FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausg.: Fortsetzung S. 20]

5. Hausarbeit als total ungeschützte Arbeit

Hausarbeit in privaten Haushalten wird überwiegend jenseits erwerbsarbeits-marktüblicher Arbeitsverhältnisse geleistet. Im folgenden soll am Beispiel des Fensterputzens die Vielfalt der Formen, unter denen diese konkrete Arbeit geleistet werden kann, dargestellt werden.

  • Eine Frau putzt das Fenster ihres eigenen Appartements, das sie alleine bewohnt. Das ist Eigenarbeit, unentlohnt, ohne soziale Sicherung. Bei

    [Seite der Druckausg.: 21]

    dieser Do-it-yourself-Arbeit gilt das Verursacherprinzip, wer die Dienstleistungsarbeit braucht, tut sie auch für sich.

  • Die Schwiegertochter putzt das Fenster ihres alten Schwiegervaters. In der Regel erfolgt die Arbeitsleistung unbezahlt und ohne soziale Absicherung. Nur unter bestimmten Voraussetzungen kann sie über die Pflegeversicherung abgerechnet werden, und es werden 28 DM pro Stunde bezahlt. Sie wird auch nicht mehr geleistet, wenn die Beziehung zwischen Leistungserbringer und Nutzer beendet ist. Die Arbeitsleistung erfolgt auf der Basis verwandtschaftlicher Beziehungen: Hierzu zählen die Dienstleistungen für alte Eltern, Kinder, Brüder, Schwestern, Tanten oder Schwiegereltern.

  • Die Ehefrau putzt das Fenster der ehelichen Wohnung: Hier liegt eine Vermischung zwischen Eigenarbeit und Arbeit für andere vor. Diese Arbeit wird durch den ehelichen Unterhalt entgolten, der nicht die Arbeitskosten, sondern nur die Unterhaltskosten der Arbeitskraft deckt. Die Höhe des Unterhalts ist abhängig von der Höhe des Einkommens des jeweiligen Einkommenbeziehers, in der Regel vom Ehemann, ebenso ist die Dienstleistende abhängig vom Versicherungsschutz aus dessen Erwerbsarbeitsverhältnis.

  • Eine Frau ohne deutschen Paß putzt das Fenster: Besitzt sie keine oder keine gültige Arbeitserlaubnis, erfolgt diese Arbeit illegal, dann ist sie sogar existenzgefährdend. Sie wird mit einem Stundenlohn von etwa 10 Mark bezahlt. Es werden keine Sozialversicherungsbeiträge sowie Steuern abgeführt, es besteht keine Unfallversicherung.

  • Eine Frau, die als Putzfrau arbeitet, putzt das Fenster: Auch sie erhält ca. 15 Mark für diese Arbeitsleistung in der Stunde. In der Regel arbeitet sie in einem legalen, aber geringfügigen Beschäftigungsverhältnis, für das keine Sozialleistungen zu entrichten sind.

  • Eine Hauswirtschafterin putzt das Fenster: Die tariflichen Löhne liegen bei 12,93 DM in der Stunde. Wenn kein geringfügiges Arbeitsverhältnis besteht, ist die Arbeit im sozialen Sicherungssystem und Steuersystem erfaßt, allerdings ist selbst eine dauerhafte Festanstellung aufgrund des Niedriglohnes keine Absicherung im Alter. Oft erfolgt eine Steuerhinterziehung durch den Arbeitgeber, weil er die Beschäftigten im Rahmen seiner selbständigen Arbeit nicht als Haushaltshilfen, als die sie

    [Seite der Druckausg.: 22]

    arbeiten, sondern als Geschäftshilfen absetzt und die fällige Pauschalsteuer nicht bezahlt.

  • Der Gebäudereiniger putzt das Fenster: Hier gibt es 16 Mark pro Stunde als Tariflohn, es besteht ein geschütztes Arbeitsverhältnis mit der Gebäudereinigungsfirma. Eine Abhängigkeit vom Haushalt besteht nicht, allerdings sind auch hier die Niedriglöhne vorhanden und Altersarmut nicht ausgeschlossen.

Es gibt wohl keine Arbeit in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst, die durch so unterschiedliche Arbeitsbedingungen zu kennzeichnen ist wie diese Hausarbeit. Das Beispiel zeigt, daß das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit" vollkommen außer Kraft gesetzt ist, und die Bezahlung selbst nicht selbstverständlich ist. Nicht nur die Höhe des Stundenlohnes, wenn überhaupt ein Stundenlohn bezahlt wird, auch die Absicherung und die arbeits- und sozialrechtliche Einbindung des Arbeitsverhältnisses ist äußerst heterogen. Dennoch haben die Arbeitsverhältnisse gemeinsame Charakteristika: Sie sind überwiegend durch persönliche Abhängigkeit gekennzeichnet, entweder durch Verwandtschaft, durch Ehe, aber auch durch direkte Abhängigkeit von dem Chef oder der Chefin als persönlichem Nutzer der Arbeitsleistung. Welche demütigenden Folgen die privaten Arbeitsbeziehungen für in Privathaushalten Beschäftigte haben können, zeigen neue empirische Untersuchungen:

Arbeitsverhältnisse im privaten Haushalt führen zu einer „Begegnung im Privaten" unter den Vorzeichen von persönlicher Abhängigkeit (Thiessen 1996). Ausbeutung bis hin zu sexueller Ausbeutung ist nicht ausgeschlossen, die öffentliche Kontrolle dieser Arbeitsverhältnisse ist nicht gegeben. Reguläre Arbeitsverhältnisse in Privathaushalten unterliegen speziellen gesetzlichen Regelungen, die auf das besondere Vertrauensverhältnis Rücksicht nehmen (keine Pflicht zur Vorlage des Sozialversicherungsausweises, keine Meldepflicht). Die soziale Sicherung aus der Arbeit ist entweder gar nicht vorhanden, abgeleitet oder nur unvollständig im Verhältnis zum Normalarbeitsverhältnis. Die tarifliche Bindung für die meisten Arbeitsverhältnisse fehlt. Die von der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten und dem Deutschen Hausfrauenbund vereinbarten Gehalts- und Manteltarifverträge sind nicht für allgemein verbindlich erklärt. Den bezahlt Arbeitenden fehlt weiterhin eine kollektive Einbindung in einen Betrieb, sie sind als Arbeitnehmerinnen isoliert. Weiterbildung, Mitgestaltung an den Arbeitsbedingungen, ja selbst der Schutz durch eine gesetzliche Arbeitnehmervertretung ist nicht vorhanden. Um die totale Ungeschützheit dieser Arbeitsverhältnisse abzubauen, muß die

[Seite der Druckausg.: 23]

Beziehung zwischen Arbeitgeber/in und Arbeitnehmer/in aus dem privaten Raum genommen werden. Dies ermöglichen Agenturen, die als Arbeitgeber für die hausarbeitleistenden Beschäftigten auftreten. Nur Agenturen können die kollektive Einbindung, Weiterbildung, Mitgestaltung und Schutz durch Arbeitnehmervertretungen bieten. Selbst ein Zusammenschluß mehrerer Haushalte zur Beschäftigung einer Person kann diese Standards nicht erfüllen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

Previous Page TOC Next Page