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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.:9]
Alfred Braun: Ich darf Sie recht herzlich begrüßen zu unserem diesjährigen Freudenstädter Generationenforum. Es ist bereits das zehnte, aber es ist auch, wie Sie sicher schon gemerkt haben, wahrscheinlich das letzte. Jedenfalls das letzte, das wir in diesem Hause veranstalten können, denn dieses Haus wird nächstes Jahr seinen Betrieb einstellen. Aber vielleicht finden wir irgendeinen Kollegen, der noch ein Haus hat und der dann in Kooperation mit der Fritz Erler Akademie oder mit denen, die noch davon übrig sind, solch eine Reihe weiterführen könnte. Eigentlich wollten wir uns dieses Jahr mit einer Frage beschäftigen, die ja schon eine Weile in der Gemeinschaft am Brodeln ist, nämlich, ob die Diskriminierung wegen Alters in die Antidiskriminierungs-Bestimmungen und -Kampagnen der Gemeinschaft einbezogen werden soll; da gab es ja ein langes Hin und Her: inzwischen ist es mal wieder Hin, also Altersdiskriminierung ist auch unter die nicht hinzunehmenden Tatbestände eingereiht. Aber als sich dann abzeichnete, daß dies die letzte Veranstaltung dieser Reihe sein wird, habe ich mir doch überlegt, es wäre vielleicht den Versuch wert, hier so etwas wie eine Bilanz von 10 Jahren Diskussion zu ziehen von verschiedensten Seiten der Beteiligten an diesen Foren und so haben wir es auch verabredet. Es war sehr früh im Jahr, als wir angefangen haben zu planen, und das hat dann dazu geführt, daß wir auch etliche Kolleginnen und Kollegen, die hier schon aufgetreten waren und Bereiche Europas vorgestellt hatten, dafür gewinnen konnten, hier wieder dabei zu sein, so daß wir einen sehr breiten Überblick heute und morgen bieten können. Leider ist es nicht gelungen, die Mitschrift des letztjährigen Forums noch zum Druck zu bringen. Aber ich nehme an - weil das in diesem Haushaltsjahr noch sein muß -, daß wir es dann irgendwann Ende November/Anfang Dezember fertigstellen und Ihnen noch zuschicken. Wir werden auch dieses Forum wieder aufnehmen, schreiben lassen und als eine Art Protokoll veröffentlichen. Ich bin ganz sicher, daß wir das noch vor dem 30. Juni 2001 hinbringen und auch ausliefern werden. Ich möchte nur noch mal daran erinnern, wie diese Reihe eigentlich entstanden ist, und ich glaube, es ist es Wert, daß man sich dessen erinnert. [Seite der Druckausg.:10] Es sind jetzt 20 Jahre her, daß die Fritz Erler Akademie angefangen hat, sich in einzelnen Veranstaltungen mit Fragen der gesellschaftlichen und der politischen Reaktionen auf die Alterung zunächst der deutschen Gesellschaft, dann aber auch der anderen europäischen Gesellschaften zu beschäftigen. 1980 hatten wir - zusammen mit der Landeszentrale - mit ein paar Gewerkschaftssenioren eine Veranstaltung gemacht über die Frage der Beteiligung Älterer, der Rolle Älterer in Politik und Gesellschaft. Das war der Einstieg und 1981 gab es dann schon eine Veranstaltung mit der vollmundigen Überschrift Altenhilfe, Altenarbeit, Altenpolitik, als Angebot an Betroffene, Ehrenamtliche und Hauptamtliche in Verbänden und Gruppen. Und das lief ziemlich parallel mit einer Mode, die sich damals rasch ausbreitete, nämlich Veranstaltungen zur Vorbereitung auf den Ruhestand anzubieten. Das war zu der Zeit ein beliebtes Thema bei der Erwachsenenbildung aller Art und auch wir sind da eingestiegen, haben dann aber sehr schnell gemerkt, daß wir ein ganz großes Handicap hatten: Die Kollegen in Boll oder von der Evangelischen Akademie in Baden oder von der Katholischen Akademie in Hohenheim hatten immer ganze Gruppen von zur Verrentung oder zur Pensionierung anstehenden Leuten aus Unternehmen und Verwaltungen im Haus - und meist noch deren Ehepartner dazu - und die waren dann eine Woche von ihren Unternehmen zu dieser Vorbereitung freigestellt. Wir mußten uns unsere Teilnehmer auf dem freien Markt suchen und das ist dann zweimal schiefgegangen und zwar in gleicher Weise: In beiden Veranstaltungen, die wir angeboten hatten, saßen lauter muntere Rentner und Ruheständler, die diesen Übergang gerade hinter sich hatten und die eigentlich ganz begierig waren, der nächsten Generationen zu zeigen, welche Fehler sie nicht machen sollten bzw. wie sie es richtig machen sollten. Jedenfalls wollten sie eigentlich ihre Erfahrungen loswerden, aber da war dann niemand, den das interessierte. Wie gesagt, das ist uns zweimal passiert, und dann haben wir gefragt, warum machen wir eigentlich nichts für diese Leute, für diese interessierten, sehr regen Menschen, die da nicht nur Erfahrungen austauschen wollen, die auch noch was draus machen wollen; warum bieten wir eigentlich nicht denen selber eigene Veranstaltungen an. Und daraus ist dann diese Reihe zur Lebenslage Älterer entstanden; in den 80er Jahren natürlich akzentuiert auf deutsch-deutsche Aspekte, denn das war einfach die beste Finanzierung, die man für eine Veranstaltung der [Seite der Druckausg.:11] politischen Erwachsenenbildung damals bekommen konnte. Daraus wurde die Reihe entwickelt: Zur Situation älterer Menschen in beiden deutschen Staaten. Auch schon enthalten war darin ein Element, das sich dann später als sehr attraktiv erwies, nämlich ein Einblick in die Praxis. In der ersten Veranstaltung hieß das noch Lehrfahrt zu Einrichtungen der Altenhilfe in Nordbaden, also ganz gelehrig, heute heißt das halt Exkursion, also man sieht sich da etwas näher an. Diese erste Lehrfahrt, die ich machte, führte nach Karlsruhe und Heidelberg. In Karlsruhe haben wir etwas angesehen, was es eigentlich gar nicht gab: Das hatte keinen Namen, das war gerade frisch eingeweiht von der Arbeiterwohlfahrt in Karlsruhe; heute würden wir sagen, das war betreutes Wohnen plus ein Stützpunkt für Mobile Dienste. Aber das gab es ja damals nicht, weder betreutes Wohnen, noch mobile Dienste, sondern das war einfach etwas ganz Neues, was ganz Anderes. Und dabei sind wir dann auch geblieben bis heute, daß wir immer wieder versuchen, in diesen Veranstaltungen auch bei den Exkursionen den neuesten Stand der Dinge in der Region vorzustellen: welche neuen Entwicklungen es gibt, welche pfiffigen Ideen da realisiert werden. Wir sind dann von Schömberg Mitte der 80er hier nach Freudenstadt übergesiedelt, haben dieses Haus hier bezogen. Aber damit hat sich auch unsere Perspektive verändert, wir waren nämlich, - da waren wir selber etwas überrascht - plötzlich ganz nah an Straßburg: Eine Fahrstunde mit dem Bus. Das hieß, man konnte solche Erkundungen auch dort machen, sich mit Kollegen in Straßburg oder in Colmar verabreden, man konnte - sozusagen auf der Heimreise - dann in der Offenburger Gegend Station machen und sich etwas angucken. Und so ist dann diese Reihe entstanden, mit der Schlagzeile: Deutschland altert, Europa ergraut Was machen eigentlich die anderen, wie reagieren andere auf diese Veränderungen? Es sind dann mit der Zeit immer mehr Länder in den Blick geraten: Ein Vergleichsland war das zweite Element, was wir außer der Exkursion begannen einzubauen und zu pflegen. Das Problem bestand darin, einen möglichst gut deutsch sprechenden und sachverständigen Kollegen zu gewinnen, der sein Land hier vorgestellt hat unter zwei Aspekten: Wie funktioniert und wie wandelt sich die Alterssicherung und was läuft in dem Bereich, wo die Leute selber etwas tun, sich entwickeln können, sich einbringen können. Da haben wir dann über diese 10 Jahre hin einen [Seite der Druckausg.:12] recht stabilen Stamm von Kolleginnen und Kollegen aufgebaut, die immer wieder bereit waren, hier herzukommen und ihre Situation zu hause vorzustellen. Hinzu kam, daß wir, seit wir hier in Freudenstadt waren, auch entdeckt haben, daß man, immer wenn gerade das Parlament in Straßburg tagt, auch mit den Parlamentariern selbst kooperieren kann. Das war besonders am Anfang wichtig, als in den 90er Jahren das europäische Parlament gemeinsam mit der Kommission und dem Ministerrat, das Jahr der Solidarität der Generationen 1993 ausgerufen hat, das ab 1991 vorbereitet wurde. Da gab es auch im Parlament eine entsprechende Arbeitsgruppe der Parlamentarier, keinen Ausschuß, aber eine Liaison - Group, die sich mit diesem Generationenprojekt beschäftigte. Zehnmal im Jahr, wenn die MdEPs in Straßburg getagt haben, konnte man von hier aus einen Vororttermin in der Region Straßburg und im Parlament verbinden mit dem Besuch einer entsprechenden Einrichtung auf der deutschen Seite. Zu Beginn der Kooperation mit dem Parlament und mit der Gemeinschaft war das alles noch sehr problemlos, wenig umständlich und auch sehr kooperativ. Wir haben halt unsere Projekte an die Generaldirektion V geschickt, und die haben gefragt, was kostet das. Wenn es nicht allzu teuer war, hieß es, gut, dann kriegt ihr 25% oder 30% als Zuschuß. Das waren die Anfangszeiten dieser europäischen Arbeit an dem Problem Generationenpolitik, die dann 1995 durch das Veto der Regierung der Bundesrepublik Deutschland sehr abrupt beendet wurden mit dem Hinweis, die Gemeinschaft sei gar nicht zuständig, das Prinzip der Subsidiarität sei verletzt, wenn die Gemeinschaft weiterhin direkt gegen den Willen der Mitgliedstaaten Geld in einzelne Gemeinschaftsländer vergibt. Das dürften nur die Staaten selbst machen, aber sie tun es natürlich nicht. Das ist ja immer diese Geschichte, man sagt, Ihr habt da die Zuständigkeit nicht, ihr habt euch da rauszuhalten. Aber wir selber sehen da keine Notwendigkeit etwas zu machen. Dann ist aus den Einzelthemen dieser Reihe von 1991 an das Freudenstädter Forum Solidarität der Generationen entstanden, als Versuch, sich in einer solchen Veranstaltung eben nicht nur mit einem Land zu beschäftigen, sondern ein Thema in den Mittelpunkt zu stellen und möglichst viele Aspekte aus einzelnen Länder der Gemeinschaft zusammenzutragen - [Seite der Druckausg.:13] und natürlich auch darüber hinaus: also die Österreicher waren damals noch nicht dabei, die Schweiz ist immer noch nicht dabei, die Schweden waren damals noch nicht dabei - wir haben sie sozusagen in vorauseilender Gewißheit, daß die dazukommen werden, schon immer in diesen europäischen Vergleich einbezogen. Wir haben sehr verschiedene Dinge gemacht: Zum Teil haben wir sehr konkrete Fragen gestellt, also z.B. wie im vorigen Jahr Wie läuft es bei uns seit 5 Jahren, wie läuft es anderswo mit der gesetzlichen Pflegeversicherung oder in entsprechenden Strukturen? Oder wir haben uns vor zwei Jahren Das Wohnen der Generationen angeguckt. Wir haben aber auch andererseits sehr abstrakte Fragestellungen bearbeitet, etwa wie man nationale Strategien in der Altenpflege koordinieren könnte. Auf jeden Fall bin ich auch ganz stolz darauf, daß wir in den 10 Jahren hier einen anerkannten Ort von gegenseitigem Austausch und Diskussion über ähnliche und vielleicht auch sehr unterschiedliche Probleme etabliert haben. Und, wie gesagt, ich hoffe, daß es irgendwie mit irgendeinem Partner noch ein paarmal weitergeht. Jedenfalls, für heute seien Sie wieder herzlich willkommen, Frau Lieberherr; steigen wir ein ins Programm: Wir machen es wie immer, Sie sagen etwas zu Ihrer, nicht in Vergessenheit geratenen, aber doch vom Amt etwas weiter weg gerückten Person; was Sie so gemacht haben, in der Zeit Ihres politischen Wirkens. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 2001 |