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Ruth Brandherm

Zusammenfassung


Bei der Suche nach Lösungsansätzen zur Bewältigung der Krise am Arbeitsmarkt gilt die Aufmerksamkeit auch der Frage, wie die Instrumente und Maßnahmen wirksamer und finanziell effizienter gestaltet werden können. Für die Maßnahmekonzeption und die Träger von Maßnahmen bedeutet dies, Angebote marktnäher zu gestalten und sich selbst stärker an Wirtschaftlichkeitskriterien zu orientieren, ohne gleichzeitig die Zielsetzung, die Integration von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt, zu vernachlässigen. Die Beiträge der Veranstaltung, die gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit - Koordinierungsstelle Ost-West e.V., Berlin durchgeführt wurde, vermitteln einen Eindruck von Konzepten, praktischen Ansätzen und von Positionen, die dazu gegenwärtig in der Diskussion sind.

Die Anforderungen an die Arbeitsmarktpolitik des Landes Sachsen-Anhalt in den unterschiedlichen Phasen des Transformationsprozesses stellt Gerlinde Kuppe dar. Der massive Arbeitsplatzabbau in der Chemieindustrie konzentrierte sich auf bestimmte Regionen und erforderte Auffangmaßnahmen, die gleichzeitig strukturverbessernd und innovationsfördernd ausgerichtet waren. Veränderte Rahmenbedingungen machen jedoch in den letzten Jahren eine Anpassung der Förderpolitik notwendig: Neben einer verstärkten Zielgruppenorientierung, der Erschließung neuer Kofinanzierungsquellen und der Ausrichtung auf wirtschaftsnahe Organisationsformen gewinnt die Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik - im Sinne einer stärker an den jeweiligen regionalen Erfordernissen ausgerichteten Förderpolitik und der Einbeziehung der regionalen Entscheidungs- und Finanzträger - zunehmend an Bedeutung.

Die Möglichkeiten und Grenzen kommunalen Arbeitsmarktpolitik stehen im Zentrum des Beitrags von Hajo Hoffmann. Der Rückzug des Bundes aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist für die Kommunen mit gravierenden Konsequenzen verbunden und führt - durch den stetigen Anstieg der Sozialhilfeleistungen - zu erheblichen finanziellen Belastungen. Am Beispiel Saarbrückens zeigt Hoffmann die Möglichkeiten auf, die im Rahmen der kom-

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munalen Beschäftigungsförderung existieren. Er dämpft Erwartungen an deren Reichweite, da die kommunalen Initiativen bei weitem nicht in der Lage sind, die immer größer werdende Arbeitsplatzlücke zu schließen. Allerdings existieren auf der kommunalen Ebene auch Handlungsmöglichkeiten, die, kreativ umgesetzt, einen Beitrag zur Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung leisten können. In Saarbrücken werden integrierte Maßnahmen genutzt, um sowohl arbeitsmarkt- als auch sozial-, Jugend- und stadtentwicklungspolitische Ziele zu erreichen. In der Stadt sind die Beschäftigungs- und Wirtschaftsförderung eng verzahnt, die Instrumente des AFG und des BSHG miteinander sinnvoll verknüpft und in enger Kooperation mit den regionalen Entscheidungsträgern und Akteuren eingesetzt.

In Niedersachsen werden seit 1991 „Soziale Betriebe" als Versuch einer erwerbswirtschaftlich orientierten öffentlichen Beschäftigungspolitik gefördert. Ihre Zahl ist inzwischen auf 81 Betriebe angewachsen. Ziel ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze für besonders benachteiligte Zielgruppen des Arbeitsmarktes, die nur bedingt von den sonstigen Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik erreicht werden. Die Teilnehmer werden auf sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen beschäftigt, qualifiziert und sozialpädagogisch begleitet. Das Konzept und die damit bisher erzielten Ergebnisse stellt Gerhard Christe vor. Das degressive Förderkonzept legt fest, daß die Betriebe nach fünf Jahren ohne finanzielle Förderung am Markt weiterbestehen. Es zeigt sich, daß die Bandbreite der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der sozialen Betriebe erheblich variiert. Der Autor warnt allerdings davor, dies zum alleinigen Erfolgskriterium zu erklären und den Rückfluß an die öffentliche Hand durch Steuern und Sozialversicherungsabgaben unberücksichtigt zu lassen.

Für benachteiligte Arbeitslose wird es - so die zentrale These von Detlef Scheele und Carmen Michaelis-Hiemke - in Deutschland zukünftig keine finanzierbare Arbeit zu marktüblichen Bedingungen geben. Deshalb ist auf absehbare Zeit ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor erforderlich. Beschäftigungsgesellschaften verlieren ihren temporären Charakter und entwickeln sich zu einer gesellschaftlichen Dauerinstitution. Hieraus werden Anforderungen in Richtung einer stärkeren Profilierung und Professionalisierung abgeleitet. Notwendig ist ein Prozeß der Unternehmensstrukturierung, der Personal- und Organisationsentwicklung, der sicherstellt, daß Beschäftigungsgesellschaften sich von sozialen Projekten zu leistungsfähigen

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Unternehmen mit sozial- und arbeitsmarktpolitischen Aufgaben weiterentwickeln.

Die Positionen zu den Rahmenbedingungen und den Umsetzungsmöglichkeiten für eine integrative Arbeitsmarktpolitik werden in den Statements der Teilnehmer einer Gesprächsrunde deutlich:

Eine dringende Überprüfung und Modifizierung der bisherigen Ausrichtung und der Instrumente der Arbeitsmarktpolitik, vor allem in den ostdeutschen Ländern, ist nach Ansicht von Robert Reichling erforderlich. Das angestrebte Ziel, die Integration in den ersten Arbeitsmarkt, wird nicht im gewünschten Umfang erreicht, und z.T. entfalten die Maßnahmen sogar unerwünschte Wirkungen. Arbeitsplätze entstehen nicht zwischen Markt und Staat, sondern nur im Markt. Durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen und einen stabilen Wachstumspfad können in Deutschland wieder neue Arbeitsplätze entstehen und Arbeitslosigkeit abgebaut werden. Das reformierte Arbeitsförderungsgesetz eröffnet Chancen für eine stärkere Ausrichtung der Maßnahmen an den Erfordernissen des ersten Arbeitsmarktes und für mehr Eigeninitiative der Arbeitslosen.

Die Notwendigkeit einer Neuorientierung im Bereich der Arbeitsmarktförderung besteht vor allem angesichts des finanziellen Drucks, der auf den Kommunen lastet, betont Ottmar Schreiner. Neben erfolgreichen Bündnissen für Arbeit auf der betrieblichen Ebene und in den Regionen ist die Erschließung neuer Beschäftigungsfelder erforderlich. Ziel ist, vorhandene Mittel zu binden. Synergieeffekte zu erzielen und neue Ideen schneller umzusetzen. In NRW sind regionale Entwicklungskonzepte und lokale Beschäftigungsinitiativen zukunftsweisende Ansätze. Die Politik und die Programme der Bundesregierung stehen allerdings in krassem Gegensatz dazu: Rückzug aus der Arbeitsmarktpolitik, Kürzung der Mittel und Verschärfung der Zugangsbedingungen wie auch die Verlagerung von Kosten auf die Kommunen sind nicht geeignet, die Probleme am Arbeitsmarkt zu beseitigen, Der Gesetzentwurf der SPD für ein Arbeits- und Strukturförderungsgesetz ist darauf orientiert, Arbeit zu fördern, statt Arbeitslosigkeit zu bezahlen, Qualifizierung zu fördern und neue wirtschaftsnahe Förderinstrumente zu unterstützen.

Die gegenwärtige Arbeitsmarktpolitik läßt nach Auffassung von Matthias Schulze-Böing keinen integrativen Ansatz erkennen. Notwendig ist insbe-

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sondere, die bestehende Zersplitterung der verschiedenen Handlungsebenen und Akteure aufzuheben. In den Kommunen und in Projekten auf lokaler Ebene gibt es innovative Ansätze, die weiterzuentwickeln sind. Dabei muß es darum gehen. Sozialhilfe und Arbeitsförderung wieder in sinnvoller Weise zu integrieren, vorhandene Institutionen und Strukturen auf ihre Angemessenheit zu überprüfen und zu dezentralisieren. Neue Konzepte einer arbeitsweltorientierten Hilfeplanung, einer investiven und produktiven Umgestaltung der Sozialhilfe und eines „Fallmanagements" sind notwendig und könnten dem dringenden Reformbedarf der Sozialhilfe Rechnung tragen. Die Brücken zu anderen Politikfeldern müssen verstärkt und Arbeitsmarktpolitik als Teil der regionalen Strukturentwicklungspolitik gefaßt werden. Notwendig ist auch eine Neuorientierung der Finanzierung, u.a. ein erhöhter Steuerfinanzierungsanteil.

In den neuen Bundesländern existieren nach Ansicht von Jürgen Weißbach neue und innovative Ansätze zur Bewältigung der Arbeitslosigkeit, die allerdings durch die aktuelle Politik bedroht sind. Hierfür stehen insbesondere Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Strukturentwicklungsgesellschaften. Zukünftig sollten sie zu regionalen Entwicklungsagenturen und Service-Zentren ausgebaut werden. Weiteres Element einer innovativen Arbeitsmarktpolitik ist eine Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen öffentlich gefördertem und erstem Arbeitsmarkt, die durch die gezielte Weiterentwicklung von Vergabe-Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und den breiteren Einsatz von Lohnkostenzuschüssen erreicht werden kann. Die Schnittstelle zwischen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik kann durch die Gleichstellung von Beschäftigungsgesellschaften mit privatwirtschaftlichen Unternehmen verbessert werden. Zu überlegen ist auch, ob ABS-Gesellschaften nicht nur als Auffanggesellschaften im Konkursfall, sondern auch zur Weiterführung noch wettbewerbsfähiger Unternehmensteile genutzt werden könnten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000

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