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[Seite der Druckausg.: Fortsetzung S. 17]

4. Hausarbeit als materiell unterbewertete Arbeit

Hausarbeit in privaten Haushalten ist materiell unterbewertet, und die Arbeit, die am notwendigsten für unser Überleben ist, wird am geringsten oder gar nicht bezahlt (vgl. Möller 1983).

Im „Ernährerlohn" sollen die Kosten für die Reproduktion von Weib und Kind enthalten sein, die Ehefrau erhält keinen Lohn für ihre Arbeit, dafür wird ihr ein Unterhaltsanspruch gewährt. Unterhalt bedeutet, daß zwar die Kosten für Nahrung, Wohnung und Energieverbrauch abgedeckt sind, daß aber die Ar

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beitsleistung, die Reproduktionsarbeit selber, nicht direkt materiell vergütet wird, die Ehefrau arbeitet unbezahlt, erhält dafür das Essen und eine warme Wohnung sowie ein Taschengeld. Das bedeutet, daß die Hausarbeit je nach Höhe des Ernährerlohns höchst ungleich vergolten wird: Für die einen gibt es eine Villa mit Schwimmbad, für die anderen eine Sozialwohnung. Doch der Ernährerlohn wird immer weniger bezahlt und immer weniger „Weiber" wollen mit dem Unterhalt und der damit verbundenen Abhängigkeit leben.

Wenn die Männer die Arbeitsleistung der Ehefrauen aus ihrem Einkommen finanzieren müßten, so müßten sie durchschnittlich 35% ihres Einkommens dafür ausgeben (Madörin 1996). Dieser Anteil verweist auf das skandalöse Ausmaß der Unterbewertung der Hausarbeit, verweist aber auch auf die Absurdität von Bestrebungen, Hausarbeit in der Form, in der sie heute geleistet wird, in gleicher Weise wie die Erwerbsarbeit zu finanzieren. Der Staat subventioniert die Hausarbeit, allerdings in weiten Teilen sozial unausgewogen. Die Subvention erfolgt einmal über den Splitting-Effekt für Ehegatten: die Höhe der Begünstigung ist abhängig von der Steuerschuld (je höher das Einkommen desto mehr Entlastung) und von der Relation der beiden Einkommen (das Hausfrauenmodell wird am stärksten begünstigt). Der Staat verstärkt die Geschlechterhierarchie weiterhin dadurch, daß die Steuererleichterung nicht direkt der hausarbeitenden Person zufließt, sondern dem Erwerbstätigen, also in der Regel dem Mann. Wer Hausarbeit leistet, hat keinen Anspruch auf ein bestimmtes Einkommen oder auf den dadurch entstehenden Steuervorteil. Eine weitere Subvention der Hausarbeit besteht darin, daß die Ehefrau als einzige Person außer den eigenen Kindern in der Krankenversicherung kostenfrei mitversicherungsfähig ist und durch die Hinterbliebenenversorgung zumindestens partiell eine Alterssicherung erhält, wenn sie auch als hinterbliebene Ehefrau mit 60% der Witwenrente auskommen muß, während der Ehemann im Fall ihres Todes 100% bezieht. Bei allen finanziellen Leistungen, die aus der Hausarbeit abgeleitet bezahlt werden, sind die erwerbstätigen Ehemänner die zentralen Bezugspersonen, wobei die Zahlungen nicht auf das Geschlecht, sondern auf die Tatsache der Erwerbstätigkeit bezogen werden: In den seltenen Fällen , in denen die Arbeitsteilung nicht den traditionellen Geschlechterrollen entspricht, wird selbstverständlich die erwerbstätige Frau zur Bezugsperson.

Durch die Subventionierung der Hausarbeit erfolgt eine Umverteilung von gering Verdienenden zu den gut Verdienenden und von Frauen zu Männern. Frauen als geringer Verdienende bezahlen durch ihre hohen Steuerleistungen,

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die sie aufgrund der Steuerklasse 5 oft erbringen, die Steuervergünstigungen für die Männer in den oberen Verdienstgruppen, die mit einer nichterwerbstätigen Ehefrau zusammenleben (Schwan 1996).

Die Haus- und Sorgearbeit für Kinder wird über den Familienlastenausgleich teilweise subventioniert. Durch Kindergeld, Erziehungsurlaubsgeld sowie steuerliche Entlastungen für Familien gibt es einen staatlichen Zuschuß für die Arbeit der Kinderbetreuung. Zur staatlichen Subvention der Betreuungsarbeit zählen auch die Angebote der sozialen Infrastruktur wie Kindergärten, Krippen, Horte und Schulbetreuungen. Diese Infrastrukturleistungen bilden allerdings ein eigenes System zur Betreuung von Kindern und sind nicht als direkte Subventionierung privater Betreuungsarbeit zu verstehen. Pflegearbeit wird nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit über die Pflegeversicherung bezahlt, allerdings auch zu einem nicht existenzsichernden Lohn, selbst wenn das Pflegegeld in vollem Umfang gewährt wird. Hausarbeit wird also mit patriarchalischer Begünstigung subventioniert, dort, wo sie bezahlt wird, ist die Vergütung gering. Der Preis, der für diese Arbeit eigentlich zu zahlen wäre, wenn damit eine materielle Existenzsicherung für diejenigen, die sie tun, vorhanden sein sollte, erscheint ungewöhnlich hoch. Die Höhe der Stundenlohnforderungen erschreckt sowohl diejenigen, die sie erhalten müßten, als auch diejenigen, die sie zu zahlen hätten. Nach den ersten Erfahrungen aus den Modellversuchen liegt diese Höhe bei ca. 35 Mark pro Stunde, wenn jede Subvention wegfällt. Im Vergleich zu der Technikerstunde für Reparaturarbeiten , der bei 65 bis 80 Mark liegt, ist dieser Stundenlohn noch niedrig.

Wenn z.Zt. die Hausarbeit in illegalen oder ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen geleistet wird, so ist darin der langfristig untaugliche Versuch zu sehen, wenigstens einen Teil der geschlechtsspezifischen Diskriminierungen des Steuer- und Versicherungssystems zu umgehen: Bei direkter Bezahlung eines Stundenlohnes von 15 bis 18DM hat die schwarzarbeitende Putzfrau wenigstens einen Existenzstundenlohn, wenn ihr auch jede sonstige Absicherung aus ihrer Arbeit fehlt. Solange sie diese aber durch Eheschließung erworben hat, gibt es für sie subjektiv keine wirklichen Gründe, Steuern und Versicherungen zu bezahlen. Hier gilt es nicht etwa, die Schwarzarbeit stärker zu kontrollieren, sondern die Voraussetzungen für ihre Verbreitung in privaten Haushalten zu verändern, und zwar durch die Schaffung einer eigenständigen sozialen Sicherung für jede Erwerbsarbeit,

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durch die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in den sozialen Sicherungssystemen, durch individuelle Besteuerung und Steuergerechtigkeit und nicht zuletzt durch Mindestlöhne. Wenn diese Veränderungen im Sozialversicherungssystem und im Steuersystem durchgesetzt wären, würde sich die Schwarzarbeit in den meisten Fällen erübrigen.

In den vorliegenden Konzepten zur Neuorganisation der Hausarbeit ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorgesehen und damit unter den herrschenden Bedingungen eine soziale Absicherung angestrebt. Allerdings ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung: Legt man nur die tariflich festgesetzten Stundenlöhnen (12,80DM brutto) zugrunde, so liegen die von den Haushalten zu zahlenden Stundenlöhne auf der einen Seite höher als auf dem Schwarzarbeitsmarkt, nämlich mindestens um die Sozialversicherungsbeiträge, und die dienstleistenden Frauen erhalten ihrerseits weniger Lohn als auf dem Schwarzarbeitsmarkt. Es bleibt abzuwarten, ob die Vorteile, die in der Legalisierung der Beschäftigung für beide Seiten liegen, groß genug sind, so daß auch der Preis dafür bezahlt wird. Möglicherweise können die im SPD Konzept vorgesehenen Agenturen eine gewisse Lösung bringen. Agenturen wären in der Lage, mit den Haushalten Pauschalleistungen zu vereinbaren, die nicht nach der Stundenleistung bemessen sind. Die Agentur kann intern dann eine höhere Stundenvergütung bezahlen, ein Verfahren, das sich offenbar in einigen Modellen (vgl. Servisa in Sachsen) bewährt hat.

Bei der Neuorganisation der Hausarbeit ist nicht nur der Mindeststandard an sozialer Sicherung und zwar aus der Arbeit selbst, einzuhalten. Als zweiter Mindeststandard ist zu fordern, daß die neue Erwerbsarbeit auch mit einem existenzsichernden Stundenlohn vergütet wird. Das erfordert allerdings eine hohe unternehmerische Fähigkeit und die gesellschaftliche Höherbewertung der Hausarbeit.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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