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Zusammenfassung der Plenumsdiskussion zum Thema: Kombilohn als Beschäftigungschance

Im vierten Teil der Veranstaltung referierten Professor Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch, Robert Reichling und Dr. Wilhelm Adamy über den Kombilohn als Beschäftigungschance. In einer ersten Stellungnahme ging Dr. Sigurd Luberichs (Thyssen Aufzüge Gruppe, Essen) auf den Zusammenhang zwischen Sozialhilfe und Kombilohn ein. Er halte es für relevant herauszustellen, daß auch ein Sozialhilfeempfänger sich letztlich nur ökonomisch verhalten werde. Im Rahmen der von den Referenten dargestellten Kombilohnmodelle bestehe für einen Sozialhilfeempfänger ein zu schwacher Anreiz, eine durch Kombilohn vergütete Tätigkeit aufzunehmen. Im übrigen wandte er sich gegen das „Dienstboten-Denken", welches nach seinem Verständnis von Adamys Ausführungen bestehe. Schließlich seien die durch einen Kombilohn von der Gesellschaft mitfinanzierten Arbeiten keine Dienstbotentätigkeiten, sondern Dienstleistungen. Insoweit sei ein gesellschaftliches Umdenken erforderlich.

Marianne Weg (Hessisches Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung, Wiesbaden) berichtete, daß ihrer Erfahrung nach nur berufliche Qualifizierung und soziale Stabilisierung einen nachhaltig wirksamen Weg aus der Beschäftigungslosigkeit bahnen könne. Die Referenten hätten aber nicht dargestellt, inwieweit Kombilohnbeschäftigung tatsächlich zu einer Qualifizierung des Kombilohnempfängers führe. Der Aussage Reichlings, die Zahlung von Kombilohn sei nur als Übergangslösung bis zum Beginn einer regulären Beschäftigung gedacht, könne sie zustimmen, bloß: Was komme im Anschluß? Im übrigen vermisse sie allgemein, aber auch in den Ausführungen der Referenten eine konkrete Aussage dazu, welche potentiellen Beschäftigungsfelder mittels des Kombilohns erschlossen werden könnten. Nach ihrer Ansicht ist das Bestehen solcher Beschäftigungsfelder in nennenswertem Umfang und auf mehr als kurzfristige Dauer völlig zweifelhaft.

Im Hinblick auf die Frauenproblematik schloß sich Christel Riedel (Deutscher Frauenrat, Bonn) den Ausführungen von Adamy an. Es sei völlig unverständlich, daß durch eine geringqualifizierte Beschäftigung eine Existenzsicherung nicht mehr möglich sei. Dem trat Reichling entgegen. Es treffe eben nicht zu, daß über den Lohn, gleich für welche Beschäftigung er gezahlt werde, stets eine Existenzsicherung erreicht werden könne. Gerade

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die Produktivität von geringqualifizierten Beschäftigten im Dienstleistungsbereich sei nicht so hoch, daß über die Lohnzahlung eine Existenzsicherung sichergestellt werden könne.

Auf einen anderen Aspekt wies Kurt Brüss (Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bonn) hin: Bei der Zahlung von Kombilohn müsse auch das europäische Beihilfe- und Wettbewerbsrecht berücksichtigt werden, konkret Art. 92 Abs. 1 EG-Vertrag. Danach sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem EG-Vertrag unvereinbar. Vor diesem Hintergrund würde seiner Meinung nach die EG-Kommission die Einführung des Kombilohns für unzulässig erklären. Dieser Beurteilung widersprachen sowohl Reichling als auch Löwisch. Letzterer hob hervor, daß er in anderem Zusammenhang, nämlich bei der Beurteilung sogenannter Gemeinschaftsarbeiten durch Sozialhilfeempfänger, die Vereinbarkeit mit dem europäischen Beihilferecht überprüft habe. Vor diesem Hintergrund halte er die Einführung eine Kombilohns für vereinbar mit Art. 92 Abs. 1 EG-Vertrag. Reichling wies darauf hin, daß das von den Arbeitgebern vorgeschlagene Modell zum Kombilohn an die Bedürftigkeit des Betroffenen anknüpfe, wie die bisherige Sozial- und Arbeitslosenhilfe. Gerade dieses Modell könne daher nicht als Lohnsubventionierung verstanden werden.

In einer letzten Stellungnahme zu diesem Komplex stellte Adamy klar, daß auch er geringqualifizierte Beschäftigungen im Dienstleistungsbereich nicht generell als „Dienstboten"-Tätigkeiten verstanden wissen wolle. Er stimme der Ansicht zu, die eine generelle Neubewertung von Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich für notwendig halte. Die Förderung bestimmter Tätigkeiten halte er dennoch für fragwürdig, z.B. das Eintüten gekaufter Ware im Supermarkt. Ob es angemessen sei, stets die USA als Vorbild heranzuziehen, halte er für zweifelhaft. Unabhängig davon müsse sichergestellt werden, daß die Kombilohnzahlung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führe. Insbesondere dürfe es nicht dazu kommen, daß reguläre Arbeit durch subventionierte Arbeit verdrängt würde, wie dies für die Gemeinschaftsarbeiten bereits zu beobachten sei. Schließlich halte er für fraglich, ob die Einführung des Kombilohns tatsächlich zu einer Beschäftigungsförderung führe. Dagegen spreche, daß die bisherigen Lohnkostenzuschußprogramme durch die Arbeitgeber nicht genutzt würden, obwohl diese Programme nicht zur Voraussetzung hätten, daß mit ihnen neue Arbeitsplätze geschaffen werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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