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Ruth Brandherm
Zusammenfassung


In Deutschland nimmt der Anteil der über 60jährigen in den nächsten 30 Jahren deutlich zu und wird auf über ein Drittel der Bevölkerung ansteigen. Die Herausforderungen, die mit dem demographischen Wandel verbunden sind, müssen aufgegriffen und für die Entwicklung neuer Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft genutzt werden.

Das Altern der Gesellschaft bietet nach Ansicht von Wilhelm Schmidt nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. In den USA und in Japan ist die Forschung und die öffentliche Diskussion darüber bereits fortgeschritten. Die potentiellen Ressourcen des Alter(n)s stehen dabei im Vordergrund. Bei uns ist die Diskussion noch in den Anfängen, und ein neuer gesellschaftlicher Konsens über die Rolle der Älteren in unserer Gesellschaft steht noch aus. Untersuchungen belegen, daß Alter keineswegs gleichzusetzen ist mit Krankheit und Siechtum, sondern in verschiedene Phasen unterteilt werden kann, und sehr verschiedene Ausprägungen annimmt. Bei den sogenannten jungen Alten, der Altersgruppe zwischen 60 und 75, gibt es ein überdurchschnittliches soziales, kulturelles, politisches und sportliches Engagement. Eine beträchtliche Zahl Älterer engagiert sich in vielfältigen nachberuflichen Tätigkeiten und trägt z.B. als Seniorexperte/in, in Ehrenämtern und durch vielfältige Unterstützungsleistungen innerhalb und außerhalb der Familien zum gesellschaftlichen Wohlstand bei. Als Konsumenten und Nachfrager von Produkten und Dienstleistungen, d.h. als finanzkräftiges Käuferpotential, erfährt diese Gruppe bisher jedoch nur geringe Aufmerksamkeit. Die Mehrzahl der Produktentwickler, Marketingexperten und Verkaufsstrategen richtet ihre Angebote vorwiegend an jüngere Zielgruppen und vernachlässigt diese, auch wirtschaftlich interessanten Kunden. Durch veränderte Leitbilder können Blockaden abgebaut und neue Orientierungen und Angebote gefördert werden.

Die Orientierung an den Bedürfnissen älterer Kunden wird für die Wirtschaft interessanter, da diese Zielgruppe immer mehr an Bedeutung gewinnt, so die Ausgangsthese von Hanne Meyer-Hentschel. Einzelne Unternehmen beginnen damit, ihre Produkte oder Dienstleistungen auf die Bedürfnisse Älterer auszurichten und sich vom Jugendkult zu lösen. Dabei geht es vor

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allem darum, den Veränderungen, die mit dem Alterungsprozeß verbunden sind, feinfühlig Rechnung zu tragen, sinnlose Barrieren und Behinderungen zu erkennen und abzubauen und den „Wohlfühlfaktor für Ältere" zu erhöhen. Schon heute lassen z.B. 20% der älteren Kunden Produkte dann stehen, wenn sie sich über die Verpackung geärgert haben. Diese „neuen Spielregeln" machen bei den Anbietern und Produzenten ein Umdenken erforderlich, das - so die Überzeugung von Hanne Meyer-Hentschel - letztendlich allen Kunden zugute kommt. Ein von der Autorin mit entwickelter „Age Simulator" soll für die Alltagsprobleme Älterer sensibilisieren

Mit der Einkommenslage und der Einkommensverwendung im Alter und den sich dabei abzeichnenden zukünftigen Trends beschäftigt sich der Beitrag von Winfried Schmähl. Die Einkommenssituation älterer Menschen ist sehr heterogen und wesentlich geprägt durch die vorangehenden Lebensphasen, durch Bildung, Erwerbstätigkeit sowie den Möglichkeiten zur Einkommenserzielung und zur Altersvorsorge. Die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nimmt als Einkommensquelle eine überragende Rolle ein. In Westdeutschland treten weitere Einkünfte, wie z.B. Vermögenserträge aus Sparanlagen und/oder Immobilien hinzu. In Westdeutschland ergeben sich deutliche Einkommensunterschiede, während sich in Ostdeutschland die Einkommenssituation im Alter homogener darstellt. Durch die betriebliche Alterssicherung, die in Ostdeutschland nur eine geringe Rolle spielt, werden Einkommensunterschiede tendenziell noch verstärkt. Schmähl weist darauf hin, daß von einer Einkunftsart, z.B. einer niedrigen Rente, jedoch nicht auf das Gesamteinkommen geschlossen werden kann. Bei der Verwendung des Einkommens zeigt sich, daß Rentner im Vergleich zu Arbeitern und Angestellten insgesamt höhere Ausgaben für den privaten Verbrauch und eine geringere Sparquote aufweisen. Prognosen über die Einkommen im Alter erweisen sich angesichts der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, der Veränderung von Erwerbsverläufen und Familienstrukturen sowie den sich ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als äußerst schwierig. Insbesondere die Modifizierung sozialrechtlicher Regelungen, wie z.B. die Zuzahlungen im Krankheitsfall, Veränderungen bei der Pflegeversicherung und bei den Alterssicherungssystemen, werden die Einkommenslagen im Alter in Zukunft erheblich beeinflussen.

Das Thema „Demographischer Wandel" hat nach Beobachtungen von Alexander Leschinsky inzwischen die Marketing-Abteilungen erreicht. Der

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Zielgruppe 60plus gehört die Zukunft. Ältere werden zahlenmäßig immer bedeutsamer, und als „reichste Alte aller Zeiten" kann die Wirtschaft, obgleich vielfach noch auf jüngere Käufergruppen orientiert, sie nicht länger ignorieren. Die Alten haben aber nicht nur finanzielle Marktmacht. Ihr Selbstbewußtsein und ihre Kritikfähigkeit wird durch die Tatsache, daß nun zunehmend auch die 68er Generation in dieser Altersgruppe vorrückt, vermutlich deutlich zunehmen. Trotz dieser Fakten empfinden sich Ältere häufig als „unsichtbare" Generation, deren Interessen und Bedürfnisse zu wenig Berücksichtigung finden. Ihre stärkere Orientierung am Produkt- bzw. Verbrauchsnutzen stellt neue Anforderungen an Produktgestaltung und Handhabbarkeit und könnte als altersneutrales Qualitätsmerkmal allen Konsumenten zugute kommen. Ältere wollen allerdings nicht als Personengruppe mit vermeintlichen Defiziten angesprochen werden, wie Alexander Leschinsky an erfolgreichen Beispielen von Produktmarketing illustriert. Für eine erfolgreiche Ausrichtung auf die Zielgruppe 60plus ist neben der Betonung des Gebrauchsnutzens des Produkts die Einfachheit und intuitive Bedienbarkeit wichtig. Ältere Kunden schätzen die persönliche Ansprache und achten besonders auf das Preis-Leistungs-Verhältnis.

In der Werbebranche gilt die Altersgruppe ab 50 nach Einschätzung von Sven Schrader aus zwei Gründen als schwierig: Als Massenzielgruppe steht sie im Widerspruch zum allgemeinen Trend der Individualisierung und Ausdifferenzierung von Milieus und der Fragmentierung von Marken, die eine möglichst zielgenaue Ansprache der Kunden erforderlich machen. Außerdem ist der Umgang mit der Altersgruppe durch verbreitete Ängste und Vorurteile gegenüber Älteren belastet. In der Ansprache dieser Käufergruppe zeigt sich die Werbung in Deutschland noch wenig kompetent und kreativ. Unter der Bezeichnung „best age marketing" hat die Verlagsgruppe Bauer eine Initiative entwickelt, um die Zielgruppe für Werber interessanter zu machen und den Umgang mit ihr zu erleichtern. Am Beispiel der Frauenzeitschriften erläutert Sven Schrader, daß die Altersgruppe ab 50 allein 47% dieser Zeitschriften erwirbt. Die Gruppe der sogenannten „best ager", d.h. Frauen ab einem Durchschnittsalter ab 45 Jahren, kaufen sogar 80% aller Frauenzeitschriften. Demgegenüber fließen jedoch nur 19% der Werbeinvestitionen in Zeitschriften mit einer Leserinnenschaft ab 50. Überwiegend wird Werbung in Zeitschriften für Jüngere getätigt. Die Diskrepanz zwischen Vertriebsleistung und der Nutzung als Werbeträger spiegelt sich auch in den Zeitschriften des Bauer-Verlages. Nach Ansicht von Sven Schrader

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entscheidet sich an dieser Zielgruppe zukünftig für Marketing-Experten der Erfolg oder Mißerfolg eines Produkts.


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