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Angola : Perspektiven nach vierzig Jahren Krieg / Sabine Fandrych - [Electronic ed.] - Bonn, 2001 - 22 S. = 71 KB, Text . - (FES-Analyse)
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT




  • Im August 2001 starben bei einem Guerilla-Angriff der angolanischen Rebellenbewegung UNITA auf einen Zug 422 Passagiere, 259 Menschen werden bis heute vermisst. Im Kontext der von den USA ausgerufenen weltweiten Kampagne gegen den Terrorismus hat die angolanische Regierung auf internationaler Bühne einen neuen Argumentationsrückhalt für ihre Philosophie ’Frieden durch Krieg’ bekommen: Bei der UNITA handele es sich um eine terroristische Organisation, die man durch militärische Mittel und die Verschärfung der UN-Sanktionen bekämpfen müsse.

  • Das Terrorismus-Argument greift zu kurz. Angolas Bürgerkrieg ist der langwierigste Konflikt Afrikas. Seine Ursachen sind nicht nur in ethno-regionalen Gegensätzen und der ungleichen Ressourcenverteilung zu suchen. Die Konfliktdynamik wurde maßgeblich durch die gewaltsame Kolonialgeschichte, eine massive ideologische, militärische und ökonomische Internationalisierung und durch verflochtene regionale Beziehungen der Konfliktparteien geprägt.

  • Der Konflikt, der mit kurzen Unterbrechungen seit 1975 andauert und dem 14 Jahre Befreiungskampf vorausgingen (1961-1974), hat nicht nur eine Kriegsökonomie hervorgebracht, sondern auch eine Kultur der Gewalt, die alle Bereiche des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens prägt.

  • Formell ist der Friedensprozess, der mit dem Abkommen von Bicesse (1991) eingeleitet und dem Protokoll von Lusaka (1994) wiederaufgenommen wurde, noch in seiner Implementierungsphase. Trotz des Beharrens der MPLA auf diesen Verträgen, ist ihre Umsetzung ohne eine Anpassung an die heutige Situation des Landes illusionär, auch, weil sich eine der Vertragsparteien im Jahr 1998 gespalten hat: Während die kleine zivile ‚UNITA renovada’ nunmehr offiziell als Vertragspartei der Friedensabkommen gilt, führt die ‚militaristische UNITA’ unter Rebellenchef Jonas Savimbi ihren Guerilla-Krieg weiter.

  • Trotz der weitgehenden Zerstörung der Militärkapazitäten der UNITA durch die Regierungsarmee ist ein schneller militärischer Sieg nicht zu erwarten. Parallel zu einer deutlichen Erhöhung des militärischen Drucks im ersten Halbjahr 2001 begann ab Februar auf der politischen Bühne ein Reigen zahlreicher Einzelinitiativen und Verlautbarungen, der den Eindruck eines ‚Wettlaufs’ um die Protagonistenrolle im Friedensprozess entstehen ließ und Spekulationen über eine bevorstehende Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen der militaristischen UNITA und der MPLA Vorschub leistete.

  • Die zahlreichen fehlgeschlagenen Versuche externer Akteure, den Konflikt zu beenden und der tragische Verlauf der ersten und bislang einzigen demokratischen Wahlen im Jahr 1992 haben das Vertrauen in die Vereinten Nationen sowie in die nationale Politik grundlegend erschüttert. Die Entstehung einer dynamischen zivilgesellschaftlichen Friedensbewegung unter Federführung der angolanischen Kirchen lässt die vorsichtige Hoffnung aufkeimen, dass sich die verfestigten Fronten aufweichen könnten.

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Terrorismus oder Bürgerkrieg?

Anfang Mai 2001 wurden unweit von Luanda etwa 60 Kinder von der UNITA (Nationale Union für die völlige Unabhängigkeit Angolas) entführt, am 10. August 2001 starben in einem Guerilla-Angriff der angolanischen Rebellenbewegung 422 Menschen, und im September legte die UNITA die Strom- und Wasserversorgung Luandas bei einem Attentat lahm. Im Kontext der von den USA ausgerufenen weltweiten Kampagne gegen den Terrorismus hat die angolanische Regierung, die von der ehemaligen Befreiungsbewegung und sozialistischen Einheitspartei MPLA (Volksbefreiungsbewegung Angolas) dominiert wird, damit auf internationaler Bühne einen neuen Argumentationsrückhalt für die Verlängerung der UN-Sanktionen gegen die UNITA bekommen: Der Terrorismus müsse weltweit bekämpft werden und man dürfe nicht mit zweierlei Maß messen.

Das europäische Parlament verurteilte Anfang September den terroristischen Anschlag der UNITA scharf, die USA und die Vereinten Nationen verlängerten im September 2001 die politischen und ökonomischen Sanktionen gegen die Rebellenbewegung. Gleichzeitig nutzt die Regierung das internationale Anti-Terrorismus-Klima auch dazu, der rasch wachsenden angolanischen Friedensbewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen: mit Terroristen und Kriegsverbrechern dürfe und könne man nicht verhandeln, man müsse sie bekriegen oder vor ein internationales Tribunal bringen. Die seit knapp zwei Jahren von dem ökumenischen Komitee der Kirchen für den Frieden in Angola koordinierte Friedensbewegung fordert dagegen einen sofortigen bilateralen Waffenstillstand und einen ‚inklusiven’ Dialog der Kriegsparteien unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen zur Kriegs- und Konfliktbeendigung.

Das Terrorismus-Argument greift bei der Erfassung der Situation Angolas zu kurz: Der angolanische Bürgerkrieg, der über eine Million Kriegsopfer gefordert hat und mit Ausnahme kurzer und fragiler Friedenszeiten (1991-1992, 1995-1998) nun seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1975 andauert, hat tiefe historische Wurzeln. Hierzu gehören die portugiesische Kolonisierung, die ideologischen, militärischen und ökonomischen externen Einflüsse, die ethno-kulturellen Differenzen und die sozioökonomische Entwicklung des Landes.

Den rund 26 Jahren Bürgerkrieg waren bereits 14 Jahre antikolonialer Befreiungskampf (1961 – 1974) vorausgegangen. Praktisch befindet sich das Land mithin seit rund 40 Jahren im Kriegszustand. Damit hat sich nicht nur eine Kriegsökonomie herausgebildet, sondern auch eine Logik der Gewalt, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft maßgeblich bestimmt.

Die zahlreichen fehlgeschlagenen Versuche externer Akteure, den Konflikt zu beenden, und der tragische Verlauf der ersten und bislang einzigen demokratischen Wahlen im Jahr 1992 haben das Vertrauen der Bevölkerung in die nationale Politik, in die internationale Gemeinschaft und in die Vereinten Nationen grundlegend erschüttert. Dadurch ist der Anfang der neunziger Jahre eingeleitete demokratische Übergangsprozess in zahlreichen Aspekten blockiert: Die in der Verfassung vorgesehenen politischen Institutionen sind kaum funktionsfähig, nach wie vor stark von der ehemaligen Einheitspartei dominiert bzw. gar nicht erst eingesetzt worden. Gleichzeitig ist die Parteienlandschaft stark zersplittert, die Opposition ist schwach und gespalten. Wichtige politische Reformen wie die Reform der Übergangsverfassung, die Dezentralisierung der Verwaltung sowie die Abhaltung der zweifach überfälligen Wahlen stehen unter dem ‚Friedensvorbehalt’.

Trotz seines beneidenswerten Reichtums an Bodenschätzen ist Angolas Wirtschafsbilanz erschreckend. Abgesehen von den Unternehmen, die mit den höchst lukrativen Bodenschätzen verbunden sind, deren Erlöse aber nur teilweise den Weg in den Staatshaushalt finden, unterliegt das Land einem Prozess fortschreitender De-Industrialisierung. Auslandsschulden von ca. 11 Mrd. US$ oder die galoppierende Inflation (1999:329%) markieren Krisenherde der dramatischen Wirtschaftsentwicklung. Darüber hinaus sind Einkommen und Besitz extrem ungleich verteilt. Obwohl Angola mit 68 Prozent im regionalen Vergleich den weitaus höchsten Anteil Armer hat, existiert bislang keine Regierungs-Strategie zur systematischen Bekämpfung der Armut.

Entscheidend sind jedoch die verheerenden Auswirkungen des Bürgerkriegs. Die Zerrüttung sozialer und familiärer Strukturen, die Vertreibung und geographische Entwurzelung großer Teile der Bevölkerung, der weitgehende Zusammenbruch des Bildungssystems, die ständige Gefahr gewaltsamer Konflikte, die nur prekäre Präsenz staatlicher Ordnungs- und Verwaltungsstrukturen belasten Alltag und Zukunft aller privaten, ökonomischen und gesellschaftlichen Lebensbereiche. Die Menschenrechtslage ist insgesamt schlecht, in den von der UNITA kontrollierten Gebieten sogar katastrophal. 30 Prozent der Bevölkerung befindet sich auf der Flucht oder in Vertriebenenlagern, 1,2 Millionen Menschen sind von humanitärer Hilfe abhängig.

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Konfliktursachen und Konfliktparteien

Im angolanischen Konflikt stehen sich heute das von der MPLA – formal als Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung - geführte Regime und die UNITA gegenüber. Dabei spielen ethnische Konfliktlinien durchaus eine Rolle, freilich nicht die einzige und nicht die entscheidende. Der ethno-regionale Faktor war in der Gründungsphase der Kriegsparteien sicherlich wichtig und wird insbesondere von der UNITA nach wie vor als Propaganda-Instrument eingesetzt. Andererseits waren die ethno-linguistischen Gruppen Angolas vor Ankunft der Portugiesen keine politischen Einheiten mit einer festen Identität. Vor allem aber haben sich Konfliktgegenstand, Konfliktstruktur und die jeweiligen Kriegsakteure im Laufe der Jahrzehnte wesentlich gewandelt. Wie die bisher einzigen Wahlen im Jahr 1992 zeigten, sind die politisch-militärischen Konfliktparteien heute nicht (mehr) mit ethnischen Gruppen gleichzusetzen: So gewann die MPLA im Stammland der UNITA, dem zentralen Hochland Angolas, 24 Prozent derjenigen Stimmen, die auf die beiden großen Parteien entfielen, die UNITA erhielt in den MPLA-Stammprovinzen immerhin 15 Prozent.

Die drei unabhängig voneinander operierenden und rivalisierenden Befreiungsbewegungen MPLA, FNLA und UNITA einte nur der Antikolonialismus, doch hatten die sie tragenden Eliten unterschiedliche ethno-kulturelle, dann auch - wechselnde - ideologische Bezugsrahmen. Während sich die Elite der 1956 gegründeten sozialistisch orientierten MPLA als nationalistisch verstand, rekrutierte sich ihre Elite vorwiegend aus der kleinen städtischen Mittelschicht Luandas und der Küstenregion, die vorwiegend aus Mestizen und ‚assimilierten’ Kimbundu bestand, deren Volksgruppe etwa 23 Prozent der angolanischen Bevölkerung ausmacht. Die MPLA konnte im Rahmen des Ost-West-Gegensatzes mit der Unterstützung der Sowjetunion und Kubas rechnen.

Die 1962 ins Leben gerufene Nationale Befreiungsfront Angolas - FNLA unter Holden Roberto stützte sich dagegen hauptsächlich auf die ländliche Bakongo-Bevölkerung im Nordosten des Landes, die etwa 13 Prozent der Bevölkerung stellt, und unterhielt freundschaftliche Beziehungen zum Mobutu-Regime im benachbarten Zaire (heute: Demokratische Republik Kongo). Die FNLA genoss bis Ende der sechziger Jahre die massive Unterstützung des US-Geheimdienstes und bis Ende der siebziger Jahre die Unterstützung von Zaire. Nach einem Annäherungsabkommen zwischen Zaire und der Volksrepublik Angola, stellte Mobutu die Unterstützung jedoch weitgehend ein, wodurch die FNLA in der Bedeutungslosigkeit versank.

1966 konstituierte sich unter der Führung von Jonas Savimbi die UNITA, eine Abspaltung der FNLA, die sich überwiegend als Vertreterin der im zentralen Hochland siedelnden – und mit ca. 38 Prozent größten - Bevölkerungsgruppe der Ovimbundu verstand. Die Führung der UNITA rekrutierte sich aus der Generation der ‚neuen assimilados’, die in den zahlreichen Missionsschulen ausgebildet worden war und propagierte bis Mitte der 70er Jahre eine afrikanisch-maoistische Ideologie, für die sie von der VR China mit Militärausbildung belohnt wurde. Ab Mitte der 70er Jahre bekam die UNITA, die inzwischen einen radikalen Ideologiewechsel hin zur freiheitlichen Demokratie proklamierte, massive Unterstützung aus den USA sowie vom südafrikanischen Apartheidregime. Nicht zuletzt aufgrund ethnischer Affinitäten bestanden bis vor kurzem auch enge Kooperationsbeziehungen zum Nachbarland Sambia. Eine Konstante der ideologischen Ausrichtung der UNITA ist ihr „Ethno-Populismus„, der die ‚wahre afrikanische Identität’ des Hinterlandes bzw. des sogenannten ‚tiefen Angola’ gegen die vermeintlich verwestlichte und korrupte Mestizen- und Assimiliertenherrschaft in Luanda stellt.

Im angolanischen Konflikt geht es inzwischen natürlich auch um die ökonomischen Ressourcen, zumal sich im Laufe der Kriegsjahrzehnte eine politische Ökonomie des Konflikts herausgebildet hat. Doch zur Zeit der Gründung der drei angolanischen Befreiungsbewegungen war der Ressourcenreichtum Angolas noch nicht annähernd bekannt. Die Ölvorkommen vor der Küste, die heute über 92 Prozent der staatlichen Deviseneinnahmen und rund 60 Prozent des Bruttosozialprodukts ausmachen, wurden erst Ende der sechziger Jahre entdeckt und ab Anfang der siebziger Jahre systematisch erschlossen. Die Diamantenvorkommen im Nordosten wurden zwar schon unter portugiesischer Kolonialherrschaft ausgebeutet, doch waren Ende der sechziger Jahre die Erlöse aus dem Kaffee-Export wichtiger als die der Diamanten.

Ethnische Konflikte und Kampf um Ressourcen sind mithin wichtige Momente des Konflikts, doch reichen seine Wurzeln weiter zurück. Alle afrikanischen Länder sind bis heute auch durch die historischen Erfahrungen und Konsequenzen der kolonialen Vergangenheit, vor allem natürlich durch die kulturellen und sozialen Verwüstungen des Sklavenhandels geprägt. Der portugiesische Kolonialismus setzte - im Unterschied zu anderen Kolonialmächten - auf europäische Besiedlung sowie auf Ausbeutung und Zwangsarbeit der einheimischen Bevölkerung. Dabei wurde die Küstenregion wirtschaftlich und administrativ relativ früh erschlossen, während im Hinterland ein Sammelsurium von Händlern, Bauern und religiösen Missionen verschiedenster Herkunft und Bekenntnisse wirkte. Während die portugiesische Besetzung der Hauptstadt Luanda tatsächlich 400 Jahre anhielt, dauerte sie in Huambo nur ganze 72 Jahre.

Die Herausbildung einer afrikanischen Mittelschicht wurde lange Zeit dadurch verhindert, dass die Portugiesen die Posten bis in die mittlere Verwaltungsebene besetzten und die kommerzielle Landwirtschaft sowie den Handel dominierten. Im Jahre 1950 betrug die Analphabetenquote der weißen(!) Bevölkerung 44 Prozent. Der Technologie-Transfer war minimal, und eine nennenswerte Industrialisierung begann erst in den sechziger Jahren, als der externe Dekolonisierungsdruck wuchs. Der portugiesische Staat bot seinen Kolonien auch keinerlei demokratischen Referenzpunkte. Abgesehen davon, dass der repressive Apparat des autoritären Salazar-Regimes den Angolanern – mit Ausnahme einer kleinen Minderheit von rund 150 000 sog. Mestizen und eben so vielen Assimilados - die Bürgerrechte verwehrte, war auch die Bildung von Gewerkschaften und Vereinen verboten. Zensur und Bespitzelung durch den portugiesischen Geheimdienst PIDE verhinderten jegliche Versuche noch so zaghafter zivilgesellschaftlicher oder gar politischer Formierung.

Besondere Bedeutung hatten schließlich die Auswirkungen des weltweiten ideologischen Ost-West-Systemgegensatzes und die entsprechenden internationalen Allianzen, ferner die Position des Konflikts im regionalen Kontext des südlichen und zentralen Afrikas sowie die ökonomischen Interessen externer Akteure, wie der USA, Frankreichs, Russlands und Israels. Schließlich führte die Logik einer dynamischen Kriegsökonomie zur Konsolidierung eines zynischen Profitsystems einer kleinen angolanischen Elite.

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Die Internationalisierung des Bürgerkriegs (1975-1991)

Der Sturz des Caetano-Regimes in Portugal am 25. April 1974 durch einen linksgerichteten Militärputsch, die „Nelkenrevolution„ läutete die Unabhängigkeit ein: Zunächst kam es am 15. Januar 1975 zur Unterzeichnung des Vertrags von Alvor, der eine elfmonatige Übergangsregierung aus MPLA, FNLA, UNITA und den Portugiesen sowie anschließende Wahlen vorsah. Doch brachen bald darauf heftige Kämpfe aus, die zum Massenexodus der rund 300 000 portugiesischen Siedler und zur Aussetzung der Koalitionsregierung führten. Am 11. November 1975 zog sich die schwache Kolonialmacht überstürzt aus ihrer ‚Lieblingskolonie’ zurück und überließ der MPLA unter Agostinho Neto ein Land im akuten Kriegszustand: Die FNLA befand sich bereits seit September 1975 mit US-Hilfe und unter direkter Beteiligung zairischer Truppen auf dem Vormarsch nach Luanda von Norden her, während die UNITA seit Oktober gemeinsam mit südafrikanischen Soldaten aus südlicher Richtung auf das relativ kleine von der MPLA kontrollierte Gebiet um Luanda zumarschierte. Vier Tage vor Ausrufung der Unabhängigkeit landeten 12.000 kubanische Soldaten in Angola, um der MPLA zur Seite zu stehen.

Die Internationalisierung des angolanischen Konfliktes und der bizarre Reigen der Allianzen mit den angolanischen Kriegsparteien, der – wenn auch in abgeschwächter Form - bis Ende der achtziger Jahre anhielt, ist nur vor dem globalen Systemgegensatz sowie vor dem Regionalkonflikt um die Abschaffung des Apartheidregimes in Südafrika und die Erlangung der Unabhängigkeit Namibias verständlich. Die Ölkrise der siebziger Jahre, die Niederlage der USA in Vietnam und die Nelkenrevolution in Portugal mit der darauffolgenden Etablierung sozialistisch orientierter Staaten in Mosambik und Angola ließen bei den USA den Eindruck entstehen, einem Fortschreiten des Sozialismus in Afrika müsse dringend Einhalt geboten werden. Verstärkt wurde die direkte Unterstützung der UNITA insbesondere nach 1985, als amerikanische Waffenlieferungen nach Angola nicht mehr von der ausdrücklichen Zustimmung des Kongresses abhängig gemacht wurden. Unter der Reagan-Administration war Jonas Savimbi mehrfach gerngesehener Gast im weißen Haus.

Massive militärische Verstärkung erhielt die UNITA auch durch das Apartheidregime Südafrikas, das direkt und indirekt in den sozialistisch orientierten Nachbarländern Mosambik und Angola intervenierte, um den Rückhalt der Befreiungsbewegungen ANC (Südafrika) und SWAPO (Namibia) zu schwächen und eine Pufferzone zum eigenen Land aufzubauen. In Angola marschierten die südafrikanischen Truppen 1975 und 1981 ein, um Trainingslager der SWAPO zu zerstören. Mit Sympathien und erheblichen Freundschaftsdiensten bei der Vermarktung von Diamanten und dem Nachschub an Waffen konnte die UNITA auch in Sambia, Zaire sowie verschiedenen westafrikanischen Ländern, wie Togo, Burkina Faso und der Elfenbeinküste rechnen. Dank der internationalen Unterstützung wuchsen die UNITA-Truppen im Laufe der achtziger Jahre auf 50 000 bis 70 000 Mann.

Die sozialistische Volksrepublik Angola, geführt von der MPLA, die sich 1977 in eine „Avantgardepartei„ mit selektiven Beitrittsklauseln umgewandelt hatte, erhielt massive Militärhilfe und technische Unterstützung aus der Sowjetunion, der DDR sowie aus Kuba, das zeitweise 50 000 Soldaten in Angola stationiert hatte. Ihr kamen die Einnahmen aus dem Ölsektor zugute, die bereits gegen Ende der achtziger Jahre die Hälfte des Bruttosozialprodukts ausmachten. Die Ölförderung wurde - ironischerweise - vorrangig durch US-Ölfirmen betrieben, die zeitweise von kubanischen und angolanischen Truppen gegen Angriffe der UNITA verteidigt werden mussten.

Die Annäherung der Supermächte und die Auflösung des Ost-West-Konflikts Ende der achtziger Jahre führten zu einer Abschwächung der geopolitischen Bedeutung Angolas und damit zu einer Reduzierung des internationalen militärischen Engagements im Konflikt. Doch bis heute bestehen massive Wirtschaftsinteressen verschiedener europäischer Staaten sowie der USA, die den ‚Friedensprozess’ beeinflussen. Offiziell beendet wurde die direkte internationale Beteiligung durch den Abschluss des Ende 1988 unterzeichneten Angola-Namibia Abkommens, das bis 1991 erfolgreich umgesetzt wurde und den gleichzeitigen Rückzug der südafrikanischen und kubanischen Truppen unter Aufsicht der UNO und den Übergang Namibias in die Unabhängigkeit vorsah. Statt als Konfliktsponsoren traten die Supermächte USA und UdSSR bzw. Russland sowie die ehemalige Kolonialmacht Portugal forthin als Garantarmächte für den angolanischen Friedensprozess auf.

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Von Bicesse nach Lusaka: Kriegs- und Friedensdynamik in den 90er Jahren

Die massive Internationalisierung im Laufe der siebziger und achtziger Jahre ließ den angolanischen Krieg lange Zeit als typischen Stellvertreterkonflikt erscheinen. Der Regionalkonflikt im südlichen Afrika tat ein übriges, um die internen Widersprüche und Konfliktursachen zu überdecken. Nach der Regelung dieser Konfliktlinien, schien der Weg endlich frei für den Aufbau und die Versöhnung der angolanischen Gesellschaft. Doch blieb der Krieg auch nach Abzug der kubanischen und südafrikanischen Truppen in vollem Gange. Die UNITA verschwand nicht – wie die FNLA – in der Versenkung.

Neben ethno-regionalen Rivalitäten und dem historisch begründeten Mangel einer friedlichen und demokratischen politischen Kultur, sind die regional unterschiedliche Entwicklung des Landes, der autoritäre und zentralistische Staatsaufbau des MPLA-Regimes bzw. der ethno-populistische und personalistische Totalitarismus der UNITA-Verwaltung sowie die lange Konfliktdauer als solche wichtige Elemente der Konfliktdynamik. Der ‚zweite’ angolanische Krieg von 1975 bis 1990 verursachte ca. 120 000 direkte und 1 Million indirekte Kriegstote. Das ‚Disengagement’ der Großmächte schien dabei aufgrund des Zugangs der Konfliktparteien zu Öl bzw. Diamanten kaum von Belang. MPLA und UNITA verfügten über einen unerschöpflichen Vorrat an Ressourcen zur Weiterführung des Krieges.

Es kam jedoch nach dem Abzug der ausländischen Truppen zu einem militärischen Patt, das mit massivem internationalem Druck schließlich zu ersten demokratischen Reformen führte, die von der MPLA eingeleitet wurden, sowie zu dem Abschluss des Friedensvertrags von Bicesse im Mai 1991, der von Portugal vermittelt wurde.

Dieses Abkommen sah einen Waffenstillstand, die Entwaffnung und Demobilisierung der Konfliktparteien, die Schaffung einer gemeinsamen Armee mit 40.000 Mann, die Anerkennung der angolanischen Regierung durch die UNITA bis zur Abhaltung von Wahlen und die Legalisierung der UNITA als politische Partei in einem Mehrparteiensystem vor. Der Vertrag bestimmte zudem die Ausarbeitung einer Verfassung und eines Wahlgesetzes in Einvernehmen mit allen politischen Kräften. Die Überwachung der sehr kurz angelegten Implementierungsphase wurde einer Gemeinsamen Politisch-Militärischen Kommission übertragen, gebildet aus UNITA und MPLA, die mit den drei Beobachterstaaten den Übergangsprozess bis zu Wahlen im Herbst 1992 steuern sollte. Mandat und Truppenkontingent der Blauhelmmission zur Beobachtung der Umsetzung des Friedensvertrags (United Nations Verification Mission in Angola II, UNAVEM II) waren sehr schwach. Rund 400 Blauhelme und 90 Polizeibeobachter sollten das riesige angolanische Territorium abdecken und die Akantonierung, Demobilisierung und Entwaffnung der beiden hochgerüsteten Konfliktparteien sowie die Bildung der neuen Armee begleiten und ‚verifizieren’. Zu den Wahlen Ende September 1992 wurden zusätzlich 400 Wahlbeobachter entsandt.

Der pünktliche und friedliche Verlauf der Wahlen trog: Weder die Demobilisierung noch die Bildung der gemeinsamen Armee waren zum Wahltermin abgeschlossen. Die MPLA gewann die Parlamentswahlen mit 53,74 Prozent klar, während die UNITA sich mit 34,10 Prozent begnügen musste. Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen war deutlich knapper und erforderte eine Stichwahl, da kein Kandidat die absolute Mehrheit erzielte: Auf den seit 1979 amtierenden Präsidenten der MPLA, Eduardo dos Santos entfielen 49,57 Prozent, auf Jonas Savimbi 40,07 Prozent der Stimmen. Die Wahlen wurden von den VN zwar als weitgehend frei und fair qualifiziert, doch führte die ‚The-Winner-takes-it-all’–Lösung in einer kriegsgeprägten Gesellschaft und einem extrem polarisierten politischen Umfeld zu einem Fiasko. Die UNITA erkannte die Wahlergebnisse nicht an und kehrte im Oktober 1992 zum Krieg zurück. In der Hauptstadt kam es zu heftigen Kämpfen, in denen zahlreiche UNITA-Vertreter ihr Leben ließen. Darauf folgte eine der verheerendsten Kriegszeiten der angolanischen Geschichte, die zu 100 000-500 000 Kriegstoten, zur Eroberung oder Belagerung zahlreicher Provinzhauptstädte durch die UNITA sowie zur totalen Zerstörung der Städte Kuito und Huambo führte.

Begleitet wurde der Krieg von intensiven Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um neue Friedensgespräche, die schließlich unter Vermittlung des Sonderbeauftragten des VN-Generalsekretärs Beye zustande kamen und Ende 1994 zur Unterzeichnung des Protokolls von Lusaka als Ergänzung zum Friedensvertrag von Bicesse führten. Der politische Wille beider Seiten zur Implementierung des Lusaka-Protokolls war allerdings von Anfang an zweifelhaft. Kurz vor der Unterzeichnung hatte die Regierungsarmee die strategische Hochburg der UNITA in Huambo eingenommen und war der Auffassung, ein Sieg über die UNITA sei zum Greifen nahe. Die UNITA stimmte dem Protokoll unter massivem militärischem Druck zu, doch nahm Rebellenchef Savimbi persönlich nicht an der Unterzeichnungszeremonie teil.

Das Lusaka-Protokoll unterschied sich von dem Bicesse-Abkommen hauptsächlich durch ein stärkeres und genauer definiertes VN-Mandat. Die Vereinten Nationen entsandten ein Kontingent von 7000 Blauhelmen und übernahmen den Vorsitz in den Überwachungs- und Kontrollkommissionen. Darüber hinaus waren vertrauensbildende Maßnahmen vorgesehen, wie eine faktische Machtteilung durch die Bildung einer „Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung„ und die Ernennung von UNITA-Vertretern als Provinzgouverneure, Verwalter und Botschafter. Anvisiert wurde auch eine Dezentralisierung der Verwaltung, eine stärkere Kontrolle der Neutralität der Polizei sowie der Unabhängigkeit der Medien und die Abhaltung der noch ausstehenden Stichwahl der Präsidentschaftswahlen von 1992. Das Lusaka Protokoll enthielt eine bis heute(!) virulente Klausel, dass dem UNITA-Chef Savimbi ein ‚besonderer Status’ zugesprochen werden würde, doch die künftige politische Rolle des Rebellenführers sowie Maßnahmen zur Vertrauensbildung, Dezentralisierung und Versöhnung wurden nicht konkret geregelt.

Der Friedenprozess ging mit großen Verzögerungen voran. In den Jahren 1995 und 1996 trafen sich Präsident dos Santos und Savimbi vier Mal, jedoch nie auf angolanischem Boden. Grundlegende Differenzen bestanden in den militärischen Komponenten (Demobilisierung und Entwaffnung), der Ausweitung der staatlichen Verwaltung auf die von der UNITA besetzten Territorien sowie bei der Suche nach dem zukünftigen Status des Rebellenchefs. Savimbi lehnte den Posten als zweiter stellvertretender Staatspräsident, der eigens für ihn durch eine Verfassungsänderung 1996 geschaffen wurde, als ‚zeremoniell’ ab und forderte einen Sonderstatus als Oppositionschef. Aufgrund des Massakers an hochrangigen UNITA-Vertretern im Jahr 1992 zögerte die politische Führungselite der Rebellenorganisation, sich in der Hauptstadt Luanda niederzulassen. Erst im Frühjahr 1997 nahmen die 70 Abgeordneten der UNITA ihre Sitze im angolanischen Parlament ein. Kurz darauf kam es zur Bildung der Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung mit der feierlichen Vereidigung von vier Ministern und sieben Vizeministern der UNITA, allerdings wiederum in Abwesenheit Savimbis.

Trotz der Bildung der gemeinsamen Regierung nahmen die Waffenstillstandverletzungen im Jahr 1997 erheblich zu. Dabei ging es vorrangig um die Kontrolle der ‚Diamantenprovinzen’ Lunda Sul und Malanje und die ‚gewaltsame Ausdehnung’ der staatlichen Verwaltung. Zwar kam es nach der Verhängung von politischen Sanktionen der VN gegen die UNITA im Oktober 1997 zu einer Vereinbarung über die militärischen und politischen Komponenten des Friedensvertrages, doch wurde insbesondere die Ausweitung der staatlichen Verwaltung nicht abgeschlossen. Das Scheitern des Friedensprozesses schien vorprogrammiert, als der UNO-Sonderbeauftragte Blondin Beye bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz über der Elfenbeinküste im Juni 1998 ums Leben kam.

Im September 1998 wurde von führenden UNITA-Politikern in Luanda ein Erneuerungskomitee unter dem ehemaligen Generalsekretär Eugenio Manuvakola gegründet. Der damalige Fraktionschef Abel Chivukuvuku und 53 weitere Abgeordnete distanzierten sich zwar ebenfalls von Savimbi, weigerten sich jedoch, Manuvakola als Parteivorsitzenden anzuerkennen. Die Spaltung der ‚zivilen’ UNITA und der Parlamentsfraktion in Luanda in einen ‚radikalen’ und einen ‚erneuerten’ Parteiflügel setzt sich bis heute fort. Die MPLA erkannte die sog. UNITA renovada kurz darauf als offizielle Vertragspartnerin des Lusaka-Protokolls an und nahm Umbesetzungen der Ministerposten der UNITA vor. Savimbi wurde der besondere Status durch das Parlament entzogen. Staatspräsident dos Santos proklamierte im Dezember 1998 die Rückkehr zum Krieg und die totale Isolation Savimbis. Seither herrscht in Angola der ‚vierte Krieg’.

Die Vereinten Nationen hatten dieser Entwicklung nichts entgegen zu setzen: Trotz der offensichtlichen Brüchigkeit des Friedens und deutlicher Anzeichen einer Wiederaufrüstung beider Seiten, fuhren die VN ihr Engagement in Angola zurück: UNAVEM III wurde im Juni 1998 für abgeschlossen erklärt, und die Nachfolgemission MONUA konnte nur noch den Übergang von einem brüchigen Scheinfrieden zum Krieg beobachten. Sie zog ihre 1000 Blauhelme auf Wunsch der Regierung im Februar 1999 aus Angola ab und unterhält seitdem nur noch ein Büro mit 30 Menschenrechts- und politischen Beobachtern.

Beide Friedensabkommen litten auch unter dem Ausschluss anderer gesellschaftlicher Kräfte bei der Befriedung des Landes. Weder bei den Verhandlungen noch bei der Implementierung des Friedensprozesses wurde den wenigen zivilen Akteuren, wie den Kirchen, eine Beteiligung eingeräumt. Verstöße gegen die militärischen Vereinbarungen sowie Menschenrechtsverletzungen wurden von den Vereinten Nationen nicht öffentlich gemacht, was ein Monitoring erschwerte und das Vertrauen in den Friedensprozess seitens der Bevölkerung unterminierte.

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Das veränderte regionale und internationale Umfeld

Während der Rückzug der kubanischen Truppen Anfang der neunziger Jahre zu einer deutlichen Schwächung der militärischen Schlagkraft des angolanischen Regimes und zu einer Verschärfung der Kriegsaktivitäten führte, veränderte sich das regionale Gleichgewicht im Laufe der neunziger Jahre zugunsten der MPLA. Mit der Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1989 und der endgültigen Abschaffung der Apartheid in Südafrika 1994 bestehen offiziell freundschaftliche Beziehungen zu den südlichen Nachbarn. Gewisse Rivalitäten mit Südafrika, etwa beim Konflikt in der Region der großen Seen, sind weiter zu beobachten. Auch werden in der regierungsnahen Presse zuweilen Vermutungen über heimliche Sympathien bzw. eine fortgesetzte Unterstützung der UNITA durch die südafrikanischen Streitkräfte angestellt.

Neben dem Anspruch, im zentralen und südlichen Afrika als Ordnungsmacht aufzutreten, ist das Hauptziel der angolanischen Regierung, die Rückzugspositionen und Transportwege der UNITA in den Nachbarländern zu eliminieren. Die Politik der Regierungsarmee, die UNITA-Rebellen auch auf dem Territorium der Nachbarstaaten Namibia und Sambia zu verfolgen – im Falle Namibias mit, im Falle Sambias ohne offizielle Erlaubnis – birgt die reale Gefahr einer regionalen Ausstrahlung des angolanischen Bürgerkriegs. Vor allem in Namibia wurden bereits zahlreiche Todesopfer und Menschenrechtsverletzungen registriert und beanstandet.

Der angolanische Konflikt ist eng mit dem Regionalkonflikt der großen Seen verflochten, wobei die angolanische Regierung das regionale Umfeld in Zentralafrika mehrfach zu ihren eigenen Gunsten aktiv ‚mitgestaltet’ hat. Seit dem Machtwechsel im ehemaligen Zaire (1997), den Angola militärisch unterstützte, bestehen gute Beziehungen zum nördlichen Nachbarn, die sich mit dem Generationswechsel von Laurent zu Joseph Kabila im Januar 2001 noch merklich verbessert haben. Angola, das in der DRK nach wie vor auf Seiten des Regimes mit 3 000 - 4 000 Soldaten engagiert ist, hat noch keinen Zeitpunkt zum Abzug seiner Truppen im Rahmen des kongolesischen Friedensabkommens genannt. Während zu den ebenfalls dort engagierten ‚Waffenbrüdern’ Zimbabwe und Namibia freundschaftliche Bande bestehen, hat auch eine von Angola forcierte Annäherung zu Sambia stattgefunden, die zu einer verbesserten Kontrolle der gemeinsamen Grenze geführt hat. Im Nachbarstaat Kongo Brazzaville herrscht seit 1997 ein befreundetes Regime, das mithilfe einer angolanischen Militärintervention an die Macht geputscht wurde, um den Rückzug der UNITA-Truppen aus der DRK zu verhindern.

Aufgrund der Verschiebung der regionalen Machtbalance hat die UNITA allerdings nach dem Prinzip ‚die Feinde meines Feindes sind meine Freunde’ in Ruanda, Uganda und den mit ihnen assoziierten kongolesischen Widerstandstruppen neue Kooperationsbeziehungen aufgebaut. Auch in Westafrika bestehen Sympathien fort, und die Auflösung des Ostblocks hat für eine neuen Proliferation von Waffenlieferanten wie Bulgarien, Ukraine und Weißrussland gesorgt. Gleichzeitig ist eine rigide Kontrolle der über 3 600 km langen Grenzen zur DRK und Sambia fast unmöglich. Die UNITA profitiert auch davon, dass die grenznahen Flüchtlingslager im benachbarten Ausland als Unterschlupf dienen können.

Sowohl die Organisation der Afrikanischen Einheit als auch die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) haben Savimbi als den Hauptverantwortlichen für den Wiederausbruch des Krieges in Angola verantwortlich gemacht. Die Staats- und Regierungschefs des Südlichen Afrika brandmarkten ihn formell als internationalen Kriegsverbrecher. Auch international hat die angolanische Regierung seit ihrer Legitimierung durch die Wahlen ihr Ansehen steigern und gleichzeitig die Isolation der UNITA erreichen können. Die Beziehungen zu den USA haben sich kontinuierlich verbessert, nachdem die Clinton-Administration erstmals im Jahr 1993 diplomatische Beziehungen zu Angola aufnahm.

Die Troika der Beobachterstaaten sowie die Vereinten Nationen geben Savimbi die Hauptschuld am Scheitern des Friedensprozesses und betonen die Bedeutung des Lusaka-Protokolls für eine endgültige Konfliktlösung. Mitte 1998 wurden nach dem 1993 ausgesprochenen Waffen- und Ölembargo sowie dem Verbot von Reisetätigkeit und der Schließung der Auslandsvertretungen auch noch ökonomische Sanktionen gegen die UNITA verhängt. Die Einhaltung der Sanktionen, die vor allem die Vermarktung von ‚Blutdiamanten’ verhindern sollen, überwacht ein Expertenteam der VN. Es wird geschätzt, dass die jährlichen Erlöse der UNITA aus dem illegalen Verkauf von Diamanten seit 1996 von US$ 700 Mio. auf US$ 130-300 Mio. zurückgegangen sind.

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Florierende Enklavenökonomie und De-Industrialisierung

Die Wirtschaftsstruktur Angolas ist nachhaltig durch die seit über 40 Jahren andauernden ‚vier angolanischen Kriege’ sowie durch die Jahre sozialistischer Planwirtschaft (1975-1990) geprägt. Trotz umfangreicher Erdölvorkommen und eines großen Entwicklungspotentials insbesondere in den Sektoren Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus ist das Pro-Kopf-BSP sehr niedrig (1998: US$ 841). Die strategische Bedeutung der Öleinnahmen für die Kriegswirtschaft sowie die sichere ‚offshore’-Lage der Ölfelder haben zur Herausbildung einer Enklavenökonomie und zur völligen Vernachlässigung der übrigen Wirtschaftszweige geführt. Während die Ölindustrie kontinuierlich wächst, verzeichnen die restlichen Sektoren zwischen 1990 und 1998 einen jährlichen Produktivitätsrückgang um 3,3 Prozent. Die Zerstörung der Infrastrukturen hat die nationale Produktion insbesondere im Landesinneren weitgehend zum Erliegen gebracht. Die Kosten für den Wiederaufbau der wichtigsten Infrastrukturen werden auf 15 Mrd. US$ geschätzt.

Der Krieg lässt Investitionen in die Nicht-Öl-Industrie als riskant oder als unrentabel erscheinen. Die schlechte Infrastruktur, der Mangel an zuverlässiger Strom- und Wasserversorgung, die prekäre Sicherheitslage und die häufig überalterte Technologie lassen die nationale Produktion kontinuierlich sinken. Auch sind oft Eigentumsverhältnisse wie der Privatbesitz an Grund und Boden nach wie vor ungeklärt.

Der Ölsektor liefert rund 92 Prozent der staatlichen Exporteinnahmen und macht damit 60 Prozent des Bruttosozialprodukts aus. Nach neuen Ölfunden geht man davon aus, dass die Produktion von derzeit 750 000 Barrel/Tag im nächsten Jahr auf 900 000 Barrel/Tag angehoben werden kann und Angola damit demnächst zum größten Ölexporteur des Kontinents aufsteigen wird. Die Ölförderung wird von 37 multinationalen Firmen, darunter ExxonMobil, Chevron, Texaco, TotalFinaElf, BP-Amoco und Shell in Kooperation mit der staatlichen Ölfirma SONANGOL betrieben. Dabei ist der Technologietransfer äußerst gering. Die angolanische Regierung erhält pro Förderabkommen einen Bonus, und SONANGOL ist prozentual an den Fördereinnahmen beteiligt. Getätigt werden die Ölförderung sowie das Gros der Zulieferungen jedoch durch ausländische Betriebe.

Daneben bringt der ‚legale’ Export von Diamanten unter Aufsicht der im Jahr 2000 gegründeten staatlichen Firma ASCORP mit ca. 7 Prozent der Regierung vergleichsweise wenig ein. Auch dieser Sektor lebt vorrangig von ausländischen Investoren aus Russland, Brasilien und Israel. Die Vermarktung ist staatliches Monopol, um den Handel mit 'Blutdiamanten' zu verhindern. Der Export aller anderen Produkte zusammengenommen in Höhe von einem Prozent ist zu vernachlässigen.

Äußerst problematisch ist, dass – mit Ausnahme von British Petrol, die als einzige Ölfirma eine Offenlegung der Bonuszahlungen und Investitionen angekündigt hat - weder die multinationalen Gesellschaften noch die Regierung einen transparenten Umgang mit den Transfers bzw. Einnahmen der Öl- und Diamantenproduktion pflegen. Ein erheblicher Teil der Öl-Gelder ist auf Jahre hinaus zur Absicherung teils kurzfristiger Waffen-Kredite verpfändet, andere werden nicht von SONANGOL registriert, sondern direkt in Waffenkäufe investiert oder versickern auf andere Art.

Stabilität und Wachstum der Ölproduktion sind naturgemäß für die ausländischen Investoren von großem Interesse, zumal die USA ca. 63 Prozent des angolanischen Öls aufkaufen. Die USA decken etwa 8-10 Prozent ihres Ölimports über Angola ab und wollen diesen Anteil in den nächsten Jahren auf 15 Prozent steigern.

Die Intransparenz erstreckt sich auch auf andere Wirtschaftsbereiche, da die Transformation von einer zentralistischen Planwirtschaft zu einer Marktökonomie nur halbherzig vollzogen wurde. Das Privatisierungsprogramm, das Anfang der neunziger Jahre in Angriff genommen wurde, hat bisher lediglich 100 kleinere Betriebe erfasst und in über zehn Jahren nur etwa US$ 100 Mio. Erlöse gebracht. Die geplante Privatisierung einiger Banken, Versicherungen und Telekommunikationsbetriebe geht nur zögerlich voran, und öffentliche Ausschreibungen waren bislang eher die Ausnahme. Gleichzeitig liegen nach wie vor die wichtigsten Wirtschaftszweige in der Hand des Staates (Öl, Diamanten). Die Wirtschaftspolitik ist gekennzeichnet durch einen - wenig koordinierten und selten sozial motivierten - Interventionismus. Dabei folgte in den letzten zehn Jahren ein wirtschaftliches Reformprogramm auf das nächste; die hatten freilich, wie Experten berechneten, eine durchschnittliche 'Lebenserwartung' von gerade 10,8 Monaten!

Jüngst hat die Regierung wieder ökonomische Reformen eingeleitet: tarifäre Handelshemmnisse, Zölle etc. wurden erheblich reduziert und bürokratische Vorgaben vereinfacht, auch wurde der Wechselkurs des Kwanza freigegeben und damit Spekulationsgeschäften - auch seitens Regierungsbeamter - Einhalt geboten. Weitere ernsthafte Schritte erhofft man sich nach wie vor von dem im März 2000 unterzeichneten Staff Monitored Program (SMP) mit dem Weltwährungsfonds (IWF), in dem sich die angolanische Regierung verpflichtet hatte, bis zum Jahresende 2000 verschiedene Reformen in die Wege zu leiten, um in den Genuss einer Poverty Reduction and Growth Facility zu kommen. Die wichtigsten Elemente des SMP bestehen aus einer Prüfung des gesamten Öl- und Diamantensektors sowie der Einbeziehung der Einnahmen dieser Sektoren in den offiziellen Staatshaushalt. Diese Maßnahmen sollten einhergehen mit der Revitalisierung anderer Wirtschaftssektoren, der Reform des Zollwesens, der Diversifizierung und Ausweitung der Steuerbasis sowie einer massiven Erhöhung der staatlichen Sozialausgaben.

Anfänglichem Optimismus ist aber auch hier Skepsis gewichen, nachdem wichtige makroökonomische Ziele bisher nicht erfüllt wurden, zum Beispiel die Inflation der Konsumentenpreise von 329 Prozent (1999) auf 120 Prozent zu senken (2000: 268%). Erhebliche Verstimmungen verursachte die wiederholte Kreditaufnahme der angolanischen Regierung bei ausländischen Banken in Höhe von je ca. US$ 500 Mio., die im ersten Halbjahr 2001 bekannt wurde. Beide Kredite wurden mit zukünftigen Öleinnahmen abgesichert, was eine eindeutige Verletzung der im SMP festgelegten Transparenzforderungen im Ölsektor darstellte. Auch konstatierte der IWF im August 2001, dass eine strengere Budgetdisziplin bei den öffentlichen Ausgaben unabdingbar sei und ‚dringender Handlungsbedarf’ zur Verbesserung der Produktion und Veröffentlichung der Regierungseinnahmen und –ausgaben bestehe. Schließlich haben Waffengeschäfte und Korruptionsskandale, die in jüngster Zeit öffentlich wurden, kaum zum Ansehen der angolanischen Regierung beigetragen. Das gilt vor allem für das – zumindest aus französischer Sicht - illegale Waffengeschäft mit dem internationalen Waffenhändler Pierre Falcone, das als ‚Angolagate’ bekannt wurde und in das neben der angolani-schen Regierung auch der Sohn des ehemaligen französischen Präsidenten Mitterand verwickelt ist. Dabei wurden über Frankreich Mitte der neunziger Jahre - also zur Zeit der Implementierung der Lusaka-Protokolls - Waffen im Wert von US$ 500 Mio. importiert.

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Soziale Kriegsfolgen: Poverty and Despair in the Midst of Plenty

Parallel zur Einleitung demokratischer Reformen führten die wirtschaftliche Liberalisierung, die Desintegration der ökonomischen und sozialen Infrastrukturen sowie die wachsende Bedeutung des militärischen Komplexes bei gleichzeitiger Abkoppelung des Ölsektors von der Nationalökonomie in den neunziger Jahren zu einer ungleichen Ressourcenverteilung und zu einer akzentuierten sozialen Stratifizierung. Die Widerspruch zwischen wirtschaftlichem Wachstum der Enklavenökonomie und sozialer Verelendung ist überall offenbar. Er lässt sich am Straßenbild Luandas und anderer angolanischer Städte ablesen oder auch in Zahlen ausdrücken. So zeigt ein Vergleich zwischen ökonomischem und sozialem Ranking Angolas im Entwicklungsbericht der Vereinten Nationen diese Disparität: Nach dem BSP pro Kopf liegt das Land immerhin auf dem 126., bezüglich der Humanentwicklung erst auf dem 160. Platz. Während ca. 10 000 Angolaner im Ölsektor Arbeit finden, leben 68 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die Kindersterblichkeit ist die zweithöchste auf der Welt, und nur 31 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu Trinkwasser. Die Kriegsökonomie hat verheerende Auswirkungen auf die Menschen, Bildungs- und Gesundheitssysteme sind weitgehend zusammengebrochen. Die Analphabetenquote beträgt 58 Prozent und ca. 3,8 Mio. Menschen, also ein Drittel der Bevölkerung, gelten als intern vertrieben. Als Konsequenz des Krieges ist – auch im afrikanischen Vergleich - eine rasche Urbanisierung zu verzeichnen. Etwa die Hälfte der auf 12 Mio. Einwohner geschätzten angolanischen Bevölkerung lebt in den Städten. So hat sich allein in der Hauptstadt Luanda in zehn Jahren die Einwohnerzahl auf 3, 5 Mio. verdoppelt. Gleichzeitig ist der informelle Sektor in den Städten geradezu explodiert. In Luanda machen die im formellen Sektor Beschäftigten gerade einmal 37% der arbeitenden Bevölkerung aus.

Problematisch ist nicht nur die Existenz der direkten und indirekten Kriegsfolgen als solche sondern vor allem die Tatsache, dass diese nicht durch eine umfassende Sozialpolitik und konsequente Armutsbekämpfung abgefedert werden. Dies gilt für den Umgang mit der ungeplanten Urbanisierung ebenso wie für die grundlegenden sozialen Dienstleistungen auf nationaler Ebene und für die Bereitstellung von humanitärer Hilfe. So wurde erst kürzlich in Luanda ein großes Umsiedlungsprojekt einer Armensiedlung in Angriff genommen, in dessen Rahmen rund 12 000 Familien aus dem zentral gelegenen Stadtteil Boavista in ein 30 km entferntes Siedlungsgebiet umquartiert werden. Abgesehen davon, dass dort weder eine soziale Infrastruktur mit Schulen oder Gesundheitsposten existieren noch adäquate Wohnmöglichkeiten, wurden die Menschen von ihrer Arbeit - auf dem größten informellen Markt der Stadt und des Kontinents Handel zu treiben - isoliert. Während die ehemaligen Behausungen der Bewohner von Boavista von der Provinzregierung abgerissen werden, wird das Terrain mit Blick auf die Bucht Luandas im Internet für die Entwicklung eines hochmodernen Appartment-Komplexes beworben. Neben unmittelbarem sozialen Sprengstoff birgt die kriegsbedingte Urbanisierung aber auch Chancen gesellschaftlicher Mobilisierung. So hat gerade der Fall Boavista, der als spektakulärer, aber durchaus charakteristischer Einzelfall gelten kann, zu sozialen Protesten und zur Solidarisierung zahlreicher Menschenrechtsgruppen mit den Bewohnern geführt.

Auf der Makroebene spiegeln sich der Mangel an sozialer Sensibilität sowie eine unangemessene Prioritätensetzung angesichts der verheerenden sozialen und humanitären Lage des Landes in der Verteilung des Staatshaushaltes wider. Im Jahr 1999 wurden 41% des Budgets für innere Sicherheit und Militär ausgegeben, die Sozialausgaben für Bildung und Gesundheit lagen gerade einmal bei 7,6 Prozent. Und während die Regierung im Jahr 2000 US$ 1,2 Mrd. für den Verteidigungshaushalt bereitstellte, erhielt Angola im selben Jahr humanitäre Hilfeleistungen aus dem Ausland von US$ 140 Mio.

Dabei entsteht der Eindruck, dass die internationale Hilfe die angolanische Regierung von ihrer Verantwortung in den sozialen Bereichen weitgehend entbindet und ihr den Rücken freihält, um mit den eigenen Ressourcen den Krieg weiter zu finanzieren. Dieser Eindruck verstärkt sich auch durch Meldungen über Missmanagement bei der Verteilung von humanitären Hilfsgütern seitens der Provinzverwaltungen und unzureichender Hilfestellung für humanitäre Organisationen, wie die Bereitstellung von Flugbenzin oder die Instandhaltung von Landepisten in den Provinzen.

Gleichzeitig ist die Menschenrechtslage in Angola kritisch. Die Liste der Menschenrechtsverstöße reicht von illegalen Verhaftungen und Freiheitsentzug, Gewaltanwendung und Folter, über die Einschränkung der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit. Das völlig überlastete und kaum funktionsfähige Rechtssystem und die Unkenntnis der Bevölkerung über ihre Rechte verhindern eine rasche Verbesserung der Menschenrechtslage. Das internationale Völkerrecht wird von beiden kriegsführenden Parteien verletzt. Sowohl die UNITA als auch die Regierungsarmee verlegen weiterhin Landminen. Die UNITA verfolgt seit 1999 eine Guerilla-Strategie, die vor allem die Zivilbevölkerung trifft. Es gibt aber auch vermehrt Berichte über die Zwangsvertreibung großer Bevölkerungsgruppen durch die Regierungsarmee mit dem Ziel, die UNITA von der Versorgung mit Lebensmitteln abzuschneiden, sowie über die Zwangsrücksiedlung Vertriebener in unsichere Gebiete seitens der staatlichen Verwaltung.

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Krieg schließen oder Frieden treiben?

Nach der Eroberung der UNITA-Hochburgen Andulo und Bailundo durch die Regierungsarmee Ende 1999 und aufgrund der allmählich einsetzenden Wirkung der Sanktionen des VN-Sicherheitsrates ist die militärische Schlagkraft der UNITA inzwischen gering. Nach Angaben der staatlichen Medien verlor sie alle Schürfmöglichkeiten in den Diamantengebieten. Zugleich hat die Verschärfung der Kommerzialisierungs- und Lizenzierungsrichtlinien für Diamanten die Einkünfte der UNITA deutlich reduziert. Allerdings gibt es Berichte, die der UNITA nach wie vor einen erheblichen Diamantenumsatz mit informellen Diamantenschürfern in Angola und in den Nachbarländern bescheinigen und die Auswirkungen der Sanktionen als eher gering einschätzen.

Offizielle Angaben, dass sich 90 Prozent des nationalen Territoriums unter Kontrolle der angolanischen Armee befinden, müssen stark bezweifelt werden. Obwohl die UNITA die Kontrolle über alle städtischen Zentren verloren hat und nur noch ca. 5-10 Prozent des Territoriums okkupiert, erscheint die Hoffung auf ein rasches Kriegsende durch militärische Mittel mehr als zweifelhaft. Denn ein Großteil des Territoriums ist militärisches Niemandsland, das jederzeit von Anschlägen der UNITA heimgesucht werden kann. Die Guerilla ist offensichtlich auch nach dem Übergang zu 'low intensity warfare' in der Lage, im ‚Herzland der MPLA’, d.h. an der Küste und in der Nähe der Hauptstadt wichtige Infrastrukturen durch Angriffe kleiner Einheiten und die Neuverlegung von Landminen lahm zu legen.

Die militärische Strategie der Regierung scheint nicht aufgehen zu wollen, und die Vision von einem schnellen Ende des Krieges ist einer weitgehenden Desillusionierung gewichen. Da aber sowohl die wirtschaftlichen und sozialen als auch die politischen Reformen weitgehend vom Frieden - zumindest jedoch von einer gewissen Stabilität und Sicherheit - abhängig sind, dreht sich die angolanische Diskussion in einem Teufelskreis: Die Belebung der Nicht-Öl-Sektoren der Nationalwirtschaft, eine nachhaltige Sozialpolitik und Armutsbekämpfung, die Verfassungsreform, die Einführung der kommunalen Selbstverwaltung und die Abhaltung von Wahlen stehen unter dem Friedensvorbehalt. So sehen die meisten Oppositionsparteien und große Teile der Zivilgesellschaft die Suche nach einer verhandelten Friedenslösung als unabdingbare Voraussetzung für die weitere Demokratisierung und Entwicklung des Landes.

Parallel zu einer deutlichen Erhöhung des militärischen Drucks im ersten Halbjahr 2001 begann ab Februar auf der politischen Bühne ein Reigen zahlreicher Einzelinitiativen und Verlautbarungen seitens der Vereinten Nationen, der Regierung, des Parlaments, einiger zivilgesellschaftlicher Gruppen und der Kirchen sowie - erstmals seit 18 Monaten - auch der ’militaristischen UNITA’ unter Jonas Savimbi, der den Eindruck eines ‚Wettlaufs’ um die Protagonistenrolle im Friedensprozess entstehen ließ und Spekulationen über neue Friedensgespräche zwischen der militaristischen UNITA und der MPLA Vorschub leistete. Dabei war das Lusakaabkommen der wesentliche Referenzpunkt, an dem sich strittige Fragen oder Verhandlungsalternativen festmachten. Spitzfindig unterschieden sich die Positionen darin, ob es um ‚neue Verhandlungen’ oder um die Umsetzung oder nur um einen ‚Dialog über die Umsetzung des Lusaka-Protokolls’ gehen solle.

Diese Debatten entpuppen sich freilich als Scheingefecht. Wie eine Implementierung des Lusaka-Protokolls unter den heutigen Gegebenheiten zu bewerkstelligen wäre, ist auch für den Fall ungeklärt, dass sich Savimbi plötzlich voll zu diesem Vertragswerk bekennen würde: Da weder die von der UNITA kontrollierten Gebiete noch die Truppenstärke mit denen von 1994 übereinstimmen dürften, müsste die Ausweitung der staatlichen Verwaltung und die Demobilisierung von Grund auf geregelt werden. Auch der Zeitplan müsste neu vereinbart werden, ebenso die Überwachung des Prozesses seitens der Vereinten Nationen. Es ist zudem äußerst fraglich, inwieweit es heute Sinn hätte, einige politische Aspekte des Lusaka-Protokolls umzusetzen, wie etwa die seit neun Jahren überfällige Stichwahl für das Amt des Staatspräsidenten. Problematisch ist ebenfalls, dass sich die militaristische UNITA seit der Abspaltung der renovada weder in der ‚Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung’ noch in der Armee oder Polizei vertreten sieht. Eine gewisse rhetorische Annäherung zeigt sich neuerdings in der Frage des Waffenstillstands. Dabei räumte Innenminister Nandó Anfang Oktober ein, dass ein Waffenstillstand im Grunde immer bilateraler Natur sein müsse, dass Savimbi aber zuerst sagen solle, wie er sich die Umsetzung des Lusaka-Protokolls denke und wann er mit dem Krieg aufhören wolle. Dies könne im ‚Dialog’ geschehen, Friedensverhandlungen seien aber ausgeschlossen.

Die Entstehung einer dynamischen zivilgesellschaftlichen Friedensbewegung unter Federführung des ökumenischen Komitees für Frieden in Angola (COIEPA), die seit gut zwei Jahren kontinuierlich an Raum gewinnt, lässt die vorsichtige Hoffnung aufkeimen, dass sich die verfestigten Fronten aufweichen könnten. Obwohl sich die Bewegung als überparteilich versteht, unterhält sie enge Beziehungen zu konservativen Kreisen in Portugal und anderen europäischen Ländern sowie zum radikalen zivilen Flügel der UNITA und wird häufig als ‚einzige Opposition’ bezeichnet. Der Meinungsführer der COIEPA, Erzbischof Zacarias Kamuenho, verwehrt sich allerdings gegen diese ‚Anschuldigung’: Die Kirche könne nicht automatisch mit der Opposition gleichgesetzt werden, nur weil sie sich um eine friedliche Konfliktlösung bemühe, denn selbst hohe Militärs der Regierungsarmee würden zugeben, dass dieser Krieg mit militärischen Mitteln nicht zu gewinnen sei.

Die Friedensinitiativen der angolanischen Zivilgesellschaft, haben sich Ende September 2001 zu einem Netzwerk zusammengeschlossen und eine nationale Kampagne für einen sofortigen bilateralen Waffenstillstand ausgerufen. Die Entscheidung über Krieg und Frieden soll nicht mehr allein der kriegführenden Elite oder der internationalen Gemeinschaft überlassen werden. Gefordert wird eine genaue Analyse der bisherigen Vorschläge aller Seiten zur Beendigung des Krieges, einschließlich des Lusaka-Protokolls. Gleichzeitig versuchen die Kirchenführer und andere Vertreter des Netzwerks über internationale Lobbyarbeit bei der EU, den VN und im SADC-Raum sowie über Gesprächskontakte mit den kriegführenden Parteien das Feld für einen neuen ‚inklusiven Dialog’ vorzubereiten, der nicht von internationalen Vermittlern dominiert werden, sondern in nationaler Regie und unter Einbeziehung aller gesellschaftlicher Kräfte vonstatten gehen soll.

Mit der Ankündigung von Wahlen für das Jahr 2002 hat sich die MPLA jüngst selbst unter erheblichen Druck gesetzt. Auf Anfrage von Staatspräsident dos Santos im September 2001 wurde eine Mission der VN nach Angola entsandt, um die mögliche Unterstützung der Weltorganisation bei der Durchführung von Wahlen zu eruieren. Kurz zuvor hatte dos Santos dem Zentralkomitee der MPLA eröffnet, dass die Vorbereitung der Partei auf Wahlen im Jahr 2002 oder 2003 absolute Priorität genieße. Gleichzeitig kündigte der Parteichef seinen Verzicht auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur an.

Dabei stellt sich die Frage, ob die MPLA ein Wahlszenario unter ‚Kolumbien-Bedingungen’ anvisiert, oder ob sie lediglich ihre Bereitschaft zur demokratischen Erneuerung öffentlich unter Beweis stellen will, nur um dann unter Hinweis auf die ‚terroristischen Anschläge’ des Jonas Savimbi auf die Undurchführbarkeit von Wahlen verweisen zu können. Rein technisch und organisatorisch wäre eine Wählerregistrierung und eventuell auch die Abhaltung von Wahlen möglich, auch, weil der überwiegende Teil der Bevölkerung in die Städte geflüchtet ist oder sich in Vertriebenenlagern befindet. Politisch wären Wahlen unter Bewachung der Armee, eingeschränkter Bewegungs- Informations-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie aufgrund einer politischen Kultur des Misstrauens und der negativen Wahlerfahrungen der angolanischen Bevölkerung wohl eher eine Farce.

Die Oppositionsparteien sowie Teile der UNITA forderten bis vor kurzem noch die Einrichtung einer Übergangsregierung bis zur Abhaltung von Wahlen, um einem Wahlbetrug durch die MPLA vorzubeugen. Inzwischen haben sich einige Parteien davon distanziert und befürworten Wahlen unter derzeitigen Vorzeichen. Die Entsendung einer massiven Mission der Vereinten Nationen zur Wahlorganisation, über die einige Oppositionsvertreter laut nachdenken, käme einer Einschränkung der Souveränität gleich, die am Widerstand der MPLA und der mangelnden Bereitschaft der internationalen Staatengemeinschaft scheitern würde. Eine dritte Möglichkeit, um die Unparteilichkeit der Verwaltung zu garantieren sowie eine ‚Winner-takes-all’ Lösung zu vermeiden, wären Kommunalwahlen vor Wahlen auf nationaler Ebene. Dieses Szenario, für das es sowohl in der UNITA als auch in der MPLA Befürworter wie Gegner gibt, böte die Chance einer Demokratisierung ‚von unten’ sowie einer Entpolarisierung der Politik.

Trotz der Regierungserfolge auf internationaler Bühne und der totalen Diskreditierung des Rebellenchefs Savimbi scheint der Augenblick gekommen, ernsthaft über einen Strategiewandel in der MPLA nachzudenken. Nicht nur aufgrund des steigenden Drucks der Zivilgesellschaft auf eine verhandelte Lösung und im Kontext der Rückzugsankündigung von Präsident dos Santos werden unterschiedliche Strömungen innerhalb der Partei deutlich. Über den sozioökonomischen Kurs gibt es seit geraumer Zeit Divergenzen zwischen der Regierung und Teilen der MPLA, die für eine stärkere Korruptionsbekämpfung und eine engagierte sozial ausgerichtete Politik eintreten. Was den Friedensprozess angeht, weichen einige prominente MPLA-Politiker, wie die ehemaligen Premierminister Lopo de Nascimento und Marcolino Moco immer stärker vom militärischen Flügel der MPLA und ihrem Hardliner-Kurs ‚Frieden durch Krieg’ ab. Unabhängig von der Nachfolgefrage scheint in den privaten Medien die Hoffnung auf, ein Führungswechsel könne Veränderungen in der Regierungspolitik bezüglich des festgefahrenen Friedensprozesses bringen. Doch ohne Zweifel wird der Nachfolger dos Santos’ für die materielle und politische Zukunft wichtiger Personen der Armeeführung und des Sicherheitsapparates sorgen müssen, bevor in Angola Frieden und Demokratie eine echte Chance bekommen.

Dass die Wahlen nicht im Jahr 2002 stattfinden werden, ist so gut wie ausgemachte Sache.

Wichtiger als Wahlen in einem polarisierten und kriegszerrütteten Umfeld erscheinen momentan ohnehin massive Investitionen in die sozialen Sektoren, der Aufbau eines verlässlichen Rechtsstaates, eine konsequente Korruptionsbekämpfung und eine größere Transparenz im Umgang mit öffentlichen Geldern. Eine ‚Hearts-and Minds-Kampagne’ könnte unter Umständen sehr viel mehr zur Kriegsbeendigung beitragen als Wahlen, Amnestiegesetze und Sanktionen.

Gleichzeitig ist klar, dass es für diesen Konflikt letztlich keine militärische Lösung geben kann. Über kurz oder lang wird ein neuer Anlauf zur friedlichen Lösung initiiert werden müssen, unabhängig davon, ob dieser ‚neue Verhandlungen’ oder nur einen ‚Dialog über die Implementierung des Lusaka-Protokolls’ beinhaltet. Dabei muss auch in der militaristischen bzw. ‚radikalen’ UNITA endlich ein Generationswechsel stattfinden, wobei für den 67-jährigen Rebellenchef Savimbi ein Abgang ohne Gesichtsverlust ermöglicht werden muss.


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