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TEILDOKUMENT:




Barbara Dietz:
„Wer bin ich? Was will ich?..." -
Einstellungen und Orientierungen von jugendlichen Aussiedlern in Deutschland


Jugendliche Aussiedler gelten in den neunziger Jahren als eine Zuwanderungsgruppe, die in der Schule, im Beruf und im sozialen Zusammenleben deutliche Probleme bei der Integration hat. Es zeichnet sich z.B. ab, daß viele junge Aussiedler an ihre mitgebrachte Schulbildung nicht mehr anknüpfen können, daß es ihnen nicht gelingt, ihre Berufsausbildungen umzusetzen bzw. in Deutschland eine adäquate Berufsbildung neu zu beginnen und daß ihre alltäglichen Handlungs- und Partizipationsmöglichkeiten unter anderem aufgrund ihrer sprachlichen Defizite eingeschränkt sind. Von außen gesehen stellt sich der Integrationsprozeß der jugendlichen Aussiedler in den neunziger Jahren als spannungsreich dar; tendenziell ist diese Zuwanderungsgruppe von sozialer Randständigkeit und Isolation bedroht. Wie aber erleben sich die Jugendlichen selbst in dieser Situation und mit welchen Einstellungen und Orientierungen begegnen sie dem Leben in Deutschland? Diese beiden Fragen werden im folgenden aus der Warte der jugendlichen Aussiedler beleuchtet, wobei auch Überlegungen dazu angestellt werden, inwieweit sich die Einstellungen und Orientierungen der jungen Aussiedler von denen der einheimischen Jugendlichen unterscheiden. [ Die Ausführungen dazu basieren auf der Publikation „Jugendliche Aussiedler – Portrait einer Zuwanderergeneration", die 1998 im Campusverlag erschienen ist.]

Der Beitrag nimmt in seinen empirischen Teilen auf eine bundesweite Befragung von ausgesiedelten und einheimischen Jugendlichen Bezug, die im Winter 1995/96 vom Osteuropa-Institut in München durchgeführt wurde. [ Die Befragung fand im Rahmen des von der Volkswagen Stiftung dankenswerterweise finanzierten Forschungsprojekts „Die fremden Deutschen" statt.] An dieser Umfrage nahmen jeweils 253 Jugendliche aus der Bevölkerungsgruppe der rußlanddeutschen Aussiedler und der Einheimischen im Alter von 15 bis 25 Jahren teil. Die Einreisejahre der jugendlichen Aussiedler lagen zwischen 1990 und 1994: bis zum Ende des Jahres 1992 war die eine Hälfte der Interviewpartner gekommen, die andere danach. Die Ergebnisse der Befragungen liefern nicht nur detaillierte Informationen über die Integrationssituation der jugendlichen Aussiedler, sondern lassen auch einen Vergleich mit der Lebenssituation und den Einstellungen junger Einheimischer zu. [ Eine umfassende Darstellung der Umfrage und ihrer Ergebnisse findet sich in Barbara Dietz, Heike Roll: Jugendliche Aussiedler – Portrait einer Zuwanderergeneration, Frankfurt 1998.]

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„Wer bin ich? …" Sozialisation im Herkunftsland, ethnisches Selbstverständnis, Zugehörigkeit zur Familie und Gleichaltrigengruppe, Migrationserfahrung

Worüber definieren sich die jungen Aussiedler und welche Erfahrungen sind es, auf die sie sich in Deutschland im Prozeß der Integration beziehen? Exemplarisch werden hier vier Punkte herausgegriffen, die für die Entwicklung der jungen Aussiedler besonders relevant erscheinen: ihre Sozialisation im Herkunftsland, ihr ethnisches Selbstverständnis, ihre Zugehörigkeit zur Familie und Gleichaltrigengruppe sowie ihre Migrationserfahrung.

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Sozialisation im Herkunftsland

Jugendliche Aussiedler, die in den neunziger Jahren nach Deutschland kommen, reisen in erster Linie aus der vormaligen Sowjetunion ein. Sie gehörten dort der Perestroika bzw. der Postperestroika-Generation an, die aufwuchs, als sich die ökonomischen, politischen und sozialen Strukturen des sowjetischen Systems auflösten und sich auf dem Territorium der vormaligen UdSSR neue Nationalstaaten konstituierten. Begleitet waren diese Umstrukturierungsprozesse von wirtschaftlichen Krisen und ethnischen Konflikten, aber auch von einer Entideologisierung gesellschaftlicher Wertvorstellungen und einer Öffnung hin zu westlichen Gesellschaften. Diese Veränderungen hatten auch weitreichende Folgen für die schulische Sozialisation, das Berufsleben, die Jugendkultur und die gesellschaftlichen Orientierungen von Jugendlichen.

Mit dem Ziel, die schulische Bildung an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen zu orientieren, wurden in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu Beginn der neunziger Jahre neue Bildungsgesetze verabschiedet, die das bisherige Bildungssystem inhaltlich reformieren sollten. [ Vgl. Oskar Anweiler: Bildungsprobleme postkommunistischer Gesellschaften – eine Herausforderung an Politik, Wissenschaft und Praxis, in: Wissenschaftliches Forum für Internationale Sicherheit (Hrsg.), Von der Sowjetunion zur GUS. Wirtschaft – Gesellschaft – Sicherheit, Bremen 1992, S. 117–129.] Die Umsetzung dieser Reformen verzögerte sich jedoch aufgrund massiver finanzieller Schwierigkeiten des für den Bildungsbereich zuständigen staatlichen Sektors. Die staatlichen Schulen haben mittlerweile die Folgen der nicht umgesetzten Reformen und der Finanzkrise zu tragen: Sie leiden unter Lehrermangel, fehlendem Lehr- und Lernmaterial und sie verlieren zunehmend an Autorität und Prestige. Die schulische und berufliche Ausbildung wird von den Jugendlichen in den postsowjetischen Gesellschaften zunehmend geringer bewertet, da eine höhere Ausbildung nicht notwendig eine bessere Entlohnung oder größere Karrierechancen verspricht. Sehr viel öfter als in den achtziger Jahren treten Jugendliche nach dem Auseinanderbrechen der UdSSR ins Arbeitsleben ein, ohne eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen zu haben. Bedingt durch die wirtschaftliche Transformation ist die Jugendarbeitslosigkeit hoch und es hat sich ein spezifischer Arbeitsmarkt für Jugendliche herausgebildet, der durch ein niedriges Qualifikationsniveau, niedrigen Arbeitslohn, manuelle Arbeit, sporadische Beschäftigung, begrenzte Berufswahl, schlechte Arbeitsbedingungen, ‘horizontale’ Mobilität und Teilbeschäftigung gekennzeichnet ist. [ Vgl. Nikolai Slepzow: Auf dem Weg zur Marktwirtschaft, in: Nikolai Slepzow, Lidija Rewenko, Die Perestroika-Generation. Jugendliche in Rußland, München 1993, S. 7–32.]

Die postsozialistischen Gesellschaften durchleben eine tiefe Orientierungskrise, die auch auf die Persönlichkeitsbildung der Jugendlichen Einfluß nimmt. Bis zur Auflösung des Unionsverbandes haben zumindest noch formal gültige Werte – wie z.B. staatliche Autorität und die Orientierung am Kollektiv – ihre Glaubwürdigkeit verloren. Das Recht auf Arbeit und Ausbildung läßt sich unter marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht mehr aufrechterhalten. In Verbindung mit der ökonomischen Perspektivlosigkeit verunsichert der Werteverlust die Jugendlichen. [ Vgl. Wolfgang Schlott (Hrsg.): Die enterbte Generation. Russische Jugend nach der Peres troika, Leipzig 1994.] Die Infragestellung der bislang geltenden Werte hat es jedoch auch ermöglicht, daß den Jugendlichen ein größerer Freiraum zugestanden wird. Sie haben die Möglichkeit, eine zu Zeiten der Sowjetunion abgelehnte eigenständige Jugendkultur zu erproben, die sich zumeist an westlichen Mustern orientiert. [ Vgl. Heike Roll: Deutsch sein und doch fremd sein – Jugendliche Aussiedler suchen ihre Identität, in: Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Identitätsstabilisierend oder konfliktfördernd? Ethnische Orientierungen in Jugendgruppen, Bonn 1997, S. 39–50.]

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Ethnisches Selbstverständnis

Die jugendlichen Aussiedler waren in den allermeisten Fällen in ihren Herkunftsländern sozial integriert, manchmal nahezu assimiliert. Sie wuchsen mit der russischen Sprache, der russischen Alltagskultur und den Verhaltensnormen der postsowjetischen Gesellschaften auf. [ Dies galt im allgemeinen auch für die jungen Aussiedler aus Kasachstan und den mittel asiatischen Staaten, da diese meist in einem gemischtnationalen Umfeld lebten, das primär von russischen Einflüssen geprägt war.] Ethnische Diskriminierungen aufgrund ihrer deutschen Abstammung haben nur die wenigsten jungen Aussiedler erlebt. In den letzten Jahren vollzogen sich jedoch in den Nachfolgestaaten der UdSSR politische und soziale Veränderungen, die den ethnischen Zugehörigkeiten eine neue Bedeutung zuwiesen. Nach der Auflösung des Unionsverbandes verfolgten die Nachfolgestaaten der UdSSR, die ausnahmslos multinationale Staaten sind, eine nationalstaatliche Politik. Dies hat die dort lebenden ethnischen Minderheiten, so auch die Deutschen, verunsichert. Vor allem die Deutschen in Kasachstan und den mittelasiatischen Staaten sahen nach der Auflösung der UdSSR eine Reihe rechtlicher und sozialer Ungewißheiten auf sich zukommen. Aufgrund der Einführung der Sprachen der jeweiligen Titularnation als Staatssprache und der Besetzung wichtiger Positionen durch die Angehörigen der Titularnation befürchten die Deutschen ebenso wie die Angehörigen anderer europäischer Völker, Gesellschaftsmitglieder zweiter Klasse zu werden.

Die Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit spielte für die meisten ausgereisten Jugendlichen im Herkunftsland nur eine untergeordnete Rolle und beeinflußte ihre Sozialisation nicht grundlegend. Den Jugendlichen wurde die deutsche Sprache oder deutsche Traditionen in erster Linie durch die Familien vermittelt, die im allgemeinen selbst nur noch einen geringen Bezug dazu hatten. Die ethnische Zugehörigkeit war in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion jedoch in offiziellen Bereichen (z.B. bei der Aufnahme in eine Hochschule oder beim beruflichen Werdegang) und im sozialen Zusammenleben von Bedeutung. Dies erklärt, daß manche Jugendliche erst durch die Reaktion ihrer Umwelt auf ihre deutsche Zugehörigkeit aufmerksam wurden.

Ausgehend davon, daß sich die jungen Aussiedler im allgemeinen ihren Herkunftsländern zugehörig fühlten und mit der russischen Sprache und der postsowjetischen Alltagskultur aufgewachsen sind, stellt sich die Frage, über welche Identifikationsmechanismen sie selbst eine Beziehung zu ihrem ‘Deutschsein’ herstellen. Nach den Ergebnissen der Befragungsstudie verband sich die Erfahrung von ‘Deutschsein’ für die jungen Aussiedler, die zwischen 1990 und 1994 nach Deutschland gekommen waren, im Herkunftsland an erster Stelle mit der Abstammung aus einer deutschen Familie. Das subjektive Zugehörigkeitsgefühl und die Familientraditionen waren für die Erfahrung deutscher Identität im Vergleich dazu nachrangig und auch die deutsche Sprache spielte eine geringe Rolle.

Tabelle 1: Erfahrung der deutschen Identität im Herkunftsland
(zwei Nennungen möglich, n = 253)

in %

Abstammung

41,1

habe mich schon immer deutsch gefühlt

31,6

Familientraditionen

21,7

deutsche Sprache

13,0

Ausreiseentscheidung

4,3

sowjetisches Paßsystem

4,0

Diskriminierung

2,4

fühle keine deutsche Identität

8,7

anderes

6,3

weiß nicht

2,3

Quelle: Osteuropa-Institut, eigene Befragung

Was verbinden die jugendlichen Aussiedler nun persönlich damit, deutsch zu sein? Diese Frage wurde den jungen Aussiedlern in bezug auf ihre derzeitige Lebenssituation gestellt, so daß sich hier auch ein Vergleich mit den einheimischen Jugendlichen anstellen läßt. Die Antworten der ausgesiedelten und der einheimischen Jugendlichen auf die Frage nach der persönlichen Bedeutung des Deutschseins fächern nicht nur ein breites Spektrum von Identifikationsmustern auf, sondern zeigen auch, daß junge Aussiedler und Einheimische andere Schwerpunkte setzen. Zunächst fällt auf, daß 40% der jungen Einheimischen, aber nur jeder Zehnte junge Aussiedler meinte, mit ‘Deutschsein’ nichts besonderes verbinden zu können.

Tabelle 2: Persönliche Bedeutung des Deutschseins
(zwei Nennungen möglich, in %)

Aussiedler
(n = 252)

Einheimische
(n = 252)

die deutsche Sprache beherrschen

29,6

9,5

in einer deutschen Familie aufgewachsen sein

26,8

16,6

unter Bundesdeutschen gleichberechtigt leben

25,6

5,1

die deutsche Staatsangehörigkeit

15,0

18,2

deutsche Traditionen pflegen

9,4

4,0

bundesdeutsche Freunde haben

6,7

0,4

deutsche Tugenden verkörpern

5,5

2,8

sich mit deutscher Kultur beschäftigen

2,3

3,6

in Deutschland aufgewachsen sein

0,0

18,2

ich verbinde nichts besonderes damit

9,9

39,1

anderes

8,3

9,5

weiß nicht

7,5

2,0

Quelle: Osteuropa-Institut, eigene Befragung

Bei den persönlichen Kriterien des ‘Deutschseins’ setzen die jungen Aussiedler die deutsche Sprachbeherrschung an die erste Stelle, was aufgrund ihrer Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache erstaunen mag. [ So gaben beispielsweise bei der vorliegenden Befragung nur 33,2% der interviewten jungen Aussiedler sehr gute bzw. gute Deutschkenntnisse an. Über die Hälfte (52,6%) bewerteten ihre Deutschkenntnisse mittelmäßig und 14,3% schlecht.] Daraus wird allerdings deutlich, welch hohen Stellenwert die deutsche Sprache für die jugendlichen Aussiedler nach der Ausreise hat. Neben ihrer Schlüsselfunktion bei der Integration wird sie auch zum Medium der Identifikation. Ebenfalls an prominenter Stelle stehen bei den jungen Aussiedlern die ‘Abstammung aus einer deutschen Familie’ und das ‘gleichberechtigte Leben unter Bundesbürgern’ sowie ‘bundesdeutsche Freunde’ haben. Die letztgenannten Voten sprechen dafür, daß die jungen Aussiedler ihr ‘Deutschsein’ auch damit verbinden, in Deutschland einen gleichberechtigten Platz zu finden. Im Vergleich mit den einheimischen Jugendlichen fällt auf, daß die jugendlichen Aussiedler ‘deutsche Tugenden’ und ‘deutsche Traditionen’ stärker betonen, was bei diesen Jugendlichen auf einen an der Abstammungsgemeinschaft orientierten Kulturbegriff schließen läßt. Die einheimischen Jugendlichen setzten auch bei der persönlichen Definition des Deutschseins in erster Linie auf staatsbürgerliche Kriterien wie die ‘deutsche Staatsangehörigkeit’ und das ‘Aufwachsen in Deutschland’, erst an dritter Stelle kommt bei ihnen das ‘Aufwachsen in einer deutschen Familie’ ins Spiel.

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Zugehörigkeiten zur Familie und Gleichaltrigengruppe

Die Aussiedlermigration hatte stets einen familienbezogenen Charakter: Die meisten Aussiedler reisen mit ihren engsten Familienangehörigen nach Deutschland ein, wo sie in den neunziger Jahren zumeist schon Verwandte vorfinden. Damit stellt die Familie für die jugendlichen Aussiedler nach der Ausreise den wichtigsten emotionalen Bezugspunkt in einer fremden Umwelt dar. [ Vgl. Leonie Herwartz-Emden: Erziehung und Sozialisation in Aussiedlerfamilien. Einwanderungskontext, familiäre Situation und elterliche Orientierung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 7–8/97, 7. Februar 1997, S. 3–9.] Gleichzeitig ist die Familie aber auch die Gruppe, mit der die Jugendlichen die Erfahrungen des Lebens im Herkunftsland teilen. Von dort werden die innerfamiliären Strukturen mitgebracht, die sich oft erheblich von den Familienstrukturen in Deutschland unterscheiden. Aussiedlerfamilien sehen sich als Gemeinschaft, deren Zusammenhalt für die einzelnen Familienmitglieder von existentieller Bedeutung ist. Im innerfamiliären Diskurs wird die Autorität der Eltern und Großeltern akzeptiert. Im häuslichen Bereich folgt die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen traditionellen Mustern. Obschon die Eltern und andere erwachsene Familienmitglieder in den allermeisten Fällen den Jugendlichen nach der Ausreise nur begrenzt Orientierungshilfen in der deutschen Gesellschaft anbieten können, geben sie ihnen doch durch den familiären Zusammenhalt emotionale Sicherheit.

Im Herkunftsland waren die jugendlichen Aussiedler überwiegend in ein russisches oder multinationales Umfeld eingebunden, das auch die ethnische Zusammensetzung ihres Freundeskreises bestimmte. Nach ihren eigenen Angaben hatten die meisten jungen Aussiedler enge Freunde in ihrer vormaligen Heimat und sie waren in eine Gleichaltrigengruppe eingebunden. Auch nach der Ausreise finden sich die meisten jungen Aussiedler wieder in einer Gleichaltrigengruppen zusammen. Auffallend ist jedoch, daß sich der Freundeskreis der jungen Zuwanderer nun überwiegend aus Aussiedlern zusammensetzt. Diese Beschränkung auf die eigene Gruppe ist bei den meisten jungen Aussiedlern nicht freiwillig. Dies wird aus den Ergebnissen der Befragung offensichtlich, wonach 70% der ausgereisten Jugendlichen angaben, sie würden sich mehr Kontakt zu einheimischen Jugendlichen wünschen.

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Migrationserfahrung

Die Entwicklung der Persönlichkeit und die Verfestigung des Identitätsgefühls sind im Jugendalter zentrale Probleme. Diese Prozesse werden erschüttert, wenn sich ein Ereignis wie die Migration einschiebt. [ Vgl. Leon Grinberg, Rebecca Grinberg: Psychoanalyse der Migration und des Exils, München 1990, S. 144.] Die Auswirkung der Migration auf die Persönlichkeitsentwicklung von jugendlichen Zuwanderern hängt von einer Reihe von Faktoren ab, beispielsweise der Freiwilligkeit der Migration oder der Stützfunktion der Familie. Es ist im Kontext der Integration jugendlicher Aussiedler häufig die Vermutung geäußert worden, daß ein großer Teil dieser jungen Zuwanderungsgruppe nicht freiwillig nach Deutschland gekommen ist. [ Vgl. Michael Fändrich: Eingliederungshilfen für junge Aussiedler, in: Sozialpädagogik 5, 1994, S. 206–210; Edith Niehuis: Es kommen Kinder und Jugendliche, die kein Wort Deutsch sprechen, in: Frankfurter Rundschau, 18.3.1996, S. 13.] Dieses Argument wurde in der öffentlichen Diskussion wiederholt dafür herangezogen, um die wachsenden Integrationsprobleme der jugendlichen Aussiedler zu erklären.

Mit Blick auf die Mitwirkung bei der Ausreiseentscheidung zeigt die Interviewstudie ein vielschichtigeres Bild als gemeinhin angenommen. Etwa ein Fünftel der befragten Jugendlichen (ca. 22,5%) gab an, daß sie bei der Ausreiseentscheidung entweder keine wesentliche Rolle gespielt hätten oder daß sie nicht gefragt worden seien, ob sie nach Deutschland kommen wollten. Nur ganz wenige der jugendlichen Interviewpartner (5,5%) wollten explizit nicht ausreisen. Mehr als die Hälfte der jungen Aussiedler hatten jedoch die Ausreiseentscheidung mitgetragen, indem sie mit der Familie entschieden oder den Ausreiseentschluß der Familie sehr unterstützten.

Tabelle 3: Mitwirkung der jugendlichen Aussiedler bei der Ausreise
(n = 253)

in %

habe mitentschieden

37,2

habe den Entschluß sehr unterstützt

20,9

habe keine wesentliche Rolle gespielt

14,2

habe allein entschieden

11,9

wurde nicht gefragt

8,3

wollte nicht ausreisen

5,5

schwer zu sagen

2,0

Quelle: Osteuropa-Institut, eigene Befragung

Vor dem Hintergrund dieser empirischen Ergebnisse sind die Integrationsschwierigkeiten der jungen Aussiedler der neunziger Jahre nicht in erster Linie im Lichte einer unfreiwilligen Zuwanderung zu interpretieren. Es drängt sich vielmehr die Frage auf, ob nicht die subjektiven Ausgangsbedingungen der jungen Aussiedler (mangelhafte Sprachbeherrschung, nicht übertragbare Ausbildung und eingeschränkte soziale Handlungsfähigkeit) sowie die gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen in der Bundesrepublik der neunziger Jahren für die zunehmenden Frustrationserfahrungen dieser Immigranten verantwortlich sind.

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„Was will ich? …" Einstellungen und Orientierungen der jungen Aussiedler

In der öffentlichen Diskussion um die Integration jugendlicher Aussiedler ist in den letzten Jahren wiederholt die Frage gestellt worden, ob diese Zuwanderungsgruppe ausreichend motiviert ist, sich aktiv beim schulischen, beruflichen und sozialen Neubeginn in Deutschland zu engagieren. Es wurde auch des öfteren die Vermutung geäußert, daß die jungen Aussiedler sich in ihren Wertorientierungen stark von den jungen Einheimischen unterscheiden und daß sie sich auch aus diesem Grunde von der westlichen Leistungsgesellschaft überfordert sehen und es ihnen nur schwer gelingt, den einseitigen Bezug auf die eigene Gruppe zu durchbrechen. Auf der Basis der Befragungsergebnisse können nun die Einstellungen und Wertorientierungen der jungen Aussiedler im Vergleich zu den jungen Einheimischen näher beleuchtet werden. Drei Bereiche werden dabei in den Blick genommen: die Einstellung zur schulischen Bildung, die Einstellung zu familiären Werten und die Wertorientierungen.

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Einstellung zur schulischen Bildung

Die schulische und berufliche Bildung hat in Deutschland für die jungen Aussiedler eine wichtige integrative Funktion. Wie aber sehen dies die jugendlichen Aussiedler selbst? Sind sie der Ansicht, daß schulische Bildung von Bedeutung ist oder meinen sie beispielsweise eher, daß schnelles Geldverdienen Priorität besitzt?

In der Befragungsstudie wurde den jugendlichen Aussiedlern und Einheimischen ein Themenkomplex mit verschiedenen Thesen zur schulischen Bildung vorgelegt. Anhand einer Bewertungsskala von 1 = vollkommen einverstanden bis 4 = überhaupt nicht einverstanden konnten die Jugendlichen die vorgegebenen Aussagen zur schulischen Bildung beurteilen. Dabei zeigte sich, daß die Nützlichkeit der schulischen Bildung sowohl von den jungen Aussiedlern als auch von den einheimischen Jugendlichen eine überdurchschnittliche Zustimmung erfuhr (Item 1 und 2 in Tabelle 4), während die Aussage „es ist besser, zu arbeiten und Geld zu verdienen, als Schulen zu besuchen" in beiden Gruppen eine überdurchschnittlich starke Ablehnung fand.

Tabelle 4: Beurteilung der schulischen Ausbildung durch jugendliche Aussiedler und einheimische Jugendliche

Mittelwert

Item

Aussiedler
(n = 252)

Einheimische
(n = 252)

Schule hilft, den Weg durchs Leben zu finden

1,96

2,21

schulische Allgemeinbildung ist nützlich

1,82

1,77

es ist besser, zu arbeiten und Geld zu verdienen, als Schulen zu besuchen

2,91

2,83

Quelle: Osteuropa-Institut München, Befragung JU–1

Aus den zitierten Einschätzungen kann insgesamt geschlossen werden, daß die Mehrheit der Aussiedlerjugendlichen der Ausbildung einen hohen Stellenwert einräumt. Dies legt nahe, daß nicht die individuelle Ablehnung der Ausbildung in erster Linie dafür verantwortlich sein dürfte, daß jugendliche Aussiedler an ihre mitgebrachte schulische Ausbildung oft nicht anknüpfen bzw. daß sie hier in Deutschland überwiegend eine einfache Schul- bzw. Berufsausbildung absolvieren.

Jugendliche Aussiedler treffen in den neunziger Jahren nicht mehr auf eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation, die für junge Immigranten günstig ist. Die Krise des Sozialstaates bedingte Kürzungen im Bereich der Integrationsförderung, es herrscht Lehrstellenmangel und eine hohe Arbeitslosigkeit vor. [ Vgl. Bundesanstalt für Arbeit: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit 45, 6, 1997, S. 784ff.] Dabei mindern sprachliche Defizite, die eingeschränkte soziale Handlungsfähigkeit und die häufig nicht übertragbaren mitgebrachten Ausbildungsgänge die schulischen und beruflichen Integrationschancen der Aussiedlerjugendlichen. Vor dem Hintergrund der positiven Bewertung von Ausbildung ist für die jungen Aussiedler davon auszugehen, daß ihre schulische und berufliche Integration von Frustrationserfahrungen begleitet ist, die von nicht realisierbaren Ausbildungswünschen ebenso hervorgerufen werden wie von einer Dequalifizierung in Ausbildung und Beruf.

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Einstellung zu familiären Werten

Traditionelle Wertvorstellungen zum familiären Zusammenhalt, zu Geschlechterrollen und zur Kindererziehung sind in Deutschland nicht mehr Allgemeingut. In den Aussiedlerfamilien und in den Gesellschaften, aus denen die Aussiedler kommen, haben sich dagegen tradierte Vorstellungen des Familienlebens und der Kindererziehung noch stärker bewahrt. Wie stehen die jungen Aussiedler zu überlieferten familiären Werten und sind sie – was oft vermutet wird – konservativer und stärker an traditionellen familiären Werten orientiert als junge Einheimische? Anhand von verschiedenen Statements zu familiären Werten wurde in der Befragungsstudie versucht, die Einstellungen der jungen Aussiedler zur Familie, zur Kindererziehung und zu den Geschlechterrollen in der Familie im Vergleich mit einheimischen Jugendlichen herauszuarbeiten.

Auch in Deutschland ist die Familie für viele Personen noch immer ein wichtiger Bezugspunkt, wobei jedoch das Postulat, daß die Familie eine unauflösbare Gemeinschaft darstellt, nicht mehr zum Idealbild stilisiert wird. Auf den Punkt gebracht wird das traditionelle Bild der familiären Gemeinschaft durch die Aussage „die Familie muß in jedem Fall zusammenhalten". Dieses Statement wurde von ca. 70% der jungen Einheimischen bejaht und von nochmals deutlich mehr jugendlichen Aussiedlern akzeptiert. Dies unterstreicht die große Bedeutung des familiären Zusammenhalts, den jugendliche Aussiedler in der Minderheitensituation im Herkunftsland und bei der Emigration erfuhren und auf den sich viele bei der Integration in Deutschland, trotz möglicher familiärer Differenzen, stützen.

Tabelle 5: Die Familie muß auf jeden Fall zusammenhalten (in %)

Aussiedler
(n = 253)

Einheimische
(n = 252)

ja

88,5

69,0

nein

3,2

9,1

kommt auf die Situation an

7,5

21,4

weiß nicht

0,8

0,4

Quelle: Osteuropa-Institut München, eigene Befragung

Elterliche Autorität hat in vielen Aussiedlerfamilien noch einen hohen Stellenwert, obschon sie durch soziale Desintegrationsprozesse in den Herkunftsländern und durch die Probleme bei der Integration nicht mehr durchgängig aufrechterhalten werden kann. In der elterlichen Autorität kommt jedoch nicht nur Dominanz, sondern auch Fürsorge und Verantwortlichkeit zum Ausdruck, die von manchen Kindern und Jugendlichen angenommen wird. In der Aussage „solange Kinder nicht erwachsen sind, bestimmen die Eltern, was für sie gut ist" kommt sowohl die elterliche Allmacht als auch die elterliche Verantwortlichkeit zum Tragen. Während die elterliche Autorität nur bei ca. 30% der jungen Einheimischen die ungeteilte Zustimmung fand, bejahten sie nahezu doppelt so viele junge Aussiedler.

Tabelle 6: Solange Kinder nicht erwachsen sind, bestimmen die Eltern, was für sie gut ist (in %)

Aussiedler
(n = 250)

Einheimische
(n = 251)

ja

58,8

30,3

nein

14,8

22,7

kommt auf die Situation an

25,2

44,6

weiß nicht

1,2

2,4

Quelle: Osteuropa-Institut München, eigene Befragung

Dem traditionellen Frauenbild in der Familie entspricht, daß Kindererziehung und Hausarbeit in erster Linie weibliche Beschäftigungen sind. Vor allem patriarchalische, konservative Familien bewahren ein Frauenbild, das sich in der Aussage „für die Frau ist der beste Platz in der Familie, bei den Kindern und im Haushalt" bündeln läßt. Bei den jungen Aussiedlern fand diese Beschreibung der Frauenrolle in der Familie bei mehr als jedem Dritten Zustimmung, während sie bei den jungen Einheimischen kaum Unterstützung fand. Bei den jungen Aussiedlern ist die vergleichsweise starke Akzeptanz der traditionellen Frauenrolle auch vor dem Hintergrund der sehr hohen Partizipation der Frauen am Arbeitsleben in ihren Herkunftsländern bemerkenswert. Dies zeigt, daß traditionelle Einstellungen keineswegs mit realen Erfahrungen einhergehen müssen, denn auch in den Aussiedlerfamilien ist die Partizipation der Frauen am Arbeitsleben hoch.

Tabelle 7: Für die Frau ist der beste Platz in der Familie, bei den Kindern und im Haushalt (in %)

Aussiedler
(n = 253)

Einheimische
(n = 252)

ja

38,7

8,7

nein

36,4

73,9

kommt auf die Situation an

21,3

15,8

weiß nicht

3,6

1,6

Quelle: Osteuropa-Institut München, eigene Befragung

Wird die Einstellung der einheimischen und der ausgereisten Jugendlichen zu familiären Werten im Überblick betrachtet, dann lassen sich Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten erkennen. Die Wertungen der befragten Jugendlichen stützen die häufig aufgestellte These, daß junge Aussiedler traditionelle familiäre Wertvorstellungen stärker befürworten als junge Einheimische. Nach den Ergebnissen der Befragung tritt dies bei der vergleichsweise starken Akzeptanz des familiären Zusammenhaltes, der elterlichen Autorität und des traditionellen Frauenbildes in der Familie zutage. Untersuchungen mit türkischen Jugendlichen der zweiten und dritten Migrantengeneration in Deutschland haben gezeigt, daß auch diese Jugendlichen traditionelle Werte in bezug auf Familie und Erziehung stärker akzeptieren als die einheimischen Jugendlichen. Auffallend ist jedoch, daß sich die weiblichen Jugendlichen unter den Einheimischen, den Aussiedlern und den türkischen Migranten der zweiten Generation generell stärker gegen traditionelle Strukturen wenden als männliche Jugendliche und eher partnerschaftliche familiäre Beziehungen befürworten. [ Vgl. Wilhelm Heitmeyer, Joachim Müller, Helmut Schröder: Verlockender Fundamentalismus, Frankfurt 1997, S. 96–98.]

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Wertorientierungen

In Deutschland wie in anderen westlichen Demokratien wurde in den letzten beiden Jahrzehnten ein Wandel von materialistischen hin zu postmaterialistischen Wertorientierungen konstatiert. Materialistische Wertorientierungen werden in diesem Zusammenhang mit Pflicht- und Akzeptanzwerten (z.B. Disziplin, Gehorsam, Leistung, Sicherheit, Anpassungsbereitschaft) identifiziert und postmaterialistische mit Werten der Selbstentfaltung (Emanzipation von Autoritäten, Genuß, Abenteuer, Kreativität, Ungebundenheit, Eigenständigkeit) gleichgesetzt. [ Vgl. Olaf Winkel: Wertewandel und Politikwandel. Wertewandel als Ursache von Politikverdrossenheit und als Chance ihrer Überwindung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 52–53/96, 20. Dezember 1996, S. 13–25.] Empirische Untersuchungen der letzten Jahre bestätigen diesen Wandel der Wertorientierungen in Deutschland, zeigen jedoch gleichzeitig, daß sich, besonders bei den Jugendlichen, eine Koexistenz von materialistischen und postmaterialistischen Wertorientierungen durchsetzt. [ Vgl. Martina Gille, Winfried Krüger, Johann de Rijke, Helmut Willems: Das Verhältnis Ju gendlicher und junger Erwachsener zur Politik: Normalisierung oder Krisenentwicklung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 19/96, 3. Mai 1996, S. 3–17.]

Wie stellen sich in diesem Kontext die Wertorientierungen der jugendlichen Aussiedler dar? Unterscheiden sie sich in starkem Maße von ihren einheimischen Altersgenossen, und wenn dies der Fall ist, welche Prioritäten setzen sie? Um diese Frage zu beantworten, wurden die Jugendlichen nach der Wichtigkeit von verschiedenen vorgegebenen Lebenszielen gefragt, die sich den Wertebereichen Prosozialität/Familie, Selbstverwirklichung, Hedonismus, Akzeptanz und Pflicht zuordnen lassen. [ Die aufgelisteten Lebensziele konnten mit den Antwortvorgaben ‘sehr wichtig’, ‘wichtig’, ‘nicht so wichtig’ und ‘überhaupt nicht wichtig’ bewertet werden.]

Auf den ersten Blick weist die Rangfolge der Lebensziele der jugendlichen Aussiedler und einheimischen Jugendlichen durchaus Ähnlichkeiten auf. Die erste Stelle unter den Lebenszielen nahm bei beiden Gruppen jeweils ‘ein glückliches Familienleben’ ein, wohingegen das ‘Leben nach Traditionen’ beiden am wenigsten wichtig erschien. Während aber bei den jungen Aussiedlern an zweiter Stelle das Ziel stand, loyale Freunde zu erwerben, vergaben die jungen Einheimischen diesen Platz an die eigene Selbstverwirklichung. Hierin manifestiert sich, daß die jungen Aussiedler stärker an kollektiven, prosozialen Zielen orientiert sind als die einheimischen Jugendlichen, die deutlich mehr Gewicht auf ihre individuelle Entfaltung legen.

Bei Leistungs-, Pflicht- und Akzeptanzwerten gab jeweils ein höherer Anteil an jungen Aussiedlern an, daß diese ihnen ‘sehr wichtig’ seien. Überraschend

Tabelle 8: Wichtigkeit von Lebenszielen für jugendliche Aussiedler und einheimische Jugendliche

Ziele

Aussiedler
(n = 250)

Einheimische
(n = 250)

prosoziale, familiäre Ziele
ein glückliches Familienleben
loyale Freunde erwerben
anderen helfen


63,1
60,3
20,9


66,4
43,3
26,2

Selbstverwirklichung
frei sein


36,7


59,9

hedonistische Ziele
abwechslungsreiches Leben
vergnügungsreiches Leben


28,7
21,0


31,3
21,7

Akzeptanz-/Pflichtziele
gesellschaftliche Anerkennung
nach Traditionen leben


23,4
7,1


11,5
2,8

Quelle: Osteuropa-Institut München, eigene Befragung

ist, daß bei den hedonistischen Zielen nur geringe Unterschiede zwischen den beiden Gruppen festzustellen sind. Das zeigt, daß die jugendlichen Aussiedler den hedonistischen Orientierungen der westlichen Konsumgesellschaften nicht mehr fern stehen. Das Ziel der Selbstverwirklichung wurde dagegen von den jungen Einheimischen deutlich höher bewertet. Damit legen die Ergebnisse der Umfrage nahe, daß die einheimischen Jugendlichen postmaterialistische Wertorientierungen höher schätzen als die jungen Aussiedler, während letztere stärker materialistisch orientiert sind. Dies erscheint vor dem Hintergrund der unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen, in denen die jugendlichen Aussiedler und Einheimischen aufgewachsen sind, plausibel. Die jungen Einheimischen haben Kindheit und Jugend in einer Gesellschaft erlebt, die exemplarisch den Modernisierungsprozeß der westlichen Gesellschaften durchläuft, der für einen Wandel hin zu postmaterialistischen Wertorientierungen verantwortlich gemacht wird. Im Gegensatz dazu wurden die jungen Aussiedler in Gesellschaften sozialisiert, in denen erst seit einigen Jahren vergleichbare Modernisierungsprozesse stattfinden, die sich aber noch immer stark über Pflicht-, Akzeptanz- und Leistungsziele definieren.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 1998

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