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Wolfram Meyer zu Uptrup
Das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Land Brandenburg


I. Ein innovatives politisches Instrument

„... Wir wollen ein kritisches Bündnis, das mit uns real die Lage beurteilt, damit wir rasch zu praktikablen Lösungen finden. Es soll herausfinden und auflisten, welche Maßnahmen wer ergreifen muß, um den drängenden Problemen von Gewalt wirksamer begegnen zu können. ...

Wir brauchen neue Konzepte - Konzepte gegen die bedrückenden Ausbrüche von Gewalt; Konzepte gegen den - trotz besseren Wissens - scheinbar unausrottbaren Rechtsextremismus; Konzepte wider die Intoleranz gegenüber allem Fremden. Unsere Allianz ist so ein neues Konzept. ..."

Mit diesen Worten schickte der damalige brandenburgische Innenminister Alwin Ziel das am 22. Mai 1997 gegründete Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auf den Weg.

Zum ersten Mal hatte eine Landesregierung eine Organisation ins Leben gerufen, die alle in einem Bundesland relevanten großen gesellschaftlichen Institutionen unter einem Ziel zusammenführte: dem gemeinsamen Kampf gegen den Rechtsextremismus, die Fremdenfeindlichkeit und die mit ihnen einhergehende Gewaltbereitschaft.

Das Land Brandenburg war in den Jahren seit der Wende bekannt geworden durch spektakuläre Aktionen von Rechtsextremisten und Fremdenfeinden. Erinnert sei da an die Umtriebe der Neonazi-Partei „Deutsche Alternative", bis sie endlich verboten wurde, an Aufmärsche bei dem Soldatenfriedhof in Halbe. Spektakuläre Überfälle auf Fremde durch rechtsextremistische und fremdenfeindliche Gewalttäter, wie die Verfolgungsjagd am 13. Februar 1999 in Guben, die den Tod eines Asylbewerbers zur Folge hatte.

Die Regierung des Landes Brandenburg reagierte auf vielfältige Weise, um Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen. Der Ermittlung

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von Straftätern, die durch Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit motiviert waren, und ihrer schnellen Verurteilung wurde und wird eine hohe Priorität beigemessen.

Die Landesregierung unterstützt und initiiert aber nicht nur repressive Maßnahmen der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Besondere Aufmerksamkeit erfahren alle Maßnahmen der Prävention.

Hierzu zählen beispielsweise die „Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule" (RAA). Hinter diesem Namen verbirgt sich ein Verbund von Initiativen und lokalen Beratungsstellen, die in vielfacher Weise für Weltoffenheit, Toleranz und demokratische Umgangsformen aktiv sind. Die RAA hat zehn Niederlassungen, die in den Regionen Brandenburgs Beratung anbieten, Initiativen ergreifen und sich in der Bildungsarbeit engagieren.

Ferner sind die „Mobilen Beratungsteams" (MBT) zu nennen, die die Situation in den Kommunen im Hinblick auf Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus analysieren und Handlungsvorschläge erarbeiten.

Zu nennen sind ferner eine Vielzahl von Maßnahmen in den Bereichen schulischer und außerschulischer Bildung.

Im Jahr 1998 faßte die Landesregierung alle ihre Aktivitäten in diesem Bereich unter dem Programm „Tolerantes Brandenburg" zusammen.

II. Die Gründung

Ursprünglich bereitete die Landesregierung nicht die Gründung eines Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit vor, sondern eines Landespräventionsrates. Dieser sollte dem Innenministerium bei der Kriminalitätsbekämpfung beratend zur Seite stehen. In der entscheidenden Kabinett-Sitzung am 25. 3. 1997 wurde die Vorlage zum Landespräventionsrat diskutiert und mit einer Änderung beschlossen. Diese Änderung betraf den Namen: das Kind hieß nun Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Mit dieser kleinen Namensänderung wurden jedoch auch die Funktion und die Zielrichtung des Unterfangens grundsätzlich verändert, Erwartungen geweckt und ein Anspruch formuliert, die weit über einen Landespräventionsrat hinausgingen.

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Das Aktionsbündnis sollte nun die Gesellschaft gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit mobilisieren. Die grundlegende Idee war durchaus innovativ und wollte die Hilflosigkeit gegenüber diesen Problemen überwinden.

Ganz ohne Vorbilder oder Vorläufer geschah die Gründung des Aktionsbündnisses nicht. Abwegig ist der Verdacht, das Aktionsbündnis könnte eine aktualisierte Form einer „Volksfront gegen den Faschismus" sein. Das ist schon aufgrund der völlig anderen historischen und politischen Situation unmöglich. Zudem war schon damals dieses Konzept der Kommunisten in Zeiten der Weimarer Republik von einer analytischen Unschärfe geprägt und recht erfolglos gewesen.

Das Aktionsbündnis ist zu Beginn in der Tradition der „Runden Tische" verstanden worden, die besonders in Zeiten der „Wende" 1989/90 eine Rolle spielten. Hier setzten sich die Konfliktparteien an einen Tisch und entwickelten gemeinsame Lösungsstrategien, die in einem herrschaftsfreien Diskurs verhandelt wurden. Später gab es „runde Tische gegen Gewalt" in einigen Kommunen in Brandenburg. Doch im Falle des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit liegt es auf der Hand, daß nicht die Konfliktparteien hier zusammenkommen. Fremdenfeinde und Rechtsextremisten sind hier nicht vertreten. Das Aktionsbündnis soll auch keine Kompromisse zur Lösung strittiger Probleme erarbeiten, sondern analysieren, beraten und anregen. Es soll vor allem nach dem Auftrag, der in seinem Namen formuliert wurde, eindeutig und parteiisch Stellung beziehen.

Man versteht das Aktionsbündnis besser als einen zivilgesellschaftlichen Zusammenschluß denn als neue Form eines „Runden Tisches". Zivilgesellschaft umschreibt das politische Handeln von Bürgerinnen und Bürgern, die nach gemeinsamen Interessen suchen und sich auf dieser Basis zu gemeinsamer Aktion zusammenfinden. Diese Zusammenschlüsse von Bürgern und die Netzwerke, die von ihnen gebildet wurden, werden Zentren des politischen Handelns der Gesellschaft. Politische Verantwortung wird deshalb zwischen den in Zusammenschlüssen aktiven Bürgern und dem Staat geteilt, der in einer doppelten Funktion einerseits die Rahmenbedingungen für politisches Handeln der Gesellschaft setzt und andererseits aber auch gesellschaftlicher Mitspieler ist.

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Dem Ruf der Landesregierung, ein Mitglied im Aktionsbündnis zu werden, folgten dann die Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg, der Deutsche Gewerkschaftsbund Landesbezirk Berlin-Brandenburg, die Kirchen und einige mehr. Sie wurden Mitglieder neben den Ministerien der Justiz, des Innern, für Soziales, für Bildung und der Staatskanzlei. Mittlerweile gehört sogar die Bundeswehr mit ihrem IV. Korps (Standort Potsdam) dazu. [) Vergleiche die Liste der Mitglieder am Ende dieses Beitrages.]

Die Liste der Mitglieder ist recht eindrucksvoll. An sie knüpft sich die Erwartung, daß sie gemeinsam Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit effektiv bekämpfen könnten.

Das Aktionsbündnis wurde also vom Staat initiiert, es fand sich zusammen und wählte einen Vorstand. Die Landesregierung stellte eine Geschäftsstelle mit zunächst zwei, später dann drei Mitarbeitern zur Verfügung. Die Geschäftsstelle ist in einem Referat im Innenministerium angesiedelt. Sie arbeitet dem Vorstand zu und hilft den ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern, die Geschicke des Aktionsbündnisses zu bestimmen und die Fördermittel nach allen Regeln der Kunst zu verwalten.

III. Erste Erfolge

Das Aktionsbündnis versammelte sich in Mitgliederversammlungen und erarbeitete eine Geschäftsordnung. Es führte im März 1998 eine Tagung in Frankfurt an der Oder durch zum Thema „Chancen und Probleme einer Grenzregion". Eine Kommission, die sich mit der Integration von Ausländern befassen sollte, wurde eingesetzt. Im zweiten Jahr wurde die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung durch Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus auf der Mitgliederversammlung im September 1998 thematisiert. Im November 1998 wurde die 2. Potsdamer Jugendkonferenz organisiert, auf der Ursachen von Rechtsextremismus in der Jugendszene analysiert und Strategien zu dessen Eindämmung diskutiert wurden. Wichtig war der Beginn einer Vernetzung kommunaler Initiativen und Akteure auf einer Konferenz im Januar 1999.

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Das Aktionsbündnis begann auch in seiner Öffentlichkeitsarbeit die Folgen von rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Gewalt herauszustellen, indem die Schicksale von Opfern bekannt gemacht wurden.

Seit 1998 sprach das Aktionsbündnis immer wieder seine Erwartung aus, daß die einzelnen Mitglieder Beiträge zum gemeinsamen Anliegen leisten sollten, eigene Aktionen unter das Motto „Gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt" stellen und in Zusammenarbeit mit dem Aktionsbündnis durchführen sollten. Es gelang leider nur in unzureichendem Maße, alle Mitglieder in diesem Sinne zu aktivieren. Die Landesregierung leistete einen besonderen Beitrag zum Anliegen des Aktionsbündnisses, indem sie das Konzept „Tolerantes Brandenburg" entwickelte. In ihm sind mehrere Elemente vereint, wozu die Einrichtung der Polizeitruppe
MEGA gegen gewaltbereite Rechtsextremisten und Fremdenfeinde ebenso gehört wie die Unterstützung des Aktionsbündnisses und die Bereitstellung vielfältiger Beratungsangebote für Kommunen und Schulen. Das Aktionsbündnis bekam im Rahmen dieses Konzeptes auch Gelder zur Verfügung gestellt, mit denen es lokale Aktivitäten und Gruppen unterstützen konnte, die im Sinne seiner Ziele arbeiten wollten. Damit ist das Aktionsbündnis zu einem Bestandteil des Konzeptes „Tolerantes Brandenburg" geworden.

Und: von Anfang an war das Aktionsbündnis von öffentlicher Kritik begleitet, das ging vom Vorwurf der mangelnden Aktivität über der Erstarrung in bürokratischen Ritualen bis hin zur zu großen Staats- und Regierungsnähe. Auch die Erwartung, daß das Aktionsbündnis einerseits bei fremdenfeindlichen Vorfällen in Brandenburg hörbar wurde und andererseits eine Beratung für die Politik leisten könnte, erfüllte sich bislang nur in unzureichendem Maße. Ein Jahr nach seiner Gründung schrieb ein Journalist, das Ak-
tionsbündnis sei „klinisch tot". Es hatte sich gezeigt, daß das ursprüngliche Konzept des Landespräventionsrates für ein Aktionsbündnis unzureichend war.

Positiv war zu vermerken, daß sich zwischen den Mitgliedern langsam eine Zusammenarbeit bei konkreten Projekten entwickelte. Die betraf u.a. lokale Veranstaltungen, den Bereich der Jugend- und Erwachsenenbildung. Die Tatsache, daß das Aktionsbündnis finanziell fördern konnte, eröffnete neue Möglichkeiten der Kooperation und für Initiativen in den Städten und Dörfern des Landes Brandenburg. Es zeigte sich, daß das Aktionsbündnis nun Erwartungen erfüllen sollte, die in der Startphase nicht zu erahnen waren.

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Hierzu zählte insbesondere die Aufgabe einer Vernetzung von lokalen Initiativen, die sich oft spontan bilden. Diese Initiativen benötigen häufig eine unkomplizierte Unterstützung, die ihnen das Aktionsbündnis leichter als andere Förderer geben konnte.

Das Aktionsbündnis erfüllte die in es gesetzten Erwartungen bislang nur unvollkommen. An zwei Stellen jedoch war das Aktionbündnis wirklich erfolgreich: es konnte Themen aufbringen und mit politischen und moralischen Wertungen in die öffentliche Diskussion einbringen. Und es vermochte die Anfänge eines Netzwerkes zwischen Teilen der Regierung, Nicht-Regierungs-Organisationen und lokalen Initiativen zu knüpfen und innerhalb dieses Netzwerkes einen Informationsaustausch zu beginnen, Kooperationen zu initiieren und materielle Unterstützung zu leisten.

IV. Grenzen des Handelns

Die wahren Grenzen des Aktionsbündnisses zeigten sich just, als es notwendig geworden war, seine Stimme laut und vernehmlich zu erheben.

Am 5. September 1999 waren Landtagswahlen in Brandenburg. Frühzeitig hat das Aktionsbündnis darauf aufmerksam gemacht, daß ein Wahlerfolg rechtsextemistischer Parteien möglich sei. Es rief auch die Erfahrung der Landtagswahl Sachsen-Anhalts im April 1998 in Erinnerung, als es der rechtsextremistischen Phantom-Partei „Deutsche Volksunion" (DVU) gelungen war, mit 12,9% der Stimmen in den Landtag einzuziehen. Deren Erfolgsrezept war eine fremdenfeindliche und nationalistische Kampagne mit Plakaten in den Wochen direkt vor der Wahl. Ein derartiger Erfolg von Rechtsextremisten sollte in Brandenburg verhindert werden. Das Aktionsbündnis plante Informationsveranstaltungen, die Herausgabe von Informationsmaterial. Die Mitgliederversammlung beschloß, alle Brandenburgerinnen und Brandenburger aufzurufen, keine rechtsextremistischen Parteien zu wählen. Die Kampagne war geplant, der Wahlaufruf fertig. Und dann wurde alles gestoppt: das Plakat erblickte nicht das Licht der Welt, die Pressetermine wurden abgesagt, die Mobilisierung der Mitglieder unterblieb. Letzten Endes war doch nicht alles umsonst, weil der DGB den Wahlaufruf als Mitglied des Aktionsbündnisses aufgriff und verbreitete.

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Das Aktionsbündnis hatte in der Wahlkampfzeit prinzipiell keine Handlungsfreiheit. Politisches Gewicht hätte der Wahlaufruf nur entfalten können, wenn sich hier alle Mitglieder des Aktionsbündnisses, Kirchen, Unternehmensverbände und Gewerkschaften, Jugendverbände und Landesregierung für eine Sache einsetzten. Das ging nun wegen der Regierungsnähe nicht. Die Ressorts sind zwar nur vier von 32 Mitgliedern, aber das reichte aus, um die ganze Organisation handlungsunfähig zu machen. Eine Landesregierung ist aus verfassungsrechtlichen Gründen zur unparteiischen Zurückhaltung in Wahlzeiten verpflichtet. Und da das Aktionsbündnis organisatorisch nicht von der Landesregierung getrennt ist, kann sich das Aktionsbündnis in seiner derzeitigen Form in Wahlzeiten nicht in der gebotenen Weise zu Wort melden.

Der Vorstand des Aktionsbündnisses ist aber der Auffassung, daß ein Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit gerade in Wahlzeiten für den Erfolg demokratischer und gegen rechtsextremistische Parteien kämpfen müßte. Nun wird hier überlegt, wie man das künftig bewerkstelligen könnte.

V. Wie kann es weiter gehen?

Seit August 1999 diskutiert der Vorstand des Aktionsbündnisses über Reformmodelle, die das Bündnis effektiver machen und von den Beschränkungen befreien sollen. Der Vorstand überlegt zur Zeit ein Modell auf Basis eines eingetragenen Vereins, der von der Landesregierung und anderen Mitgliedern unterstützt werden könnte, aber hinreichend unabhängig ist.

Ähnlich hat sich das Pendant zum Aktionsbündnis im Land Sachsen-Anhalt organisiert. Hier wurde der Verein „Miteinander. Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt" im Mai 1999 gegründet. Dieser Verein stellt eine Kombination der in Brandenburg vorhandenen Elemente RAA und Aktionsbündnis dar. Die Magdeburger Landesregierung unterstützt den Verein im Rahmen ihres Politik-Konzeptes „Für ein demokratisches und weltoffenes Sachsen-Anhalt", das sie im März 1999 beschlossen hat.

Als alternatives Modell wird im Vorstand diskutiert, das Aktionsbündnis innerhalb der Landesregierung bei dem Bereich anzugliedern, der für das Konzept „Tolerantes Brandenburg" verantwortlich zeichnet (im Ministerium

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für Bildung, Jugend und Sport). Das Aktionsbündnis soll seine Funktion dadurch erweitern, daß es eine Art Beirat bildet, der die Maßnahmen des Konzeptes kritisch begleitet. Das würde den Charakter des Aktionsbündnisses verändern und nicht unbedingt zu mehr Handlungsfreiheit führen, auch wenn die Ressorts Landesregierung nicht mehr Mitglied im Aktionsbündnis wären.

Wie die Diskussion im Vorstand ausgehen wird und was dann die Mitgliederversammlung Anfang Dezember 1999 beschließen wird, ist offen.

Die künftigen Funktionen zeichnen sich aber klar ab. Das Aktionsbündnis in Brandenburg soll

  1. ein offenes Netzwerk bilden, dessen Mitglieder Kooperationen für Aktionen und Projekte vielfältigster Art eingehen, um das Anliegen des Aktionsbündnisses gemeinsam deutlich zu machen;
  2. sich durch Kommentare, Initiativen und Stellungnahmen, in denen u.a. auch moralische Standards immer wieder angemahnt werden, zu Wort melden (z.B. Aktionen nach fremdenfeindlichen Vorfällen);
  3. durch eigene Aktionen positive Entwicklungen würdigen sowie eigene Impulse in der politischen Auseinandersetzung vermitteln;
  4. negative Auswirkungen von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus deutlich machen (z.B. durch Kontaktvermittlung zu Projekten oder durch Aktionen mit Opfern);
  5. den Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedern und lokalen Initiativen unterstützen (z.B. durch Kommunikation via elektronische Medien und Printmedien, direkte Vermittlung von Projektideen und Konferenzen);
  6. sich am analytischen Diskurs zu den Problemen Rechtsextremismus, Gewaltbereitschaft und Fremdenfeindlichkeit aktiv beteiligen (z.B. durch o.g. Medien und durch Konferenzen und Vorträge);
  7. aus seinen Aktionen und seiner Kompetenz heraus fähig sein, Politikberatung zu leisten;
  8. nationalen und internationalen Erfahrungsaustausch unterstützen (z.B. mit Anti-Rassismus-Initiativen in England oder Polen);

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  9. lokale Initiativen durch Beratung und finanzielle Hilfen unterstützen.
  10. Um das zu erreichen, soll das Aktionsbündnis eine aktive, vom Vorstand getragene Öffentlichkeitsarbeit nach strategischen Gesichtspunkten betreiben, in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedern, den lokalen Initiativen und insbesondere den innerhalb des Konzeptes „Tolerantes Brandenburg" aktiven Institutionen.

Ungeachtet der Entwicklung um das Aktionsbündnis in Brandenburg, möchte ich aus meiner Sicht und auf Basis der Erfahrungen in Brandenburg einige Aspekte nennen, die mir für den Erfolg eines gesellschaftlichen Bündnisses nach dem Muster des brandenburgischen Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit relevant erscheinen. Dabei ist es unwesentlich, ob es sich um eine lokale, regionale oder bundesweite Konstruktion handelt (wie das geplante „Bündnis für Demokratie und Toleranz").

1. Ziele genau definieren, Unklarheiten hemmen

Es ist entscheidend wichtig, sich über die politischen Ziele des Unterfangens und seine Funktion genau klar zu werden. Politisch schlagkräftig wird ein Bündnis nur dann, wenn es einerseits seine Ziele positiv definiert und sich alle Akteure auf eine Minimalkonsens verbindlich einigen können. So ein Minimalkonsens kann durchaus im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus bestehen, auch wenn der Name es dann in positiven Formulierungen ausdrücken muß.

Hilfreich dürfte auch ein Grundsatzdokument für das Unterfangen sein, in dem die gemeinsamen Ziele kurzgefaßt formuliert sind. Es ist auch zu überlegen, ob dieses Dokument auch das Element einer Art Selbstverpflichtung der Mitglieder umfassen soll, in der sie versprechen, bei eigenen Ak-tionen auf ihre Mitgliedschaft im Bündnis hinzuweisen und untereinander zu kooperieren.

Es muß z.B. allen Beteiligten deutlich sein, daß man sich nicht für Kriminalitätsprävention allgemein engagiert, sondern nur in einem Teilbereich der Kriminalitätsprävention. Es muß auch deutlich sein, daß nicht nur die Sicherheitspolitik das Thema ist, sondern ein weit gefaßter Bereich der politischen Aktion.

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2. Aktionsformen

Von den beabsichtigten Aktionsformen hängt die organisatorische Struktur und Rechtsform des Unterfangens ab sowie die notwendige materielle Basis. Es muß also geklärt werden, ob vor allem symbolische Politik zur Vermittlung moralischer Werte gemacht werden soll. Oder: Soll sich das Bündnis stetig als Stimme in der politischen Diskussion profilieren? Soll es etwa auch kompetente Politikberatung leisten? Soll es an möglichst vielen Orten präsent sein?

In Brandenburg hat das Aktionsbündnis mit der Aktionsform „Mitgliederversammlung" begonnen. Alsbald wurden Konferenzen organisiert. Später wurde dann der Erwartung entsprochen, bei fremdenfeindlichen Übergriffen zu reagieren. Die spontane Reaktion auf politische Ereignisse forderten dann vom Aktionsbündnis und seiner Organisation die Entwicklung von Kreativität und Flexibilität.

3. Aktionsebenen

Der Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus ist in erster Linie konkret vor Ort zu führen. Die vielen lokalen Initiativen z.B. in den Kommunen und in der Jugendarbeit sind der Raum, wo Erfolge errungen werden müssen.

Ein Bündnis auf Landesebene muß mit den kommunalen Initiativen zusammenarbeiten, sie vernetzen und unterstützen. Das Aktionsbündnis erfuhr in Brandenburg durch diese Kooperation eine starke politische Aufwertung.

Für ein mögliches Bündnis auf der Ebene des Bundes muß geklärt werden, wie es mit Initiativen und Institutionen in den Bundesländern und in den Kommunen zusammenarbeiten soll und kann. Ferner stellt sich die Frage, inwieweit das Unternehmen sich im internationalen Austausch mit Antirassismus-Initiativen in anderen Ländern engagiert.

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4. Struktur

Die Antwort auf die Frage der Struktur ist abhängig von den Antworten auf die Fragen zu den ersten drei Aspekten.

Soll das Unternehmen eine lose Struktur haben, wie das Berliner „Bündnis der Vernunft gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit" oder eine nicht-rechtsförmige Zwischenstruktur, wie sie das brandenburgische Aktionsbündnis derzeit noch hat? Soll das Bündnis eine feste Rechtsform auf Basis eines eingetragenen Vereins haben?

Wer soll für das Bündnis sprechen, nur die Mitgliederversammlung, ein
Vorstand, ein Repräsentant, hauptberufliche Mitarbeiter einer Geschäftsstelle?

Soll das Bündnis als ein Netzwerk verstanden werden, dessen Mitglieder einzeln, einige miteinander oder alle zusammen im Sinne der Ziele des Unterfangens aktiv werden und das bei ihren Aktionen immer wieder betonen?

In Brandenburg entwickelt sich das Aktionsbündnis vom Modell eines „Landespräventionsrates" zu einem Netzwerk, das auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen kontinuierlich aktiv ist.

5. Unabhängigkeit

Wenn das Bündnis mehr sein soll als ein Zusammenschluß, der punktuell politische Botschaften sendet, sich also z.B. offensiv in die politische Auseinandersetzung einschalten soll und sogar Initiativen starten und unterstützen soll, dann ist ein Höchstmaß an Unabhängigkeit von der Regierung notwendig. Nur so wird es möglich sein, die einzelnen Mitglieder des Bündnisses zur aktiven Mitarbeit zu motivieren: wenn sie sich nicht vor den Karren anderer gespannt sehen. Ein Bündnis auf Landes- oder Bundesebene sollte eine NGO sein, die aber mit der Unterstützung der Regierung und dem Gewicht, das ihm diese Unterstützung verleiht, aktiv werden kann.

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6. Mitglieder

Erst wenn es gelingt, alle relevanten gesellschaftlichen Institutionen einzubinden, wird das Unternehmen das politische Gewicht entwickeln können, um hoffentlich erfolgreich zu wirken. In diesem Zusammenhang stellte sich in Brandenburg z.B. auch die Frage, ob politische Parteien auch Mitglieder im Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sein sollten oder nicht. Das wird hier diskutiert, ein Ergebnis zeichnet sich noch nicht ab.

Falls Teile einer Regierung Mitglied im Bündnis sein sollen, ist eine genaue Konzeption der Rechtsform die Grundlage für den späteren Erfolg, wie die Erfahrungen in Brandenburg gezeigt haben.

Falls das Unterfangen mehr tun soll als ein- oder zweimal jährlich sich zu Wort zu melden, ist es von entscheidender Wichtigkeit, die Möglichkeit zu eröffnen und die Mitglieder zu motivieren, im Sinne der gemeinsamen Ziele einzeln oder in Kooperation mit anderen im Netzwerk aktiv zu werden.

Dabei soll auch unzweifelhaft sein, daß die Mitglieder über den Vorstand die Politik des Bündnisses bestimmen können und bestimmen. Nur wenn kein Mitglied sich für die politischen Zwecke anderer instrumentalisiert sieht, kann aus der Sache etwas werden.

Es sollten ebenfalls klare Regelungen für den Ausgleich von unterschiedlichen Interessen und die Lösung von Konflikten vereinbart werden.

7. Repräsentanz

Bei der Planung muß von Anfang an auch die Frage der Repräsentanz eines derartigen Bündnisses berücksichtigt werden. Politische Botschaften werden grundsätzlich über Personen vermittelt. Das ist insbesondere auch der Fall, wenn diese Botschaften einen moralischen Gehalt mit einschließen. Als anonymer, wenig faßbarer Apparat hat ein Aktionsbündnis, das gesellschaftlich relevante Gruppen mobilisieren und auf das Verhalten vieler Menschen einwirken soll, kaum eine Chance. Das Bündnis übt keine Macht über die Mitglieder aus und ist nicht in der Lage, Anweisungen zu erteilen. Allein gemeinsame Überzeugungen motivieren zu Aktion und Kooperation.

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8. Keine Entsorgungsanstalt

Ein Unterfangen wie das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit darf nicht in den Ruch kommen, eine Entsorgungsanstalt für politische Probleme zu sein. Es ist das Engagement aller gefordert. Das Netzwerk eines Aktionsbündnisses funktioniert da am besten, wo es motiviert, Vorhandenes zusammenführt, unterstützt und es öffentlich besser bemerkbar macht.

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Anhang

Mitglieder des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit:

Die Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg,

Bundeswehr IV. Korps (Standort Potsdam),

Deutscher Gewerkschaftsbund Landesbezirk Berlin-Brandenburg,

Deutscher Journalistenverband Landesverband Brandenburg e.V.,

Deutscher Richterbund - Bund der Richter und Staatsanwälte - LV Brandenburg,

Erzbistum Berlin der Römisch-Katholischen Kirche,

Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg,

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.,

Handwerkskammern,

Industrie- und Handelskammern,

Jüdische Gemeinde Brandenburg,

Landesarbeitsgemeinschaft der sozio-kulturellen Zentren e.V.,

Landesarbeitsgemeinschaft kulturpädagogischer Einrichtungen e.V.,

Landesbauernverband Brandenburg e.V.,

Landesjugendring Brandenburg e.V.,

Landeslehrerrat,

Landesrat der Eltern,

Landesrektorenkonferenz,

Landesschüler/-innenrat,

Landesseniorenbeirat,

Landessportbund Brandenburg e.V.,

Landkreistag Brandenburg,

Liga der Freien Wohlfahrtspflege im Land Brandenburg,

Ministerium der Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten,

Ministerium des Innern,

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen,

Ministerium für Bildung, Jugend und Sport,

Senatsverwaltung für Inneres Berlin,

Staatskanzlei/Landeszentrale für politische Bildung,

Städte- und Gemeindebund Brandenburg,

Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten,

Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e.V.


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