FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 9 / Fortsetzung]

3. Die Verknüpfung von Geschlecht und Beruf und die Abwertung der Frauenarbeit

Im folgenden wird die Tragfähigkeit der oben skizzierten Ansätze für die Analyse der Frauenberufe überprüft.

"Berufe können als gesellschaftlich definierte Zusammensetzungen von spezifischen Arbeitsfähigkeiten und Wissenselementen verstanden werden, die in erster Linie in institutionell geregelten Ausbildungsgängen erworben und nach bestimmten Mustern im Arbeitsprozeß organisiert werden" (Rabe-Kleberg, 1993, S. 50).

Geht man davon aus, daß es vielfältige Prozesse der Vergeschlechtlichung gibt, die mit der Abwertung des als weiblich definierten im Vergleich zu dem als männlich definierten verbunden sind, so müßte sich ein solcher Prozeß konkreter in der Konstituierung und Perpetuierung von Berufssystemen nachvollziehen lassen. Dabei geht es um die Frage, warum bestimmte Berufe als Frauenberufe, andere als Männerberufe etikettiert werden und welche gesellschaftliche Funktionen diese Geschlechtsetikettierungen be

[Seite der Druckausgabe: 10]

sitzen. Es wird deutlich werden, welche Bedeutung der symbolischen Geschlechterordnung dabei zukommt.

Berufe entstehen aus der gesellschaftlichen Definition von Problemen und deren Bearbeitung, sie basieren auf der geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung: Nicht jedes Problem, das durch die Notwendigkeit der Lebensbewältigung in komplexen gesellschaftlichen Strukturen auftritt, wird nämlich durch Professionalisierung gelöst. Es gibt auch die Alternative, Probleme in nicht-professionalisierten Strukturen, also im sogenannten Privatraum, zu lösen, und zwar durch unbezahlte und kaum registrierte, meistens von Frauen geleistete Arbeit. Die Arbeit im sogenannten Privatraum zeichnet sich durch Charakteristika aus, die der Professionalisierung genau entgegengesetzt sind: während professionalisierte Arbeit spezialisiert, qualifiziert und bezahlt ist, fehlen der Arbeit im Privatraum diese Merkmale, und sie ist dem gegenüber eher diffus, die ganze Person fordernd und unbezahlt. Die Grenze zwischen Berufs- und Privatarbeit ist aber nicht fest, und dies ist für die Betrachtung der Vergeschlechtlichung von Berufen äusserst relevant. Es läßt sich nämlich nachweisen, daß immer

[Seite der Druckausgabe: 11]

dann, wenn ehemals privat und unbezahlt geleistete Arbeiten von Frauen verberuflicht werden, die gesellschaftliche Anerkennung dieser Berufe sehr gering ist. Offenbar überträgt sich der gesellschaftliche Verdrängungsprozeß, dem die private Arbeit unterliegt, zunächst auch auf die ihr entsprechende Berufsarbeit. Je stärker solche Berufsarbeit nur Frauen zugewiesen wird, umso länger dauert dieser Abwertungsprozeß.

Professionalisierungsprozesse sind selbst mit mehr oder weniger strengen Zuweisungsprozessen an die Geschlechter verbunden. Es entstehen Frauen- oder Männerberufe, es entstehen aber auch gemischte Berufe. Frauenberufe werden oft als gesellschaftliche Gegebenheiten betrachtet, die mit der Natur oder der Funktion der Geschlechter begründet werden. Betrachtet man jedoch den Prozeß der Geschlechtszuweisung von Berufen, so stellt man fest, daß es hierbei historische Entwicklungen in jeder Richtung gab und gibt:

Es kann zu einem Wechsel von Frauenberufen zu Männerberufen kommen, es kann aber auch einen Wechsel von Männer- zu Frauenberufen geben oder zur Entstehung von gemischten Berufen führen. Der Wechsel von typischen Frauenberufen in gemischtgeschlechtliche Berufe erfolgt immer dann, wenn Männer vermehrt in ein Berufsfeld einsteigen, in dem die Professionalisierungsprozesse abgeschlossen sind: Wenn Kontrollpositionen gebildet worden sind und die Bürokratisierung und Hierarchisierung begonnen hat. Dann besetzen die Männer auch in der Regel jeweils die höher angesiedelten Positionen, während die Frauen weiterhin die Positionen einnehmen, in denen es um die direkte Interaktion mit Klienten oder Patienten geht, wie die Entwicklung der sozialen Berufe zeigt. Historische Analysen der Berufe zeigen typische Mechanismen: immer dann, wenn ehemals den Frauen zugeordnete Berufe zu einer Männerprofession wurden, erhöhte sich der Status dieser Berufe, während der umgekehrte Prozeß, bei dem ein ehemaliger Männerberuf zu einem Frauenberuf wurde, immer zu einer Statusminderung des neuen Frauenberufes führte (Gildemeister, Wetterer, 1993).

Die Analyse der Legitimationsmuster für die geschlechtsspezifische Definition von Berufen verweist auf deren Verknüpfung mit der symbolischen Geschlechterordnung und ihren Strukturelementen. Schon die rein statistische Definition von Frauenberufen birgt eine überhöhte Bedeutung der Kategorie Geschlecht in sich: nach der rein statistischen Definition sind Frauenberufe Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten. Auf der Basis der Berufsstatistiken, die die Besetzung von Berufspositionen nach dem Geschlecht erfassen, lassen sich Frauen- und Männerberufe bestimmen: danach werden Männerberufe als Berufe definiert, in denen 80% oder mehr Männer die beruflichen Positionen besitzen und Frauenberufe als Berufe, in denen 80% oder mehr Frauen die beruflichen Positionen besetzen. Es ist erstaunlich, daß die so gefaßte geschlechtsspezifische Sortierung von Berufen in der Bundesrepublik einen weitaus größeren Teil der männlichen Berufstätigen als der weiblichen Berufstätigen betrifft: während etwa nur 28% aller erwerbstätigen Frauen in den Berufen arbeiten, in denen Frauen überwiegen, arbeiten 40% aller erwerbstätigen Männer in solchen Berufen, in denen Männer überwiegen. D.h. Frauenberufe sind nicht etwa die Berufe, in denen die meisten Frauen arbeiten. Damit sagte die rein statistische Definition von Frauenberufen nicht viel über die wirklichen beruflichen Positionen aller erwerbstätigen Frauen aus, die Bezeichnung Frauenberuf hat für die Erwerbstätigkeit der meisten Frauen wenig Bedeutung.

Ein Legitimationsmuster für die geschlechtsspezifische Teilung von Berufen bezieht sich auf einen Begründungszusammenhang, der auf die "Eignung" zurückgreift, wobei einerseits die Eignung spezieller Berufe für die Frauen und umgekehrt auch die Eignung der Frauen für spezielle Berufe gemeint ist. Im ersten Sinne sind Frauenberufe solche Berufe, die sich für Frauen eignen, weil in ihnen die weibliche Lebensplanung offenbar verwirklicht werden kann. Dabei wird unterstellt, daß Frauen immer eine Vereinbarkeit von Berufs- und Familienarbeit anstreben und daß Frauenberufe solche Berufe sind, in denen dies gelingen kann. Die Realität zeigt aber, daß die Berufe, die überwiegend mit Frauen besetzt sind, gerade durch solche Arbeitsbedingungen charakterisiert sind, in denen diese Vereinbarkeit sehr schwierig ist. Berufe wie Verkäuferin, Friseurin, aber auch Krankenschwester und Arzthelferin, sind Berufe, in denen aufgrund der normalen Arbeitszeiten bereits eine Vereinbarung mit der Kinderbetreuung oder Altenpflege kaum möglich ist. Die Vereinbarkeit ist insbesondere dann unmöglich, wenn von einem lebenslangen Vollzeitarbeitsplatz ausgegangen wird. Nun gibt es in der Tat in einigen dieser Berufe gerade im Dienstleistungsbereich für Frauen vermehrt Teilzeitmöglichkeiten. Der Hintergrund dieser Möglichkeit ist allerdings entweder die bereits vollzo-

[Seite der Druckausgabe: 12]

gene, starke Taylorisierung in diesen Berufen bzw. eine geschlechtsspezifische Zuschneidung von Arbeitsplätzen, die spätestens bei der Aufstiegsperspektive sichtbar wird. Von der "Eignung" dieser Berufe für Frauen zu sprechen, ist damit in doppeltem Sinne zynisch: zum einen sind die Arbeitsbedingungen in den Vollzeitstellen gerade nicht geeignet, den unterstellten Vereinbarkeitswunsch zu realisieren. Die Arbeitsbedingungen führen entweder zur Aufgabe des Kinderwunsches oder zum teilweisen oder völligen Rückzug in die Familienarbeit. Zum anderen führen die den Frauen eingeräumten Teilzeitmöglichkeiten nur zu einer prekären Vereinbarkeit, weil eine eigenständige materielle Absicherung in Gegenwart und Zukunft durch Teilzeitarbeit in diesen Bereichen nicht gegeben ist. Damit wird die Abhängigkeit der Frauen von einem anderen Finanzgeber, sei es der Ehemann oder der Staat, zur Regel. Frauenberufe also, die deswegen so genannt werden, weil sie angeblich eine besondere Eignung für die Lebensplanung der Frauen besitzen sollen, sind Berufe, in denen die materielle Abhängigkeit von Frauen perpetuiert wird.

Die andere Seite des Eignungsargumentes bezieht sich auf die weibliche Identität: Frauenberufe sind solche Berufe, für die Frauen sich besonders eignen. Zur Begründung werden nicht etwa konkrete Eignungsuntersuchungen von Berufsinhaberinnen oder Interessentinnen oder konkrete Analysen der alltäglichen Berufssituationen herangezogen. Das Argument bezieht sich vielmehr auf die Ähnlichkeit zwischen dem gesellschaftlichen Bild der Frau, wie es im weiblichen Geschlechtsstereotyp als Element der symbolischen Geschlechterordnung konzentriert ist und dem Berufsstereotyp. Auch Berufe haben ein stereotypes Profil, in dem charakteristische Aussagen über die Berufsinhaberinnen enthalten sind. Diese Berufsstereotype stimmen genauso wenig mit der Berufsrealität und ihren Anforderungen überein wie das weibliche Geschlechtsstereotyp mit der Lebenswirklichkeit von Frauen übereinstimmt. Die Stereotype der Frauenberufe, die auch ihren Niederschlag in Curricula und Berufsbeschreibungen sowie in Berufsbildern finden, zeichnen sich dadurch aus, daß weniger die Berufsarbeit analytisch dargestellt ist, sondern daß vielmehr eine allgemeine Tätigkeitsbeschreibung vorliegt, wie z.B. die Pflegehandlung oder der Umgang mit dem Kind. Die Tätigkeiten werden global benannt, verschwommen und ohne abgrenzbare innere Konturen dargestellt. Dementsprechend fehlt auch ein spezielles Qualifikationsprofil, vielmehr wird der Einsatz der ganzen Personen gefordert. Diese ganze Person hat die Merkmale aufzuweisen, die im weiblichen Geschlechtsstereotyp verankert sind. Frauenberufe können danach definiert werden als die Berufe, deren Stereotyp dem weiblichen Geschlechtsstereotyp ähnlich ist.

Ein weiterer Legitimationsversuch für das Bestehen von Frauenberufen steht im engem Zusammenhang mit dem Versuch, die Eignung von Frauen für Berufe zentral zu setzen: Frauenberufe zeichnen sich danach durch die Ähnlichkeit ihrer Tätigkeitsinhalte mit den

[Seite der Druckausgabe: 13]

Tätigkeiten aus, die den Frauen auch außerhalb der Berufsarbeit in privater und unbezahlter Weise zugemutet werden: Frauenberufe sind danach Berufe, in denen Hausarbeiten professionalisiert werden. Bestimmt man die Hausarbeitnähe als Kern der Definition von Frauenberufen, so hat dies zunächst zur Folge, daß die gesellschaftliche Unsichtbarmachung und Verdrängung sowie Abwertung der Hausarbeit auch die Frauenberufe trifft: Arbeiten, die von Frauen privat und unbezahlt geleistet werden, können, wenn sie in Berufsform gefaßt sind, schwerlich die Assoziation von Einfachheit, von Allerweltstätigkeit verlieren.

Betrachtet man allerdings Hausarbeit und die ihr zu entsprechen scheinenden Berufsarbeiten genauer, so bleibt an Gemeinsamkeit allenfalls die der Geschlechtszugehörigkeit der Arbeitenden, mitnichten die des konkreten Arbeitsalltags: Berufe sind nämlich gerade im Gegensatz zur Hausarbeit eine arbeitsteilige Form von Problemlösung, während Hausarbeit genau dadurch charakterisiert ist, daß sie ganzheitlich zur Lebensbewältigung erbracht wird und sich auf alles bezieht, was gerade nicht professionell erledigt wird oder erledigt werden kann. Die arbeitsteilige Problemlösungsform der Professionen führt zu einem spezialisierten, aber dadurch auch begrenzteren Zugang zum Arbeitsgegenstand, während für die Hausarbeit genau die gegenteilige Beziehung, nämlich die unbegrenzte und unspezialisierte typisch ist. Am Beispiel der Krankenpflege wird deutlich: Pflege als Profession hat es immer wieder neu und nur mit dem Prozeß der Erkrankung und Gesundung verschiedener Personen zu tun, Pflege im Rahmen der Familienarbeit konfrontiert in der Regel aber nicht regelmäßig und ausschließlich mit diesen Prozessen und vor allem nicht bei stets wechselnden Personen. Darüberhinaus sind die Pflegearbeiten zumindestens bei Erwachsenen im familiären Bezugsrahmen reversibel, die Rolle der Pflegenden und Gepflegten können also ausgetauscht werden, während dies in der professionalisierten Pflege ausgeschlossen ist. Die Definition von Frauenberufen durch die Hausarbeitsnähe ist also falsch und legt den Berufen ein Muster auf, das nicht zu ihnen paßt. Sie dient allerdings der Legitimation der vorhandenen Unterbewertung dieser Berufe.

Damit ist die wesentliche Folge der Geschlechtsetikettierung von Berufen bestimmt: sie dient der Legitimierung der Abwertung der sogenannten Frauenberufe.

Geschlechtsetikettierungen können aber auch noch andere Funktionen bekommen: ein Blick in die Geschichte zeigt, daß Frauen selber die Geschlechtsetikettierung benutzt haben, um ihre Interessen an einer Erwerbsarbeit durchzusetzen: "Die diskursive Universalisierung von Frauen zu Müttern" (Jakobi 1989, S. 49), die von den Reformpädagogen des 18. Jahrhunderts betrieben wurde, nutzten bürgerliche Frauen als Argument zur Legitimierung ihrer Erwerbsarbeit im pädagogischen Berufsfeld. In der Position der Lehrerinnen an Mädchenschulen, so ihr Argument, könne die Frau auch die bislang

[Seite der Druckausgabe: 14]

vorenthaltene Berufsarbeit im Rahmen der Mütterlichkeitsvorstellungen interpretieren und ausüben: wenn sie selber Mädchen zu späteren Müttern erzieht, entspricht sie dem weiblichen Geschlechtsstereotyp. Der Rekurs auf das Stereotyp wurde von den Frauen genutzt, ihren Anspruch gegenüber den Männern in diesem Berufsfeld durchzusetzen, allerdings zum Preis weiterer geschlechtsspezifischer Segregationen (Frauen in Mädchenschulen) und zum Preis der Zementierung geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung in der Ideologie und Realität. Ob und wieweit dieselben Lehrerinnen ihren Schülerinnen konkret aber eine gewisse Widerständigkeit gegenüber den Zumutungen des weiblichen Geschlechtsstereotyps im Unterrichtsalltag vermittelt haben, bleibt trotz des Hinweises auf ihre stereotypenbezogene Berufsstrategie offen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

Previous Page TOC Next Page