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Zu hohe Steuern? Positionen und Argumente

Position 1:

Im Vergleich mit anderen Ländern werden die Unternehmen am Standort D mit zu hohen Steuern belastet.

Die Summe der ertragsabhängigen und ertragsunabhängigen Steuersätze ergibt in Deutschland eine höhere prozentuale Belastung von Unternehmenserträgen als in fast allen anderen Ländern. Dies schmälert die Rendite der hier produzierenden Unternehmen und hat zur Folge, daß sie

  • Marktanteile aufgeben (müssen),
  • weniger investieren (können),
  • den Standort D meiden.

Hinzu kommt, daß die Struktur der Besteuerung in Deutschland ungünstiger ist: ertragsunabhängige Steuern sind höher als in den meisten anderen Ländern.

Der heutigen Situation ging ein internationaler Steuersenkungswettlauf während der 80er Jahre voraus. Auch Deutschland reduzierte in diesem Zeitraum die steuerliche Belastung der Unternehmen - allerdings nicht in gleichem Maße wie andere wichtige Industrieländer. Außerdem stieg in Deutschland - bedingt durch die Probleme der Vereinigung - die effektive Steuerlast Anfang der 90er Jahre wieder.

Fazit: Die Steuerlast der Unternehmen muß verringert werden.

Position 2:

Deutschland ist kein Niedrigsteuerland, aber die Besteuerung der Unternehmen fällt im internationalen Vergleich nicht aus dem Rahmen.

Unterschiedliche Bemessungsgrundlagen und unterschiedliche Praktiken der Steuereintreibung führen zu effektiven Belastungen, die nur zu einem kleinen Teil durch die normalen Steuersätze geprägt werden. In Deutschland führen vielfältige Abschreibungssonderregelungen dazu, daß die durchschnittliche Steuerlast weit geringer ausfällt als es die Steuersätze anzeigen.

Die wenigen vergleichenden Untersuchungen, die zu diesem relativ komplexen Thema existieren, zeigen, daß sich Deutschland in steuerlicher Hinsicht heute am oberen Rand der internationalen Skala, dort aber durchaus in Gesellschaft auch anderer bedeutender Industrieländer, befindet. In den vier wichtigsten Branchen der deutschen Wirtschaft (Chemie, Maschinenbau, Autos, Elektrik/Elektronik) beträgt die Steuerlast auf den bereinigten Bilanzgewinn im Jahre 1994 30-35%. Ähnlich hoch ist sie in Frankreich (26-36%), Japan (23-35%) und Italien (27-36%). In Großbritannien (18-23%), USA (20-31%) und Schweden (12-19%) liegt sie deutlich niedriger.

Fazit: Die Steuerlast im Auge behalten, aber kein Grund zur Panik!

Position 3:

Die deutschen Steuern sind vergleichsweise hoch. Aber sie rechtfertigen sich durch die Qualität des Standort D.

Steuern sind nicht schlichtweg eine Belastung. Sie sind (a) die Miete für die Standortnutzung und (b) der Preis für die Dienste der „Standortverwaltung Staat". Vergleichsweise hohe Steuern lassen sich ohne Gewinneinbußen verkraften, wenn der Standort ansonsten Produktionsvoraussetzungen bietet, die höhere Gewinne als anderswo ermöglichen, sei es aufgrund überlegener Produktivität (mitbedingt z.B. durch kooperative Arbeitsbeziehungen), besonders guter Innovationsbedingungen oder besonders niedriger Arbeitskosten, Energiekosten, Umweltauflagen und ähnlichem. So können sich die hochentwickelten Hochproduktivitätsstandorte insgesamt eine höhere Unternehmensbesteuerung erlauben als Standorte mit schlechten Produktionsvoraussetzungen. Die vergleichsweise hohen deutschen Steuern sind, ähnlich wie die hohen Löhne, ein Teil der Rente, die dem Standort D aufgrund seiner „Stärke" zufließen.

Fazit: Entwarnung an der Steuerfront!

Position 4:

Der Standort D ist heute nicht mehr attraktiv genug, um hohe Steuern zu rechtfertigen.

Die Unternehmensbesteuerung in Deutschland ist zum realen, nicht nur von interessierter Lobby-Seite aufgebauschten, Standortproblem geworden, weil der Standort D in anderen Aspekten im internationalen Vergleich zurückgefallen ist. Alternativ gilt dies für

  • die hohen Lohnstückkosten, die selbst wiederum auf unterschiedliche Ursachen zurückführbar sind („explodierende" Lohnnebenkosten, starke DM, zunehmende Niedriglohnkonkurrenz) ;

  • den verlorenen Innovativitätsvorsprung und die somit abbröckelnde Basis für einen Hochkosten-Standort D.

So gesehen ist die Tatsache, daß die Unternehmensbesteuerung zum Problem geworden ist, nur ein Symptom für tieferliegende Schwächen des Standort D. Die Standortrente, die dem deutschen Staat bislang in Form von relativ hohen Steuern zufloß, wird heute nicht mehr voll erwirtschaftet. Ein Teil der Unternehmen kann sie nicht mehr aufbringen. Für Unternehmen freilich, die aufgrund ihrer Produktpalette Qualitäts- und Innovativitätsrenten erzielen, stellen hohe Steuern kein Rentabilitätsproblem dar.

Kurzfristig mag nichts anderes übrig bleiben, als die Steuern an die neuen Realitäten anzupassen. Aber langfristig käme das einer Kapitulation vor der eigentlichen Herausforderung gleich. Zumindest sollte der Spielraum für eine politische Prioritätenentscheidung zwischen hohen Steuern und anderen Formen, die Produktivitäts/Innovativitäts-Rente zu „sozialisieren", erhöht werden.

Fazit: Die Basis für hohe Unternehmenssteuern wieder herstellen!

Position 5;

Auch Unternehmen, die sich die hohen deutschen Steuern leisten können, haben heute billigere Standort-Optionen.

Die zunehmende Standortmobilität der Unternehmen macht es den Staaten immer schwerer, die Rente zu besteuern, die Unternehmen aus ihrer eigenen Leistungsstärke (und nicht der des Standortes) ableiten. Auch hochrentable und insofern durchaus hoch besteuerbare Unternehmen ziehen solche Standorte vor, die eine (noch) höhere Rentabilität ermöglichen.

Andererseits kann der Standort auch nicht mehr hoffen, daß sich Unternehmen an eine relativ hohe Steuerbelastung produktivitätsmäßig anpassen. Statt sich anzupassen, vermeiden sie den Standort.

Es ist zwar fraglich, ob die Mobilität der Unternehmen schon solche Dimensionen erreicht hat, daß Staaten nur noch das im „Club" der Industrieländer gängige Standardmaß an Besteuerung durchsetzen können, ohne einen Massenexodus der Unternehmen zu provozieren. In weiten Bereichen bringen Produktionsverlagerungen für Unternehmen immer noch erhebliche Kosten und auch dauerhafte Effizienzverluste mit sich. Die Belastbarkeit der heimischen Unternehmen zu testen, ist aber schon heute gefährlich und in Zukunft sicher noch mehr.

Fazit: Sinkender Spielraum für hohe Unternehmenssteuern!

Position 6:

Der Steuersenkungswettlauf kommt an sein Ende. Steuern verlieren als Standortfaktor an Bedeutung.

Viele Staatshaushalte können weitere Steuersenkungen kaum noch verkraften. Ihre Verschuldung hat das ökonomisch sinnvolle Maß bereits überschritten. Gleichzeitig nehmen die auf die Staaten zukommenden Ausgaben zu - sowohl im sozialen Bereich als auch bei der wirtschaftlichen Zukunftssicherung (Infrastruktur, Bildung, Umwelt). Andererseits stößt eine weitere Verlagerung der Steuerlast weg von den Unternehmen hin zu den Arbeitnehmereinkommen (vor allem durch erhöhte indirekte Steuern) nach der massiven Umverteilung der 80er Jahre heute in vielen Ländern auf starken politischen Widerstand. So gesehen wird der Konkurrenzdruck an der Steuerfront, an der Deutschland aufgrund der immensen vereinigungsbedingten Belastung des Staates besonders verwundbar ist, wohl nicht weiter zunehmen.

Fraglich ist auch, ob unsere Standort-Konkurrenten aus Privatisierungserlösen noch weitere Steuersenkungsrunden finanzieren und somit den Druck auf Deutschland erhöhen können.

Fazit: Es mag allenfalls noch einen Rest-Anpassungsbedarf an internationale Besteuerungsstandards geben, aber die zukünftigen Prioritäten der Standortpolitik liegen anderswo.

Position 7:

Unabhängig von ihrer Höhe fördern die deutschen Steuern wirtschaftliche Ineffizienz und schaden somit den Entwicklungsperspektiven des Standort D.

Die Struktur des deutschen Steuersystems ist in wichtigen Aspekten verzerrt und deshalb ineffizient.
Freiberufler zahlen keine Gewerbesteuer, Personengesellschaften werden geringer belastet als Kapitalgesellschaften, Eigenkapital wird stärker belastet als Fremdkapital, eine Reihe von absteigenden Industriezweigen wird explizit begünstigt und Investitionen werden steuerlich bestraft. Dadurch entstehen Allokationsver-zerrungen sowie Verzerrungen zwischen verschiedenen Wirtschaftszweigen. Verstärkt wird alles durch regional sehr unterschiedliche Hebesätze.

Die Verzerrungseffekte schaden dem Standort D nicht durch den unmittelbaren Vergleich mit attraktiveren Steuersystemen. Sie beeinträchtigen vielmehr auf lange Frist die Leistungsfähigkeit des Standortes und damit u.a. auch sein Steuererhebungspotential.

Fazit: Steuerliche Anreize für Ineffizienz eliminieren!


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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