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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 118 (Fortsetzung)]

A. Braun: Meine Damen und Herren, wir kommen nun zum Länderbeispiel Niederlande. Wir verfahren wie bisher: Ihr stellt Euch zunächst vor.

Henk Schippers: Also guten Abend, mein Name ist Henk Schippers, Henk genügt. Ich arbeite in Holland beim Ministerium für Gesundheit, Wohlsein und Sport und habe da zu tun mit der Altenpolitik. Das heißt bis Anfang diesen Jahres, weil ich jetzt nicht mehr speziell in der Altenpolitik bin, sondern ein normaler Organisationsberater beim Departement bin.

Greet Pels: Ich bin Greet Pels; ich bin Organisationsberaterin - ich finde das immer eine sehr anspruchsvolle Bezeichnung, aber ich habe keine andere finden können - bei einem Altenverband in den Niederlanden. Das heißt, es gibt in Holland drei Altenverbände, einen allgemeinen, einen katholischen und einen evangelischen; ich arbeite bei dem Allgemeinen Altenverband in der Provinz Südholland.

H. Schippers: Also ich beginne und Greet schließt ihren Beitrag an. Mein Angebot für heute besteht aus mehreren Teilen:

  • das erste ist die Frage, wie war das vor 10 Jahren mit der Alterspolitik in den Niederlanden?

  • zweitens, was waren aus der Sicht des Ministeriums 1996 die Hauptprobleme und die wichtigsten ins Auge gefaßten Änderungen?

  • drittens, welche Resultate sind 1999 zu erkennen, heute also?

  • dann etwas über das Allgemeine Gesetz über Außergewöhnliche Krankheitskosten (AWBZ) und seine heutigen Probleme, besonders die

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    Finanzierung angesichts der Alterung der Bevölkerung in den Niederlanden;

  • und zuletzt die Ziele der Modernisierung der Alterspolitik in den kommenden Jahren.

Danach gibt Greet eine kritische Einschätzung der Entwicklung des AWBZ aus der Sicht der Altenverbände.

(der jetzt folgende Teil der Ausführungen von Henk Schippers ist nach seinem Stichwortzettel rekonstruiert, weil sich eine Kassette des Ton-Mitschnitts nicht abhören ließ)

H. Schippers: Vorab einige allgemeine Überlegungen zur Entwicklung der Altersbevölkerung und ihren möglichen Auswirkungen auf Fragen der Pflege.

Zunächst zu den Zahlen: zwischen 1995 und 2020 (dem Zeitraum einer Generation) wird sich in den Niederlanden die Zahl

  • der 55- bis 64-Jährigen um 64 %

  • der 65- bis 79-Jährigen um 59 %

  • älter als 80-Jährigen um 43 %

erhöhen.

Die Lebenserwartung der Männer steigt von 74,6 Jahre in 1995 auf 77,1 Jahre in 2015; die der Frauen von 80,3 auf 81,3 Jahre.

Dies wirkt sich „doppelt" auf das Gesundheitswesen und das System der Pflege aus:

  • die Mehrzahl der alten Leute leidet unter chronischen Krankheiten und

  • die heutigen Älteren nutzen das Gesundheitssystem stärker als frühere Kohorten.

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Infolge der Alterung der Bevölkerung

  • steigen die Gesundheitsausgaben um ca.1 Mrd Gulden zusätzlich pro Jahr,

  • nehmen die über 65-Jährigen 46 % der Pflegekosten und 40 % der Gesundheitskosten in Anspruch.

Zusammen mit dem Faktum, daß Senioren von Kohorte zu Kohorte mündiger werden und ihnen mehr politisches Gewicht zugetraut wird, führen diese Entwicklungen zu Zweifeln an der Tragfähigkeit des Sozialstaats. Die „Grenzen der Solidarität" werden auch in Holland beschworen und eine neue Balance im System der sozialen Sicherheit zugunsten einer stärkeren Privatisierung der Risiken wird eingefordert.

Die „alten" Senioren-Jahrgänge über 75 unterscheiden sich deutlich von den „jüngeren" Senioren zwischen 65 und 75 besonders im Bereich Gesundheit:

  • beim Hören

  • beim Sehen

  • bei der Mobilität

  • bei der Merkfähigkeit

  • bei der Bildungs-Beteiligung

und doch fühlen sich 70 % der über 85-Jährigen „gesund".

Aber auch sonst gibt es innerhalb der Altersbevölkerung deutliche Diffe-renzierungen der Lebenslagen:

  • Die Zahl der Älteren-Haushalte wird von jetzt 2,2 Millionen auf 3 Millionen im Jahr 2010 steigen. Heute wohnen 90 % der über 65-Jährigen selbständig zuhause - auch bei den über 85-Jährigen sind es noch mehr als die Hälfte.

  • Ein Fünftel der über 65-Jährigen lebt heute am sozialen Minimum; 40 % der Vermögen liegen bei den über 55-Jährigen.

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  • Im Jahr 2010 werden 40 % aller Konsumausgaben von den über 55-Jährigen getätigt werden.

Der Stand der Dinge in der Alterspolitik in den Niederlanden Ende der 80er Jahre läßt sich wie folgt zusammenfassen:

  • die verschiedenen Angebote der offenen Altenhilfe (durch Kommunen oder freie Träger wie etwa die Altenverbände) waren aus dem Staatsbudget finanziert;

  • für die Erhaltung bzw. die Förderung der Selbständigkeit der Älteren gab es Zuschüsse zur Miete bzw. zu den Kosten des Wohnens im eigenen Haus;

  • der Bau von altengerechten Wohnungen wurde aus Steuermitteln gefördert; auch die Mieten für solche Wohnungen wurden subventionert;

  • der Bau von Altenheimen wurden aus öffentlichen Mitteln der verschiedenen staatlichen Ebenen finanziert;

  • die Hilfe bei der Pflege zuhause ( z.B. „die Krankenschwester") wurde aus dem AWBZ finanziert;

  • der Bau von Pflegeheimen wurde aus dem AWBZ bezuschußt, der Betrieb der Pflegeheime über Pflegesätze, die außer einem Eigenanteil der Betroffenen ebenfalls aus dem AWBZ bezahlt wurden.

Die Problemliste unseres Ministeriums in dieser Sache sah in den 90er Jahren etwa so aus:

  • die einzelnen Bereiche des gesamten Altenhilfesystems waren so voneinander abgegrenzt, daß wachsender Hilfebedarf für die Betroffenen in der Regel bedeutet hat, daß sie umziehen mußten (in die nächste, mehr Versorgung anbietende Einrichtungs-Kategorie);

  • dabei gab es aber keinen kontinuierlichen Zugang zu den Ressourcen der Finanzierung aus öffentlichen Subventionen oder aus dem AWBZ, sondern „Schotten" in der Finanzierung zwischen den Systemen;

  • nach der jeweiligen Finanzierungsquelle unterschiedlich war der Umfang der Selbstbeteiligung der Betroffenen an den Kosten. Das war

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    nicht nur den Betroffenen nicht vermittelbar, sondern führte auch zu Fehlallokationen bzw. „Fehlbelegungen";

  • es gab für die Bedarfsfeststellung im jeweiligen Subsystem der Versorgung weder eine einheitliche Indikation noch eine für die Indikationen zuständige verantwortliche Instanz;

  • die Bemühungen der verschiedenen Behörden, Verbände und Vereinigungen liefen ziemlich unkoordiniert nebeneinander her.

Diese Situation schluckte Geld und Energie; verursachte einen hohen bürokratischen Aufwand; ließ unterschiedliche Anbieter/Versorger unverbunden nebeneinander arbeiten; führte zu andauerndem Streit um Kompetenzen.

Den Stand der Abarbeitung dieser Problemliste im Herbst 1999 möchte ich wie folgt beschreiben:

  • für alle Arten von Versorgung für Ältere gibt es eine einheitliche gesetzliche Regelung, die zugleich auch eine einheitliche Finanzierung erlaubt: das AWBZ;

  • die Selbstbeteiligung der Hilfeempfänger wird bei den verschiedenen Leistungen harmonisiert; zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit wird nur noch auf das Einkommen der Leistungsempfänger zurückgegriffen, das Vermögen wird nicht mehr angesprochen;

  • es gibt eine einheitliche Indikationsstelle: „einen Schalter" für alle Hilfen;

  • die mit dem AWBZ neu geordneten Zuständigkeiten ermöglichen eine einheitliche Planung der Angebote der Altenhilfe und auch eine einheitliche Steuerung der notwendigen Reformen;

  • damit können Reformziele wie Ausbau des ambulanten (und teilstationären) Bereichs zu Lasten der stationären Versorgung - „weniger Gebäude, mehr Versorgung!" - zielgenauer in Angriff genommen werden;

  • es erfolgt eine regionale Abstimmung des Vorgehens in ständiger Konsultation von Anbietern, Geldgebern und Altenverbänden.

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Hervorzuheben ist auch, daß im Zuge der Reform eine bessere Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen den einzelnen Instanzen erreicht wurde:

  • der Staat erläßt die gesetzlichen Bestimmungen und schafft die Rahmenbedingungen für die Altenpolitik;

  • die Provinz ist gesetzgeberisch zuständig für die Abstimmung und das Verfahren („Überlegung") zwischen Anbietern, Versicherern und Klienten/Patienten; sie unterstützt und fördert Patienten-Organisationen;

  • die Regionen sorgen für die Indikationsstellung; sie organisieren die regionale gemeinsame Bedarfsfeststellung („Regio-Einzicht") durch Anbieter, Versicherer und Klienten/Patienten;

  • in jeder Region gibt es ein Büro für die Ermittlung des Bedarfs an Versorgung und Hilfen; sein Budget kommt vom Staat;

  • es bringt die Anbieter-indizierten Angebote mit den Wünschen der Patienten/Klienten in Einklang und finanziert („kauft") über Verträge mit den Anbietern die Leistungen;

  • Leitgedanke der regionalen Aktivitäten: soviel wie möglich Versorgung zuhause;

  • die Gemeinde bildet die gemeinsame Achse der Lebens-Umwelt der Betroffenen mit ihrer Zuständigkeit für Wohnen, Wohlsein und Versorgung; hier ist auch der „eine Schalter", wenn man Hilfe nötig hat.

Nun noch ein paar zusammenhängende Bemerkungen zum „Allgemeinen Gesetz über außergewöhnliche Krankenkosten" (AWBZ).

Das AWBZ deckt Krankheits- bzw. Pflege-Risiken ab, die nicht über die (Pflicht-)Krankenkassen oder die private Krankenversicherung versichert werden. Versichert sind:

  • die Behandlung und Pflege in allen anerkannten Einrichtungen wie
    + Krankenhäusern
    + Alten- und Pflegeheimen
    + Rehabilitationsleistungen

    [Seite der Druckausg.: 124]

  • Versorgung zuhause („häusliche Pflege")

  • Leistungen der Prävention

  • Medikamente

  • Hilfsmittel.

Der Eigenanteil der Versicherten an den Kosten der Leistungen („Selbstbe-teiligung") ist einkommensabhängig und hängt überdies davon ab, ob die Leistungen zeitlich begrenzt oder auf Dauer in Anspruch genommen werden.

Versichert sind alle Einwohner (einschließlich Ausländern, die in den Niederlanden lohnsteuerpflichtig sind). AWBZ ist eine Volksversicherung, d.h. es gibt keine „Arbeitgeber-Beiträge".

Der Beitragssatz beträgt 10,25 % bis zu einer Bemessungsgrenze von 48.175 Gulden jährlich. Rentner zahlen Beiträge auf die Teile ihres Einkommens, das die AOW-Rente („staatliche" Altersrente aus der Volksversicherung nach dem Allgemeinen Altersgesetz) übersteigt.

Trotz der Reformen in den letzten Jahren steht die AWBZ vor einer Reihe von ungelösten Problemen:

  • weiter steigender Bedarf

  • Wartelisten

  • Arbeitsverdichtung in den Einrichtungen

  • bei den nötigen Innovationen sieht man allmählich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr!

Aus einem Anbieter-bestimmten Angebot, das den Patienten als Objekt sieht, wenig flexibel für die Patienten-Bedürfnisse ist und auf Verlangen nach mehr Differenzierung mit Management-Problemen reagiert, muß ein nachfragegesteuertes Angebot werden, das den Patienten als Subjekt behandelt und nur Leistungen anbietet, die nötig sind.

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Die Kontrolle der Kosten wird bei stagnierenden Budgets immer dringlicher; die Frage nach der Qualität der Leistungen wird wichtiger; die Informationssysteme in Bezug auf die Pflege müssen verbessert werden.

Für die Weiterentwicklung und Modernisierung in den kommenden Jahren lassen sich folgende allgemeine Ziele grob beschreiben:

1. der Patient (Klient/Konsument) steht im Mittelpunkt:

  • Selbstbestimmungsrecht des Patienten

  • Unterstützung im Alltag der Patienten hat Vorrang

  • Individualisierung flexibler und differenzierter Angebote

  • gerechte Verteilung: Versorgung ohne Ansehen der Person und ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse.

1. Pflege nach Maß,

  • ist zentrales Problem der Reform

  • erfordert unabhängige Indikationsstellung

  • braucht die Lobby der Patienten- und Alten-Organisationen

  • setzt eigene unabhängige Berater der Organisationen voraus.

1. Die Steuerung des Angebots danach

  • was Patienten wünschen und

  • was professionell verantwortet werden kann.

1. Die „Pflegepolitik" muß verbunden werden mit

  • Wohnungspolitik

  • Arbeitsmarktpolitik und

  • dem Ziel, dem Patienten ein Leben bei guter Pflege zu gewährleisten.

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Das Ganze muß eingebettet sein in den Versuch, Versorgung und Pflege stärker zu einer als gesellschaftliche Verantwortung wahrgenommenen Aufgabe zu machen: „Pflege sozialisieren!" Gemeinsam tun, was nötig ist, ohne von Bürokratien behindert zu werden und auch damit Kosten beherrschbar zu machen.

(Hier geht der nach dem Ton-Mitschnitt dokumentierte Text des Forums weiter: Kurz vor Ende der Diskussion über Henk Schippers’ Beitrag erläutert Greet Pels, wie sich das AWBZ in Fragen der Mobilität von Alten und Behinderten auswirkt, und setzt danach mit ihrem angekündigten Beitrag über die Einschätzung des reformierten Gesetzes durch die Altenverbände ein.)

G. Pels: Aufgrund dieses Gesetzes hat man in jeder Gemeinde den Transport dieser Leute organisieren müssen, die normalerweise nicht aus dem Haus können. Doch mit einem Taxi oder einem Taxibus können sie zu ihrem Club oder zu ihrer Familie oder zu Freunden; und die bezahlen dann fast denselben Preis wie für das öffentliche Transportmittel. Es war schon immer möglich, ein Taxi zu rufen und zu fragen, ob der Chauffeur nicht das ganze Gepäck in den Kofferraum stecken wollte, aber das war immer schwierig und sehr teuer. Und jetzt ist das jedenfalls innerhalb der Gemeinde geregelt, daß man da den Preis von öffentlichen Transportmitteln bezahlt. Da gab es aber sehr viele Probleme, denn die meisten Leute wollten auch mal aus ihrer Gemeinde raus in die Nachbargemeinde oder auch die benachbarte Provinz, denn die haben heutzutage ihre Familien überall.

Vorher hatten schon Behinderte unter 65 Jahren die Möglichkeit, daß sie ein Taxigeld bekamen, und die konnten sich dann ein- oder zweimal pro Jahr irgendwo ins Land fahren lassen. Da hat man gekürzt, falls es andere Möglichkeiten gibt, und jetzt versucht man diese Transporte auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln so zu machen, daß es anschließend eine Umsteigemöglichkeit gibt, sodaß man mit wenig Mühe doch ans andere Ende des Landes kommen kann. Das ist zwar nicht so weit wie bei Ihnen, aber es ist doch noch sehr schwierig und mit der Bahn ist das noch nicht so gut geregelt. Da gibt es noch allerhand Probleme, die gelöst werden müssen, ehe man sagen kann, jetzt können alle Älteren und Behinderten ihren Familien- und Freundeskreis ausweiten und im ganzen Land besuchen.

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Um so eine Transportmöglichkeit oder eine Gehhilfe oder eine Wohnungs-anpassung zu bekommen, ruft man die Gemeinde an und sagt, schickt mir bitte ein Formular, ich will etwas beantragen. Oder man schreibt einen Brief und dann kommt ein Gemeindebeamter und guckt die Situation mal an. Und überlegt sich, ob er schon den Rapport schreiben kann oder ob noch die Beratung von einem Arzt benötigt wird. Ist die Sache entschieden, dann wird - wenn es um eine Mietwohnung geht - der Bauträger beauftragt, das auszuführen und der kann dann die Kosten beim Gemeindeamt bis zu einer bestimmten Höhe geltend machen, das ist alles sehr schön festgelegt. Und wenn es um Privateigentum geht, dann muß schon ein Plan vorgelegt werden. Und wenn es dann alles nicht klappt, dann versucht man vielleicht dem Betroffenen zu etwas anderem zu raten. Ich glaube, daß es ein wesentlicher Beitrag ist, daß die Menschen länger zuhause bleiben können und daß wir mit diesem Gesetz einen sehr großen Schritt vorwärts gemacht haben.

G. Peels: Aber nicht alles ist mit diesem Gesetz zu regeln. Und ich habe - weil ich schließlich bei einem Altenverband arbeite - auch nochmal nachgesehen, was die Altenverbände von diesen Sachen halten, und habe eine Liste mit Kritikpunkten aufgeschrieben. Es gab schon lange Zeit Kritik an diesem Gesetz; die war deutlich nicht nur bei den Altenverbänden, sondern fast bei allen, die mit diesem Gesetz zu tun hatten. Und die Altenverbände sind schon sehr froh, daß das Gesetz modernisiert wurde. Aber sie befürchten immer noch, daß ihre Kritik damit nicht ganz gegenstandslos geworden ist.

Die wichtigsten Kritikpunkte waren:

  1. immer wenn alte Menschen Pflege brauchen, kommen sie auf eine lange Warteliste;

  2. Klienten haben zu wenig Mitbestimmung über das konkrete Hilfe- bzw. Pflege-Angebot;

  3. die heutige Struktur des Angebots von Pflege, Wohnen und Hilfen bietet nicht genügend Möglichkeiten, so lange wie möglich selbständig zuhause zu wohnen;

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  4. für Ältere, die viel und gleichzeitig verschiedene Formen von Hilfe brauchen, wird die Höhe der Selbstbeteiligung zum Problem;

  5. die Politik ist sich noch nicht einig, ob Haushaltshilfen im Leistungskatalog der AWBZ bleiben sollen;

  6. Planung in der Pflegepolitik geschieht viel zu zentralistisch.

Immer, wenn alte Menschen Pflege brauchen, kommen sie auf eine lange Warteliste; das ist schon wahr. Wenn man eine Indikation bekommt für eine Versorgung, für Pflege, für Aufnahme in ein Heim - vielleicht das Einzige, wo man keine Warteliste hat, ist die warme Mahlzeit, „Essen auf Rädern", das geht oft sehr schnell - aber sonst kommt man bei allen anderen Sachen von der Alarmierung bis Aufnahme auf eine Warteliste. Und dabei wird gesagt, daß in den meisten Fällen das Budget der Anbieter nicht reicht oder daß da, wo es noch Geld gibt, sich kein Helfender oder Pflegender anbietet. Daß man also doch keine Hilfe bieten kann, weil es einfach keine Leute gibt, die es machen wollen.

Die Altenverbände haben Angst, daß sich an der Warteliste wenig ändert: gerade wenn man bei der Modernisierung des Gesetzes eine Umorientierung anstrebt von angebotsorientierter Hilfe zu nachfrageorientierter Hilfe, daß dann auch nicht mehr Geld da ist zur Verwendung durch Anbieter der Hilfe oder Pflege oder zum Kauf von Hilfe oder Pflege durch die Klienten selber. Vor allem, da die Anzahl von alten Menschen bis 2015 noch immer zunimmt und damit der Anteil von sehr alten Menschen in unserer Gesellschaft, womit die Nachfrage nach Pflege immer steigen wird. Meine persönliche Angst ist dabei, daß Pflege- und Versorgungsanbieter immer eine Warteliste haben wollen, womit sie zu beweisen meinen, daß sie viel Arbeit leisten und deshalb bestimmt mehr Geld bekommen müßten von dem „Sorgebüro", um damit noch mehr Menschen helfen zu können. Wenn man nicht die Absicht hat, Dinge zu ändern, dann geht das auch nicht. Ich glaube, daß sie eigentlich versuchen müßten, den Einsatz von Profis in dieser Arbeit auf eine ganz andere Art und Weise zu gestalten. Aber davon hören wir noch nichts.

Ein zweiter Kritikpunkt ist, daß die Klienten immer noch wenig zu sagen haben beim Pflegeangebot. Das heißt z.B., daß die Pfleger allein bestim-

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men, was sie anbieten und um welche Zeit einem Menschen geholfen wird. Oder das heißt, daß man z.B. nie damit rechnen kann, daß immer der- oder dieselbe HelferIn kommt. Aber wenn man dringend Hilfe braucht, dann ist man auch schneller zufrieden, wenn wenigstens irgendwas kommt; das erscheint immer noch besser , als wenn man nur auf der Warteliste steht. Und aus Angst, noch weniger Pflege zu bekommen, schweigen die meisten Leute.

Nur wenn in den neuen Plänen der Klient oder die Klientin selber ein Budget bekommt, womit sie die Helfer ihrer eigenen Wahl kaufen können, oder wenn jeder Klient einen sogenannten Pflegeberater (Sorge-Konsulenten) zugewiesen bekommt, wird deutlich werden, daß die Pflegeanbieter sich neu orientieren müssen auf neue Wege zur Flexibilisierung des Hilfe- und Pflegeangebots, damit die Pflegeleistung die richtige und angemessene Antwort ist auf die Nachfrage des Klienten. Eine Sorge-Konsulentin ist eine Angestellte, die sich darum bemüht, daß sich alle geldwerten Ansprüche auf Versorgung oder Pflege ihres Klienten realisieren lassen, auf eine Art und Weise, die durch den Klienten als richtig erfahren wird. Und ich glaube auch nicht, daß immer wenn ein Pflegeanbieter sagen muß, ich kann das und das wirklich nicht machen und wir haben da jetzt ein Problem, und wenn man das gut kommuniziert mit dem Klienten, daß der oder die sagt, ach nein, ich wollte das und überhaupt nichts anderes. Ich glaube schon, daß man sich einigt über eine Art von Pflege und den Zeitpunkt und wie oft das geschehen muß. Ich glaube aber, daß bis jetzt viele Leute, die Pflege anbieten, denken, daß mit Klienten nicht zu reden ist und daß die nie die nötige Einsicht besitzen werden.

Ich habe aber auch das Gefühl, daß viele Senioren sich viel zu wenig Gedanken gemacht haben über ihre Lebensgewohnheiten und darüber, was ihnen wichtig ist, bei der Bitte um Hilfe, Versorgung oder Pflege. Viele Senioren denken bei der Pflege auch nur an das, was sie schon von früher kennen und denken dabei fast nie an ihre eigene Rolle. Sie könnten dabei ihre eigene Kreativität nutzen und mit „Pflege nach Maß" ihr Leben so leben, wie sie es selber immer wollten. Zum Beispiel: wenn einem abends ins Bett geholfen werden muß, und die Pflegende kann das nur am späten Nachmittag machen, dann kann man aber auch daran denken, daß man das Schlafzimmer so einrichtet, daß da der Fernsehapparat steht, daß ein

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Glas Wein auf dem Nachttisch steht und daß man selber per Knopfdruck das Bett wieder senkt, so daß es nicht so schlimm ist, dann schon ins Bett zu gehen.

Man kann auch sagen, ich will das nicht, und dann eben keine Hilfe bekommen. Aber ich versuche in Gesprächsgruppen und Kursen mit unseren Senioren, die Leute dazu zu bringen, daß sie auch über ihre eigene Situation - längst bevor sie Hilfe brauchen - nachdenken sollen. Wie sie das dann wollen oder können, was dann an ihrem Haus noch fehlt oder ob sie doch besser früher in ein Wohnzentrum einziehen - nicht in ein Altenheim, nicht in ein Pflegeheim -sondern dahin, wo man doch mit mehreren Älteren zusammen eine schöne Wohnung hat; eine eigene Wohnung in einer Umgebung mit Geschäften, mit Arztpraxis in der Nähe, mit Transport in der Nähe, schöne Anlagen, die man in Holland immer mehr baut, und wo sehr viele Leute glücklich wohnen. Aber das ist dann wieder ein Stückchen Kritik von mir an den Kritikpunkten der Älteren: es ist so einfach zu sagen, dies und das ist nicht gut, aber man muß selber auch darüber nachdenken, was der eigene, nicht nur finanzielle Anteil sein kann; oder wie binde ich dann meine Freunde, meine Familie dabei ein, nicht um für mich zu putzen, sondern um das Leben schön zu machen.

Ein dritter Punkt war die heutige Ordnung von Pflege, Wohnen und Versorgung bietet ungenügend Möglichkeiten, um solange wie möglich selbständig zuhause zu wohnen. Ich glaube, da habe ich gerade eigentlich schon einiges dazu gesagt; das kann ich überspringen.

Vierter Punkt: für Ältere, die viel Pflege verschiedener Form brauchen, stellen die gesamten Eigenbeiträge ein Problem dar. Henk hat vorhin erzählt, daß es jetzt wenigstens deutlicher ist, für was man alles einen eigenen Anteil bezahlen muß, und das geht dann immer nach dem eigenen Einkommen. Leute mit einem hohen Einkommen haben da kein Problem, meistens beantragen die das auch nicht; die haben ihre eigenen Regelungen, um sich Leute anzustellen, einzukaufen. Aber wenn man nicht so viel Einkommen hat und doch verschiedene Sorten von Hilfe benötigt, dann muß man immer wieder einen eigenen Anteil bezahlen und wenn man das zusammen rechnet, dann kann das ziemlich viel werden. Wir haben noch nicht rausgefunden, wie wir das so machen, daß es die einen nicht hin-

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dert, Hilfe in Anspruch zu nehmen, ohne daß ein anderer wieder sagt, aber die brauchen das alles nicht zu bezahlen und ich muß viel mehr bezahlen. Aber es ist wenigstens sehr deutlich geworden, wo der Flaschenhals sitzt.

Das ist schon ein schwieriger Punkt, daß sich die Politik noch nicht einig ist, ob der Anspruch auf Haushaltshilfe in dem Gesetz über besondere Krankheitskosten bleiben soll. Wir haben schon lange Zeit große Organisationen, die Haushaltshilfe, besonders für Ältere, angeboten haben und das wurde vom Staat bezahlt. Und diese Leistung ist nun auch dem AWBZ zugeordnet worden, und weil man jetzt bei den Kosten des Gesundheitswesens so sparen muß, hat man sich gefragt, ob die Kosten für die Haushaltshilfen zurecht diesem Gesetz zugeordnet sind. Man kann sich darüber streiten, aber irgendwo müssen die Kosten doch bezahlt werden. Aber falls man wieder sagt, ja da müssen die Leute ihre Haushaltshilfe selber bezahlen, dann steigt vielleicht wieder die Furcht vor dem eigenen Anteil so, daß man darauf verzichtet. Wenn man auf diese Haushaltshilfe verzichtet, dann wird die Wahrscheinlichkeit viel größer, daß diese Leute medizinisch behandelt werden müssen oder doch schneller als sonst umziehen in ein Heim oder noch mehr Hilfe zuhause brauchen und zwar dann medizinische Hilfe. Aber es ist eine sehr gute präventive Sache gegen die Medikalisierung des Wohnens im Alter, daß man auch diese Haushaltshilfe da einsetzt, wo Leute das brauchen und nicht selbst das Geld haben, eine eigene Putzfrau vier Tage pro Woche zu bezahlen.

A. Braun: Das kann man zwar in Deinem Text nachlesen, aber wir sollten noch einmal klarstellen, daß es sich hier nicht um eine billige Putzfrauenvermittlung handelt, sondern um eine Leistung, die medizinisch indiziert ist.

G. Pels: Ja. Wegen dieser Haushaltshilfe wird man indiziert. Es kommt einer und da wird besprochen, was man für Probleme hat und dann wird zusammen geprüft, ob vielleicht der Einsatz von einer Altenhelferin einen Teil der Probleme lösen könnte. Wenn die Probleme zwar auf dem Gebiet des Haushalts liegen, aber so geringfügig sind, daß z.B. nur einen Morgen und einen Nachmittag oder einen Morgen und zwei Nachmittage eine Putzfrau benötigt wird, oder eine Frau, die vielleicht nicht nur Putzfrau ist,

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sondern auch was mit den Leuten redet, dann wird gesagt, das ist eigentlich nicht eine Indikation für diese Haushaltshilfe auf Gesetzesbasis; aber dann haben wir doch vielleicht eine Liste und dann können wir mit ihnen reden, daß abhängig vom Einkommen da auch ein Zuschuß kommt, aber daß die Leute selber einen Vertrag schließen mit einer Alpha-Hilfe und daß die Älteren dann als Arbeitgeber auftreten, sich aber keine Sorgen machen brauchen über Sozialabgaben und all diese Sachen, denn jeder darf einen bestimmten Betrag erhalten, ohne daß er gleich zum Steueramt muß. Und das ist die Verantwortlichkeit dieser Frauen; die stehen dann auf einer Liste und mit Hilfe eines vorgedruckten Formulars von dieser Organisation wird ein Vertrag geschlossen. Das sind Alpha-Helferinnen, aber auch davon gibt es nicht allzu viele und es wird immer schwieriger, solche Frauen zu finden. Aber, es geht.

Mein letzter Punkt war die Kritik, daß die Planung der Pflege zu zentralistisch erfolgte. Auch das wird mit dem neuen Gesetz viel besser und ich denke, daß es nicht richtig ist, diese Kritik in dieser Form aufrechtzuerhalten, wenn alles so durchgeführt wird, wie man es geplant hat. Wir sind von der Landesebene herunter gegangen auf die Regionalebene mit der Planung. Und in der Planung haben auch die Alten selber und die Behinderten selber eine Stimme, obwohl es da noch immer Streit gibt zwischen unserer Organisation der Altenverbände, der Organisation von Behinderten und der „Plattform", die eingerichtet wurde. Die Politik fordert immer die Plattform auf, Vertreter zu senden, aber die Altenverbände haben das Gefühl, das können wir selber, wir brauchen nicht die Plattform dazwischen. Aber das ist dann eine politische Verabredung, daß man die Plattform fragt und daß die Plattform bei uns wieder Leute anfordert und bei den Behinderten Leute anfordert, und dann hängt das vom Personal dort ab, wen sie dann in diesen Planungsausschuß schicken. Aber das sind eigentlich Peanuts.

A. Braun: Plattform ist die Ebene, wo Behindertenverbände, Patienten-verbände, Altenverbände, Konsumentenverbände sich darüber einigen müssen, wer jetzt sozusagen die Nachfrager vertreten soll auf dem Wege einer indirekten Delegation von dieser Plattform aus.

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G. Pels: Eigentlich sind sie Gruppen, die darüber beraten sollen, mit welchem Standpunkt sie nach außen auftreten; jeder hat so ein eigenes Gebiet, worüber der Verein eine spezielle Meinung hat, und da muß man dann zusammen eine Meinung bilden und die nach außen geben zur Politik, daß man wenigstens ordentlich gehört wird und daß nicht zehn verschiedene Meinungen von Klienten, Älteren und Konsumenten auf dem Gebiet nach außen kommen. Denn sonst sagt man bei der Politik, ach ja die wissen es auch nicht, dann treffen wir selber die Entscheidung. Nein, diese Plattform muß über solche Sachen miteinander reden und wird dann gebeten, Vertreter zu schicken, wenn auf der Regionalebene beraten wird. Und da wollen die auf dieser Ebene nicht darüber diskutieren; die sagen einfach, schickt eine Stellungnahme und wir geben Euch unseren Entschluß bekannt.

Es ist schon sehr gut, daß man dort einen Platz hat; und wir tragen nur immer Sorge dafür, daß wenn man da hingeht, man wenigsten zu zweit kommt und daß man akzeptiert, daß Ältere, Behinderte und Konsumenten wenigstens zu zweit auf so einer Bank sitzen. Denn alle anderen, die da noch kommen, das sind Direktoren von den großen Hilfsorganisationen, von der Altenhilfe, von den Heimen, die haben viel Zeit und viel Kenntnis von allen Sachen, die werden dafür bezahlt, alles genau zu wissen und gut zu formulieren. Und dann kommen all diese freiwilligen, ehrenamtlichen Leute und die sollen das dann genauso können. Da ist man immer besser zu zweit oder zu dritt als alleine. Denn da sinkt einem schnell der Mut in die Schuhe.

Ich glaube, es wird ziemlich besser und Sie haben nun auch verstanden, warum ich heute morgen gefragt habe, wo ist die Stimme der Älteren. Wir haben einen Klientenrat in jedem Heim, das ist jetzt gesetzliche Vorschrift - vorher hat das Bewohnerausschuß geheißen. Bei all diesen Altenhilfeeinrichtungen haben wir jetzt Klientenräte; wir haben die überall und man rechnet noch nicht immer damit, aber wir haben eine Chance, um von uns hören zu lassen.

A. Braun: Da war noch eine Frage, wie kommen die Patientenverbände zustande? Wie organisieren sie sich? Treffen die sich zufällig in der Apotheke oder in der Arztpraxis?

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H. Schippers: Nein, nein. Wir haben ein Familienproblem. Ich bin tätig in einer Patienten-Konsumenten-Plattform; ich bin Vizevorsitzender in Reinmond. Und Greet hat für die Altenverbände etwas zu tun, was wir - die Patientenverbände - nicht gut machen, wie sie gerade gesagt hat. Nein, in Holland wurde für jede Patientengruppe, z.B. Asthmapatienten oder Sehbehinderte, ein Verein gestiftet, und diese Stichtings versuchen ihre Interessen zu vertreten gegenüber den Berufsgruppen. In einer Region gibt es viele davon, in Reinmond hatten wir hundert von diesen kleinen Clubs und die haben sich zusammen gefunden in der Plattform. Und diese Plattform bekommt eine Finanzierung für die Zusammenarbeit und hat auch die Möglichkeit, Profis anzustellen. Wir haben eine Plattform mit einem Direktor und ungefähr acht Leuten, die arbeiten für die Patienten- und Konsumentenplattform. Und damit können wir auch ein bißchen Gegenspieler sein in der Diskussion mit den Anbietern. Es ist schwierig, weil wir noch nicht stark sind; aber Holland hat ein Gesetz, daß wir gehört werden sollen; und es geht doch immer besser und auch unsere Position wird immer mehr anerkannt. Hundert einzelne Gruppen ging nicht, hundert zusammen in einer Plattform geht schon besser.

A. Braun: Eure Zielvorstellung ist nicht „ein runder Tisch", sondern ein Tisch mit vier Seiten: dem Sorgebüro, den Anbietern, den Finanzierern und den Klienten.

H. Schippers: Ja, in Holland sagt man auch, die Klienten sind die dritte Partie an dem Tisch. Wir sagen, wir sind die erste, es geht um uns! Aber wir finden es gut, daß sie uns die dritte Partie nennen, dann sind wir Partei, dann können wir mitreden und mitentscheiden. Und die Altenverbände haben - das darf ich doch sagen - so ein bißchen das Problem, nicht als Patientenverbände gelten zu wollen. Und das gibt ein bißchen Streit, weil die Altenverbände sagen, wir sind keine Patienten, wir sind Vertreter von Alten-Interessen.

G. Pels: Und es gibt dann ab und zu diese Plattformen, die dann mehr machen, als nur das, was mit Versorgung und Pflege zu tun hat. Sobald die das überschreiten, sagen wir: „halt! das ist unser Teil vom Spiel!" Denn alles außerhalb von Versorgung und Pflege, wenigstens wenn es für Ältere gemacht wird, ist exklusiv die Aufgabe der Altenverbände.

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H. Schippers: Aber es geht trotzdem gut zwischen uns.

G. Pels: Wir sind schon 20 Jahre zusammen.

Zwischenfrage: Ich habe eine Frage zu den Anbietern: sind das private Organisationen, sind das Wohlfahrtsverbände oder sind das staatliche Stellen? Und dann auch noch die Frage: Wie bestimmen die ihre Preise? Sie sagten schon, da muß man einen Eigenanteil zahlen; sind die Preise denn staatlich festgelegt?

G. Pels: Wir haben einen sogenannten COTG-Ausschuß (Central Organ Tarif Gesundheits Sorge) und der bestimmt, welche Dinge man beantragen kann, was man dafür bezahlen muß; er berücksichtigt dabei auch das, was bei der einzelnen Versorgungsart die Preise spezifisch macht. Die Anbieter sind nicht-staatliche Organisationen, aber so wie das in Holland üblich ist, haben wir sehr oft katholische, evangelische und allgemeine Anbieter, aber die bekommen alle ihr Geld vom Staat. Und das Ziel ist nicht, damit Geld zu verdienen; das Ziel ist, eine gute Versorgung zu bieten, das Ganze zwischen Personal und Kunden alles gut zu verlaufen zu lassen. Sie sind alle gemeinnützig, keine kommerziellen Anbieter. Wir haben nur wenige private Kliniken, wo man spezielle Sachen wie Schönheitsoperationen machen lassen kann. Und es gibt welche, die sagen, spezifische Sachen, die kann man hier schneller machen lassen. Wir wollten die nicht, aber sie sind doch entstanden und jetzt kann man sie nicht ganz wegdenken, aber es ist üblich, der größte Teil der Versorgung ist gemeinnützig.

Zwischenfrage: Henk, ich habe eine Frage an Sie zu Ihrer Folie Nummer 8. Sie haben da unter dem Punkt „Versorgung ohne Ansehen von Geld und Person" noch erklärt, das Ziel ist, daß Pflege ohne Ansehen auch des Vermögens erfolgen soll. Meine Frage dazu ist, ist das Ziel, daß eigenes Vermögen da überhaupt nicht herangezogen wird oder ist es ungefähr das deutsche Bild, daß also jeder einen bestimmten Betrag unabhängig vom eigenen Vermögen bekommt für seine Pflege, und was er darüber hinaus an Extraleistungen möchte, alles noch selber zu bezahlen hat.

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H. Schippers: Nein, das eigene Vermögen - wenn man ein Haus hat oder noch mehr - wird nicht angesprochen; angerechnet werden aber Vermögenserträge, was man aus dem eigenen Vermögen verdient. Wenn man 10 Millionen auf der Bank hat, dann bekommt man jährlich Zinsen und die rechnen zum Einkommen. Und nach dem Einkommen wird der eigene Beitrag festgelegt.

G. Pels: Und das gilt jetzt für alle Versorgungen in der Altenpolitik nach dem AWBZ. Wenn man allerdings Sozialhilfe bekommt, dann zählt das schon mit. Da muß man immer noch erst das eigene Haus „aufessen".

A. Braun: Henk, ich glaube Deine vierte Zeile auf der Seite acht „Gerechte Verteilung der Versorgung: ohne Ansehen von Geld und Person", die da gerade angesprochen wurde, geht doch auch in die Richtung, daß die Ressourcen, die da im Spiel sind, eben nicht zugeteilt werden nach persönlichen Gesichtspunkten, also nach irgendwelchen guten Beziehungen, oder nach der Möglichkeit, sie kaufen zu können oder nicht, sondern gerechte Verteilung heißt doch zunächst, daß sie eine funktionale sein muß. Es geht um knappe Güter, niemand schmeißt mit dem Zeug herum, also gibt es eine Verteilungsfrage und die Frage nach dem Maßstab für ihre Zuteilung; und da kommt eben die „gerechte" Verteilung ins Spiel. Und wenn man für diese Zuteilung ein vollständiges Indikationen-System hat wie in den Niederlanden, dann stellt sich das ganz anders dar als etwa bei uns, wo es kein solches durchgängiges System gibt, sondern nur eines für den Teilbereich des SGB XI.

U. Francke: Ich habe noch eine Frage zur Warteliste. Was ist in einer Notsituation, was machen die Leute, die dann zehn Wochen auf der Warteliste stehen? Also jemand nach einem Schlaganfall, der ganz extrem hilfsbedürftig ist, kann einfach nicht zehn Wochen warten. Das wäre ja dann unterlassene Hilfeleistung, oder? Was passiert dann?

H. Schippers: Wartelisten sind, denke ich, auch ein politisches Instrument. Wenn ein Notfall da ist, und die Krankenhäuser oder Pflegeheime telefonieren miteinander, dann wird jedem tatsächlich am selben Tag geholfen werden. Aber es hat sich auch erwiesen, daß die Krankenhäuser normalerweise nicht voneinander wissen, wieviel Plätze sie noch frei haben auf

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der Intensivstation und so. Aber Greet hat schon gesagt, eine Warteliste ist auch ein Signal „wir haben viel zu tun, wir kommen nicht aus, wir brauchen mehr Geld, wir brauchen mehr Unterstützung". Normalerweise wird jemandem, dem geholfen werden muß, auch geholfen.

A. Braun: Ich erinnere die, die am Donnerstag auf der Exkursion dabei waren, nur daran, daß die das dort umgekehrt handhaben: also Warteliste wirkt sozusagen als reiner Maßstab dafür, wie gut wir sind und wie wertvoll unsere Arbeit ist. Das bringt aber nichts, denn wenn wir den Dritten fragen, will der schon gar nicht mehr. Das war etwa dasselbe Argument wie jetzt von Greet.

G. Pels: Wenn man z.B. auf einer Warteliste für ein Pflegeheim steht, dann wird in der Zwischenzeit sicherlich allerhand andere Hilfe angeboten. Und man sorgt besser dafür, daß die Leute nicht unversorgt bleiben. Und was ich selber noch immer nicht weiß ist, ob, wenn man wie meine Mutter z.B. pflegerische Versorgung zuhause hat, man sie jetzt noch auf der Warteliste für das Pflegeheim stehen läßt, weil sie noch immer zuhause ist und nicht im Pflegeheim wohnt. Das kann man nicht immer von außen kontrollieren. Man wird offener und jetzt, wo doch viele Sachen auch schon im Internet stehen, da bekommt man einen besseren Überblick über das, was wirklich passiert, wo die Leute sind, denen geholfen werden muß und was man zu bieten hat

Wir haben noch immer den Unterschied zwischen Altenheim und Pflegeheim und es passiert, daß man doch beim Altenheim auf der Warteliste steht und gegenüber der Familie sagt, ich möchte das gerne oder ich muß jetzt doch, weil man nicht weiß, daß es auch andere Möglichkeiten gibt. Es kann auch ein ganzes Stück verbessert werden, was Menschen wissen über alle Möglichkeiten, die vorhanden sind. Und das ist auch etwas, was die Altenorganisationen sehr gut machen können: mit den Leuten darüber reden, was alles geht. Haben Sie auch darüber nachgedacht oder warum denken Sie nicht in diese Richtung? Gewöhnen sie sich einfach daran, daß es auch anders sein kann.

Und bis jetzt haben die Leute oft so ein Gefühl „ach, mein Gott, jetzt stürzt meine Welt ein", aber ich glaube, das braucht oft nicht mehr so zu

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sein. Es gibt so viele Möglichkeiten jetzt mit Tagesauffang, Nachtauffang, Tagespflege. Ich habe für meine Arbeit ab und zu auch über meine Familie so kleine Beobachtungen aufgeschrieben. [Dieser Text ist am Ende der Diskussion eingefügt.]
Wobei man denkt, ja, es ist schon schön geregelt, aber wenn es doch ein bißchen besser oder einfacher sein könnte, wäre es auch gut. Die habe ich ins Deutsche übersetzt, aber es ist noch nicht ganz ohne Fehler.

Zwischenfrage: Ich habe noch eine Frage zur Finanzierung. Sie sagten 10,25 Prozent vom Einkommen, das scheint mir jetzt im Vergleich zu Deutschland ziemlich viel. Ist dafür die Krankenversicherung oder die Rentenversicherung niedriger oder sind die Lohnnebenkosten insgesamt sehr hoch?

G. Pels: Die Wohnkosten bei uns sind niedriger als in Deutschland, die Löhne und Gehälter, sind, denke ich, etwas niedriger. Aber es gibt eine Obergrenze für diesen Beitrag von 10,25 %. Aber ja, man findet schon, daß man ziemlich viel bezahlen muß für alles, aber wir haben dann auch einen guten Versorgungsstaat.

A. Braun: Ich glaube, es geht um ein anderes Problem: Wenn wir von Lohnnebenkosten reden, dann ist der Punkt, daß der Arbeitgeberbeitrag in allen Versicherungen drin ist, zuletzt in der Pflegeversicherung. Die eine Hälfte zahlt der Versicherte, die andere Hälfte sein Arbeitgeber. Eine vergleichbare Regelung gibt es bei Euch bloß in den drei sogenannten „Arbeitnehmer-Versicherungen": in der Erwerbsunfähigkeitsversicherung (WAO) zahlen die Arbeitnehmer keinen Beitrag, die Arbeitgeber einen Grund-Beitrag von 6,30 % und einen nach Branchen und Betriebsgröße differenzierten weiteren Beitrag zwischen 1,24 % und 5,56 %; nach dem Krankenkassengesetz (ZFW) zahlen die Arbeitnehmer 1,75 % und die Arbeitgeber 6,35 %; nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz zahlen die Arbeitnehmer 6,25 % und die Arbeitgeber 4,85 %. In die „Volksversicherungen" zahlen die Arbeitnehmer allein ein: Altersrente (AOW) 17,9 %, Hinterbliebene (ANW) 1,25 %, Außergewöhnliche Krankheitskosten (AWBZ) d.i. die Pflegeabsicherung, 10,25 %. Wenn wir mal kurz unberücksichtigt lassen, daß sich diese „Hebesätze" zum Teil auf unterschied-

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liche „Lohngrenzen" beziehen, summieren sich die Arbeitgeberanteile auf 19,04 %, die Versichertenanteile auf 37,4 %. Also werden zwei Drittel dieser - in deutscher Terminologie - „Lohnnebenkosten" von den Versicherten und nur ein Drittel von ihren Arbeitgebern getragen! (Das ist der Stand, der nach den letzten Gesetzesänderungen Mitte des nächsten Jahres realisiert sein wird.)

Das heißt seit jetzt 30 Jahren, wenn in Holland eine neue Regelung eingeführt wurde, dann waren die Arbeitgeber draußen. Dann war nur der Versicherte der Zahler. Das führt dazu, daß in allen internationalen Vergleichen die Arbeitgeberbeteiligung an der Finanzierung der sozialen Sicherung in den Niederlanden am niedrigsten ist. Obwohl die Sozialausgaben insgesamt die höchsten in Europa sind, wenn man mal von den später hinzugekommenen Skandinaviern absieht. Insgesamt sind so die niederländischen Arbeitnehmereinkommen stärker belastet als die deutschen, weil dieser hälftige Arbeitgeberbeitrag wegfällt; auf der anderen Seite sind die deutschen Arbeitgeber immer ganz neidisch, das sind nämlich keine Lohnnebenkosten, wie sie immer in unsrer Diskussion erscheinen.

Zwischenfrage: Ja, ich habe auch noch eine Frage. Wenn einer unter die Sozialhilfe fällt, aber - obwohl er schwerst pflegebedürftig ist - nicht in ein Pflegeheim gehen möchte, zuhause versorgt werden möchte. Ist das möglich oder gibt es da eine Obergrenze, wo der Staat sagt, jetzt ist aber Schluß zuhause, jetzt müssen Sie ins Pflegeheim.

G. Pels: Ich glaube, daß es nicht der Staat ist. Es geht schon um das Geld irgendwo, wenn zuhause bleiben und gepflegt werden sehr viel teurer wird, als im Pflegeheim gepflegt werden. Dann wird gesagt, jetzt kann das nicht mehr geboten werden. Aber das ist dann Sache des Indikationsausschusses, der sagt, jetzt haben Sie eine Indikation zur Aufnahme, aber nicht mehr zur Pflege zuhause. Und da kann man nur, wenn man soviel Geld hat, daß man das selber zahlen kann, zuhause bleiben, aber sonst nicht. Aber wenn das wirklich so schlimm ist, da will fast keiner zuhause bleiben. Wenn man soviel Pflege braucht, daß es teurer ist, zuhause zu bleiben als in ein Pflegeheim zu gehen, dann ist es so schlimm, daß die meisten doch eine Wahl treffen, denn dann muß die Familie auch so viel Einsatz geben, dann ist das so eine Belastung für jeden Menschen. Ich

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glaube, daß die Fälle nicht oft vorkommen, daß man „unter allen Umständen" zuhause bleiben will.

Karl-Heinz Mößer: Mößer von AG 60 plus, Unterbezirk Wetterau. Gibt es im niederländischen System gegen eine Indikationsentscheidung der Region, wie Sie es vorhin dargestellt haben, ein Rechtsmittel? Ich denke hier an Rechtsmittel im Sinne eines Widerspruchs im deutschen Recht bezüglich eines Verwaltungsaktes. Kann man also durch Gerichtsentscheidung erreichen, daß man eine andere Indikation bekommt ?

G. Pels: Man kann einen Brief schreiben, daß man nicht einverstanden ist mit dem Beschluß. Da hatten die Altenverbände schon darauf bestanden, daß das in das Gesetz kommt, daß man eine zweite Instanz fragen könnte wegen einer neuen Indikation, aber das hat man nicht gemacht und das finden wir bis jetzt einen der nicht so starken Punkte des Gesetzes. Aber die ganze Arbeit mit dem neuen regionalen Indikationsausschuß ist noch sehr neu. Ich habe noch nicht gehört, daß man sich tatsächlich widersetzt hat oder daß es große Probleme gegeben hat.

A. Braun: Wir haben hier ein Mißverständnis und das liegt an Folgendem: heute Nachmittag hat Eduard Olbrich ja gesagt, in Österreich gibt es soundsoviel Widersprüche und in den Verfahren kommen soundsoviel Erfolge und soundsoviele Vergleiche zustande. Da haben wir halt - wie die Österreicher auch - irgendwo im Hinterkopf, es muß ein durchgegliedertes Verwaltungsrechtssystem, Sozialrechtssystem, Arbeitsrechtssystem geben usw.. Aber das ist eine deutsche Erfindung, die die Österreicher dann mit behalten haben. Wir müssen uns hüten, immer zu vermuten, daß es bei anderen auch so laufen muß. Es gibt also Länder, in denen halt eine Verwaltung entscheidet, und dann wird widersprochen und dann entscheidet dieselbe Verwaltung endgültig und dann basta. Das ist für uns zwar inzwischen unvollstellbar, aber das ist eigentlich der Normalfall.

G. Pels: Es gibt schon ein Gesetz über das Klagerecht und man kann schon über mehrere Instanzen gehen, aber es gibt leider keine zweite Konsultation.

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G. Braun: Ich wollte nur kurz nachfragen wegen der Kommission, die die Indikation stellt. Also kann das sein, daß die vielleicht genauer und zuverlässiger in ihren Einstufungen oder Entscheidungen sind, weil es eine Kommission ist. Bei uns ist es ja so, wenn es um die Pflegeversicherung geht, daß das erstmal einer ist, wenn ich es richtig weiß. Nämlich der Mensch vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen, der dorthin geht und dann die Entscheidung trifft. Also könnte es sein, daß es damit zu tun hat, daß es mehrere Leute sind, die bei der Entscheidung mitwirken?

G. Pels: Es kann schon so sein, ich bin mir da nicht sicher, daß es darum vielleicht besser geht, aber es gibt wenigsten zwei, meist drei bis sechs Gemeinden, die zusammen einen Ausschuß haben, der dann oft mehrere Leute hat, die pro Gemeinde die Antragsteller besuchen, die dann auch allerhand Sachen mitnehmen. Es gibt eine Möglichkeit, daß in Zukunft auch die Indikation für Gehhilfen und Wohnungsanpassung zu diesem Ausschuß kommt. Das ist dann auch eine Person, die zum Antragsteller kommt, die nicht nur den Antrag behandelt, den man gestellt hat. Meistens wird der Antrag gestellt, ich möchte jetzt in ein Heim, denn ich kann es nicht mehr schaffen zuhause. Aber dieses Ausschußmitglied, das kann dann allerfreundlichst alle Möglichkeiten, die es gibt, mit dieser Person durchackern und vielleicht kommt dann eine ganz andere Indikation auf das Papier als ein Platz in einem Heim, und vielleicht ist man deshalb schon zufrieden, weil man das vorher nicht gewußt hat, daß das auch möglich wäre. Und das ist dann der wichtigste Beitrag von diesem Ausschuß und von diesem einzelnen Mitglied.

Wir haben als Organisation selber auch nichts damit zu tun, wieviel Heime es gibt, wieviel Plätze noch offen sind, wieviel Altenhilfe eine Organisation bietet. Wenn unsere Berater es gut machen, überlegen die nur mit diesem Klienten, was für diesen Klienten gut ist. Und wenn etwas Neues gefunden werden muß, dann schreiben die das auf. Und dann muß es irgendwo rausgefunden werden und wenn dann in dem Ausschuß gesagt wird, ja, das ist schön, das machen wir zur Indikation für diesen Menschen, dann bekommt er das in seinen Bescheid und kann damit zu demjenigen gehen, der die Versorgung oder die Pflege oder das Haus oder den Platz organisieren bzw. mieten muß.

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Nach meiner Meinung stockt es vielleicht, weil nicht alles vorhanden ist und unklar ist, wer dann kontrolliert und wer dann dafür sorgt, daß alles doch kommt, das ist noch der schwierige Punkt. Und dafür haben wir dann wieder diese Senioradviseure gedacht, die dann helfen können, um dorthin und dorthin und dorthin zu gehen, um zu fragen, wo bleibt jetzt diese Hilfe, wo bleibt dieses Angebot für diesen Platz, wo bleibt dies, was wir herausgefunden haben. Und wenn das alles nicht stimmt, dann geht man am Ende zum Sorgebüro und sagt, wir haben bei diesem Anbieter und da und da gefragt und keiner bietet, was der Indikationsausschuß doch vorgeschrieben hat. Und die sind dann verantwortlich dafür, daß es doch so schnell wie möglich realisiert wird. Aber ob das alles so schön wird, wie man es aufgeschrieben hat, das müssen wir alles noch erfahren.

A. Braun: Dann nutze ich diese Kunstpause um festzustellen, daß wir heute Abend jedenfalls in dieser Konstellation einer Plenumsveranstaltung für diese zwei Gesprächspartner im Augenblick keinen Diskussionsbedarf mehr haben.

Ich bedanke mich bei Euch für diesen intensiven Abend am Ende eines langen Arbeitstages. Die Kneipe wird nachher offen sein; ansonsten eine angenehme Nachtruhe.

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ÜBERLEGUNGEN EINER „MANTELSORGERIN" *

SACHEN, DIE MAN AUF DEM WEG FINDET



1998 gefunden und beschrieben durch

Greet Pels

für den Allgemeinen Altenverband
in Süd-Holland

* in Holland bezeichnet man die Pflege und Versorgung durch Angehörige und Freunde als „mantelsorge"

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Tagespflege

Weil heute viele Senioren so lange wie möglich in ihrem eigenen Haus bleiben möchten, werden immer mehr Einrichtungen der Tagesversorgung z.B. Tagespflege geschaffen. Ein Stück „maßgeschneiderte" Versorgung, das nicht nur dem betroffenen Senior oder der Seniorin hilft, sondern auch allen „Mantelsorgern", also dem Partner, der Partnerin, Kindern und Nachbarn, die sich um diese Person kümmern.

Auch mein Onkel besuchte die Tagespflege nach einem Krankenhausaufenthalt. Er hatte an Kraft eingebüßt und sollte deshalb gymnastische Übungen machen. Sein 'normaler Tag' sah so aus: Aufstehen um ungefähr halb neun, eher später als früher. Frühstücken, warten auf das Waschen durch die Gemeindeschwester, sitzen, Kaffee trinken, ein bißchen dösen, Brot essen, Mittagsschläfchen, vielleicht mit seiner Gehhilfe (Rollator) ein kleiner Spaziergang, Tee trinken, Zeitung lesen, Mittagessen, Fernsehen, ein Täßchen Kaffee, beim Fernsehen schlafen und so etwa um elf Uhr wieder ins Bett.

Für Übungen mit einem Hometrainer war in seinem zu kleinen Haus kein Platz, Übungen in Verbindung mit einem Spaziergang waren schwierig, weil die Strasse ein ganzes Jahr lang aufgerissen war. So blieb nur die Tagespflege, um seinen Zustand zu verbessern. Das wäre gleichzeitig eine Entlastung für meine Tante. Meine Tante, die jetzt Tag für Tag die Versorgung für Mann und Hund auf sich nahm. Sie gab seinem Tag Struktur, lud Besuch ein, mußte immer wieder alles regeln. Kurz gesagt, für sie als „Mantelsorgende" („pflegende Angehörige") war jeder Tag ausgefüllt mit Arbeit, Sorgen und Sich-Kümmern. Erst abends nach elf Uhr hatte sie Zeit für sich selber, zum Zeitung lesen, Tagebuch schreiben, spät erst kam sie ins Bett und etwa um halb neun Uhr morgens mußte sie wieder raus. Auch für ihr Problem war die Lösung: Tagespflege an zwei Tagen pro Woche.

Allerdings: die Tagespflege fängt um 9.15 Uhr an und der Bus kommt zwischen halb neun und neun Uhr. Wenn man das Tempo meines Onkels beim Waschen und Ankleiden berücksichtigte, ergab sich, daß der Wecker um sieben Uhr klingeln mußte, und man mußte dabei hoffen, daß die

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Gemeindeschwester rechtzeitig kommt, daß er um halb neun fertig sein kann zur Abfahrt.

Also war dies doch eigentlich keine „maßgeschneiderte" Hilfe. Meine Tante war morgens schon total erschöpft, mein Onkel verbrachte den ganzen Nachmittag schlafend in der Tagespflege. Dort überlegte man sich zwar, warum er denn nicht wach blieb, aber niemand machte einen Vorschlag , wie er seinen Tag auf eine andere Weise gestalten könnte.

Ich bin mir fast sicher, daß Onkel und Tante nicht die einzigen sind, die so etwas erleben. „Maßgeschneiderte Versorgung" ist prima, aber nur dann, wenn diejenigen, die es anbieten, sich flexibel genug darauf einstellen, sowohl im Denken als bei der Ausführung.

Vielleicht können die Senioren den Profis dabei helfen, indem sie sehr deutlich ihre Wünsche äußern, auf ihre eingeschränkten Fähigkeiten aufmerksam machen, nicht vorschnell zufrieden sind oder sofort ja zu irgendeinem Hilfsangebot sagen.

Besuch

Der Zustand meines Onkels hat sich nicht verbessert trotz seiner Besuche in der Tagespflege. Einen Tag vor seinem Umzug in eine altengerechte Wohnung wurde er mit rasender Geschwindigkeit ins Krankenhaus gefahren. Die Ärzte hatten wenig Hoffnung, aber dennoch überlebte er einen Herzschlag und vierzehn Tage an Schläuchen und Maschinen. Die Behandlung des Patienten und der Umgang mit der Partnerin und der Familie war in der Intensivstation sehr gut. Erstaunlich war, daß wir die ersten waren, die dann mal fragten, ob das Licht, das unserer Meinung nach meinen Onkel daran hinderte, die Augen zu öffnen, gedämpft werden könnte. Natürlich brauchte man Licht zum Ablesen all der Apparate, aber uns wurde deutlich, daß es meinem Onkel erst möglich war zu zeigen, daß er wach war und froh uns zu sehen, nachdem wir mit unseren Händen einen Schatten über sein Gesicht gelegt hatten.

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Nach seiner Verlegung auf eine normale Station wurde alles problematischer. Viel Dösen, nicht imstande zu reden als Folge der vielen Schläuche, fast nicht imstande selber zu Essen, immer wieder froh über Besuch. Obwohl immer ein bißchen mehr verwirrt, erkannte er doch noch immer jeden Besucher. Das Stationspersonal hatte wenig Zeit und betrachtete meine Tante nur als kritische Quenglerin, die immer alles wissen wollte; ob ihr Mann genügend getrunken hatte, ob die Nachspeisen ohne Zucker waren, ob sein Stuhlgang schon wieder normal war. Und dann wieder die Besucher mit Fragen wie: haben sie einen durchsichtigen Becher mit Deckel, denn jetzt können wir nicht sehen, ob er etwas getrunken hat; an seinen Fersen liegt er sich auf, haben Sie eine Wolldecke zum Drunterlegen? Können Sie uns mal helfen, daß er nicht sosehr nach unten rutscht.

Und dann die Besuchszeiten! Auf der Intensivstation konnte man drei Mal pro Tag kommen, dort war man froh, wenn Leute kamen und es wurde berichtet, wie es dem Patienten ging und was man mit ihm machte. Die Partnerin konnte sehr gut organisieren, daß sie morgens und abends kam und Freunde oder Familie um die Mittagszeit. Für meinen Onkel (mit beginnender Demenz) hatte der Tag eine deutliche Struktur. Der weitere Vorteil war, daß meine Tante beim Mittagessen half, sodaß das Personal mehr Zeit hatte für andere Sachen und man sicher sein konnte, daß der Patient gegessen hatte.

Auf der Normalstation war das viel schwieriger. Besuch war erst am späten Nachmittag möglich und dann gleich wieder am frühen Abend. Der Arzt ist nur da, wenn man ausdrücklich darum bittet. Unser etwas verwirrter Patient muß aus eigener Kraft seinen Tag durchstehen, selber Essen und Trinken und lange auf Besuch warten. Am Ende des Tages ist er so erschöpft, daß er schläft, wenn endlich der Besuch da ist. Und da mein Onkel beim Sprechen kaum mehr zu verstehen war, blieb das, was er sich von dem Tag gemerkt hatte, für meine Tante trotzdem verborgen. So hatte sie nie von ihm erfahren, daß sowohl der Hausarzt als die Gemeindeschwester ihn besucht hatten. Sie erfuhr das erst, nachdem er - doch sehr überraschend - verstorben war. Peinlich.

Wir sind sicher nicht die einzige Familie, die so etwas mitmacht und man überlegt dann, wie man es ändern könnte. Eine einfache Lösung könnte

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ein Tagebuch sein neben dem Bett, in das jeder Besucher oder das Pflegepersonal einträgt, was man mit oder für den Patient getan hat, auch wenn er geschlafen hat. Einerseits erfährt man, ob der Patient gegessen und getrunken hat und ob er Stuhlgang hatte, andererseits wer auf Besuch war. Natürlich könnten dann Besucher sich über medizinische Fakten informieren. Aber das Wohlbefinden des Patienten ist auch für diese Leute das Wichtigste. Für das Personal wäre es vielleicht etwas mehr Arbeit, aber es würden sich sehr viel mehr Erkenntnisse ergeben über den Patienten, die auch für das Personal wichtig sein können. Und wir sind uns sicher, daß die Besucher das Personal zeitlich weniger in Anspruch nehmen würden. Wenn dann auch noch die Besuchszeiten innerhalb der Familie verabredet werden können, hilft das dabei, verwirrten Patienten einen klaren Tagesrhythmus zu bieten und verhindert bei den „Mantelsorgern" Spannungen.

Hilfsmittel, wann und wie

Kennen sie das Gefühl: man beobachtet, wie eine Person in ihren Fähigkeiten nachläßt. Man will so gerne helfen, weiß aber nicht wie.

Wenn man sieht, wie jemand mit seinem Kugelschreiber kämpft und das Schreiben doch nichts wird, oder man sieht, wie einer mit seinem Essen panscht, weil er es nicht schafft, das Essen auf seine Gabel zu schieben, dann geht man auf die Suche nach Hilfsmitteln und Möglichkeiten der Anpassung.

Die erste Krücke für meine Mutter haben wir vor einigen Jahren in Frankreich gekauft. In jeder Stadt findet man dort Geschäfte, wo Hilfsmittel jeglicher Art, Rollstühle, Steckbecken, Prothesen usw., ungeniert im Schaufenster liegen. Für uns war das anfangs etwas ungewohnt, aber in diesem Jahr kam uns das sehr zupaß, wir hatten große Auswahl und gute Beratung.

In den Niederlanden fängt das jetzt erst an. Da die Hilfsmittel bei uns meistens von der Versicherung oder auf Grund des „Gesetzes Besondere Krankheitskosten" verordnet werden, ist das breite Sortiment an Hilfsmitteln lange Zeit nicht im Blickfeld von Menschen mit Behinderung gestan-

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den. Es gibt jetzt aber immer mehr Sanitätsgeschäfte, wo man sich einfach orientieren kann. Die Einführung des „Gesetzes zur Versorgung von Menschen mit einem Handikap" hat für veränderte Einstellungen gegenüber dem Verschreiben und freimütigem, offenen Benützen von Hilfsmitteln auch bei Senioren gesorgt.

Als meine Mutter trotz der Krücke einige Male gestürzt war, haben wir Mut gefaßt und mit meinen Eltern über ihre Vorstellungen von der Zukunft gesprochen und sie gefragt, ob sie sich einen Rollstuhl darin vorstellen könnten. Wir waren überrascht, als eine Woche später schon ein Rollstuhl da war, vorläufig aus dem Altenheim geliehen, aber mit der Zusage von dort, daß der Antrag für einen eigenen schon gestellt sei. Mit der Mutti im Rollstuhl haben wir gleich die Nationale 50+Messe besucht. Wir haben uns mit besonderer Aufmerksamkeit die Produkte an dem Stand der Organisation für Hauspflege angeschaut. Gekauft wurde ein gebogener Löffel, mit dem meine Mutter wieder einfach selbständig essen konnte. Später haben wir noch einen Teller gefunden mit einem hochstehenden und nach innen gebogenen Rand, in den sie mit ihrem Löffel richtig hinein fassen kann, ohne daß das Essen vom Teller rutscht.

Mobilität

Bei meinem Rundgang auf der Messe kamen mir manche Erinnerungen daran, was mein Onkel und meine Tante an Erfahrungen gemacht haben. Mein Onkel hatte Probleme beim Gehen und deshalb bekam er eine Gehhilfe, einen Rollator. Das Gehen damit verlangte einige Übung, aber es ging. Nach einiger Zeit bekam er ein neues Kniegelenk und damit sollte das Gehen einfacher und schmerzlos sein. Zum Üben braucht man aber Platz. Sein Haus war zu klein, aber normalerweise bietet der Gehweg einen Ausweg. In seiner schönen Wohnanlage mit vielen Senioren sollte das draußen Üben auch Ansporn und Ermutigung sein. Leider wurde die Straße renoviert. Der Gehweg zwei Pflaster breit voller Sand und Steine. Alles wurde gleichzeitig renoviert: Gas, Abwasserkanal, Kabel usw. Alles auf ein Mal. Und leider wurden die verschiedenen Arbeiten nicht zügig hintereinander abgewickelt. Alles in allem war die Straße ein dreiviertel Jahr ganz oder teilweise aufgerissen. Eine Art Straßenverbot für Senioren.

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Von üben war also nicht die Rede. Auch für meine Tante keine Erleichterung bei der Pflege. Nein, sondern nur zusätzliche Belastung: wollten sie mal irgendwo auf Besuch gehen, mußte sie das Auto holen, so nah wie möglich parken, meinen Onkel an die Hand nehmen und durch die Wüste zum Auto lotsen. Glücklicherweise ist das immer gut gegangen, das Gehen meines Onkels ist aber nie das geworden, was es hätte sein können.

Als „Mit-Mantelsorgende", die aber nicht in derselben Gemeinde wohnt, kann man dann nur Ratschläge geben: gehe mal zum Gemeinderat, frage beim Gemeinschaftshaus nach, ob es da nicht jemand gibt, der einen Aktionsausschuß bilden könnte. Es wohnen in diesem Viertel so viele Senioren und Leute mit Behinderung, die kann man doch nicht so behandeln!

Als Altenverband könnte man sich vielleicht besser um solche Aktionen kümmern, als nur Bingo organisieren. Es ist aber sehr einfach, gute Ratschläge zu geben. Wenn ein Mensch so kämpft, um unter diesen schwierigen Umständen zu überleben, kommt er einfach nicht dazu etwas zu ändern. Gerade deshalb ist es wichtig, daß die Vorstandsmitglieder des örtlichen Altenverbands ihre Mitglieder kennen und selbst die Initiative ergreifen.

Sozialfürsorge jetzt und nachher

Diesmal nur sehr kurz einige Reflexionen nach einer Woche Ferien mit denen, um die wir uns kümmern. Während einer Woche mit abwechselnd schönem oder weniger schönem Wetter haben wir zu viert eine schöne neue Gegend entdeckt.

In dieser Woche gab es neue Nachrichten zum Thema Steuerentlastung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Im Büro hatte es aber auch gerade noch diesen Brief gegeben von der Organisation für Haushalts- und Pflegehilfe mit dem Notschrei, daß keine Menschen für diese Arbeit zu finden seien. Da fragt man sich dann, wo die neuen Jobs entstehen, wahrscheinlich alle im Marktsektor und nicht im Dienstleistungssektor, wo sie bezahlt werden müssen aus den von uns allen bezahlten Steuern. Man weiß dabei, daß die Löhne in den Haushaltsdiensten nicht übermäßig hoch sind

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und daß die Anforderungen an die meist weiblichen Arbeitnehmer groß sind.

Wenn man dann an die Steuerentlastung denkt, von der oft nur wenig Leute etwas spüren, die dann aber trotzdem dafür sorgt, daß die kollektiven Versorgungsleistungen - die gerade für die zunehmende Anzahl von Senioren wichtig sind - nicht zahlreicher werden. Und dann fragt man sich, wie viele Leute gerade diese Steuerentlastung und auch mehr Zeit in die „Mantelsorge" für ihre Familie stecken oder sich dafür von Profis andere Versorgungs- oder Pflegeleistungen kaufen werden.

Wann werden wir verstehen, daß alle diese Steuerentlastungen nur zu Mehrausgaben auf dem Gebiet der individuellen Pflege führen, zu weniger Lebensfreude und größerer Abhängigkeit der Senioren und noch mehr belasteten „Mantelsorgern". Ich halte es für eine bessere Idee, meine Steuer regulär zu bezahlen und dann darauf vertrauen zu können, daß alle benötigten Versorgungsleistungen auf Grund einer zutreffenden Verordnung für die Senioren zur Verfügung stehen.

Aber wer bin ich.

Umziehen

Wie schon früher erzählt, sollten Onkel und Tante in eine altersgerechte Wohnung umziehen. Die Zusage kam, als das Haus fast fertig war. Es sah auf der Bauzeichnung sehr schön aus, sehr viel Raum mit Wohn-, Schlaf- und Gästezimmer, schöner Küche mit Einbauschrank und ein riesiges Badezimmer.

Wir konnten das Haus zuerst nur von außen sehen und das war ziemlich verwirrend. Gehörte das Fenster, das bis zum Boden ging, zum Wohn- oder zum Schlafzimmer? Wie würden die Umzugswagen bis an die Vorder- oder Hintertür kommen, wenn an der Vorderseite nur ein Gehweg war und an der Rückseite die alte Straße aufgerissen war. Zwei sehr unterschiedliche Fragen, aber beide ein Beispiel für die Bedeutung, die Bauweise, Anlieferungsmöglichkeit usw. für neue Bewohner hat, gerade dann, wenn es sich dabei um Senioren handelt.

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Nun ein Blick auf die Einteilung der Wohnung

Endlich drin, bemerkten wir, daß das Schlafzimmer sich tatsächlich hinter einem Fenster und einer Tür befindet, die beide von der Decke bis zum Fußboden verglast sind. Im Wohnzimmer gibt es dagegen auch eine Glastür und dann noch ein Fenster, das so hoch in der Wand liegt, daß man vom bequemen Stuhl aus nicht nach draußen gucken kann. Vor der Glastüre kann man auch nicht sitzen, weil sich da eine normale - „dichte" - Tür zum Schlafzimmer befindet. Infolgedessen war das Wohnzimmer ziemlich dunkel und im Schlafzimmer mußte man lange Gardinen aufhängen.

Die„normale" Tür war auch schuld daran, daß man vom Wohnzimmer aus nicht sehen konnte, was im Schlafzimmer passierte; dabei wäre das, weil die Zimmer nebeneinander liegen, so einfach und bequem gewesen. Bequem zum Beispiel für ein Ehepaar, bei dem ein Partner krank ist oder auch wenn einer tagsüber gerne ein Schläfchen macht. Gelöst wurde das Problem durch das Umsetzen von einer Glastür von irgendeinem anderen Platz im Haus, denn Türen gab es genügend.

In der Küche gab es zwei Türen, die sich gegeneinander drehten, die vom Karrusselschrank drehte sich übrigens auch noch gegen den Kochherd, aber die Probleme waren vorüber, als diese Tür durch eine Harmonikatür ersetzt wurde. Das Haus wurde nach diesen Änderungen eine sehr schöne Wohnung.

Ich bin mir aber fast sicher, daß weder eine Wohnausschuß-Beauftragte noch ein Vertreter des örtlichen Altenverbandes den Wohnungsentwurf gesehen hat. Eine Reihe von Dingen wäre dann sicher besser geregelt: Kein Schlafzimmer mit sehr großem Einblick, sicherlich ein Wohnzimmer mit einem Fenster, das vom bequemen Stuhl oder auch einer Bank aus Aussicht auf die Straße erlaubt. Außerdem wären die Türen besser verteilt und man hätte wahrscheinlich am Küchenfenster eine Vorrichtung angebracht, die es erlaubt, daß man es öffnen kann ohne die Gefahr von Diebstahl befürchten zu müssen und ohne daß man alle Pflanzen von der Fensterbank herunter schmeißt.



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