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1. Problemstellung

In der politischen Debatte spielt sie plötzlich eine Rolle: die Hausarbeit. Frauenpolitisch gesehen ist das eine Sternstunde, denn verborgen und unbezahlt oder unterbezahlt wird sie zwar täglich, teils nächtlich verrichtet, aber selten wird sie zum Gegenstand politischer Diskussion, gar politischer Konzepte. In der Form, in der die Hausarbeit z.Zt. in dieser Gesellschaft geleistet wird, nämlich überwiegend von Frauen, privat organisiert und unbezahlt oder minderbezahlt, zeigt sich die geschlechtshierarchische Arbeitsteilung. Jede politisch gewollte Veränderung der Hausarbeit berührt deswegen das Geschlechterverhältnis, zunächst durch den Diskurs, den diese Debatte auslöst, eventuell auch real, wenn entsprechende Konzepte in breitem Umfang durchgesetzt werden. Aktuell kann die Kontroverse mit den beiden Reizworten „Dienstmädchenprivileg" versus „Dienstleistungsagentur" skizziert werden. Ausgangspunkt ist nicht eine gesellschaftspolitisch gewollte Reform der geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung oder gar ihre Abschaffung, sondern die relativ hohe Erwerbsarbeitslosigkeit von Frauen und das politische Bemühen, die ungeschützte Erwerbsarbeit in privaten Haushalten in geschützte Erwerbsarbeit zu verwandeln. Es geht also um mehr Erwerbsarbeitsplätze und um sicherere Arbeitsplätze für Frauen. Um diese Arbeitsplätze zu schaffen, sollen im Rahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik öffentliche Mittel eingesetzt werden. Zur gleichen Zeit, zu der vielen kleinen Frauenprojekten, vor allem in den Kommunen, die staatlichen Mittel allmählich entzogen werden, so daß diese Projekte mehr und mehr gefährdet sind, werden kostenträchtige Konzepte für die Schaffung bezahlter Erwerbsarbeitsplätze in privaten Haushalten vorgelegt, eine bemerkenswerte und frauenpolitisch bedenkliche Verlagerung des Förderschwerpunktes.

In den Konzepten geht es zum einen um die Nachfrageförderung, also um die Frage, wie der Bedarf an bezahlter hauswirtschaftlicher Dienstleistung geweckt werden kann, und zum anderen um die Förderung der Angebotsstruktur, also um Qualifikation, Arbeitsverhältnisse und Absicherung der Dienstleistenden, überwiegend der Frauen. Die Nachfrageförderung wird von konservativer Seite durch steuerliche Entlastung des privaten Haushaltes angestrebt, durch eine progressionsabhängige Subvention, die Höchstverdienende um durchschnittlich 6,74 DM Stundenlohn, Geringverdienende aber gar nicht oder um durchschnittlich 2,89 DM Stundenlohn entlasten soll. Die Nachfrageförderung soll darüber hinaus durch eine Erleichterung der bürokratischen Verfahren, die zur Anstellung einer Arbeitskraft üblich sind, gelingen: ein Haushaltsscheck soll die

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Meldung und Abgabenabführung vereinfachen. Alternativ zu dieser Form der Nachfrageförderung setzt der SPD Entwurf auf den Dienstleistungsgutschein, mit dem allen Haushalten, in denen mindestens ein Kind unter 14 Jahren oder ein alter Mensch über 80 Jahren leben, bis zu einem gewissen Umfang der Stundenlohn für die Dienstleistungen verbilligt werden soll, und zwar genau um die Höhe der Lohnnebenkosten.

Die Angebotsstruktur wird im konservativen Modell lediglich an einer Stelle gestaltet: Das Arbeitsverhältnis, für das die Steuererleichterung gilt, muß sozialversicherungspflichtig sein. Qualifikation, Position und Bezahlung der Dienstleistenden werden nicht weiter berücksichtigt. Demgegenüber geht es bei dem von der SPD favorisierten Modell immer um die Schaffung von Agenturen oder Pools, für die auch öffentliche Mittel bereitgestellt werden sollen und die als Arbeitgeber für die Dienstleistenden fungieren. Diese Agenturen oder Pools können unterschiedlich konstruiert sein, sie müssen allerdings, um anerkannt zu sein, und um die Dienstleistungsgutscheine in Empfang nehmen zu dürfen, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse anbieten.

Eine empirische Erprobung und entsprechende Erfahrungen gibt es für einige Elemente beider Konzepte: Die Nachfrageförderung durch Steuererleichterung wird in der Bundesrepublik seit 1990 praktiziert. Sie hat bis 1996 allenfalls zur Stabilisierung der bereits sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in privaten Haushalten geführt. Seit Beginn des Jahres 1997 ist die steuerliche Absetzbarkeit noch einmal erweitert worden, und es sind Haushaltsschecks zur Erleichterung der legalen Verwaltung der versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse eingeführt worden.

Dienstleistungsschecks gibt es seit 1994 in Frankreich. In Frankreich ist allerdings jedes Arbeitsverhältnis sozialversicherungspflichtig. Für jedes Arbeitsverhältnis sind hier Abgaben an neun verschiedene Posten der Sozialversicherung, die auch noch mit unterschiedlichen Prozentabgaben bedient werden müssen, zu entrichten. Unter diesen Bedingungen hat das Scheckverfahren in Frankreich hochgerechnet zu ca. 30.000 neuen Vollarbeitsplätzen geführt, allerdings ist ein Teil durch die gewünschte Umwandlung vorheriger Schwarzarbeitsverhältnisse entstanden.

Dienstleistungsgutscheine werden seit 1996 in Dänemark im Rahmen des Home-Service-Programms erprobt: Hier wird aufgrund einer gesetzlichen Regelung sowohl die Inanspruchnahme von Dienstleistungen in privaten Haushalten unter bestimmten Voraussetzungen subventioniert, gleichzeitig eine

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breite Förderung von Pool-Einrichtungen oder Agenturen, die diese Leistungen anbieten, betrieben. Dieses Modell wurde dort durch eine große Öffentlichkeitskampagne eingeführt. Darüber hinaus gibt es eine Durchführbarkeitsstudie für Belgien, die modellhaft die Beschäftigungseffekte von Dienstleistungsgutscheinen für dieses Land berechnet (König-Baudouin-Stiftung-1994).

Modellversuche, in denen die Gründung von Dienstleistungsagenturen oder Pools im Mittelpunkt steht, gibt es in der Bundesrepublik bereits in einer größeren Anzahl:

Der älteste ist der Modellversuch in Frankental, der im Rahmen des Programms „Neue Wege in der Arbeitsmarktförderung" gefördert wird. (Ähnlich in Fulda und in Traunstein.)

Der Modellversuch Ammerland in Niedersachsen wird durch EG-Mittel gefördert. Hier wird zunächst der Bedarf für private Dienstleistungen erhoben und dann in einem zweiten Schritt eine entsprechende Agentur zur Vermittlung dieser Dienstleistungskräfte gegründet.

In Nordrhein-Westfalen wird vom Ministerium für die Gleichstellung von Mann und Frau ein Modellversuch initiiert und finanziert, in dem die Gründung und betriebswirtschaftliche Rentabilität einer Dienstleistungsagentur erprobt werden soll.

In Bremen wird das Modell „Mobiler Haushaltsservice", das ebenfalls mit EG-Mitteln finanziert wird, durchgeführt, wobei es hier nicht nur um die Gründung einer Dienstleistungsagentur geht sondern auch eine entsprechende Veränderung in der Ausbildung von Hauswirtschaftlern und Hauswirtschafterinnen entwickelt werden soll.

Das Modell Servisa in Sachsen ist als ein flächendeckendes Modell ausgelegt, in dem bereits über 40 ausgebildete Hauswirtschafterinnen mobile Dienstleistungen für private Haushalte anbieten.

Darüber hinaus werden im Rahmen öffentlich geförderter Arbeitsmarktprogramme wie „Arbeit statt Sozialhilfe" oder durch Gründung sozialer Betriebe vielerorts Dienstleistungsagenturen aufgebaut. Nicht zuletzt gibt es eine Reihe privater Gründungen von Betrieben, die Dienstleistungen im hauswirtschaftlichen Bereich und in der Altenpflege anbieten.

Im folgenden soll keine Evaluation dieser Modelle vorgenommen werden, vielmehr geht es um die Frage, welche Folgewirkungen die politisch

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konzeptionierten Ansätze zur Professionalisierung der Hausarbeit aus einer geschlechterpolitischen Perspektive haben, welche Veränderungen sie in der Geschlechterhierarchie bewirken könnten und welchen Beitrag sie zu dem Diskurs zur Zukunft des Geschlechterverhältnisses leisten. Diese Folgeabschätzung für das Geschlechterverhältnis wird entlang den aus der Frauenforschung entwickelten Charakteristika gesellschaftlicher Frauenarbeit vorgenommen. Es wird sich dabei zeigen, daß die Folgen nicht alle Frauen gleichermaßen betreffen und daß das Geschlechterverhältnis nicht in allen Schichten gleichförmig verändert wird.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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