß Beschäftigungsverluste aufgrund einer Öko-Energiesteuer unter Umständen regional sehr stark konzentriert sein können, was dort zu erheblichen sozialpolitischen Verwerfungen führen kann. Andererseits muß man sich darüber klar sein, daß damit nur eine Entwicklung beschleunigt wird, die sich langfristig ohnehin abzeichnet. Man muß daher die Chance ergreifen, diesen Prozeß zum Wohl aller zu steuern.

Ein gesellschaftlicher Konsens über die Einführung einer Öko-Energiesteuer kann deshalb aus unserer Sicht nur in Betracht kommen, wenn der dadurch ausgelöste und gewollte Strukturwandel mit regional- und strukturpolitischen Maßnahmen begleitet wird. Dabei muß auch Fehlern vergangener strukturpolitischer Ansätze gelernt werden. Zur Abfederung der negativen Beschäftigungseffekte in bestimmten Sektoren ist für die Gewerkschaft ÖTV eine steuernde, pro-aktive und mit allen arbeitsmarkt-politischen Akteuren abgestimmte Struktur- und Regionalanpassungspolitik, die mit einer breiten Qualifizierungsoffensive verknüpft werden muß, unabdingbare Voraussetzung.

Ich sagte vorhin auch, daß verteilungspolitische Effekte für die ÖTV von Bedeutung sind. Das Rückgabemodell, das in dem DIW-Gutachten für die Unternehmen vorgesehen ist, lehnen wir ab. Dort wird vorgeschlagen, die Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung zu senken. Dies sehen wir deshalb als problematisch an, weil damit das Prinzip der bundesdeutschen Sozialversicherungen durchbrochen wird, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen beitragspflichtig sind. Dieses Prinzip ist zwar schon im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung verletzt worden, aber das ist für uns kein Grund, dies auch noch in anderen Bereichen zuzulassen. Hier müssen andere Wege gefunden werden, um die effektive Gesamtbelastung mit Steuern und Abgaben in unserer Volkswirtschaft durch Öko-Steuern nicht steigen zu lassen.

Abschließend will ich noch ein paar Punkte anreißen. Eine Öko-Energiesteuer ist für uns nur ein Baustein einer sozialökologischen Reformpolitik. Sie kann eine umweltorientierte Energie-, Verkehrs- und Raumordnungspolitik nicht ersetzen. Ebensowenig werden wir ohne Ordnungspolitik und Regulierungssysteme als weitere Bestandteile des umweltpolitischen Instrumentenmix auskommen. Indirekte Öko-Steuern können meines Erachtens auch so wichtige Steuern wie Lohn- und Einkommensteuer nicht

[Seite der Druckausg.: 78 ]

ersetzen, die ja nicht eigentlich am Faktor Arbeit ansetzen, sondern bei denen nach Leistungsfähigkeit besteuert werden soll. Von einer solchen gerechten Steuerpolitik entfernen wir uns leider immer mehr, was wiederum negative Beschäftigungseffekte nach sich zieht.

Die Gewerkschaft ÖTV plädiert für die Einführung einer Energiesteuer auf internationaler oder wenigstens europäischer/OECD-Ebene. Nach Stand der Dinge werden auf dieser Ebene jedoch kurzfristig keine ökologisch wirksamen Vereinbarungen zu erwarten sein. Eine Politik des „aktiven Zuwartens" kann aber nicht länger verantwortet werden. Deshalb hat sich der geschäftsführende Hauptvorstand der Gewerkschaft ÖTV für den Einstieg in die Öko-Energiesteuer auf nationaler Ebene als Second-best-Lösung ausgesprochen, gleichzeitig aber auch die Bundesregierung aufgefordert, schnellstmöglich entsprechende Schritte in der EU zu forcieren.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000

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