FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausg.: Fortsetzung S. 8]

2. Hausarbeit als verborgene Arbeit

Hausarbeit in privaten Haushalten ist verborgene Arbeit. Für die, die sie tun, ist sie subjektiv oft ein „Nichts", gesellschaftlich gilt sie als unbedeutend gegenüber der Erwerbsarbeit, und volkswirtschaftlich ist sie keine Größe, im Bruttosozialprodukt wird sie nicht berücksichtigt. Seit 1994 liegen allerdings die ersten Daten zu Umfang und Wert der Hausarbeit auf dem Tisch: eine kleine Broschüre mit dem auch noch verwirrenden Titel „Wo bleibt die Zeit?", in der die ersten Ergebnisse der Zeitbudget-Erhebungen des Statistischen Bundesamtes von 1991/92 dargestellt sind. Die für Sommer 1995 versprochenen Auswertungen des Bundesministeriums für Familie und Senioren liegen erst ein gutes Jahr später vor ( Blanke u.a.1996). Offenbar ist das gesellschaftlich artikulierte Interesse an dem realen Umfang unbezahlter Haus- und Sorgearbeit nicht groß, obwohl Frauenverbände immer wieder die Öffentlichkeit darüber aufzuklären versuchen. Die bereits veröffentlichten Daten sind spektakulär: Der Umfang der Arbeit ist nämlich enorm. In den 36 Millionen privaten Haushalten werden 77 Milliarden unbezahlte Stunden Arbeit geleistet, während in der gesamten Bundesrepublik nur 47 Milliarden bezahlte Stunden geleistet werden. Von diesen 77 Milliarden unbezahlten Stunden sind 76% hauswirtschaftliche Dienstleistungen und darunter wiederum 33% Kochen und Spülen, 20% Putzen und Wäsche Versorgen. Berechnet man für diese Stunden den branchenspezifischen Stundenlohn, so kann man abschätzen, was diese unbezahlte Arbeit eigentlich wert ist. Man kommt dann auf eine Summe von 654 Milliarden DM für hauswirtschaftliche Arbeit, auf eine Summe von 97 Milliarden DM für Pflege- und Betreuungsarbeiten und auf eine Summe von 91 Milliarden DM für handwerkliche Arbeiten. Diese Summen kommen aber in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung überhaupt

[Seite der Druckausg.: 9]

nicht vor, die Arbeit, weil unbezahlt, wird weder erfaßt noch berechnet noch im Bruttosozialprodukt berücksichtigt.

Aber nicht nur Volumen und Wert der Hausarbeit werden weitgehend verdrängt, unbekannt ist auch, wie die Hausarbeit eigentlich genauer aussieht, welche Anforderungsstruktur sie besitzt, etwa in Abhängigkeit von Anzahl, Geschlecht sowie Alter der Haushaltsangehörigen oder in Abhängigkeit von zur Verfügung stehenden Einkommen, von der regionalen Infrastruktur oder weiteren Variablen. Mystifikationsbegriffe wie „der Haushalt" oder „die Familie" verschleiern die Tatsache, daß erwachsene Personen und Kinder gemeint sind, Männer und Frauen, Jungen und Mädchen. Die genauere Benennung der Verhältnisse zwischen diesen Personen wäre aber notwendig, um überhaupt zu begreifen, was Hausarbeit ist. Verschleiernd sind auch typische Aussagen wie diese: „Da jedoch die stärkere Teilnahme der Frauen am Erwerbsleben nicht automatisch in eine neue Aufteilung der Haushaltspflichten innerhalb der Familie führt" (z.B. König Baudouin Stiftung, S.6). Durch solche Aussagen wird nicht deutlich, daß in bestimmten Schichten plötzlich Arbeit, von der man annimmt, daß sie langfristig zu einer hohen Beschäftigung führen könnte, deswegen vorhanden ist, weil Frauen sie nicht mehr leisten wollen und können und Männer sie nicht unbezahlt übernehmen wollen und können. Ebenso unklar sind Sätze wie: „Der Bedarf an hauswirtschaftlicher Dienstleistung in den Haushalten ist enorm", weil nicht gesagt wird, wer in diesen Haushalten den Bedarf bestimmt, welche Arbeit und für wen dort anfällt.

Die Haushaltswissenschaft als eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit dem Haushalt beschäftigt, fristet an den Universitäten ein relativ unbedeutendes Dasein. Haushaltswissenschaftlerinnen versuchen seit längerer Zeit, die besondere Qualität der Hausarbeit darzustellen (z.B. Kettschau, Methfessel 1991). Auch in der Frauenforschung gab es bereits vor etwa 20 Jahren eine Reihe von theoretischen, empirischen und historischen Studien, die sich mit der Hausarbeit beschäftigten
( Bock, Duden 1977; Kontos 1979; Oakley 1978; Ostner 1978; Meyer 1982). Aus all diesen Arbeiten ist bekannt, daß in den privaten Haushalten sowohl direkt personenbezogene Dienstleistungen wie Kindererziehung, Beziehungsarbeit, Management und Koordinierungsarbeit, Pflege älterer und kranker Personen anfallen, daneben aber auch die hauswirtschaftliche Arbeit, also Mahlzeiten zubereiten, Geschirr reinigen, Wäsche pflegen, die Wohnungsreinigung, das Erledigen von Einkäufen, die Pflanzen- und Tierpflege, die Behördengänge als auch die Organisations- und Managementarbeit für diese Tätigkeiten.

[Seite der Druckausg.: 10]

Theoretisch und praktisch ist eine Unterscheidung besonders bedeutungsvoll, nämlich die nach Erbringer und Nutznießer der Arbeit. Alle Arbeiten in den Haushalten können sowohl Arbeiten sein, die jemand für sich selber erledigt, die jemand für einen Partner oder eine Partnerin erledigt und die jemand für Kinder oder für jemanden tut, der aus Alters- oder Krankheitsgründen diese Arbeiten für sich selber nicht erledigen kann.

Die Aufgabenspektren in den Haushalten sind entsprechend der Lebenssituation sehr heterogen: In einem Viertel der 36 Millionen Haushalte leben Kinder unter 15 Jahren und in etwa 6% der Haushalte betreuungsbedürftige Personen. Das bedeutet, daß in den 12 Millionen Haushalten, in denen entweder betreuungsbedürftige Personen oder Kinder unter 15 Jahren leben, die Haus- und Sorgearbeiten in einem untrennbaren Zusammenhang zu leisten sind und Organisations- und Managementarbeiten in besonderem Umfang vorhanden sind. Qualitative Studien zur Hausarbeit haben ergeben, daß Hausarbeit sich dort gerade dadurch auszeichnet, daß immer mehrere Tätigkeiten gleichzeitig erfüllt werden und daß eine enorme Flexibilität zwischen den verschiedenen Tätigkeiten erforderlich ist sowie daß der Beziehungsaspekt für diejenigen, für die er geleistet wird, eine erhebliche Rolle spielt. Die Zeitverausgabung unterliegt in diesen gemischten Anforderungsstrukturen anderen Kriterien als bei der Industriearbeit, aber auch anderen Kriterien als bei der professionalisierten Dienstleistungsarbeit. Die konkreten direkten Bedürfnisse von Kindern oder Kranken und Alten werden stark berücksichtigt, stehen im Vordergrund, die Zeit wird eher gegeben und nicht eingespart.

Hausarbeit ist demnach ein enorm umfängliches und differenziertes äußerst komplexes Arbeitsfeld, das allerdings kaum beleuchtet wird. Die politische Debatte um Dienstleistungsagenturen oder steuerliche Absetzbarkeit von hauswirtschaftlichen Dienstleistungen könnte zumindestens und zunächst dazu dienen, die Verdrängung der Hausarbeit gesellschaftlich ein wenig aufzuheben und Umfang, Wert und Qualität dieser Arbeit bewußter zu machen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

Previous Page TOC Next Page