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TEILDOKUMENT:

IV. Die EU und die Wohnungspolitik

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IV. Die EU und die Wohnungspolitik

Mit der Wohnungspolitik befasst sich die EU-Kommission nicht gezielt, aber zahlreiche Festlegungen der Gemeinschaft wirken auch auf diesem Gebiet auf die Verhältnisse in den Mitgliedstaaten, ihren Ländern (Regionen) und Kommunen ein. Daneben können sich aus der von der Kommission beanspruchten Koordinierungsbefugnis weitere Einflüsse auf die Wohnungspolitik entwickeln. Künftig dürfte die Situation der Wohnungsmärkte in den Beitrittsländern die Diskussion zu Fragen der Wohnungspolitik innerhalb der Gemeinschaft deutlich steigern. Im Ergebnis sollte dies allerdings nicht zu einer stärkeren Einwirkung der EU auf dieses Politikfeld führen, denn

  • die Entwicklung der Wohnungsmärkte ist regional von wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und klimatischen Gegebenheiten geprägt, der Versuch einer einheitlichen Wohnungspolitik auf der Ebene der Gemeinschaft könnte nicht gelingen,
  • die Wohnungsmärkte sind in sich vielgestaltig, die Festlegung allgemein gültiger Standards wäre nur für die Ebene von "quot;Unterkünften zur Vermeidung von Obdachlosigkeit" vorstellbar,
  • eine Förderung des Wohnungsbaus wäre für die Gemeinschaft mit ganz erheblichem Aufwand verbunden, diesen könnte sie nicht leisten,
  • erforderlich wäre zudem ein langfristiges finanzielles Engagement auf hohem Niveau, was die Gemeinschaft bislang - zu Recht - vermieden hat, um eine flexible Gemeinschaftspolitik zu sichern.

(1) Aktivitäten der Wohnungsbauminister der EU-Mitgliedstaaten

Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der Städtebau- und Wohnungspolitik bieten die jährlichen informellen Treffen der Wohnungsbauminister aus den EU-Mitgliedstaaten. Auf deutscher

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Seite hat 2001 auch ein Vertreter der Länderbauministerkonferenz (ARGEBAU) teilgenommen. Schon in ihrer Konferenz im Jahr 2001 haben die EU-Wohnungsbauminister die Erwartung geäußert, dass dem Abstimmungsprozess zwischen der EU-Struktur- und Umweltpolitik und den davon berührten nationalen Wohnungspolitiken größeres politisches Gewicht zukommen müsse. Sie verabschiedeten deshalb eine "quot;politische Deklaration" mit der Aufforderung an die EU-Kommission,

  • in einem Bericht die Auswirkungen politischer Maßnahmen auf EU-Ebene auf die Wohnungspolitik der Mitgliedstaaten darzulegen und
  • regelmäßig die EU-Bauministertreffen über vollzogene und geplante EU-Entscheidungen mit wohnungspolitischer Relevanz zu informieren.

Die Deklaration bezieht auch Festlegungen ein, die

  • rechtliche Rahmenbedingungen (Mietrecht, Wirtschaftsrecht u.a.),
  • wirtschaftliche Rahmenbedingungen (Steuerrecht u.a.) und
  • finanzwirtschaftliche Rahmenbedingungen (Hypothekenrecht, Bankenaufsicht, Basel II u.a.)

betreffen.

Mit der Deklaration aus dem Jahr 2001 verbinden die EU-Wohnungsbauminister die Vorstellung, dass es nach jeweils erfolgter Information ihre Aufgabe sein werde, gemeinsame Positionen zu den EU-Strategien zu formulieren und diese in die Entscheidungen des dafür zuständigen Ministerrats (z.B. des Rats für Regionalpolitik und Raumordnung) einzubringen.

Vorhaben der EU-Kommission mit Auswirkungen auf die Wohnungspolitik in den Mitgliedstaaten beruhen allerdings kaum einmal auf kommissionseigener Initiative. Regelmäßig sind es mehrere Mitgliedstaaten, eine größere Zahl von Städten und/oder auch Interessengruppen, die die Anstöße geben. Diese erhoffen sich von der EU eine Mitfinanzierung bei der Lösung ihrer Probleme. Die EU-Kommission

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verhält sich gegenüber solchen Ansinnen in der Regel aufgeschlossen. Die Zuständigkeitsfrage wird als sekundär bewertet, wenn Mitgliedstaaten Aktivitäten erwarten. Erforderlichenfalls begründet die Kommission ihre Legitimation durch Quereinstieg über ein ihr zugeordnetes Politikfeld.

Es ist eine schwierige, aber wichtige Aufgabe der informellen EU-Wohnungsbauministerkonferenz, einen Konsens dahin zu erzielen, dass die faktische Ausweitung von EU-Zuständigkeiten das Subsidiaritätsprinzip und den Grundsatz der nur begrenzten Einzelermächtigung unterlaufen würde. Die Folge wäre, dass der Einsatz von Mitteln aus Brüssel aufgrund der stets gebotenen Kofinanzierung eine Anpassung der nationalen Wohnungspolitiken an Zielvorgaben der Kommission nach sich ziehen würde, was nicht erwünscht sein kann.

In den Ländern der Gemeinschaft werden sich Probleme der Wohnungspolitik immer wieder neu stellen. Aktuell zu nennen sind etwa

  • Fragen der Wohnversorgung alter Menschen,

  • die Anpassung an demographische Entwicklungen und

  • die soziale Integration von Zuwanderern.

Es fördert die Bewältigung solcher Probleme wenig, wenn man die Lösungsansätze zentral und fern vom Geschehen sucht. Stattdessen empfiehlt sich der Auf- und Ausbau bilateraler Beziehungen. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen den jetzigen Mitgliedstaaten und den Beitrittsländern. Unmittelbare Beziehungen ermöglichen konkretere Hilfen, als ein auf der Ebene der EU koordinierter Erfahrungsaustausch.

(2) Die EU und die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft

Von zahlreichen Entscheidungen der europäischen Gemeinschaft unmittelbar betroffen ist auch die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Zu nennen sind insbesondere:

  • Energiepolitik: Europäische Energieeinsparmaßnahmen sind zu begrüßen, jedoch sollten die europäischen Vorgaben mit den vor kur-

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    zem ergangenen deutschen Regelungen harmonieren; außerdem dürfen Neuregelungen für den Gebäudebestand nicht zu kaum tragbaren Belastungen für die Unternehmen und zu kaum bezahlbaren Wohnkosten für die Bewohner führen, zumindest sind angemessene Übergangsregelungen vorzusehen.

  • Umweltpolitik: Auflagen müssen Rücksicht auf die wirtschaftliche Belastbarkeit der Unternehmen sowie der Nachfrager und Nutzer nehmen.
  • Ressourcenschonung: Beim Bauen und Wohnen sowie bei der Stadtentwicklung kommt ihr hohe Priorität zu. Bei strukturpolitischen Förderungen sollten nachhaltige Lösungen künftig noch stärker zum Tragen kommen.
  • Vergabepolitik: Die Vorschriften für die europäische Ausschreibungspflicht öffentlicher Unternehmen sollten aus Sicht der Wohnungsunternehmen auch künftig nicht auf kommunale Unternehmen angewandt werden.
  • Finanzierung: Die Umsetzung von Basel II in eine EU-Richtlinie - wenn es zu einer solchen kommt - sollte die Mittelstandskomponente für die Immobilienwirtschaft so ausformulieren, dass sie für dieses Segment mittelständischer Unternehmen nicht an der Realität vorbeigeht.

Auch diese Vorstellungen und Interessen sollten in Brüssel vertreten werden. Dabei ist vor allem wichtig, dass sie schon auf Arbeitsebene sachkundig vorgetragen werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2003

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