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Luidger Wolterhoff:
Berufliche Situation von jugendlichen Aussiedlern




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1. Vorbemerkungen

Die berufliche Situation jugendlicher Aussiedler ist einerseits sehr stark bestimmt durch die Situation von Aussiedlern insgesamt auf dem Arbeitsmarkt. Andererseits ist die berufliche Integration junger Aussiedler wesentlich dadurch beeinflußt, inwieweit eine Integration sprachlich, schulisch und sozial gelingt bzw. gelungen ist. Zwischen beruflicher und sozialer Integration wird zudem in der Regel wiederum eine gegenseitige Abhängigkeit bestehen. In meinem Beitrag konzentriere ich mich auf die berufliche Integration. Anknüpfungen oder Schlußfolgerungen aus Fragen der schulischen, sozialen und insbesondere sprachlichen Integration werden dabei jedoch unvermeidlich sein.

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2. Unterscheidung einzelner Gruppen von jugendlichen Aussiedlern

Die berufliche Situation junger Aussiedler könnte sich – eine solche Hypothese wäre zumindest auf den ersten Blick denkbar – im Vergleich zur beruflichen Situation aller Altersgruppen von Aussiedlern besonders günstig gestalten. Die Begründung für eine solche These kann in der Tatsache gefunden werden, daß junge Aussiedler ihr Berufsleben in der Bundesrepublik Deutschland beginnen und eine langfristige Eingliederung erfahren.

Für einen Teil der jungen Aussiedler trifft dies sicherlich auch zu; dies wird aber sehr vom Alter ihres Einreisens in die Bundesrepublik abhängen. Bei der Beschreibung der beruflichen Situation jugendlicher Aussiedler müssen m.E. deshalb zumindest drei Gruppen unterschieden werden:

1. Bei Kindern, die bei ihrer Einreise noch so jung sind, daß der Einstieg in Schule und Beruf noch (weit) vor ihnen liegt, bestehen gute Chancen, daß es zu einer „quasi automatischen" Integration in unser Bildungs- und Berufssystem kommt. Die deutsche Sprache wird sehr früh und intensiv erlernt. Beim Eintritt in das Berufsleben dürften in vielen Fällen vergleichbare Ausgangspositionen erreicht sein wie bei Jugendlichen, die in der Bundesrepublik Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Bei der folgenden Beschreibung der beruflichen Situation werde ich diese Gruppe konsequenterweise außer Betracht lassen.

2. Jugendliche, die bei ihrer Einreise nach Deutschland nur noch kurze Zeit im deutschen Schulsystem vor sich haben oder gar direkt an der Schwelle zum Berufsleben stehen, haben die größten Schwierigkeiten, einen guten beruflichen Einstieg zu finden. Ihre sprachlichen Defizite bringen sie im Vergleich zu einheimischen Jugendlichen in einen „Wettbewerbsnachteil" um z.B. einen Ausbildungsplatz, so daß Chancengleichheit hier grundsätzlich nicht besteht. Hinzu kommt, daß das deutsche Bildungs- und Berufssystem in der Regel als so fremd erscheint, daß potentiell sich bietende Chancen unter Umständen auch nicht erkannt und damit ergriffen werden können. Dieser Gruppe wird im nachfolgenden das Hauptaugenmerk meiner Überlegungen gelten.

3. Eine dritte Gruppe, die m.E. unterschieden werden muß, sind Jugendliche oder junge Erwachsene, die während ihrer Ausbildungszeit in Betrieb oder Hochschule nach Deutschland kommen. Hier tritt neben die sprachlichen Defizite das Problem, inwieweit im Herkunftsland Erlerntes hier anerkannt werden kann.

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3. Die berufliche Situation jugendlicher Aussiedler vor oder an der Schwelle zum Berufsleben

Jugendlichen Aussiedlern, die kurz vor dem Eintritt ins Berufsleben nach Deutschland kommen, wird der Start in den Beruf in der Regel nur gelingen, wenn

1. die sprachlichen Defizite minimiert werden können: Die für alle Aussiedler im berufsfähigen Alter über die Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Deutschlehrgänge reichen aufgrund ihrer Befristung auf sechs Monate dazu nicht aus;

2. in den Entscheidungsprozeß der Jugendlichen für eine Ausbildung, für einen Beruf auch die wesentlichen Möglichkeiten des bundesdeutschen Systems mit einbezogen werden. D.h. jugendlichen Aussiedlern muß das Spektrum der Ausbildungswege möglichst transparent gemacht werden.

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3.1. Sprachförderung

Hinreichenden Sprachkenntnissen kommt insbesondere im Rahmen der Ausbildung an Schulen, in Betrieben oder Hochschulen eine hohe Bedeutung zu. Die berufliche Integrationsförderung jugendlicher Aussiedler setzt deshalb vorrangig an der Sprachförderung an. Diese unterscheidet sich erheblich von den Sprachangeboten für die übrigen Gruppen von Aussiedlern. Jugendliche Aussiedler, die eine Ausbildung planen, können über den Garantiefonds des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert werden. Die über dieses Förderinstrument finanzierten Internate bieten mit ihren „Intensivsprachkursen" die Basis dafür, daß jugendliche Aussiedler auf dem deutschen Ausbildungsstellenmarkt eine grundsätzliche Chance erhalten.

Gleiches gilt auch für das Spektrum der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, die von der Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden und grundsätzlich allen Jugendlichen offenstehen, die eine berufliche Erstausbildung nur mit Hilfe solcher Maßnahmen erlangen können. Zu den Zielen und Aufgaben berufsvorbereitender Maßnahmen zählen:

1. die Erweiterung des Berufswahlspektrums,

2. die Förderung der Motivation zur Aufnahme einer Ausbildung,

3. die individuelle Beratung bei der Entscheidungsfindung, Planung und Vorbereitung des Übergangs in Ausbildung,

4. die Vermittlung fachpraktischer und fachtheoretischer Grundkenntnisse und Fertigkeiten,

5. der Erwerb betrieblicher Erfahrungen und die Reflexion betrieblicher Realität,

6. die Verbesserung der bildungsmäßigen Voraussetzungen zur Ausbildungsaufnahme,

7. die Stärkung der sozialen Kompetenz und

8. die Förderung und Einübung von Einstellungen und Fähigkeiten, die für eine erfolgreiche Bewältigung einer Ausbildung oder einer Arbeitnehmertätigkeit notwendig sind.

Berufsvorbereitende Maßnahmen für jugendliche Aussiedler unterscheiden sich von allgemeinen Maßnahmen dadurch, daß der Sprachförderung ein besonderer Schwerpunkt gilt. Für Aussiedler ist die Förderung ihrer deutschen Sprachkenntnisse sowie der Erhalt bzw. die Förderung ihrer muttersprachlichen Sprachkenntnisse für ihre persönliche und soziale Entwicklung von größter Bedeutung. Die Muttersprache der Jugendlichen darf nicht durch Ignorieren abgewertet werden. Die (künftige) Zweisprachigkeit sollte möglichst positiv erfahren werden. In „Intensivsprachkursen" oder begleitenden Angeboten zu berufsvorbereitenden Maßnahmen wird Deutsch zielgerichtet angeboten, sowohl allgemeinsprachlich als auch berufs- und berufsfeldbezogen. Die Inhalte orientieren sich an den Erfordernissen der Bildungsmaßnahme und den individuellen Erfordernissen der Teilnehmer. Im folgenden möchte ich auf einige Komponenten und Ziele der „Intensivsprachkurse" und berufsvorbereitenden Maßnahmen eingehen, denen neben der Sprachförderung für die berufliche Integration eine hohe Bedeutung zukommt.

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3.2. Förderung der Motivation und sozialen Kompetenzen

Der Begriff des „Intensivsprachkurses" könnte die Vermutung nahelegen, daß hier ausschließlich Sprachkenntnisse vermittelt würden. Ein solcher Ansatz würde an den Anforderungen des beruflichen Einstiegs vorbeigehen. Neben einem sicheren Umgang mit der deutschen Sprache erwarten potentielle Ausbildungsbetriebe zumindest hinreichende Kenntnisse in klassischen Schulfächern. Darüber hinaus spielt die Motivation der Jugendlichen und ihre soziale Kompetenz für Arbeitgeber bei der Auswahl von Auszubildenden eine große Rolle. Die aktuelle äußerst angespannte Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt benachteiligt insbesondere Jugendliche mit einer mangelnden Motivation oder mit Defiziten im sozialen Verhalten beim Wettbewerb um einen Ausbildungsplatz. Diese Problematik wird deshalb auch in den berufsvorbereitenden Maßnahmen der Arbeitsverwaltung und den „Intensivsprachkursen" aufgegriffen.

Wurde Aussiedlern noch vor Jahren eine im allgemeinen sehr hohe Arbeitsmotivation unterstellt, muß dies für die Gruppe der jugendlichen Aussiedler aktuell differenzierter gewertet werden. Für die Gruppe der jugendlichen Aussiedler muß gefragt werden, inwieweit ihre Ausreise – zumindest ihrem subjektiven Empfinden nach – freiwillig geschah. Eine Aussiedlung im Familienverbund kann insbesondere für Jugendliche dazu führen, daß der Verlust recht stabiler und fester Bindungen zu Gleichaltrigen im Herkunftsland negative Auswirkungen auf die Motivation hat, Leistung zu erbringen. Ferner kommen bekannterweise immer mehr Aussiedler aus immer weiter entfernt liegenden Regionen, die (teilweise) dem asiatischen Kulturkreis zuzurechnen sind. Hier unterscheiden sich anerkannte und gelebte Werte und Umgangsformen ganz erheblich von denen in Deutschland. Eine gelingende berufliche Integration setzt zumindest die Kenntnis und Akzeptanz wesentlicher in Deutschland gängiger sozialer Kompetenzen voraus.

In Auswahlverfahren um einen Ausbildungsplatz werden aufgrund scheinbar zunehmender Defizite und/oder steigender Anforderungen im Bereich der Motivation und der sozialen Kompetenzen diese Bereiche immer mehr zur Hürde. Arbeitgeber klagen vermehrt darüber, daß sich Jugendliche in steigender Zahl nicht mit der aus Unternehmenssicht notwendigen Motivation und mit mangelnden schulisch-fachlichen und sozialen Fähigkeiten um einen Ausbildungsplatz bewerben. Wenn diese Hürde schon für viele in Deutschland geborene Jugendliche nur schwer zu überspringen ist, wird deutlich, um wieviel schwerer dies erst jugendlichen Aussiedlern fallen muß.

Den angesprochenen „Intensivsprachkursen" und berufsvorbereitenden Maßnahmen kommt daher auch die Aufgabe zu, weitgehend allgemein als bekannt vorausgesetzte und akzeptierte Kulturtechniken und soziale Kompetenzen zu vermitteln. Ferner müssen die jugendlichen Aussiedler in die Lage versetzt werden, ihre Bemühungen um einen Ausbildungsplatz motiviert anzugehen. Im Rahmen der berufsvorbereitenden Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit und der „Intensivsprachkurse" muß deshalb auch die Trennung vom Herkunftsland und der Verlust des bisherigen sozialen Umfeldes mit seinen Werten und Umgangsformen bearbeitet werden.

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3.3. Ausbildungsplatzsuche und Berufsspektrumserweiterung

Die Möglichkeiten des bundesdeutschen Ausbildungs- und Berufssystems sind bereits für hier aufgewachsene Jugendliche in der Regel nur unvollständig erfaßbar. Der Beratung durch die Berufsberatung der Arbeitsämter kommt deshalb – und in Phasen schlechter Lagen auf dem Ausbildungsstellenmarkt besondere – Bedeutung für alle Jugendlichen zu. Die Notwendigkeit einer solchen Beratung ist für jugendliche Aussiedler um ein Vielfaches größer:

1. Das System von Ausbildung und Beruf unterscheidet sich grundsätzlich vom dem im Herkunftsland. Die Form der dualen Ausbildung dürfte in der Regel unbekannt sein.

2. Das Spektrum der erkannten Berufsfelder wird unter Umständen falsch gewertet. Berufsbezeichnungen und -inhalte aus dem Herkunftsland sind häufig nicht mit den in Deutschland definierten Standards identisch. Jugendliche Aussiedler haben somit zum einen Schwierigkeiten, „bekannte Berufe" ausfindig zu machen oder sind zum anderen verunsichert, wenn vermeintlich bekannte Berufsbezeichnungen auf ihre Inhalte abgeprüft werden. Männliche jugendliche Aussiedler nennen häufig Berufe aus dem handwerklichen bzw. gewerblich-technischen Bereich als Wunschziele. Weibliche Jugendliche nennen vermehrt Berufswünsche wie Friseurin, Verkäuferin, Arzthelferin oder Krankenschwester. Diese Berufsbezeichnungen sind in der entsprechenden Sprache des Herkunftslandes in der Regel bekannt. Ihre Inhalte unterscheiden sich jedoch teilweise zwischen Herkunftsland und Deutschland erheblich.

3. Berufswünsche von Jugendlichen sind häufig sehr stark von gesellschaftlichen, familiären oder gruppenspezifischen Wertvorstellungen geprägt. Dies gilt für in Deutschland aufgewachsene Jugendliche in gleicher Weise wie für jugendliche Aussiedler. Problematisch wird dies jedoch dadurch, daß inhaltsgleiche Berufe in Deutschland und im Herkunftsland – zumindest gesellschaftlich – unterschiedlich bewertet werden. Eine Verkäuferin wird in Staaten der GUS zu den privilegierten Berufsgruppen gezählt; in Deutschland wird sie eher dem unteren Drittel der Berufshierarchie zuzurechnen sein.

Wird eine Berufswahlentscheidung in mangelnder Kenntnis dieser Unterschiede getroffen, ist spätere Enttäuschung und damit Demotivation, die unter Umständen zum Ausbildungsabbruch führen kann, vorprogrammiert. Hinzu kommt, daß vieles dafür spricht, daß jugendliche Aussiedler bei fortschreitendem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vorherrschende Werte aus Gruppen Gleichaltriger übernehmen. Wurde eine Berufswahlentscheidung noch aufgrund von Wertevorstellungen des Herkunftslandes getroffen und verschieben sich diese Vorstellungen bei dem betroffenen Jugendlichen, kann sich die beschriebene Demotivation noch verstärken.

Die Arbeitsverwaltung versucht, die notwendige Beratung parallel zu den oben beschriebenen „Intensivsprachkursen" zu leisten. Einzelne Projekte z.B. in Nordrhein-Westfalen versuchen, die Berufsspektrumserweiterung neben der Beratung der jugendlichen Aussiedler durch das Heranführen an ausgewählte Berufsfelder durch Praktikumsblöcke zu ergänzen. Diese in Nordrhein-Westfalen durch das Kolping-Bildungswerk in Witten und Paderborn angebotene Maßnahme kombiniert sprachliche und berufsfachliche Unterweisung. Diese Maßnahmen stehen allerdings nur benachteiligten Jugendlichen offen. Diese Form der Schulung bietet arbeitsmarktlich vor allem folgende Vorteile:

1. Die sprachliche Schulung hat einen konkreten Bezug zur beruflich selbst erfahrenen Praxis.

2. Berufsfelder werden konkret erlebt, vorhandene Vorstellungen können überprüft und gegebenenfalls angepaßt werden.

Unabhängig davon, ob Sprachkenntnisse „isoliert" oder kombiniert mit berufsfeldbezogenen Praxisteilen erlernt werden, reichen die erlernten Sprachkenntnisse in einigen Berufen – plastische Beispiele hierfür sind kaufmännische oder Verwaltungsberufe – für die Aufnahme einer Ausbildung nicht aus. Dies stellt sich insbesondere für jugendliche Aussiedlerinnen als nachhaltiges Problem dar.

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3.4. Aufnahme einer nicht-selbständigen Arbeit als „Alternative" oder Umweg zur Berufsausbildung?

Aufgrund der geschilderten Schwierigkeit tendieren jugendliche Aussiedler stärker dazu, sich weniger um eine Ausbildung zu bemühen und statt dessen direkt eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu suchen. Dieser „Trend" wird durch die allgemein ungünstige Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt noch „begünstigt". Grundsätzlich stellt auch die Arbeitsaufnahme eine Möglichkeit dar, sprachliche Defizite weiter zu beseitigen, Vorstellungen über den „Wunschberuf" zu vertiefen und später eine Ausbildung aufzunehmen. Dieser Weg dürfte aber in vielen Fällen – nicht nur aufgrund der schlechten Ausbildungsplatzsituation – lediglich eine theoretische Möglichkeit darstellen. Die anfänglich attraktivere Einkommenssituation bei Aufnahme einer nicht-selbständigen Arbeit im Vergleich zur Ausbildung wird zu „Gewöhnungseffekten" führen, so daß ein „Rückschritt" auf das Niveau der Ausbildungsvergütung – zumindest subjektiv – nicht mehr möglich erscheint.

Die Erfahrungen der Arbeitsvermittlung zeigen in der letzten Zeit zudem immer stärker, daß aufgrund der schlechten Situation auf dem Arbeitsmarkt Aussiedler bei der Einstellung von hier geborenen und aufgewachsenen Arbeitslosen verdrängt werden. Dabei werden auch immer öfter beruflich nicht so qualifizierte Arbeitslose dem Personenkreis der Aussiedler vorgezogen. Deshalb kann man die Aufnahme einer nicht-selbständigen Arbeit – sofern sie jugendlichen Aussiedlern denn gelingt – nicht als nachhaltige „Alternative" oder als Umweg zur Berufsausbildung bezeichnen.

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4. Jugendliche, die während ihrer Ausbildung nach Deutschland einreisen

Die dargestellten Problemlagen verschärfen sich für jugendliche Aussiedler, die während ihrer Ausbildung in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, noch deutlich.

Hier treten neben den genannten Problemen noch folgende hinzu:

1. Die begonnene Ausbildung muß – damit von einer Fortsetzung überhaupt die Rede sein kann – möglichst zeitnah fortgesetzt werden. Dies wird in der Regel dadurch unmöglich gemacht, daß ein entsprechender Ausbildungsplatz nicht (so schnell) gefunden werden kann. Darüber hinaus fehlen für die „übergangslose" Fortsetzung die notwendigen Sprachkenntnisse.

2. Die Ausbildungs- und Berufssysteme im Herkunftsland und in Deutschland unterscheiden sich, wie bereits erwähnt, erheblich. Eine Anrechnung des bereits Erlernten ist nur in Ausnahmefällen möglich.

Jugendliche, die bereits im Herkunftsland eine Ausbildung begonnen haben, werden in den meisten Fällen in der Bundesrepublik Deutschland einen „zweiten Anlauf nehmen" müssen. In einigen Fällen wird das im Herkunftsland Erlernte einen „Wettbewerbsvorteil" bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz darstellen.

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5. Mittelfristig vergleichbare Situationen

Mit fortschreitendem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gleichen sich die beruflichen Situationen einheimischer Jugendlicher und jugendlicher Aussiedler insofern an, als gleiche Qualifikationen auch gleiche Chancen bzw. Benachteiligungen in sich tragen. Chance oder Benachteiligung auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt machen sich, nachdem wesentliche sprachliche Defizite beseitigt sind, an den formalen und in Form von Zertifikaten oder Abschlüssen nachweisbaren Qualifikationen fest. Die besondere Gefahr für junge Aussiedler besteht letztlich darin, daß das Erlangen dieser Qualifikationen durch die (anfänglichen) Sprachdefizite nur erschwert oder später gar unmöglich gemacht wird. Bestimmte Entscheidungen und Entwicklungen in einer Berufsbiographie lassen sich nur mit teilweise sehr hohem Aufwand und Einsatz korrigieren.

Das Förderinstrumentarium des Dritten Sozialgesetzbuches bietet hier ein breites Spektrum von der Förderung der beruflichen Weiterbildung über die Subventionierung der Einstellung von Langzeitarbeitslosen und Benachteiligten bis hin zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Diese Instrumente stehen grundsätzlich allen Arbeitnehmern offen, sofern sie die individuellen Fördervoraussetzungen erfüllen. Hierbei können Aussiedler jedoch aufgrund ihres konkreten Berufs- und Arbeitslebens in der Bundesrepublik Deutschland benachteiligt sein. Um so wichtiger ist es, jugendlichen Aussiedlern bereits durch geeignete Maßnahmen einen guten Einstieg ins Arbeits- und Berufsleben zu ermöglichen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 1998

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