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TEILDOKUMENT:


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A. Braun: Wenn Sie sich jetzt auch noch setzen könnten, dann können wir weiter machen. Jetzt darf ich Henning Dochweiler ganz herzlich hier bei uns begrüßen. Wir haben wieder einmal versucht, ihn ein bißchen über die Grenzen seines kleinen Wikingerlandes hinaus zu befragen, also nicht nur Dänemark zu betrachten, sondern auch ein wenig seinen Blick rundum in Skandinavien schweifen zu lassen. Deshalb haben wir auch NORSAM in die Titelzeile hineingeschrieben, als ob man das alles so in anderthalb Stunden ausleuchten könnte. Herzlichen Dank, daß Du gekommen bist. Verfahren wie üblich: Du stellst Dich ein wenig vor und dann geht es los.

Henning Dochweiler: Vielen Dank auch für die Einladung, der ich wieder einmal gerne gefolgt bin. Es ist eine alte Bekanntschaft zwischen uns und es hat mir schon leid getan, als Du mir geschrieben hast, wie die Zukunftsperspektiven für die Akademie sind, zumal ich selber aus einer Heimvolkshochschule komme, die auch so ihre Schwierigkeiten hat. Aber ich hoffe zumindest, daß diese Institution, also diese Gespräche, diese Freudenstädter Foren, irgendwie fortgesetzt werden können, wenn auch vielleicht nicht in Freudenstadt.

Zwischenruf: In Dänemark!

H. Dochweiler: Dänemark wäre eine Möglichkeit, nur ist da sofort die große Frage, welche Sprache? Aber vielleicht können wir uns irgendwie auf Holländisch einigen, das liegt ja so schön in der Mitte. Auf alle Fälle möchte ich mich für diese vielen Gelegenheiten zum Gespräch - ich glaube es ist schon die vierte Einladung - bedanken und Euch alles Gute wünschen.

Diesmal habt Ihr einen schön zweideutigen Titel für mich gewählt; „Ex NORSAM lux„ hört sich doch irgendwie lateinisch an, zumindesten zwei der Wörter, beim dritten, NORSAM [ NORSAM = (Dachverband zur) Zusammenarbeit der nordischen Altenverbände] , kann man nicht so richtig sehen, ist das nun Genetiv oder Ablativ; mit anderen Worten: heißt das, es ist aus mit dem Licht aus dem Norden, direkt übersetzt, oder heißt es, es kommt noch Licht aus dem Norden? Da habe ich offensichtlich die Wahl, oder

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besser, da soll ich versuchen, Licht auf diese Frage zu werfen. Es liegt natürlich die Beobachtung zugrunde, daß die Wikinger - und wir sind ja alle Wikinger aus den Ländern, die Du da erwähnt hast -, daß die sich wohl zu lange auf ihren Lorbeeren ausgeruht haben. Es war schon eine Glanzzeit, was die Altenpolitik und die Seniorenpolitik betrifft, so etwa im Jahrzehnt 1985 bis 1995. Das war ja auch der Anlaß, daß Ihr das erste Mal nach Dänemark gefunden habt. Aber es scheint doch so, daß das ein „aufhaltsamer Aufstieg„ war, daß wir ein bißchen die Dynamik verloren haben in den nordischen Ländern. Aber, und darauf möchte ich dann am Ende zurückkommen, um zu erklären, wieso es doch nicht soweit ist, daß das Licht erloschen wäre.

Was meinen Hintergrund betrifft: ich war jahrelang, insgesamt 13 Jahre, in Österreich; erst habe ich in Salzburg und dann in Wien das dänische Kulturinstitut geleitet. Und Kultur ist bei uns eben ein sehr breiter Begriff, er umfaßt z.B.auch die Sozialpolitik. Und es hat sich zwangsläufig herausgestellt, daß die Seniorenpolitik eben das wichtigste Feld wurde. Weil es zeitlich zusammengefallen ist mit dieser Periode, die ich vorhin erwähnte, hat sich das Interesse des Auslandes vor allem auf die Wohlfahrtsgesellschaft und da wieder vor allem auf die Seniorenpolitik konzentriert. Und wir haben daher sehr viele Studienreisen gemacht, sehr viele Seminare veranstaltet unter dem Titel „Alter ist keine Krankheit„, „Den Jahren Leben geben!„ eben jenen Schlagwörtern, die Sie natürlich auch aus anderen Zusammenhängen kennen. Das Interessante für das Ausland, im meinem Fall also für das deutschsprachige Ausland, war die Verlagerung auf die Pflege in der eigenen Wohnung. Der Slogan war ja eindeutig: „solange wie möglich in der eigenen Wohnung„. Sie kennen es zur Genüge. Und das hat man ziemlich konsequent auch in Angriff genommen bei uns; man hat seit 1987 keine Pflegeheime mehr gebaut, schon lange davor auch keine Altenheime; der Begriff ist überhaupt abgeschafft worden. Statt dessen konzentrierte man sich darauf, alten - und behindertengerechte Seniorenwohnungen zu bauen. Und in diesem guten Jahrzehnt hat man etwas mehr als 50.000 - die Zahl nähert sich jetzt wohl 55.000 - solcher Wohnungen gebaut. Private Zwei - Zimmer - Wohnungen, eben keine Institutionen, sondern ganz normale Wohnungen, in der Regel so an die 65 qm groß; Küche und Bad gehören natürlich dazu. Man hat bestimmte Voraussetzungen hineingeschrieben in das Gesetz und dafür

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eben einen Stop beim Bau der Pflegeheime eingeführt, so daß jetzt nur ziemlich genau 5 Prozent der Senioren bei uns in Pflegeheimen wohnen. Diese Zahl bezieht sich immer noch auf die über 67-jährigen, weil bis vor kurzem das Rentenalter bei uns bei 67 lag.

Herr Schippers, ich habe diese Zahl auch noch in Ihrem aktuellen Zahlenvergleich gelesen. Die Zahl wurde jetzt aber auf 65 gesenkt, bei Frauen und Männern immer noch gleich. Man hat dieses Rentenalter gesenkt und gleichzeitig verschiedene Anreize geschaffen, daß die Senioren nicht mehr wie früher in die Früh- oder Vorruhestandsrente gehen, das war bisher ab 60 möglich. Es ist immer noch möglich, aber es gibt verschiedene finanzielle Belohnungen, wenn man zumindest bis 62 wartet. Das tatsächliche Rentenalter, wo man in die Rente geht, lag bei uns und liegt immer noch durchschnittlich bei 61,3 Jahren und dieses Alter möchte man etwas in die Höhe drücken, auf alle Fälle etwas flexibler gestalten, als das bis jetzt der Fall war.

Wie gesagt, wir waren am Anfang recht radikal bei dieser neuen Methode und mußten dafür natürlich dann auch die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, daß die Senioren in ihren eigenen Wohnungen bei Bedarf Pflege erhalten konnten, und das heißt die medizinische Pflege wie auch die hauswirtschaftliche Hilfe. Und das hieß dann natürlich und heißt immer noch „Hilfe rund um die Uhr„. Denn das ist dann die einzige Möglichkeit, wie man es vermeiden kann, daß Senioren, die irgendein Leiden haben, wenn auch nur ein kleines, das aber voraussetzt, daß sie z.B. in der Nacht einmal gewendet werden oder eine Injektion brauchen, nicht gleich in ein Pflegeheim müssen, wo der Betreuungsbedarf erfahrungsgemäß gleich auf 24 Stunden pro Tag und Nacht ansteigt, weil dort eben die Pflege zur Verfügung steht. Das Schlagwort dazu war „Die Nutzung der eigenen Ressourcen„. Und inzwischen haben, seit langem jetzt, alle dänischen Kommunen diesen mobilen Dienst rund um die Uhr eingeführt, so daß es im Prinzip eben funktioniert, daß alle in der eigenen Wohnung bleiben können.

Inzwischen hat man aber dieses Schlagwort etwas abgeschwächt, es heißt jetzt nicht mehr in der eigenen, sondern „in der geeigneten Wohnung„. Das ist eine kleine Abänderung, bedeutet aber doch sehr viel. Es bedeutet

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vor allem größere Kompromissbereitschaft. Es ist so, daß man jetzt zwar keine Pflegeheime mehr baut, dafür aber sogenannte Seniorenzentren. Aber das sind eben keine Institutionen, sondern diese altengerechten Wohnungen um ein Aktivitätscenter herum, so daß der Zweck eines Pflegeheimes doch erfüllt wird, nämlich daß die Hilfe sehr schnell geleistet werden kann. Und dabei sollten wir natürlich festhalten, das ist wichtig, daß überhaupt so um die 85 Prozent aller Senioren, und das heißt wirklich aller Senioren, also egal welchen Alters, selbständig wohnen.

Bei diesen Seniorenzentren, die anstelle von Pflegeheimen errichtet werden, ist es in aller Regel so, daß man rund um diese Aktivitätscenter, also einen größeren Saal und Räume für die mobilen Dienste, dann 48 bis 60 Wohnungen hat, die von Senioren bewohnt werden. Und es ist oft so, daß es dann in der weiteren Umgebung noch mehr altengerechte Wohnungen gibt. Das bringt es mit sich, daß das Personal, das im Center arbeitet, auch als mobiler Dienst eingesetzt werden kann. Das heißt, es ist flexibel, es sind dieselben mobilen Einheiten, die in diesem Center und dem Distrikt rund herum die Dienste leisten. Es sind nämlich im Prinzip alles private Wohnungen, also auch die in diesem Zentrum, die dann alle an die mobilen Dienste angeschlossen sind.

D. Klettner: Hat das Personal, das da arbeitet, dort auch eine Wohnung oder kommen die von weiter her?

H. Dochweiler: Die kommen von weiter her.

D. Klettner: In den Zentren gibt es keine Wohnungen für normale Familien?

H. Dochweiler: Nicht im Zentrum, nein. Also natürlich, wenn wir die weitere Umgebung betrachten, ist die Mischung ganz normal. Bei uns sind etwa 15 Prozent aller Wohnungen durch Genossenschaften errichtet worden und da ist es ganz normal, daß die Kommune einen Vertrag macht mit den Genossenschaften, daß die Wohnungen im Parterre behinderten- und altengerecht gebaut werden, und die in den Stockwerken darüber dann ganz normal frei vergeben werden. Aber im Zentrum, danach haben

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Sie gefragt, nicht. Sonst sind das dann ebenerdige Wohnungen mit kleiner Gartenanlage meistens, sehr klein, aber doch altengerecht eingerichtet.

Zwischenruf: Besteht da nicht die Gefahr der Ghettoisierung der alten Menschen, sollten wir die alten Menschen nicht in die Mitte der Gemeinde nehmen statt sie an den Rand und in Hochhäuser voller alter Menschen abzuschieben?

A. Braun: Es ist nicht am Rand und es sind keine Hochhäuser.

H. Dochweiler: Nein, aber das kann man natürlich nicht wissen. Also es ist einmal so, daß ja das Prinzip gilt, solange wie möglich in der eigenen Wohnung, und dann braucht man eben diese sogenannten geeigneten Wohnungen, die altengerechten Wohnungen, und die werden weder konzentriert gebaut noch an den Rand der Stadt gestellt. Es gibt ab und zu den Umbau von bestehenden Pflegeheimen, die nicht mehr gebraucht werden. Aber, und das ist vielleicht der Unterschied zu Holland als auch zu Deutschland, die Grundstücke sind nicht so teuer, und wir haben an und für sich Platz genug, bei uns in die Breite und nicht in die Höhe zu gehen. Bei einigen neuen Seniorencentren fällt dieser Bau oft mit einer Stadtteilrenovierung zusammen, wie Ihr, glaube ich, auch bemerkt habt bei den Besuchen in Dänemark. Also dieses Problem der Ghettoisierung ist natürlich immer latent da, aber es wird eigentlich nicht als Problem bei uns behandelt. Das müssen wir in einem großen, historischen Zusammenhang betrachten: auch Dänemark war ja besetzt im 2. Weltkrieg, aber es hat sehr wenige Kriegsschäden erlitten. Wir haben die Bausubstanz erhalten und dann, sagen wir mal, organisch renovieren können. Das ist nicht das Problem bei uns, es gibt andere.

H. Krappatsch: Ist der Zugang der alten Menschen zu diesen Wohnungen rationiert, gibt es Einkommensgrenzen?

H. Dochweiler: Nein, Einkommensgrenzen gibt es nicht. Es ist so, daß ein Rentner bei uns nicht mehr als 15 Prozent seines Einkommens an Miete bezahlt. Und das heißt, wenn man nur die sogenannte Volksrente bezieht, das ist diese Basisrente, die an alle jetzt über 65-jährigen vergeben wird, dann zahlt man eben auch nur 15 Prozent davon als Miete. Dann springt

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die Kommune ein, wird dann ihrerseits vom Staat bezuschußt, aber das ist Verwaltungstechnik, also es gibt keine Beschränkungen. Aber die Frage bleibt natürlich auch, wie kommt man an eine solche Wohnung? In-zwischen werden jedoch so viele solcher Wohnungen gebaut, daß es keine Wartelisten in dem Sinne mehr gibt, auch nicht für die Pflegewohnungen in noch bestehenden Pflegeheimen. Wenn man einen ganz bestimmten Wunsch hat, also in ein bestimmtes Viertel einziehen will, dann können wir Wartelisten bis zu 3 Monaten erleben, aber das ist im Prinzip wenig.

Die neue Idee, und ich glaube auch, es war diese Idee, die das Ausland damals interessiert hat, war die Kombination von im Prinzip höherer Lebensqualität, weil man in den eigenen vier Wänden die notwendige Pflege erhalten konnte, mit geringeren Kosten. Das ist damals heiß diskutiert worden, ob es wirklich weniger kostet, mobile Dienste einzusetzen als Pflegeheime zu bauen. Aber, wie Sie wissen, sind Pflegeheime ja sehr kostenintensiv und das Prinzip bei der Hauspflege ist ja, daß Sie nur im notwendigen Umfang geleistet wird.

Und das ist dann auch das Problem geworden, wie die Kommunen, die da zuständig sind, diese Bedürfnisse beurteilen. Denn die Kommunen haben den Schlüssel und können daran drehen. Es gibt zwar natürlich Rahmenbestimmungen vom Staat, die einzuhalten sind, aber es gibt einen Bewegungsspielraum, der dann auch mindestens von einigen Kommunen genutzt wurde.

Es war zunächst kein Problem; im Gegensatz zu einigen anderen Ländern, darunter auch Deutschland, ist bei uns die Kommune für die ganze Sozialpolitik, auch für die Seniorenpolitik, zuständig. Es gibt zwar Freiwilligen-Organisationen, aber nicht in dem Umfang, wie bei Ihnen; aber in dem Umfang, wie es sie gibt, kriegen auch sie ihr Geld über die Kommunen. Das heißt, die Kommune kann diesen ganzen Einsatz organisieren, die Kommunen behalten den Überblick. Die Senioren ja auch, weil sie sich an einen Zuständigen wenden können, nämlich die zuständige Kontaktperson in der Kommune; und das bedeutet natürlich, daß man sehr gut koordinieren kann. Und das kann man natürlich nicht so ohne weiteres auf andere Länder übertragen und das hat man dann eben auch nicht getan.

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A. Mayer: Der Begriff Kommune, ist das die Gemeinde, die Stadt oder der Kreis?

H. Dochweiler: Wir haben vor 30 Jahren eine Kommunalreform bei uns gehabt mit dem Zweck, den Kommunen mehr Spielraum zu geben, das heißt wir wollten mehr Dezentralisation. Und da ist man den scheinbar entgegengesetzten Weg gegangen, man hat nämlich die Zahl der Kommunen deutlich reduziert, von etwa 1.400 über das ganze Land - wir sind 5,2 Millionen Einwohner - auf 275. Das heißt, eine Kommune hat bei uns im Durchschnitt 19.000 Einwohner. Das heißt von 3.000 bis 470.000, nämlich Kopenhagen. Und die Idee war und ist immer noch, daß die Kommune dadurch einen eigenen Apparat aufbauen kann, der diese ganze dezentralisierte Politik dann auch tatsächlich durchführen kann. Und im Verlauf von diesen 30 Jahren hat man dann den Kommunen auch mehr und mehr Aufgaben gegeben, so daß jetzt die Kommunen bei uns tatsächlich 68 Prozent aller öffentlichen Ausgaben tätigen. Ich muß in diesem Zusammenhang auch erwähnen, daß der Staat immer noch Zweidrittel aller öffentlichen Einnahmen, also direkte und indirekte Steuern, Abgaben usw., einzieht. Aber der Staat schickt dann im Zuge eines Ausgleichsverfahrens die Hälfte dieses Geldes wieder zurück, damit es über die Kommunen wieder ausgegeben werden kann. Und dieser Ausgleich geschieht nach sogenannten objektiven Kriterien: wie viele Senioren, wie viele Kinder im Schulalter, wie viele km Straße. In dem Zusammenhang auch noch kurz: Die Kommunen heben selber eigene Steuern ein. Also wir zahlen bei uns staatliche Steuern, wir zahlen Kreissteuern - wir haben 14 Kreise oder Regionen bei uns - und die Kommunalsteuern eben auch. Und das bedeutet, die Lokalpolitiker haben einen gewissen Spielraum oder man kann auch sagen, die Bewohner haben über lokale Steuern die Möglichkeit, den Servicestandard zu beeinflussen. Das heißt, wenn die Rentner sich zusammentun, aktiv sind, können sie einen ganz beträchtlichen Druck ausüben auf die Kommunalpolitiker, es sind ja inzwischen rund ein Viertel aller Wähler.

D. Klettner: Falls sie sich zusammentun!

H. Dochweiler: Doch, das haben sie. Es gibt sehr große landesweite Organisationen, zwei sehr große, eine eher bürgerlich, wenn auch nicht par-

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teipolitisch orientierte und eine eher so gewerkschaftlich - sozialdemokratische Organisation: die bürgerliche hat etwa 400.000 Mitglieder, und die sozialdemokratische etwa 450.000 Mitglieder. Darüber hinaus gibt es natürlich viele lokale Organisationen und es gibt eben die Seniorenbeiräte in allen Kommunen per Gesetz. Die haben jetzt ein Anhörungsrecht, können aber keine Beschlüsse fassen. Sie müssen nur angehört werden von den Politikern und gerade dort liegt ein politisches Problem, denn die Senioren wollen jetzt mehr direkten Einfluß haben und werden ihn wahrscheinlich auch bekommen. Denn jetzt hat man ja das Forum dafür geschaffen auf lokaler Ebene.

A. Braun: Also diese beiden Organisationen erreichen praktisch alle Senioren: Bei 5,2 Millionen Einwohnern und etwas unter 20% Alten ist der Organisationsgrad sehr hoch.

Zwischenruf: Sind in den Seniorenbeiräten auch die Organisationen drin, kann man das sagen?

H. Dochweiler: Ja das kann man. Also das heißt natürlich, daß die Mitglieder der lokalen Beiräte eine Beziehung dazu haben; sie sind wahrscheinlich Mitglieder eines dieser beiden landesweiten Verbände.

Gut. Ich war dabei dieses System zu erklären, es ist nämlich etwas anders als bei Ihnen und das ist im nordischen Wohlfahrtsmodell überall so. Ich habe jetzt immer Dänemark gesagt, weil ich das natürlich am besten kenne, aber es ist im Prinzip auch in den anderen Ländern so, daß wir das Universalitätsprinzips haben und nicht das Versicherungssystem, das Sie so gut kennen. Und das heißt, daß dieses System über die Steuer läuft, daß alle dazu beitragen und daß im Prinzip natürlich auch alle Nutznießer dieses Systems sind, das also nicht an den Arbeitsmarkt gebunden ist. Da werden eben auch die Senioren nicht daran gemessen, ob sie tätig waren am Arbeitsmarkt oder nur zu hause gearbeitet haben. Aber das ist natürlich ein Prinzip, das jetzt herausgefordert ist - und das ist dann ein anderes Problemfeld, auf das ich am Ende komme - und dieses System, glauben viele Dänen, wird jetzt von der EU in Frage gestellt, weil die meisten EU-Mitgliedsländer ja das Versicherungsprinzip haben. Und das ist auch der Grund, ja es ist sogar der überwiegende Grund, warum die Dänen

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mehrheitlich gegen den Euro gestimmt haben. Und damit komme ich überhaupt einmal auf die Überschrift dieses Beitrags: viele Dänen haben fest geglaubt, daß ihre Rente und überhaupt dieses soziale Sicherheitssystem im Alter von der EU bedroht wird. Sie wissen - Alfred Braun hat das ja eben angesprochen - daß unser Ministerpräsident den anderen Ministerpräsidenten der Mitgliedsländer einen Brief geschickt hat, um sozusagen von ihnen die Garantie zu bekommen, daß das nicht beabsichtigt sei. Aber der ganze Umstand, wie das überhaupt diskutiert wurde, hat viele Rentner verunsichert und viele haben aus Angst einfach Nein gesagt.

Diese Angst wurde natürlich dann auch von einer bestimmten politischen Richtung geschürt und ausgenutzt, und in dem Zusammenhang muß ich auch erwähnen, daß wir in Dänemark, in den nordischen Ländern, in Skandinavien diesen Zug haben in Richtung Nationalismus. Ich glaube, das ist überhaupt ein Hauptproblem in unserem globalen Zeitalter, daß wir viel zu wenig beachten, daß unser Alltag zunehmend von Globalisierung und von dieser Technologieentwicklung, die natürlich mit dieser Globalisierung Hand in Hand geht, beeinflußt wird. Wir haben einerseits diese Entwicklung in Richtung Kosmopolitismus, daß viele von uns überall in der Welt zu

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hause sind - zumindest gibt es ja überall einen McDonald, wo man auch Coca-Cola haben kann, es gibt MacIntosh und es gibt MTV - überall. Es gibt diesen Mac World-Begriff, den ein amerikanischer Forscher, Benjamin Barber, geprägt hat; und es gibt aus demselben Grund auch die Reaktion dagegen. Nämlich von denen, die nicht mitkommen. Und das ist, glaube ich, eine ernsthafte Bedrohung unserer Demokratie, weil diese Demokratie vorläufig noch an die nationalen Grenzen gebunden ist. Wir haben noch keine Bespiele, die EU ist gewiss kein Beispiel, daß die Demokratie auch international funktionieren kann. Die Probe muß ja eben auch erst gemacht werden, daß das möglich ist; sie soll meiner Meinung nach auch gemacht werden. Aber das Risiko ist, daß der Begriff von Demokratie eben national empfunden wird, daß die Internationalisten nicht viel damit anfangen können, daß die Demokratie eine Demokratie für die Schwachen wird. Und darauf, glaube ich, sollten wir sehr aufmerksam sein. Wir sollten schleunigst einen Weg finden, zwischen dem einen Extrem des Globalismus, also daß wir alle von der globalen Ökonomie, aber nicht von irgendeiner globalen Demokratie, geschweige denn von einer globalen Ethik gelenkt werden, und auf der anderen Seite dann als Reaktion darauf diesen „neuen Nationalismus„. Das sind beides Extreme und wir müssen einen Mittelweg finden. Ich persönlich glaube, die EU wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Viele Dänen, offensichtlich die Mehrheit, glaubt das im Moment nicht. Wobei hinzuzufügen ist, daß es aber eine große Mehrheit für eine europäische Zusammenarbeit gibt. Aber das muß ich fairerweise noch hinzufügen, es scheint, es soll ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten sein. Also grenzenlos ja, wie es in der Überschrift dieses Forums heißt, aber in verschiedenen Geschwindigkeiten. Und ich glaube ernsthaft, daß diese Abstimmung in Dänemark der Anfang sein wird von der Entwicklung eines Europas mit mehreren Zirkeln, konzentrischen Kreisen oder verschiedenen Geschwindigkeiten, wie man das auch nennen will. Wir haben ja schon gesehen wie die dänische Abstimmung auf Schweden eingewirkt hat, auf Großbritannien; die Frage bleibt ja offen, wie die Wirkung in Deutschland, in Frankreich usw gewesen wäre, würden sie ebenfalls eine Abstimmung vornehmen, was sie nicht werden.

Zwischenruf: Sie können Volksabstimmungen machen, bei uns ist das verboten.

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A. Braun: Volksabstimmungen sind bei uns nicht verboten, das ist ein völliger Irrtum.

H. Dochweiler: Ja, aber hier wird es nicht gemacht; ich glaube auch, die Franzosen haben einmal eine Abstimmung gehabt, ein Referendum mit knapper Mehrheit, über den Vertrag von Maastricht., wo die Dänen ja auch einmal mit Nein gestimmt haben, also Anfang der 90er Jahre. Gut, es ist so, wir wissen das auch aus der Schweiz, daß diese Volksbefragungen oder Referenden eher einen konservativen Effekt haben. Und da kann man sich dann dazu politisch verhalten, wie man will. Aber wir haben nicht nur die Möglichkeit, wir haben laut Verfassung auch die Verpflichtung, solche Referenden abzuhalten; dennoch werden wir in den nächsten 6, 7 Jahren kein EU-Referendum mehr machen; es würde mich zumindest sehr überraschen, wenn die Politiker das jetzt noch wagen würden.

Ich hätte noch ein paar faktische Auskünfte zu den nordischen Ländern. Insgesamt mit 23 Millionen Einwohnern, mit einer Bevölkerungsstruktur wie in der EU, aber zumindestens was Dänemark betrifft, mit überdurchschnittlich vielen Senioren. Die skandinavischen Länder weisen natürlich auch Unterschiede auf. Ich habe vorhin auch Finnland nicht erwähnt, Finnland ist eifriger EU-Befürworter, auch was den Euro betrifft; aus guten, politischen Gründen, ich denke nur an die Nachbarschaft und zwar an die östliche. Die Norweger wollen ja überhaupt nicht und jetzt erst recht nicht. Und das heißt, es bleiben dann die Schweden und die Dänen als Skeptiker und wahrscheinlich eben auch Ausnahmefälle, die ihr eigenes Tempo offensichtlich halten wollen. Aber, und das war diesmal der Unterschied zu 1992, dem damaligen Nein, wir werden die anderen, die schneller voran wollen, das heißt eben Frankreich und Deutschland vor allem, Holland auch, nicht aufhalten können. Das wurde diesmal deutlich signalisiert.

Wir haben in diesen nordischen Ländern sehr hohe Beschäftigungsquoten. Über 80 Prozent der 15- bis 64-jährigen sind auf dem Arbeitsmarkt, und es wurde schon angesprochen, der Frauenanteil, besonders in Dänemark und Schweden, ist sehr hoch. 78 Prozent aller Frauen im Alter zwischen 15 und 64 sind auf dem Arbeitsmarkt, wenn ich ein bißchen näher hinse-

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he sind 37 Prozent der Frauen zwischen 55 und 64 erwerbstätig, das ist deutlich mehr als im EU-Durchschnitt.

A. Braun: Das sind sieben mal so viel wie bei uns.

H. Dochweiler: Und bei den Männern zwischen 60 und 64, damit Sie vergleichen können, sind es immerhin noch 48 Prozent, die erwerbstätig sind. Auch deutlich mehr als im EU-Durchschnitt. Wir arbeiten also recht viel, übrigens 37 Stunden nur pro Woche, aber im Vergleich mit anderen Ländern arbeiten halt sehr viele. Aber das heißt eben auch, daß die Betreuungsressourcen in den Familien minimiert sind, die Frauen sind ja auf dem Arbeitsmarkt, um auf die Senioren und auf die Kinder von anderen aufzupassen und auch zu unterrichten; sie sind also in den öffentlichen Dienstleistungen drin. Wir haben in Dänemark, da kenne ich die Zahlen am besten, 800.000 öffentliche Angestellte. Und davon 85 Prozent lokal, also in den Kommunen. Das ist eine recht hohe Zahl, auch im Vergleich mit den meisten anderen Ländern.

Und damit komme ich auf die Kommune zurück. Es liegt also bei der Kommune, überhaupt etwas zu unternehmen, wenn ein Sozialfall entsteht. Die Kommune regelt die Arbeit der Gesundheitsschwester, die Kindergärten, das Schulwesen, das Krankengeld, das kostenlose Haushilfesystem und eben auch das medizinische Hilfesystem; die Kommune sorgt für Hilfsmittel, Wohnungseinrichtung, Wohnungsumbau, für Rehabilitation, für die altengerechten Wohnungen und eben auch für diese Volkspension, wie wir sagen, also diese Basisrente. Und das heißt, wie ich gesagt habe, daß die Kommune Zweidrittel aller öffentlichen Ausgaben tätigt. Überhaupt ist es so, wenn wir Gesundheit und Soziales zusammennehmen, daß das allein 55 Prozent aller öffentlichen Ausgaben ausmacht; dabei ist ja noch anzumerken, daß die Steuerbelastung bei uns bei 51 Prozent insgesamt liegt, direkte und indirekte Steuern zusammengenommen, so daß wir auf eine sehr hohe Zahl kommen, nämlich an die 30 Prozent des Bruttosozialproduktes. Das heißt, es werden sehr große Geldmengen in Bewegung gesetzt, sehr hohe Transferleistungen; mehr als 20 Prozent des Bruttosozialproduktes werden für direkte Transfers verwendet. Und das ist dann das dritte Problem, auf das ich zu sprechen kommen will. Es ist nämlich so, daß unser ganzes Sozialsystem jetzt so funktioniert, daß 80 Pro-

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zent aller Dänen an 80 Prozent aller Dänen zahlen.Das heißt, die Transferzahlungen umfassen jetzt so viele Leute, daß inzwischen 80 Prozent betroffen sind. Da eingerechnet natürlich auch das Arbeitslosengeld; die Arbeitslosenrate ist bei uns gesunken, liegt jetzt um die 6 Prozent, aber wir sprechen immerhin noch über recht hohe Zahlungen.

Die Basisrente, die ich erwähnt habe, liegt zur Zeit inklusive der Zulagen, die alle bekommen, die nur von der Basisrente leben müssen, bei umgerechnet 1300 Mark im Monat. Effektiv, das heißt also netto, weil Rentner sehr wenig bzw. praktisch keine Steuern zahlen, wenn sie nur die Basisrente haben. Die allermeisten haben aber mehr als die Basisrente: Ich habe gerade in den Zahlen aus dem Mai dieses Jahres gesehen, daß 16 Prozent aller dänischen Rentner nur die Basisrente haben, die übrigen haben dann eine Arbeitsmarkt-Zusatzrente oder, das heißt und/oder, eine Privatpension, also eine private Versicherung, die aber in aller Regel tariflich ausgehandelt wurde, wo der Arbeitgeber dann im Normalfall 2/3 zahlt und der Arbeitnehmer selber 1/3. Das ist aber freiwillig bzw. tariflich ausgehandelt und ist kein Bestandteil des öffentlichen Sicherungssystems. Es birgt aber in sich ein großes Problem, weil die Spannweite zwischen denen, die nur von der Basisrente leben, und den anderen, die eine Zusatzrente haben, immer größer wird. Und das wird zu einem politischen Problem werden - es ist es an und für sich auch schon - und man diskutiert auch bei uns, ob diese Universalität bei der Basisrente abgeschafft werden soll. Bisher waren wir, sind wir sehr stolz darauf, daß eben alle umfaßt sind. Das war das Prinzip, aber es wird jetzt natürlich die Frage gestellt, sollte man sich nicht verstärkt auf die schwachen Alten konzentrieren; das sind die 16 Prozent, die keine Zusatzrente haben, das sind die 15 Prozent, die überhaupt Pflegeleistungen brauchen. Und dann eben sagen, daß also Großverdiener, Schiffsreeder usw., Millionäre, daß die keine Basisrente bekommen. Das tun sie ja im Moment, weil das eben ein universalistisches Prinzip ist. Das ist eine Diskussion bei uns, die auch sehr wichtig ist.

Ich habe noch ein paar Zahlen aufgeschrieben, aber ich glaube, ich werde das der Diskussion überlassen; ich habe irgendwie die Vorstellung, daß Sie sehr gerne diskutieren. Denn ich möchte auf die Problemfelder kommen, auf alle Fälle sicher sein, daß wir das schaffen. Da habe ich versucht, zu sagen, daß unser System - und das heißt jetzt nicht nur das dänische, son-

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dern überhaupt das nordische System - auf Universalität beruht, auf öffentlichen Maßnahmen, auf diesem Versuch der Umverteilung über die Steuern. Dann eben die Dezentralisierung, daß die Kommunen die große Rolle spielen, das Heft in der Hand haben innerhalb eines Rahmengesetzes, daß natürlich von unserem Parlament verabschiedet wird.

Und auf allen diesen Feldern, in all diesen Bereichen haben wir Probleme. Nämlich, zuallererst, wo bleiben die Freiwilligen in diesem System? Wo ist das Netzwerk in einem System, wo ich nicht für meine alten Eltern verantwortlich bin, wo der Staat, die Kommune, mich nicht finanziell zur Verantwortung ziehen können, auch wenn ich gut verdiene. Und nun sind die Dänen im allgemeinen nicht schlechter, auch nicht besser - die anderen nordischen Länder auch nicht - als die Holländer oder die Deutschen. Wir besuchen auch unsere Eltern, wenn sie alt geworden sind, wir nehmen uns auch ihrer an, aber wir müssen nicht. Und das heißt natürlich auch, wenn da ein Problem entsteht, deuten wir auf die Kommunen und sagen, bitte, das Problem muß gelöst werden. Ich habe Steuern bezahlt, meine Eltern haben Steuern bezahlt, bitte. Und da kann das Netzwerk, das Familien-, das Freundesnetzwerk auf der Strecke bleiben. Da versuchen wir einen Weg zu finden, wie man die universalen Rechte bewahren und gleichzeitig diese Netzwerke besser einbinden kann, ob man da Anreize schaffen kann.

Das ist ein Problemfeld, ein anderes habe ich schon berührt, nämlich die Transferzahlungen, daß so viele an so viele zahlen, daß wir da wahrscheinlich eine Straffung vornehmen müssen.

Ein drittes großes Problem betrifft unsere Kommunen: Die Liberalisierung, die ja durch alle Länder geht, auch durch Dänemark, und der Liberalismus, der ja 1989 eindeutig gesiegt hat, haben bewirkt, daß nicht nur das Wort sozialistisch in Verruf geriet, sondern in vielen Fällen auch das Wort sozial. Vielleicht bei uns nicht so stark, wie in einigen anderen Ländern, aber immerhin auch bei uns haben Begriffe wie outsourcing und downsizing gegriffen, die ja auf englisch nicht so schroff und grob klingen, wie wenn man sie übersetzt. Und das heißt eben, die Kommunen sparen, die müssen sparen und wollen sparen. Wir haben nämlich mit diesen insgesamt 50 Prozent Steuerbelastung eine Grenze erreicht. Wenn wir diese Grenze

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überschreiten, dann werden die rechtspopulistischen Parteien noch stärkeren Zulauf haben. Das hat schon Moritz Blistrup bewiesen, ich denke einige von Ihnen erinnern sich noch an diesen Namen, das war ein Steuerverweigerer aus den 70er Jahren. Und das ist auch jetzt der Fall, das heißt die Kommunen müssen sparen und versuchen zu sparen durch outsourcing, also dadurch, daß Private Zutritt bekommen, einige der bisher öffentlichen Hilfeleistungen durchzuführen. Und das gilt z.B. bei der Haushilfe; aber die große Frage ist dann natürlich, ob das nun wirklich zu Ersparnissen führt.

Ein viertes Problem ist natürlich das große Problem der Vereinsamung, des Einsamkeitsgefühles. Denn es ist ja so, daß in einer Institution, wie in einem Pflegeheim, man zumindest zusammen essen kann, ja es zumeist auch tut, daß man Nachbarn hat. Wenn man in einer altengerechten Wohnung lebt und/oder in der eigenen vielleicht umgebauten Wohnung bleibt, dann kann es ja sein, daß man diesen Umgang nicht hat, daß man also vereinsamt. Und gerade da sollen auch diese freiwilligen Dienste greifen, z.B. das Ältere-helfen-Älteren-Projekt; das ist ein Projekt, das bei uns ganz gut gegriffen hat, auch vom Staat sehr unterstützt wurde. Das ist ein Problem, das wir anerkennen müssen, wobei nicht gesagt werden soll, daß man in einer Institution nicht vereinsamen kann. Das ist, wie Sie ja wissen, durchaus der Fall.

Ich möchte also zusammenfassen, daß das Licht der nordischen Länder vielleicht nicht mehr so stark leuchtet wie früher, aber noch keinesfalls erloschen ist. Ich will nicht so bescheiden sein wie meine holländischen Vorredner, sie haben so etwas wie Durchschnitt oder Mittelmaß, glaube ich, gesagt; ich würde immer noch behaupten, daß die nordischen Länder in der oberen Hälfte sind, aber nicht mehr unbedingt an der Spitze. Es scheint aber, daß niemand mehr an der Spitze sein will, was an und für sich auch bedenklich ist. Aber erloschen ist das Licht noch nicht; die Dynamik aber, wenn sie nicht verschwunden ist, so hat sie zumindest sehr stark nachgelassen. Einige Länder, wie Schweden, haben sehr starke Krisen durchlebt, haben sehr stark zurückschrauben müssen, aber momentan boomen die Wirtschaften bei uns wieder; die Marktwirtschaft hat ja, wie ich vorhin sagte, überhaupt eindeutig gewonnen.

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Und das bedeutet, daß in allen diesen nordischen Ländern die solidarische Wohlfahrtsgesellschaft immer noch besteht, aber wie ich sagte, deutlich liberalistischer geworden ist, jetzt viel mehr Raum läßt für den Individualismus. Ich bin jetzt an einer Schule, zwar für Erwachsene, aber der Hauptanteil meiner Studenten sind so 20 bis 25 Jahre alt, und wenn ich mit denen über Solidarität diskutiere, muß ich oft feststellen, daß Solidarität unter den Jugendlichen ein negativ besetztes Wort geworden ist. Der Individualismus hat sich durchgesetzt, nicht nur unter den Jugendlichen, bewahre, nicht nur, denn die haben es von ihren Eltern, von uns heißt das. Und das ist natürlich ein Problem für die Wohlfahrtsgesellschaft, wie sie dann weitergeführt werden kann, denn sie setzt ja einen Solidaritätsbegriff voraus und ich habe geschildert wie der Individualismus mehr Raum bekommen hat bei uns. Wir müssen deshalb unsere zukünftige Sozial- und eben auch Seniorenpolitik so einrichten, daß es mehr Spielraum gibt für Individualismus, daß wir also individualistische Lösungen anbieten müssen. Ich glaube, daß die Jugendlichen gegen ihre Eltern, gegen uns, revoltieren werden, sie werden wie wir stark individualistisch sein, aber sie werden, glaube ich, wie ihre Großeltern, auch eine größere Neigung zur Verantwortung haben. Ich weiß, es ist etwas optimistisch gesagt, vielleicht ist das nur Hoffnung, aber ich glaube, wir stehen in einem Prozeß des Werteumbruchs. Diese Entwicklung, die wir haben beobachten können über „Pflicht„bei den Großeltern, „Neigung„ bei den Eltern, zu neuen Werten, die wir vielleicht noch nicht so erkannt haben, wird kommen, wo dieser Individualismus, er heißt bei den modernen Forschern „soft individualism„, also weicher Individualismus, wo dieser Bedarf nach Individualität mit mehr Verantwortung verbunden werden wird, schon aus Rebellion gegen uns Eltern. Ich glaube aber, daß wir Eltern, die wir ja jetzt die Senioren werden, gebraucht werden wollen, daß wir eine aktive gesellschaftliche Ressource sein können, daß wir Mitbestimmung suchen, daß wir an Beschlüssen teilnehmen wollen, daß wir Mitverantwortung übernehmen und mitverantwortlich sein wollen. Und das ist natürlich nur eine Behauptung, aber ich glaube, dem ist so.

Und was wird das nun bedeuten für die Seniorenpolitik? Es wird bedeuten, wie ich vorhin angesprochen haben, daß die Seniorenbeiräte mehr Einfluß bekommen werden, das heißt also der Einfluß der Senioren auf lokaler Ebene wird zunehmen. Bei uns ist es ja so, wie ich sagte, daß die im

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Moment noch nur angehört werden, sie werden an den Beschlüssen auch teilnehmen wollen. Der neue Schlüsselbegriff wird „integrierte Pflege„ sein, also immer noch so, daß Wohnung und Service/Dienstleistungen Hand in Hand gehen. Es ist immer noch so, daß wir im Norden auf Altenwohnungen setzen und diese Altencenter bauen, daß wir viel mehr Wert legen auf das Vorbeugen, daß aber die Pflege viel besser individuell angepaßt wird. Ich glaube, daß die Senioren viel mehr auf Gleichstellung setzen wollen und das heißt eben, daß man nicht akzeptiert, daß die Alten, die Senioren eine bestimmte Gruppe sind, sondern das heißt, es soll eine Gleichstellung geben auch im Alter. Und das heißt politisch, das heißt sozial, das heißt vor allem in der Arbeitswelt, daß man also nicht mehr diese ziemlich rigiden Bestimmungen auf dem Arbeitsmarkt hat, was den Rückzug betrifft, daß die viel flexibler gemacht werden müssen. Und überhaupt, daß die individuellen Lösungen in der ganzen Gesellschaft, aber eben auch in der Seniorenpolitik, sich durchsetzen werden und dann allmählich die Standardbestimmungen, die wir jetzt überall haben, ersetzen werden.

Ich glaube, daß Altenpolitik noch eine öffentliche Aufgabe sein wird, aber mit mehr Eigenteilnahme und mit mehr Eigenverantwortung, als das jetzt der Fall ist. Die neuen Alten, und das sind also dann immer noch wir, sind besser gebildet, sind weniger autoritär und entfremdet, sind also bewußter und aktiver als unsere Vorgänger und wir wollen und fordern einfach mehr Lebensqualität. Und das heißt, die Seniorenpolitik wird weniger defensiv sein, und wird mehr offensiv sein müssen als sie es momentan ist. Und ich glaube, daß unsere Generation dafür sorgen wird, daß wieder mehr Dynamik in die Seniorenpolitik kommt, daß vielleicht das Licht etwas mehr strahlt. Daß also die Bewegung von Wünschen nach mehr Lebensstandard in Richtung nach mehr Lebensqualität geht, daß wir auf den Slogan zurückgreifen „Den Jahren mehr Leben geben„ oder vielleicht, und ich glaube, das wird das neue Schlüsselwort „ Dem Leben mehr Erleben geben„ Das kann eine Hoffnung sein, aber ich glaube, das ist die Richtung, in die wir uns bewegen. Und es gibt also immer noch das Licht, wenn auch weniger Lux.

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A. Braun: Vielen Dank an Henning Dochweiler. Wenigstens einer, der sich an meiner kunstvollen Formulierung seines Themas hochgerankt hat. Jetzt zur Diskussion.

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Diskussion

U. Kruse: Im Zusammenhang mit den Senioren als Akteuren im politischen Feld habe ich 1993 im Europa-Jahr der Senioren eine Umfrage gemacht nach der Altersaufgliederung in den Parlamenten. Und da wurde mir gesagt, in Norwegen gibt es eine Altersgrenze, über 70 darf überhaupt niemand mehr im Parlament sein. Ist diese Grenze aufgehoben? In Skandinavien ist die ältere Generation in den Seniorenräten gut vertreten, nicht aber in den Parlamenten.

A. Braun: Also, die Tullia von Sydow, die hier 1997 in unserem Forum „Geschlechterverhältnis und Alterssicherung„ referiert hat, ist letztes Mal bei den Wahlen neu in den schwedischen Reichstag gewählt worden. Ihr Sohn ist dort der Verteidigungsminister, den kontrolliert sie jetzt parlamentarisch. Tullia von Sydow ist über 80.

H. Dochweiler: Diese Regel scheint aber nur in Norwegen zu gelten. In Dänemark, Finnland und Schweden weiß ich, daß das nicht gilt. Und der älteste Minister bei uns ist 74 und wir haben auch Abgeordnete, die noch älter sind.

I. Hoffmann: Ich möchte noch mal auf das Netzwerk zurückkommen, was angeblich wegfällt; also nach meiner Erfahrung in Schweden, was allerdings den ländlichen Raum betrifft, funktioniert da das Netzwerk der Angehörigen noch immer sehr gut. Ich habe mich jedenfalls immer sehr dagegen gewehrt, wenn Frau Rönsch von der „Kälte des Nordens„ gesprochen hat; das ist überhaupt nicht das, was ich erlebt habe.

H. Dochweiler: Nein, ich habe auch am Anfang gesagt, man kann das natürlich nicht so pauschal sagen. Die Leute in Skandinavien sind ja nicht herzloser oder kälter als andere. Aber das System trägt es in sich, daß man eben auf die Verantwortung der öffentlichen Hand zeigen kann; und einige tun das dann auch. Sie haben den ländlichen Raum erwähnt und es ist eindeutig, daß das Netzwerk besser funktioniert auf dem Land, nicht zuletzt in Norwegen und Schweden, Finnland auch, mit diesen großen Räu-

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men, als in den Städten. Ich will das auch nicht zu schwarz malen, aber es doch als Problem bezeichnen. Ein Problem, was wir lösen sollten, wir brauchen einfach mehr Engagement.

G. Pels: Darf ich mich anschließen und dazu noch sagen, daß man auch in Holland Angst hat, daß das Netzwerk nicht mehr arbeitet. Aber ich glaube, wir wollen auf alle Fälle, daß das Netzwerk für die sozialen Kontakte und für die erfreulichen Sachen da ist, daß man ausgehen kann, daß man in die Ferien gehen kann; was wir z.B. immer gemacht haben mit meinen Eltern: solange es noch möglich war, sind wir zusammen in die Ferien gegangen. Aber das ist etwas, was man von Fremden weniger gut verlangen kann. Wenn es aber auf die tägliche Pflege ankommt, sind wir einfach dazu nicht ausgebildet; da machen wir Fehler, da brauchen wir auch nicht dabei zu sein. Und deshalb werden wir immer sagen, das Netzwerk kann nicht dafür da sein, daß man alltägliche Sachen in der Pflege leisten soll.

H.H. Albers: In Dänemark gibt es also eine sehr große entscheidende Lobby, denn das sind ja fast eine Million Leute, die in diesen zwei Organisationen verbunden sind. Aber diese Lobby müsste doch in der Lage sein nicht nur die Seniorenbeiräte stärker in der Politik, in den Entscheidungsgremien zu verankern, die müßten doch auch gleichzeitig für Netzwerke und solche Dinge sorgen können. Im Prinzip ist dann Dänemark doch schon relativ weit, solche Dinge zustande zu bringen, mit denen wir hier in Deutschland noch Schwierigkeiten haben. Denn die Seniorenbeiräte hier, die stellen nur so eine Alibifunktion dar.

(Widerspruch)

Ich kenne es aus meiner Gegend als Alibifunktion; es mag anderswo anders sein, aber bis jetzt immer noch nicht ausreichend. Wir brauchen auch zwei solche Organisationen, die eine Lobby darstellen.

A. Braun: Also wir hatten ja heute morgen mit Greet Pels hier so eine Verbraucherschützerin sitzen. Ich kann mir einen wirksamen Verbraucherschutz für Ältere sehr gut vorstellen; erst recht in einem System, wo die Kommune, jetzt mal vom Marktgesichtspunkt her gesehen, der alleinige, mächtige Anbieter ist. Da braucht es ungeheuer viel Mitbestimmung in

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der Kommune, also dort, wo das gemacht wird. Und da haben die genug damit zu tun, dafür zu sorgen, daß die Älteren nicht als Abhängige gehalten werden, daß sie nicht als die Hintersassen der Kommunalpolitiker behandelt werden, sondern daß sie darüber mitzubestimmen haben, was ihnen, in welcher Qualität und in welcher Weise geliefert wird. Da haben sie hinreichend Arbeit vor sich, nun die Senioren von ihren Kommunen auch insoweit zu emanzipieren, daß sie nicht völlig fremd bestimmt werden und ihnen gesagt wird, Du hast das und das zu wollen.

C. Weller: Ich wüßte gerne nochmal, wie die Steuern prozentual verteilt werden. Sie haben gesagt, es gibt drei Steuern: Die staatliche Steuer, die Kreissteuer und die Kommunalsteuer. Und wie verteilt sich das dann?

Zwischenfrage: Die Kommunen sind sehr bestimmend für das Wohlempfinden der Senioren. Inwieweit sind die Senioren selbst aktiv dabei?

H. Krappatsch: Also ich war sehr dankbar, daß fast alle meine Fragen, die im Laufe des Vortrages aufgekommen sind, am Schluß des Vortrages auch beantwortet wurden. Ich bin nicht ganz sicher, ob Ihr Schlußsatz, die Hoffnung nämlich, daß sich die Dinge doch wieder verändern durch mehr Eigenbeteiligung der Senioren, so eintrifft. Ob eventuell das Wertebewußtsein der Jüngeren, von dem Sie ja in ganz anderer Richtung sprachen, dadurch verändert wird. Ich vermute, da muß auch vielleicht mehr im Bildungswesen, im Erziehungssystem angesetzt werden. Aber ich wünsche mir jedenfalls, daß Ihre Hoffnung auch wirklich Früchte trägt.

S. Schmolke: Ich habe Sie so verstanden, daß die Kommune Bauträger für Seniorencentren ist und auch die Verwaltung übernimmt. In Baden-Württemberg ist es grundsätzlich anders; die Kommunen weisen das von sich und übertragen diese Aufgaben kirchlichen oder karitativen Verbänden.

Zwischenruf: Nein, sie können das auch selber machen, das ist regional unterschiedlich.

A. Braun: Gut, legen wir hier mal eine Antwortrunde ein.

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H. Dochweiler: Ja, die erste Frage, war die Frage zu den Steuern. Und da ist es so, daß der Staat etwa 2/3 aller direkten und indirekten Steuern erhebt. Natürlich alle indirekten und alle Abgaben; die auf Autos und Alkohol und Zigaretten und all das, was, wie Sie wissen, in Dänemark, im Norden überhaupt so teuer ist. Das geht natürlich an den Staat, und der Staat schickt dann die Hälfte dieser Einnahmen zurück. Die Kreise stehen für 10 bis 12 Prozent; es ist unterschiedlich, die Kreise bestimmen, wie gesagt, selber über ihren Steuersatz und deshalb muß ich sagen zwischen 10 und 12%. Die Kommunen liegen so zwischen 20, 22 % und in seltenen Fällen darunter oder darüber. Und dann bleiben da immer noch zwischen einem halben und einen Prozent für die Kirchensteuer. Das wäre die vierte.

Und was nun die Rolle der Senioren betrifft, liegt das ganz große Gewicht auf den Aktivitäten, weil es auch als vorbeugend betrachtet wird, daß ein aktives Alter auch Aktivitäten im Erwerbsleben oder in diesem Teil des Lebens voraussetzt. Und deshalb nennt man diese Seniorencenter eben auch „Aktivitätscenter„. Man setzt sehr viel auf Aktivitäten und fördert Aktivitäten. Und da kann ich vielleicht auch diese privaten oder Freiwilligen-Verbände mit einbeziehen, denn gerade da haben sie eine Rolle zu spielen, was Initiativen betrifft. Das Geld, das überaus meiste Geld, beziehen diese Organisationen, Clubs, Verbände immer noch von der Kommune; aber sie können und tun das auch, viele Aktivitäten setzen. Es sind insgesamt, das ist mindestens die letzte Zahl, die ich kenne, etwa 3000 solcher Verbände im Land, die sich auf verschiedene Art und Weise für solche Aktivitäten lokal einsetzen. Also doch sehr viele, aber wie gesagt, finanziell sind sie abhängig von der Kommune.

Sie haben dann das Generationenproblem angesprochen. Werden die Jugendlichen ihrer Verantwortung nachkommen, so wie wir sie sehen, wird also der Generationenvertrag immer noch seine Gültigkeit behalten? Und da muß ich eben sagen, da bin ich mir nicht so sicher und deshalb habe ich auch gesagt, daß ich nicht sicher bin, daß das Universalprinzip, was die Basisrenten betrifft, auch haltbar sein wird. Denn es ist ja so, daß immer weniger Junge - es werden jetzt wieder mehr Kinder geboren, aber wir wissen ja, es gibt eine Generation, die sehr klein ist, vom Umfang her - an viele Alte zahlen müssen. Und der Umstand, daß die künftigen Steuerzahler eben für mehr Senioren und wahrscheinlich auch für mehr Kinder zah-

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len müssen, erlegt ihnen einen großen ökonomischen Druck auf. Und das wird wahrscheinlich auch heißen, daß man finanziell etwas zurücksteckt. Und ich glaube eben auch, daß die Verschiebung bei den Zielsetzungen vom Lebensstandard zur Lebensqualität hin vor sich gehen wird. Und das hängt, wie Sie sagen, sicher auch mit dem Bildungssystem zusammen. Die Dänen waren immer recht stolz auf ihr Bildungssystem; ich stecke jetzt mittendrin und ich bin gar nicht so überzeugt, ich würde auch hier dabei bleiben: obere Hälfte. Aber ich möchte doch darauf hinweisen, daß immerhin fast eine Million, 950.000, aktiv sind in dem, was wir „Abendschule„ nennen. Sie würden diese Art von Unterricht Volkshochschule nennen. Das ist immerhin noch ein Gesundheitszeichen.

W. Eckle: Ich wollte gerne fragen, welche Rolle spielt eigentlich das Königshaus in Dänemark? Ich erinnere mich, daß der König, als Dänemark von Deutschland besetzt worden ist, sich selber einen Judenstern angesteckt hat. Und ein weltweites Beispiel von solidarischer, menschlicher Gesinnung, auch über das eigene Volk hinaus, hat das dänische Volk erbracht, indem es die Juden zum allergrößten Teil nach Schweden hinüber gebracht hat. Es ist bekannt, daß die skandinavischen Monarchen sehr gebildete Menschen sind, die auch auf akademischem Niveau einen wissenschaftlichen Beruf erlernt haben und dabei mitreden können. Spielt das auch eine Rolle bei der ganzen Sache?

H. Dochweiler: Ich würde sagen weniger. Wobei ich allerdings ganz mit Ihnen übereinstimme, daß die Königshäuser generell in diesen Ländern, und dabei sprechen wir also nur von Dänemark, Norwegen und Schweden, respektiert sind. Ich glaube ganz besonders - aber vielleicht bin ich da voreingenommen - die dänische Königin; aber sie ist zumindest sehr beliebt. Und es heißt, 95 Prozent der Dänen würden sie auch als Präsidentin wählen, aber es wird nicht dazu kommen. Respektiert sind sie allemal. Und auch das norwegische Königshaus scheint es sich leisten zu können, daß der Kronprinz eine alleinstehende Mutter mit befremdlichem Umgang, also mit Freunden, die Kontakt hatten zum kriminellen Milieu, offensichtlich heiraten wird. Das zeugt natürlich von einer starken Position; aber für alle drei Königshäuser gilt, daß sie nicht eingreifen - auch nicht mit Worten - in das politische Leben des Landes. Sie halten alle diese Statements, die Neujahrsansprachen, und das ist das höchste, aber die sind

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eher, sagen wir mal, moralischer, ethisch-moralischer Natur und man lauscht, man hört ihnen zu. Aber politisch dürfen sie sich gar nicht zu diesen Themen äußern; und das könnte natürlich auch mit ein Grund dafür sein, daß sie so beliebt sind.

E. Uthardt: Ich wollte mal noch etwas dazu sagen, daß die ältere Generation so wenig in den Parlamenten vertreten ist. Das liegt an den Senioren, die möchten sich nicht an Parteien binden. Sie können ja nur über eine Partei in ein Parlament gelangen. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist.

G. Braun: Da muß ich doch sagen, daß die Senioren in den Parteien einen großen Anteil stellen; es gibt ziemlich viele Senioren, die Mitglied einer Partei sind. Die wollen also schon mit einer Partei etwas zu tun haben, sonst wären sie nicht drin.

H. Dochweiler: Bei uns ist das Problem eher, das gilt für Dänemark, Norwegen, Schweden auf alle Fälle - in Finnland kenne ich mich nicht so aus - daß es zu wenig Jugendliche in den Parteien gibt, und das ist das Problem.

A. Braun: Die deutschen Parteien sind im Augenblick auch eher wieder mal auf der Suche nach der Jugend als nach der älteren Generation.

Gut, ich nutze diese Kunstpause, wo es gerade niemand drängt, sich zu Wort zu melden und bedanke mich auch herzlich für die Diskussion mit Dir. Wir gehen pünktlich in die Mittagspause und um 14 Uhr machen wir hier weiter. Guten Appetit.


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