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TEILDOKUMENT:


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4. Standortpolitik in Zeiten virtueller Wertschöpfung

4.1 Standortpolitik – Überlegungen zu einem Politikfeld

Das Politikfeld "Standortpolitik" kann nicht als losgelöstes und klar abgrenzbares Betätigungsfeld mit eigenständigen Maßnahmen und Strategien gesehen werden. Der Blick auf einzelne Aktivitäten vermittelt eher sehr schnell den Eindruck, dass es sich hierbei um eine ressortübergreifende Querschnittspolitik handelt, verbunden mit einem "Bauchladen" politischer Ansatzpunkte und Maßnahmen.

Leitbild ist, dass immobile Faktoren mobile Formen wirtschaftlicher Aktivitäten anziehen und binden sollen. Dazu muss zunächst einmal die Attraktivität eines Wirtschaftsstandorts geschaffen, öffentlich vermittelt und erhalten werden. Folgen sind wiederum eine anzustoßende, eine bewahrende oder zu steigernde Attraktivität einer Region, um Firmen – etablierte sowie neu zu gründende – anzusprechen. Ein stetiger Kreislauf also, der in Gang gesetzt und am Laufen gehalten werden muss.

Die Akteure der Standortpolitik müssen in solchen Fällen immer im Vergleich mit andere Regionen oder Staaten um die wertvollen mobilen Standortfaktoren ringen. Die Zielrichtungen der Aktionen betreffen immer die Steigerung, Veränderung, Aufrechterhaltung der Attraktivität der Standortfaktoren, aber gleichzeitig auch das Halten von etablierten Unternehmen. Parallel dazu muss die staatliche oder halbstaatliche Standortpolitik die Unternehmenssicht im Auge behalten: Auch Unternehmen treffen permanent Entscheidungen hinsichtlich ihrer weiteren Standortwahl, Standortanpassung und der Standortspaltung unter Ausnutzung partieller Standortvorteile. Einmal getroffene Entscheidungen werden nicht automatisch unreflektiert fortgeschrieben. Eine aktive Politik muss sich daher auch antizipierend um unternehmerische Motivationslagen kümmern. In der Theorie einleuchtend klingend, in der Praxis aber äußerst schwer zu realisieren.

Standortpolitik wird häufig im einem Atemzug mit Wirtschaftspolitik genannt. Hier werden die Voraussetzungen und die Bedingungen des Wirtschaftens kreiert: Unternehmen wird ein Klima des "angenehmen Wirtschaftens" geboten, durch einzelne Maßnahmen werden in einzelnen Regionen Branchen und sektorale Schwerpunkte gesetzt und Unternehmen werden durch konkrete und punktuelle Initiativen zum gewünschten Handeln zu bringen versucht.

Allerdings ist dies nicht nur mit wirtschaftspolitisch induzierten Maßnahmen zu erlangen, vielmehr spielen hierbei auch weitere Faktoren eine Rolle, da nicht nur wirtschaft-

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lich orientierte Organisationen, sondern auch deren Mitglieder – sprich die Beschäftigten – eine Rolle spielen. Und diese wollen neben sicheren und interessanten Jobs ansprechende Arbeitsumfelder mit hohem Freizeitwert und guter Infrastruktur, auch bezogen auf kulturelle und Bildungsangebote. Standortpolitik ist also eine Mischung aus Wirtschafts-, Industrie-, (Infra)struktur- und Bildungspolitik, ja sogar Kulturpolitik, Medienpolitik und Innovationspolitik.

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4.2 Standortpolitik – allgemeine Bereiche

Standortpolitik wird in der Praxis unterschiedlich definiert. Für die vorliegende Arbeit wird sie in folgende Bereiche eingeteilt:

  • Wirtschaftsförderung

  • Technologie- und Infrastrukturpolitik

  • Bildungs- und forschungsbezogene Aktivitäten

Dabei sind die Arten der Maßnahmen vor allem davon abhängig, in welchem räumlichen Bezug diese einzuordnen sind. Je nachdem, ob der "Standort" die Kommune Esslingen, der Großraum Stuttgart, das Bundesland Baden-Württemberg oder gar die Bundesrepublik Deutschland ist, sind die entsprechenden Maßnahmen natürlich unterschiedlich.

Wirtschaftsförderung

bedeutet bis heute vor allem die "Betreuung" bereits etablierter Unternehmen, Mittelstands- und Existenzgründerförderung.

Zu den klassischen Instrumenten der (kommunalen) Wirtschaftsförderung als zentralem Aktionsfeld der Standortpolitik gehören

  • Liegenschafts-, Gewerbeflächen- und Infrastrukturpolitik, vor allem Aktivitäten der Gewerbeflächenmobilisierung oder der Einrichtung von Technologietransfereinrichtungen

  • Steuer- und Entgeltpolitik, Finanzhilfen als monetär wirksame Maßnahmen

  • Öffentlichkeitsarbeit, Akquisition und Bestandspflege der lokalen Wirtschaft

  • Beratungen in unterschiedlichen Fragestellungen.

Diese sind für Unternehmen mit virtueller Wertschöpfung ebenso notwendig, da auch sie – trotz Organisation in und über das Netz – an einzelnen Stellen physische Pendants und Immobilien mit herkömmlichen postalischen Adressen benötigen, der Steuer- und Abgabenpflicht in irgendeiner Form unterliegen und auch außerhalb des eigenen Netzwerks via Öffentlichkeitsarbeit auf ihre Existenz hinweisen müssen.

Wesentliche Herausforderung in Zeiten virtueller Wertschöpfung liegt in der Bildung von Unternehmensclustern und der Konzentration auf die Beratungseinheit "Netzwerk" in Abgrenzung zum Alleinunternehmen.

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Technologie- und Infrastrukturpolitik

zur Förderung notwendiger Basistechniken und darauf aufbauenden Anwendungen, um Techniken sowohl in Unternehmen selbst zu bringen als auch Unternehmen in ihrem technologieinduzierten Verhalten zu unterstützen. Infrastrukturpolitik verfolgt das Ziel, notwendige strukturelle Voraussetzungen (wie Straßenanbindung, Telekommunikationsanbindung) bereitzustellen. Hierzu zählen wir auch Dienstleistungen der Verwaltung. Weitere Aufgaben in Zeiten der virtuellen Wertschöpfung liegen vor allem im Bereich neuer Telekommunikationsinfrastrukturen, aber auch virtueller und zeitverkürzter Amtsgänge im Sinne des Electronic Government.

Bildung, Forschung

Bildungs- und Forschungspolitik, vor allem auf Länder- und Bundesebene, ist eine wesentliche Grundlage, um Nationen wettbewerbsfähig zu halten. Sie verhilft zu Innovationen, die in Produkte und Dienstleistungen Eingang finden. Die Ansiedlung leistungsfähiger Forschungseinrichtungen kann die Anwerbung innovativer Firmen erleichtern und ist ein wichtiges Argument in der Standortwahl. Umfangreiche und wirtschaftsnahe Forschungslandschaften bieten darüber hinaus Potenziale der Wissensvermittlung sowie eine gewisse Innovationskraft, gleichzeitig jedoch auch hochqualifizierte Arbeitskräfte in den jeweiligen Regionen. Jeder Aspekt für sich setzt für unterschiedliche Branchen standortpolitische Orientierungshilfen.

Neue Aufgaben liegen vor allem in der Vermittlung des "telemedialen" Handwerkszeugs, der erforderlichen Medienkompetenz potenzieller Arbeitnehmer und der Kunden innovativer Angebote.

Standortpolitik ist – wie kurz angerissen – vielschichtig und sie ist konjunktur- und strukturgetrieben. Ihre strategischen Maßnahmen unterliegen dem stetigen Wandel: Strukturkrisen in einzelnen Branchen zwangen die öffentliche Seite in den 60er und 70er Jahren, "kommunale und regionale Wirtschaftsentwicklung zu regulieren und zu fördern" (Michel et al, S. 13). In den 80er Jahren, mit Zunahme der eher arbeits-, denn kapitalintensiven Unternehmen, mussten sich Wirtschaftsförderer und andere Akteure der Standortpolitik plötzlich verstärkt um die Akquisition mobiler und flexibler Betriebe und die Pflege der bereits ansässigen Unternehmen kümmern. Mit Verknappung der öffentlichen Mittel, dem Fortschreiten der Globalisierung und Internationalisierung von Prozessen und der zunehmenden Tertiärisierung der Wirtschaft und Gesellschaft verloren manche traditionellen Instrumente (Gewerbeflächeninformationssysteme) an Bedeutung, andere wurden wichtiger (Szenenentwicklung). Auf die Notwendigkeiten einer angepassten Standortpolitik in Zeiten der Virtualisierung wird nachfolgend eingegangen.

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4.3 Standortpolitik in Zeiten der Virtualisierung

Im nachfolgenden Kapitel werden die unter Kapitel 2 beschriebenen Charakteristika der Virtualisierung sowie die Ansatzpunkte einer Standortpolitik zusammengeführt, um so

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eine etwas feinkörnigere Aussage zum Themenbereich "Standortpolitik in Zeiten virtueller Wertschöpfung" zu erhalten. Zunächst ein paar einleitende Bemerkungen:

Vielleicht noch stärker als bei der klassischen Standortpolitik müssen im Fall einer virtuellen Wertschöpfung die "kleineren Facetten" des wirtschaftlichen Agierens in Betracht gezogen werden: Die Berücksichtigung von Individuen innerhalb von Prozessen, die hoch spezialisierte Aufgabenstellungen übernehmen, kann ebenso wichtig und entscheidend sein, wie die "Behandlung" von Großunternehmen, die für weitere Umsetzungsschritte in der Prozesskette sorgen. Eine der Virtualität adäquate Standortpolitik muss daher Individuen, Organisationen, Prozesse und Technologien gleichermaßen im Blickpunkt haben.

Um das Szenario kurz zu umreißen:

Individuen müssen geeigneten Wohnraum mit adäquaten Infrastrukturen sowie attraktiven Rahmenbedingungen für Leben und Arbeiten vorfinden. Dazu gehören kulturelle und "szenige" Angebote für bestimmte Branchen ebenso wie Bildungsangebote. Die Qualifizierungsmöglichkeiten müssen zudem als eigenständiger Faktor der Standortpolitik angesehen werden, da sich Regionen häufig auch anhand des gebotenen und auch geschaffenen Qualifizierungsniveaus unterscheiden.

Organisationen sind an Rahmenbedingungen interessiert, die das virtuelle Arbeiten unterstützen, an ergänzenden weiteren Firmen, die z.B. den Standort attraktiver machen oder das eigene Branchencluster ergänzen und stärken. Sie können versierter am Personalakquisitionsmarkt auftreten, wenn das Umfeld und Umland Lebensqualität erlaubt. Die Nähe zu Bildungs- und Forschungseinrichtungen schafft ein gewisses Klima, Innovationen lassen sich eventuell schneller umsetzen.

Prozesse müssen auf einen vorbereiteten Boden treffen, der ihre Entfaltung erlaubt: arbeitsteilige Prozesse müssen durch eine "gesunde" und aufgeschlossene Wirtschaftsstruktur positiv unterstützt werden, benötigen interessierte und eigenständige Beschäftigte, müssen von Kreditinstituten verstanden werden etc.

Technologien resp. Infrastrukturen müssen vorhanden sein, in ihrer Weiterentwicklung gefördert werden und bedient sowie eingesetzt werden können. Auch hierbei sind wiederum Personalressourcen erforderlich, die die Potenziale der Technik adäquat nutzen können.

Allerdings lassen sich nicht zuletzt wegen der Unterschiedlichkeit der knapp skizzierten Faktoren keine standardisierten Rezepte für eine umfassende und allgemeingültige Standortpolitik verabreichen: Da virtuelle Wertschöpfung häufig mit wissensintensiven Dienstleistungen in Verbindung gebracht wird, stellt die Heterogenität dieser Branche eine "allgemeingültige Umsetzung standorttheoretischer Ansätze" (Bayerisches Staatsministerium 2000, S. 23) nicht automatisch in Aussicht.

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4.3.1 Wirtschaftsförderung in Zeiten virtueller Wertschöpfung



Betriebsberatungen

Einzelbetriebliche Förderungen und Ansätze erscheinen zunehmend überholt. Wo Leistungen zunehmend in flexiblen Netzwerken erzielt werden, ist ein größerer Wert auf die Schaffung einer kooperationsförderlichen Kultur und eines "Networking"-Milieus zu legen, das die Anbahnung von Kooperationen überhaupt erst möglich macht, sowie eine handfeste Beratung und Moderation des Eingehens von Kooperationen. Eine Studie des Deutschen Institutes für Urbanistik zu den Aufgaben der kommunalen Wirtschaftsförderung kommt diesbezüglich zu folgender Schlussfolgerung: "Zukünftig werden Formen der Zusammenarbeit, der Kooperation und Netzwerke an Bedeutung gewinnen. Dabei geht es um die Verflechtung von Unternehmen – in unternehmerischen Netzwerken, in strategischen Partnerschaften sowie in regionalen Netzwerken und die kommunale Unterstützung von Unternehmensnetzwerken….Kooperation gewinnt als Handlungsansatz der Kommunen miteinander weiter an Bedeutung" (Hollbach-Grömig, Beate, S. 119).

Existenzgründungsberatung

Die spezifischen Rahmenbedingungen virtueller Produktionsprozesse und virtueller Organisationsformen haben Konsequenzen in bezug auf die Förderung hier anzusiedelnder Existenzgründungen, denen mit klassischen Instrumenten nur sehr unzureichend geholfen werden kann. Virtuelle Kooperationsnetzwerke benötigen eine Beratungs- und Förderpolitik, die nicht auf klassische Investitionsunterstützungen setzt, sondern eine Förderung des dahinterliegenden Partnernetzwerkes und seiner Entstehungsschritte zum obersten Ziel hat. Dies ist für die klassische Kreditvergabepolitik bzw. die Prinzipien der Vergabe von Venture-Kapital bis heute noch nicht Realität – denn diese Kooperations- und Partnerbeziehungen sind eben sehr schlecht einzuschätzen und zu bewerten.

Existenzgründer, deren Produktionsweise oder Produkte zunehmend virtuell realisiert werden und vorwiegend im Bereich der unternehmensnahen Dienstleister zu finden sind, benötigen spezifische Angebote und Hilfestellungen, die über die klassischen Mechanismen "Existenzgründerkredit" und "Büroräume im Technologietransferzentrum" hinausgehen. Gerade die Banken haben bis heute noch spezifische Schwierigkeiten, das Wertschöpfungs- und Partnerkonzept virtueller Netzwerke einzuschätzen und das dahinterstehende Konzept adäquat zu bewerten. Welchen monetären Wert hat z.B. ein sinnvolles Partnernetzwerk? Wie kann dieser adäquat Eingang in die Bewertung eines Businessplans finden?

Dass Beratungseinrichtungen – und häufig auch Banken – teilweise seitens der Existenzgründer mit der Materie "digitale Wertschöpfung", "Medienproduktion" etc. als wenig vertraut und aufgeschlossen eingeschätzt werden, zeigten Fallstudien und Experteninterviews mit Film- und Medienschaffenden im Rahmen des von der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg durchgeführten Projektes "Regionale Er

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neuerung durch Multimedia?" (REMM). Hier zeigte sich, dass "im Gegensatz zu den etablierten Branchen der baden-württembergischen Wirtschaft die Inanspruchnahme von Technologietransfereinrichtungen, Beratungseinrichtungen etc. weit unterdurchschnittlich (war)." (www.ta-akademie.de/deutsch/projekte/innovationen/remm.asp, vgl. dazu auch Fuchs/Wolf, S. 29). Da die Einstiegsbarrieren, auch die finanziellen, in den Markt teilweise niedrig waren und diese bei unternehmensnahen "Ein-oder-wenig-Personen-Unternehmen" nach wie vor sind, konnten die Existenzgründer die notwendigen Mittel auch aus privaten Rücklagen aufbringen. Doch als Resümee blieb zumindest kurzfristig zurück: Obwohl die Beratungsleitungen nicht in Anspruch genommen wurden, wurden sie als mangelhaft bewertet. Diese Tatsache ließ zumindest gewisse Rückschlüsse auf das Außenbild und die Akzeptanz von Beratungseinrichtungen bei gewissen Branchenvertretern zu.

Von Existenzgründern wird von Seiten der Kreditgeber und der Existenzgründungsberatungseinrichtungen erwartet, dass sie über die notwendigen unternehmerischen Grundkompetenzen und nach den Erfahrungen aus den Gründungsoffensiven und dem Scheitern junger Unternehmen der New Economy über ein gewisses Maß an "Bodenständigkeit" verfügen. Existenzgründer – vor allem im innovativen Dienstleistungsbereich – erwarten von Banken, dass neue und transparente Bewertungskriterien für Businesspläne entwickelt und angewandt werden. Darüber hinaus ist es für Existenzgründer wichtig, neben der Einräumung von Krediten seitens der Banken auch eine nachhaltige Beratung zu erfahren, die z.B. ein externes Controlling und Risk Management System sowie die Befähigung zur Selbstkontrolle umfasst.

Zudem müssen sich auch die Beratungseinrichtungen zukünftig noch stärker um die eigene Organisation ihrer Beratungsleistungen kümmern. Auch hier spielt die Virtualisierung von Strukturen eine nicht unbedeutende Rolle, um Beratungstage und -einheiten effektiver einsetzen zu können und die Vielfalt von Akteuren im kommunalen, universitären oder aus dem Bankenbereich kombinierbar zu machen. Hinzu kommt, dass auch Berater laufend Qualifizierungen unterzogen werden müssen, um spezifische Branchenkenntnisse – wie bereits oben hinsichtlich des Medienbereichs etwas näher umrissen –, aber auch weitere Trends hinsichtlich Arbeits- und Unternehmensorganisation vermittelt zu bekommen. Existenzgründern sollte so eine angemessene Beratung gewährleistet werden, da sie selbst nicht in der Lage sind, die Reichweite der Beratungskompetenz einzuschätzen, zumal Steuer-, Rechts- und Rechtsschutzberatung in der Mittelstandsförderung nicht vorgesehen sind. Hier können lokale Akteure in einer vernetzten Struktur sinnvollen Mehrwert bieten.

Beratung von Kooperationsnetzwerken

(Virtuelle) Kooperationsnetzwerke stellen gerade für kleine und mittelständische Unternehmen eine attraktive Option dar. Doch ihr Eingehen macht eine Reihe gut geplanter Schritte erforderlich, für die eine professionelle Beratung sinnvoll ist. Denn das gemein-

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same Angehen neuer Marktsegmente stellt eine strategische Grundsatzentscheidung dar, die gut geplant und abgewogen werden muss.

Dabei ist zu unterscheiden zwischen Kooperationsnetzwerken, die von etablierten Unternehmen eingegangen werden (z.B. von Unternehmen aus dem Handwerksbereich) und solchen, die sich schon in der frühen Phase der Unternehmensgründung anbahnen und somit zentraler Bestandteil der eigentlichen Unternehmensgründungsaktivität sind. Es ist ein großer Unterschied, ob sich drei Inhaber traditionsreicher Handwerksunternehmen zusammentun, um gemeinsam ein neues Geschäftsfeld aufzubauen, oder drei Studienabgänger, die bereits während des Studiums gemeinsam kleine Aufträge bearbeitet haben und dieses Engagement nun auf eine gemeinsame kommerzielle Gesamtbasis stellen wollen. Denn die erste Gruppe hat in der Regel wenig "Übung" darin, sich in Zielsetzungen und Entscheidungen einer größeren Gruppe unterzuordnen und auch darin, die erforderlichen Schritte, wie z.B. die einer systematischen Geschäftsfeldentwicklung für das neue gemeinsame Geschäft, in einer überschaubaren Zeit zu erledigen. Viele "traditionelle", gerade kleine und mittlere Unternehmen verfügen nicht über systematische Funktionen der Unternehmensplanung und des Marketings.

Die wesentlichen Fragestellungen, die im Rahmen der Netzwerkbildung und der Kooperationsfindung zu beantworten sind, lassen sich konkretisieren:

Partnerwahl / Kooperationsanbahnung
Welche Partner sind potenziell geeignet? Aufgrund welcher Kriterien sollten sie ausgewählt werden? Viele Kooperationen entstehen auf Basis persönlicher Beziehungen, häufig moderiert durch Berufsverbände, Wirtschaftskammern etc. Doch sollte klar gestellt werden, mit welchen spezifischen Zielen, persönlichen Voraussetzungen, auch finanziellen Erwartungen die einzelnen Partner auf diese Kooperation zusteuern, um gleichartige Erwartungen und Verpflichtungen zu erreichen. Vor diesem Hintergrund sind die zunehmend aufgebauten Kooperationsbörsen im Internet als ein erster, wichtiger, aber keinesfalls ausreichender Schritt zu bewerten. Sie sind zweifellos geeignet, mögliche Kandidaten anhand eines spezifischen Profiles herauszufiltern – im Anschluss daran muss aber auf einer sehr persönlichen Basis herausgefunden werden, ob eine Zusammenarbeit möglich ist. Es ist wesentlich, dass alle beteiligten Partner vergleichbare Zielsetzungen und ein vergleichbares Engagement an den Tag legen.

Geschäftsfeldentwicklung und Kernkompetenzanalyse
Kooperationen aufzubauen bedeutet einen Vorlaufaufwand – um so wichtiger ist es, das angestrebte Geschäftsfeld, die anzubietenden Produkte und Dienstleistungen erst einmal eindeutig zu entwickeln und zu quantifizieren. Hierfür ist die Kenntnis der eigenen Kernkompetenzen erforderlich – die nicht immer wirklich bekannt oder gar systematisch entwickelt sind, gerade in kleinen, gewachsenen Unternehmen. Im nächsten Schritt muss der zu erschließende Markt spezifiziert, Markterschließungsstrategien entwickelt, Marketingaktionen geplant werden. Dabei ist es vor allem wesentlich, die Aktivitätsschwerpunkte der Einzelfirma und der – zumeist zusätzlichen – Kooperation voneinander abzugrenzen.

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Rechtsformen / Arbeitsvertragsformen
Gerade virtuelle Kooperationsnetzwerke stehen aufgrund ihrer Besonderheiten – z.B. dem Verzicht auf eigene aufbauorganisatorische Strukturen, der flexiblen Integration unterschiedlicher Partner – vor spezifischen Herausforderungen in bezug auf die geeignete Rechtsform und arbeitsvertragliche Absicherungen. Gerade unerfahrene Existenzgründer übersehen dabei viele haftungsrechtliche und schuldrechtliche Gefahren, die bei einer unzureichenden Absicherung gegeben sind.

Milieu-/"Szene"entwicklung bzw. Clusterentwicklung

Das regionale Netzwerk muss stabilisiert und institutionalisiert werden, um dauerhafte Beziehungen, organisationsübergreifendes Vertrauen sowie eine gemeinsame Wissensbasis überhaupt erst möglich zu machen. Standortpolitik in Zeiten virtueller Wertschöpfung braucht angesichts der notwendigen Produktionsressourcen (vor allem Humankapital) eine innovative Form der Clusterbildung unterschiedlicher Akteure. Unter dem Stichwort der Clusterbildung finden sich dabei in unterschiedlichen Bundesländern neue Formen der Akteursvernetzung.

Cluster sind thematisch orientierte Netzwerke von privaten und öffentlichen Akteuren, die gemeinsame Synergien nutzen, um Wachstum und Entwicklung in ihrem Bereich voranzutreiben. Voll ausgebildete Cluster decken die gesamte Wertschöpfungskette ab: von der Grundlagenforschung und einer anwendungsorientierten Forschung in Kooperation von Hochschule und Unternehmen über die Aus- und Weiterbildung bis zur Produktion und Vermarktung fertiger Produkte und damit verbundener Dienstleistungen (vgl. Mirow, Thomas 2001). Sie erlauben die regionale Vernetzung und gegenseitige Stimulierung in Themenfeldern wie z. B der Medizintechnik oder der Biotechnologie. Neben klassischen technologischen Clustern mit starken industriellen Kernen bilden sich hierbei auch neue zukunftsträchtige Cluster an der Schnittstelle bisher völlig unterschiedlicher Disziplinen und Branchen, die durch intelligente Netzwerkbildung Innovationen anregen sollen und sehr stark auch Akteure der Wissenschaft mit einbinden. Als entscheidend wird hierbei das Erreichen einer "kritischen Masse" und die Entwicklung eines Alleinstellungsmerkmales angesehen. Ein wesentliches Beispiel aus Baden-Württemberg wird in der einschlägigen Fallstudie noch genauer aufgegriffen werden.

Allerdings muss zur Kenntnis genommen werden, dass "die richtige Mischung" in einer entsprechenden Wirtschaftsregion sehr stark dadurch determiniert wird, in welchem Segment diese angesiedelt ist. Fuchs arbeitet in seinem vergleichenden Beitrag kontrastiv die unterschiedlichen Entwicklungsbedingungen zweier zukunftsträchtiger Bereiche heraus: die der Multimedia-Industrie und das Segment der Biotechnologie. Beide sind zukunftsträchtig, mit Wachstumschancen versehen, Zielobjekt vieler Wirtschaftspolitiker – und dennoch sehr unterschiedlich in ihren Anforderungen an die richtige "Szene", die Anbindung an Forschungseinrichtungen (wie sie z.B. bei der Biotechnologie wesentlich wichtiger ist), die Ausstattung mit Risikokapital etc. Dies bedeutet aber im Umkehr-

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schluss, dass Cluster-Prozesse und hierauf abzielende Maßnahmen sektor- bzw. segmentspezifisch gehandhabt werden müssen.

Im folgenden sollen zwei Beispiele aus der Freien Hansestadt Hamburg aufgegriffen werden, die dieses Prinzip illustrieren:

Das Hamburger CIM Centrum für Innovative Medizin, das sich als Kompetenzzentrum versteht und mit Hilfe einer eigens gegründeten privatwirtschaftlich organisierten "Bio-Agency" weitere hochspezialisierte Gesundheitsdienstleistungen allokieren möchte, die an der Schnittstelle der Biotechnologien, der Medizintechnik und der Telekommunikation anzusiedeln sind. Dabei wird die Nähe zum Universitätsklinikum und zu etablierten Unternehmen wie Philipps und Siemens genutzt und durch weitere Unternehmensgründungen weiterentwickelt.

Die Hamburger Initiative hamburg-newmedia@work, die Unternehmen der Old und New Economy im Medienbereich vor allem mit dem Ziel der Heranbildung einer ausreichenden Zahl gut qualifizierter Mitarbeiter verbindet. Nach einem Round-Table-Gespräch mit Vertretern der Behörde für Wissenschaft und Forschung, Hochschulen und IT- und Medienunternehmen wurden eine Reihe von Maßnahmen beschlossen: z.B. die Bildung bilateraler Ausbildungsallianzen, um duale Bildungsangebote zu stimulieren, die Erhöhung von Praxisinhalten in Studiengängen, eine stärkere Stimulierung entsprechender Diplom- und Doktorarbeiten sowie die stärkere Verpflichtung von betrieblichen Praktikern für die Hochschulausbildung. Geschaffen wurden auch zusätzliche Studienkapazitäten sowie eine verbesserte "Grundbildung" der Bürger durch den Multimediaführerschein (vgl. hierzu auch Kapitel 5).

Hier anzusiedeln ist auch eine "Lifestyle-Politik", um z.B. gewissen Branchen die gewünschte Szenerie auch für die Freizeit und dem "einzuatmenden Ambiente" zu verschaffen, da Freizeit und Arbeit nicht getrennt voneinander gesehen werden können. Teilweise bedingen sich beide Faktoren gegenseitig und beeinflussen sich in ihren jeweiligen Entwicklungen.

Nicht zuletzt gehören hierzu auch die Aktivitäten des gemeinsamen "Außenauftrittes" des Clusters, der zunehmend auch im Internet realisiert wird. Die Wahrnehmung des Clusters durch Dritte und vor allem durch weitere ansiedlungswillige Unternehmen, Ausbildungsinstitutionen oder Existenzgründer ist sehr wesentlich.

Diese Aktivitäten belegen, dass trotz der durch die neuen IT-Technologien geschaffenen Möglichkeiten, das weltweit verfügbare Wissen von jedem Ort aus zu nutzen, räumliche Nähe und Vernetzung von relevanten Akteuren entscheidende Katalysatoren des wirtschaftlichen Erfolges sind.

Sehr umstritten ist dabei das richtige Auspendeln zwischen "Offenheit" und "Geschlossenheit", zwischen Globalisierung und Regionalisierung. Eine zu starke "Schließung" kann die notwendige Weiterentwicklung verhindern. Dabei kann gerade der Standortpo-

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litik bzw. ihren Akteuren und Gestaltern die Rolle des Vermittlers in Form von "Wissensbrücken" zukommen (Fuchs 2000).

4.3.2 Technologie- und Infrastrukturpolitik

Neben der Sicherstellung geeigneter Infrastrukturen klassischer Natur wie Straßen, Schiene und Verkehr treten zunehmend elementare Infrastrukturen wie Telekommunikationsnetze oder technische (Netz)Infrastrukturen in den Blickpunkt des Interesses. Letztere sind vor allem bei der Betrachtung virtueller Wertschöpfungsstrukturen äußerst wichtig, um digitale Teilprodukte weiterzuleiten bzw. zusammenzuführen. Leistungsfähige, aber vor allem auch sichere Netze und entsprechende Zugangsmöglichkeiten müssen dazu vorausgesetzt werden können.

Internetpolitik

Im Zusammenhang mit dem Stichwort Infrastrukturpolitik muss auch die Internetpolitik als eigenständiger Bereich genannt bzw. näher betrachtet werden. Dabei handelt es sich zum einen um den tatsächlichen Ausbau des heutigen Internets, sprich eine weitreichende Infrastrukturaufgabe, aber auch um die Förderung der Nutzung desselben durch unterschiedlichste Gruppierungen und die aktive Gestaltung und "In-Angriff-Nahme" der sich abzeichnenden problematischen Folgen (Jugendschutz, Nutzerschutz, Datenschutz etc.). Hinzu kommen notwendig Einigungen hinsichtlich "Fragen der Namenssysteme, der Sicherheit und Vertraulichkeit in den Netzen, der Förderung und Sicherung des elektronischen Zahlungsverkehrs, über Fragen der Regelung von Verantwortlichkeiten und zur Vermeidung von schädlichen Inhalten in den Netzen, Fragen des Urheberrechts und Schutz geistigen Eigentums sowie über die Zulässigkeit von Verschlüsselungssystemen. Da das globale Internet sich nationalen Regelungen weitgehend entzieht, sollten international verbindliche Standards entwickelt werden." (vgl. Mosdorf, S. 30). Die letztgenannten Punkte können weder auf kommunaler noch regionaler Ebene gestaltet werden – sie stellen eine nationale Aufgabe dar, die in enger Abstimmung mit den entsprechenden internationalen Gremien erfolgen muss (z.B. der ICANN).Verfahren – wie beispielsweise für die digitale Signatur – sind vorhanden, auch umfassende Konzepte wie das der mehrseitigen Sicherheit werden von international renommierten deutschen Wissenschaftlern vorangetrieben. Allerdings verläuft die Einführung der digitalen Signatur sehr schleppend. Die vor kurzem abgeschlossenen Studie "Einsatzmöglichkeiten der elektronischen Signatur in öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft " der KPMG (Abschlussbericht und Kurzfassung downloadbar unter http://www.bmwi.de/Homepage/Politikfelder/
Informationsgesellschaft/Sicherheit%20im%20Internet/Sicherheit%20im%20Internet.jsp#kpmg) stellt fest, dass ein genereller Einsatz der qualifizierten E-Signatur im öffentlichen Bereich angestrebt werden sollte. Pilotprojekte wie z.B. das Esslingen Media@Komm-Projekt zeigen aber, dass auf die Identifizierung tatsächlich signaturgeeigneter Anwendungen im öffentlichen Leben große Sorgfalt gelegt werden muss. Und sie ist dann immer Teil einer umfassenden Strategie in Richtung des Electronic Government, die er-

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hebliche Veränderungen auch in den verwaltungsinternen Prozessen zur Folge hat und daher nur zögernd umgesetzt wird.

Electronic Government (E-Government)

Unter Electronic Government werden unterschiedliche Teilbereiche subsummiert, so z.B. die jeweiligen Beziehungen von Verwaltungen zu weiteren Verwaltungen, zu Bürgerinnen und Bürgern, zu Unternehmen sowie Organisationen (vgl. Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) / Informationstechnische Gesellschaft (ITG) im VDE 2000). Noch vor wenigen Jahren brachte man mit dem Begriff Verwaltungsmodernisierung die Steigerung der Effizienz des Verwaltungshandelns in Einklang. Heute werden damit weitaus weitreichendere Effekte verbunden. Nur die konsequente Nutzung des Innovationspotenzials moderner Informations-, Kommunikations- und Kooperationstechniken eröffnet die Chance, unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen all diese Erwartungen zu erfüllen. Electronic Government ist deshalb auch die Innovationsstrategie, mit der die Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in einer Weise garantiert werden kann, die dem Bild einer die Gesellschaft aktivierenden und mit ihr verschränkten Verwaltung optimal entspricht.

Dabei hat der Einsatz neuer Medien sowohl Einfluss auf die Binnenstruktur der Verwaltung, darunter fallen die Komponenten Kommunikation, Information und Wissensmanagement, Automatisierungseffekte, Veränderungen in der Ablauf- und Aufbauorganisation, als auch auf die Schnittstellen nach außen. Kunden- und Serviceorientierungen erlangen einen neuen Stellenwert (Siegfried 2000). Schnelle und unbürokratische Entscheidungsstrukturen, so wie es die Netzwerke teilweise auch im internen Umgang miteinander gewohnt sind, auch seitens der Verwaltungen können dabei unternehmerisches Engagement weiter stärken.

Dass die Servicequalität von Verwaltungen eine nicht zu vernachlässigende Rolle für Standortbeurteilungen spielt, zeigt auch die Untersuchung "Zukunftsperspektiven von Unternehmen" in NRW, eine repräsentative Unternehmensbefragung, die im Jahr 2000 vom PSEPHOS Institut für Wahlforschung und Sozialwissenschaft im Auftrag des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums in Auftrag gegeben wurde. Unter insgesamt 10 Aspekten erreichte die Servicequalität von Verwaltungen den fünften Platz, noch vor Kammern und Verbänden sowie den Hochschulen.

Dedizierte Räumlichkeiten

Fast schon dinosaurierhaft muten in diesem Zusammenhang die Versuche vor knapp einem Jahrzehnt an, mit sogenannten "Telehäusern" die kommunalen Infrastrukturen durch die zentralisierte Bereitstellung von Büroräumlichkeiten, Telekommunikationsanschlüssen und Endgeräten aufzubessern. Diese Projekte haben sich durch die Kostendegression und die massive Verbreitung von Computern und entsprechenden Peripheriegeräten weitgehend überflüssig gemacht. In eine spezifiziertere Richtung gehen heutzu-

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tage sogenannte Teleservicezentren, die "auf dem Land" oder in der Stadtrandlage für Telearbeiter unterschiedlicher Firmen entsprechende Büroräumlichkeiten und "Büronachbarschaften" anbieten. Sie treffen (noch?) auf einen bestimmten Bedarf. Es kann aber erwartet werden, dass auch hier die zunehmende Durchdringung von Privathaushalten mit Internetanschlüssen, Computern und Telekommunikationsmöglichkeiten diese tendenziell weniger notwendig machen. In diesem Zusammenhang sind auch Pläne von Architekten und Bauträgern interessant, bei neuen Wohnsiedlungen von vornherein, z.B. im Erdgeschoss, entsprechende Telearbeiterbüros separiert vorzusehen. Uns ist allerdings kein Projekt in Deutschland bekannt, das dieses Ansinnen tatsächlich vollständig realisiert. Ein interessantes Projekt in Italien ist die Siedlung "Colletta", bei der ein kleines, nahezu ausgestorbenes Dorf gezielt mit modernsten Telekommunikationsmöglichkeiten versehen und behutsam restauriert wurde – mit der erklärten Absicht, die neue Elite der Wissensarbeiter in eine reizvolle Landschaft und Kultur zu "locken" und ihnen alle Möglichkeiten der internationalen Arbeitsfähigkeit als Freelancer, Gutachter, Freiberufler zu bieten (vgl. www.colletta.it).

Wohnungsbaupolitik

Letztlich gehört in diesen Bereich der Infrastrukturversorgung auch eine gezielte Wohnungsbaupolitik. Das Land Bayern und vor allem der Großraum München haben es in den letzten Jahren hervorragend verstanden, zunehmend virtuell agierende Unternehmen gerade im Segment der unternehmensbezogenen Dienstleistungen anzuziehen – doch ist der mangelnde und extrem teure Wohnraum für die Personalverantwortlichen in den Firmen selbst mittlerweile ein extremes Hindernis. Attraktive Wohnungen sind ein Teil des privaten Umfeldes dieser Arbeitnehmer, die in dieser virtualisierten Wertschöpfung zunehmend gesucht werden.

4.3.3 Bildung, Forschung

Neben der Vermittlung von konkretem Wissen in der Primär- und Sekundärbildung, der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie der Erwachsenenbildung dient die Bildungspolitik allgemein der Hebung bzw. Sicherstellung des Qualifikationsniveaus einer Nation oder einzelner Bundesländer. Dieses Wissen wird im übertragenen Sinne selbstverständlich auch in wirtschaftliche Produkte, Dienstleistungen und Prozesse und somit in Innovationen eingebracht.

Qualifizierungsoffensiven können daher generell als Förderer regionaler Standortfaktoren gelten. Darüber hinaus kann das virtuelle Wirtschaften als Aspekt der Bildung sowie als genereller Bildungsinhalt gesehen werden.

Bildung tritt zudem direkt über die beschäftigten Individuen, die rein formal gesehen als Personalressourcen im Wertschöpfungsprozess aufgehen, unmittelbar als Standortfaktor auf: Sei es, dass die zukunftsfähige Qualifizierung am Standort selbst vermittelt wurde (zukunftsträchtiger Bildungsstandort), sei es, dass das Unternehmen und der damit verbundene Standort erfolgreich im Ringen um personelle Ressourcen war.

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Hinsichtlich der virtuellen Wertschöpfung müssen neue Qualifikationen und Einsichten vermittelt werden:

Neue Qualifikationen im Zeitalter virtueller Wertschöpfung

Virtuelle Wertschöpfung und das Arbeiten in virtuellen Strukturen muss stärker auch als Inhalt in der Bildung thematisiert werden. Erste Ansätze zeigen sich in Unternehmensplanspielen in einzelnen Schulen, doch auch in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung sowie in der universitären Ausbildung müssen hierzu einzelne Aspekte stärker in den Vordergrund gerückt werden. Unter den noch heute geltenden Bildungsmustern in Schulen sind eigenständiges und zielorientiertes Lernen und Arbeiten nicht automatisch vorauszusetzen. Leider sind auch Team- und Kulturfähigkeit keine selbstverständlichen Eignungen. Wenn Teams jedoch räumlich verteilt agieren, sind diese Qualifikationen notwendige Voraussetzungen für das Tätigwerden des Einzelnen und das Funktionieren des Teams an sich. Hinzu kommen weitere individuelle Fähigkeiten wie z.B. Offenheit für Veränderungen (im Gegensatz zur Angst vor dem Neuen) und Verlässlichkeit des Arbeitens und der Leistung (im Gegensatz zur vergüteten Anwesenheit im Büro). Gewiss sind dies Faktoren, die auch in der Persönlichkeit des/der Einzelnen angelegt sind, im Rahmen der schulischen, beruflichen oder akademischen Lehrzeit aber ansatzweise auch zu erlernen.

Generell gilt als erweiterter Bildungsslogan auch "Aktiv für die Virtualität fit gemacht werden!" Dazu müssen konkrete Handreichungen angeboten werden. Medien einzusetzen, um Räume und Zeitrestriktionen teilweise zu überwinden, Ziele im Sinne der Aufgabe und Tätigkeit eigenständig zu setzen, Prozessdenken zu etablieren etc. Dabei beschränken sich diese notwendigen Inhalte nicht auf einzelne Schultypen. Vielmehr handelt es sich um notwendige Basisqualifikationen, die in zunehmend mehr Berufe und Professionen hineinreichen, ebenso wie virtuelle Tendenzen auch nicht nur für klar benennbare Berufsgruppierungen erkennbar sind.

An dieser Stelle muss auch das Stichwort der Medien- und Kommunikationskompetenz angeführt werden. Dabei wird mit dem Begriff der Medienkompetenz bis heute vor allem der bewusste, kritische und souveräne Umgang von Menschen mit Medien und den in ihnen transportierten Informationen (bisher stark das Fernsehen, nun zunehmend das Internet) verstanden. Hier ist aber auch die Notwendigkeit gemeint, angesichts des zunehmenden Einsatzes technisch vermittelter Kommunikation, die Voraussetzung für virtuelle Strukturen sind, diese in ihrer Wirkung zu kennen und bewusst einzusetzen. Wir sind davon überzeugt, dass in der Zukunft die Nutzung von Telemedien in virtueller Zusammenarbeit offensichtlich professionalisierter erfolgen muss. Bei einem so starken qualitativen Unterschied in der Kommunikation müssen eine Reihe von Faktoren beachtet werden: Die direkten Effekte des Telemedieneinsatzes selbst (z.B. in bezug auf Interaktivität oder unterstützter Interaktionsdynamik), veränderte Aufwände für Kommunikation, die zusätzlichen Überlagerungen von Anforderungen aufgrund technologischer Ver-

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mittlung und interkultureller Zusammenarbeit. Medien- und Kommunikationskompetenz wird damit zu einer Schlüsselqualifikation der Zusammenarbeit in virtuellen Bezügen.

Die beschriebenen Sachverhalte bieten darüber hinaus konkrete Ansatzpunkt für z.B. Universitäten, die mit diesen Themenstellungen den umliegenden Untenehmen ein aktives Angebot – in Präsenz- oder Teleunterricht – unterbreiten könnten. Auch hier ließen sich konkrete Ansatzpunkte einer Public-Private-Partnership entwickeln.

Digital divide

Die digitale Spaltung (digital divide) zwischen den an der Entwicklung in die Informationsgesellschaft teilhabenden Personengruppen und denen, die den Anschluss schon heute scheinbar verpasst haben, muss zunächst am weiteren Aufklaffen gehindert und in weiteren Schritten auch wieder verringert werden. Die Informationsgesellschaft und auch die virtuelle Wertschöpfung müssen auf ein größtmögliches Feld an Anwendern moderner Kulturtechniken stoßen – die Benutzung der IuK-Techniken und des Internets gehören dazu, Ausgrenzung darf aus gesellschaftspolitischer Verantwortung nicht gegeben und kann aus wirtschaftlicher Weiterentwicklung heraus nicht akzeptiert werden. Initiativen wie "Internet für alle", D21 (www.initiatived21.de) oder das "Netzwerk Digitale Chancen" (www.digitale-chancen.de) versuchen mit unterschiedlichen Aktionen eine weitere Kluft zu vermeiden, doch muss weiter auch konkret politisch an der sich abzeichnenden Situation gearbeitet werden. Hinweise auf stark anwachsende Internetnutzungen durch die Bevölkerung dürfen nicht als Hinweis darauf gewertet werden, dass sich bereits alles einem besseren und positiven zuwendet: nach wie vor sind unterschiedliche Gruppierungen unterschiedlich stark im Netz vertreten, Chatten und Spielen darf keineswegs als ein Stand der Medienkompetenz gewertet werden, vor dem man sich bequem zurücklehnen kann.

Aber auch hier gilt: Allein der Hinweis darauf, dass alle Schulen online sind (laut einer heise-online-Meldung vom 15.10.2001 war nun mit einem Gymnasium im Berliner Westen auch die letzte Schule am Netz) und hier doch innerhalb der vergangenen zweieinhalb Jahre intensiv gearbeitet wurde (eine Recherche im Rahmen der vom BMBF geförderten Studie "Netzwerk Bildung 21 – Vorstudie Bestandsaufnahme" (Bonnet, Geier, Held 1999) ergab eine deutlich unterschiedliche Anschlussverteilung der Schulen ans Netz zwischen den einzelnen Bundesländern und Schultypen), heißt noch lange nicht, dass Lehrer und Schüler auch verstehen, warum sie am Netz sind, dieses Faktum im Schulalltag noch nicht einmal konkret spüren und auch die mediendidaktischen Konzepte für die Nutzung von Multimedia und Internet im Unterricht tatsächlich umgesetzt, geschweige denn vorhanden sind.

Verbundforschungsprojekte

Vor allem angewandte Forschung kann sich überdies darum bemühen, Know-how rund um die Bildung, Ansiedlung und die Weiterentwicklung virtueller Wertschöpfungsnetze

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aufzubauen. So hat das Land Baden-Württemberg in einer Reihe der sogenannten "Landesmedienprojekte" vornehmlich in Verbundforschungsprojekten den Aufbau beispielhafter virtueller Netzwerke unterstützt (z.B. virtuelle Verbünde im Elektrohandwerk zum Angebot der Dienstleistung Facility Management, siehe www.ekop.iao.fhg.de) und dabei wertvolles Beratungs- und Transferwissen geschaffen. Die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg hat gemeinsam mit Partnern ein "virtuelles Beratungszentrum" zur Beratung virtueller Netzwerke aufgebaut (www.mfg.de). So wird das Prinzip der virtuellen Wertschöpfung auch wirtschaftlichen Zielgruppen nahegebracht (z.B. im Handwerk), die hierfür nicht als naheliegendste in Frage kommen. Doch auch hier gilt: Die Zeichen der Zeit sind mittlerweile gut erkannt. Vertreter von Handwerk und Mittelstand in Baden-Württemberg unterstreichen zunehmend die Bedeutung von strategischen und zunehmend virtuellen Kooperationen (Grußwort des baden-württembergischen Wirtschaftsministers Dr. Walter Döring zum Kooperationstag am 4. Dezember 2001 im Haus der Wirtschaft, Stuttgart).

[Seite der Druckausg.:44 = Leerseite]


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