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[Seite der Druckausg.: 33 ]


Josef Peters
Mitbestimmung und Beteiligung im Handwerk


Die betriebliche Mitbestimmung ist im Handwerk, im Gegensatz zum Bereich der Bauindustrie, wenig ausgeprägt. Ja, man kann schon sagen, sie besitzt auf der betrieblichen Ebene kaum eine Bedeutung.

Dies belegen beispielsweise Zahlen aus dem Bereich des Dachdeckerhandwerks, wobei ich meine, daß diese größenordnungsmäßig sicherlich auch auf andere Handwerksbereiche, beispielsweise das Bäckerhandwerk oder das Friseurhandwerk, übertragbar sind.

Vorausschicken möchte ich für das Dachdeckerhandwerk, daß dort die durchschnittliche Betriebsgröße bis zur Wiedervereinigung bei ca. sieben bis acht Mitarbeitern lag. Nach der Wiedervereinigung ist die durchschnittliche Betriebsgröße auf ca. 11 Mitarbeiter angestiegen.

Nach den nun im Dachdeckerhandwerk vorliegenden Erkenntnissen liegen die Betriebe, bei denen ein Betriebsrat installiert ist, bundesweit bei unter 10%. Große Unterschiede sind jedoch hier in Abhängigkeit von der Betriebsgröße festzustellen.

Aus einer betrieblichen Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks ergibt sich, daß insbesondere bei den Betrieben bis zu einer Beschäftigungsanzahl von zehn Mitarbeitern der Organisationsgrad 1 bis 2% beträgt, d.h. also eigentlich gegen Null tendiert. Erst bei einer Beschäftigtenzahl von etwa 11 bis 20 Mitarbeitern steigt dieser Prozentsatz auf 5,6% an, und eine spürbare Mitbestimmung in einzelnen Betrieben ist letztlich erst bei einem Beschäftigungsstamm von 21 bis 50 Beschäftigten mit ca. 22% festzustellen. Bei Betrieben mit über 50 Beschäftigten liegt dann der Prozentsatz bei 50%.

Das Ergebnis beweist eindeutig, daß in der überwiegenden Mehrzahl der in Deutschland organisierten Dachdeckerbetriebe - und ich betonte bereits eingangs, daß diese Zahlen meines Erachtens übertragbar sind auch auf wesentliche Bereiche des übrigen Handwerks, da dort vielfach noch kleinere Betriebseinheiten auf dem Arbeitsmarkt tätig sind - die Einrichtung eines Betriebsrats von den Beschäftigten nicht für notwendig erachtet wird.

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Welche Gründe können für die vorgeschilderte Sachlage angeführt werden?

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Die Zahlen sprechen für ein durchweg gutes Betriebsklima in den Betrieben und einen funktionierenden Informationsfluß zwischen dem Betriebsinhaber und den Mitarbeitern auf der Basis einer geeigneten Betriebsorganisation.

Ein weiterer Grund für eine nahezu nicht existente betriebliche Mitbestimmung in Klein- und Mittelbetrieben des Handwerks dürfte in der personellen Verbundenheit zwischen dem Betriebsinhaber, sprich Meister, und seinen Mitarbeitern zu sehen sein. Gerade bei Kleinbetrieben handelt es sich vielfach um Einzelunternehmen, wo der persönlichkeitsbezogene Unternehmenscharakter überwiegt.

In Betrieben mit beispielsweise fünf Beschäftigten ist der Meister häufig mit auf der Baustelle tätig und wird folglich jederzeit unmittelbar mit den Problemen vor Ort - seien sie betriebsorganisatorischer oder personeller Art - konfrontiert. Er erkennt durch die Einbindung in den praktischen Arbeitsablauf schnell und unbürokratisch die betrieblichen Notwendigkeiten.

Auch sollte ein heute noch vielfach ausgeprägter mentalitätsbedingter Vorbehalt sowohl auf Seiten des selbständigen Handwerkers als auch bei dem typischen Gesellen und Helfer gegenüber bürokratischen Hemmnissen und formellen Verkomplizierungen nicht außer acht gelassen werden. Auch hier ist sicherlich ein Begründungsansatz zu finden.

Nicht unerwähnt bleiben soll jedoch auch die Vorgabe des Betriebsverfassungsgesetzes. Demnach kann ein Betriebsrat bestehend aus einer Person, dem Betriebsobmann, erst bei fünf bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern eingesetzt werden. Unter Beachtung dieser gesetzmäßig vorgegebenen Bandbreite kommt hinzu, daß mindestens drei wählbare Arbeitnehmer in dem jeweiligen Betrieb tätig sein müssen.

Selbstverständlich muß auch erkannt werden, daß mit steigender Betriebsgröße, vor allem in Großbetrieben mit mehr als 50 Beschäftigten, die Existenz eines Betriebsrats zunimmt. Die Größe der Existenz von Betriebsräten insbesondere bei Großbetrieben auch des Dachdeckerhandwerks ergibt sich entsprechend der wachsenden Bedeutung von Fragen

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und deren Regelung zwischen Betriebsinhabern und Betriebsrat, wie z.B. einer übergeordneten Urlaubsplanung, Arbeitszeitregelung, Behandlung von übertariflichen Gratifikationen, Personalplanung mit Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern, Bildungsurlaub, berufliche Weiterbildung, Regelung der Arbeitszeit und Pausenzeiten, Ruhestand etc. Je größer eine Betriebseinheit wird, desto genereller und übergeordneter muß das betriebliche Regelwerk geschaffen werden, desto weniger kann individuell eine Einzelfallregelung, die vielfach sicherlich sachgerechter ist, getroffen werden.

Eine weitere Ursache - und hier spreche ich wiederum aus Sicht des Dachdeckerhandwerks - für die in den überwiegenden Betrieben nicht vorhandene Mitbestimmung ist sicherlich auch der geringe gewerkschaftliche Organisationsgrad. Zielgruppe für die Mitgliederwerbung der Gewerkschaft sind vor allem Großbetriebe, da hier strukturbedingt mehr Organisationsfragen der Arbeitnehmerschaft anfallen.

Insgesamt und zusammenfassend komme ich auch aus meiner Erfahrung als rechtsberatender Vertreter des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks zu dem Ergebnis, daß ein Bedürfnis für ein Gremium der betrieblichen Mitbestimmung in sogenannten klein- und mittelständischen Betrieben bis ca. zehn Beschäftigten nicht erkennbar ist. Hier, so meine ich, ist „die Welt noch in Ordnung". Problemlösungen erfolgen unkompliziert, unbürokratisch und schnell, und ich bin davon überzeugt, vielfach nicht zu Lasten des Arbeitnehmers. Zum einen darf nicht verkannt werden, daß gerade in kleinbetrieblichen Organisationseinheiten der Unternehmer sehr stark von der Motivation und der Flexibilität seiner Mitarbeiter lebt. Er hat weniger Spielraum, Krankheitsfälle oder sonstige Arbeitsausfälle zu ersetzen. Meistens gibt es eins, zwei, drei Kolonnen aus zwei bis drei Mitarbeitern bestehend, die dann wiederum beispielsweise spezialisiert auf Flachdacharbeiten oder Schieferarbeiten tätig sind. Fällt beispielsweise ein Geselle einer Kolonne aus, liegt vielfach die gesamte Tätigkeit der Gruppe lahm. Schieferdecker können regelmäßig keine Flachdachabdichtungen verrichten und umgekehrt. Auch die Auszubildenden können in diesen Fällen nur eingeschränkt eingesetzt werden. Dies alles ist in größeren Betrieben nicht so problematisch, da kann leichter ausgetauscht und umstrukturiert werden.

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Schließlich kommt meines Erachtens aber auch hinzu, daß der einzelne Arbeitnehmer vielfach bestens über seine Rechte informiert ist. Dies beweist nicht nur die Vielzahl der bei Arbeitsgerichten anhängigen Kündigungsschutzverfahren oder sonstiger Streitverfahren. Ist der Arbeitnehmer nicht gewerkschaftlich organisiert, so besitzt er jedenfalls eine Rechtsschutzversicherung, aufgrund derer er ohne Kostenrisiko Rechtsfragen außergerichtlich oder notfalls vor Gericht einer Klärung zuführen kann.

Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene ist da sinnvoll, wo entsprechender Regelungsbedarf besteht. In klein- und mittelständischen Betrieben des Handwerks kann dieser jedoch nicht festgestellt werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2000

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