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Wohnungspolitik im Dienste gesellschaftlicher Integration

Gesellschaftliche Integrationsdefizite begünstigen „asoziale" Verhaltensdispositionen. Wohnstrukturen reflektieren nicht nur gesellschaftliche Integration oder Desintegration, sie sind auch ein Hebel, über den gesellschaftliche Integration beeinflußt werden kann. Integrationsfördernde Wohnstrukturen sind deshalb ein wichtiger Aspekt der Wohnungspolitik. Im Vordergrund stehen dabei

  • das Zusammenleben unterschiedlicher Einkommensschichten,

  • das Zusammenleben von In- und Ausländern,

  • das Zusammenleben von Jung und Alt,

  • die Eingliederung von Personen/ Gruppen mit geringer „Sozialkompetenz",

  • gemeinschaftsfördernde" statt „anonymitätsbetonende" Wohnstrukturen.


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Desintegrationsfaktoren auf dem Wohnungsmarkt

  • Starkes Gefälle der Knappheitspreise zwischen Wohngegenden,

  • Räumliche Konzentration von Wohnungen gleicher Größe und Ausstattungsqualität,

  • Wegzug nachfragekräftiger Haushalte aus bestimmten Wohngebieten,

  • Diskriminierung bestimmter Gruppen durch Vermieter,

  • Präferenz von Minderheiten bzw. Altersgruppen für Nachbarschaft mit ihresgleichen,

  • Integrationsfeindliche Wohnbauten (z.B. großer Wohnblocks).


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A. Politik gegen den Desintegrationsfaktor „Gefälle der Knappheitspreise"

Die räumliche Trennung der sozialen Schichten wird unvermeidlich in dem Maße, wie die Bezieher relativ niedriger Einkommen durch flächendeckend wirksame hohe m2-Preise aus ganzen Wohnvierteln herausgedrängt werden. Diesem Effekt läßt sich mit fünf Strategien entgegenwirken.

  1. Die Subventionierung der Wohnkosten von Einkommensschwachen

    Alle, die dies beantragen, bekommen nach Maßgabe ihrer Bedürftigkeit Wohngeld in ausreichender Höhe, um auch teuere m2-Mieten zu bezahlen.

    Probleme: Ein Rechtsanspruch ohne Restriktionen hat unübersehbare finanzielle Konsequenzen. Eine Obergrenze für das Wohngeld macht die Strategie unwirksam, wenn die Preisunterschiede zwischen Wohngegenden zu hoch werden.

  2. Die Einstreuung billiger, weil subventionierter Wohnungen in teuere, weil hochbegehrte Wohngegenden bzw. auch Wohnanlagen

    Dies wurde durch den sozialen Wohnungsbau par excellence erreicht. Der Integrationseffekt gelang, weil der Zugang zu „Sozialwohnungen" nicht auf die untersten Einkommens schichten beschränkt war.

    Probleme: Sozialer Wohnungsbau für alle Bedürftigen ist nur dann möglich, wenn das Bedürftigkeitskriterium sehr eng definiert wird. Das schwächt aber den Integrationseffekt ab. Ein breites Bedürftigkeitskriterium hingegen schafft schwer legitimierbare Privilegien für eine Gruppe von glücklicherweise Auserwählten. Dem Dilemma kann man evtl. durch eine Staffelung der „Sozialwohnungs"-Mieten nach dem Einkommen der Mieter entgehen.

  3. Festsetzung von Mietobergrenzen

    Verdrängungskonkurrenz unter den Wohnungsnachfragern wird vermieden, wenn der Mieterhöhung enge Grenzen gesetzt sind. Tendenziell wird dann die bestehende Mieterstruktur konserviert, da Wegzug den Verlust eines Privileges bedeutet. Man würde nämlich auf ein Marktsegment mit ungünstigerem Preis-Leistungs-Verhältnis oder in eine Warteschlange verwiesen.

    Probleme: Diese Strategie läßt die Probleme neuer Wohnungssuchender außer Acht. Je nach dem, an welche Bedingungen die Mietobergrenze gebunden ist, läßt sie sich durch Investitionen der Vermieter in die Qualitätsverbesserung (Altbaumodernisierung, Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen) umgehen. Wird dies unterbunden, besteht die Gefahr, daß der allmähliche Qualitätsverfall der Wohnungen einkommensstärkere Mieter vertreibt und somit zur „Ghettobildung" führt.

  4. Die Bereitstellung von hinreichend viel Bauland dort, wo es nachgefragt wird

    Knappheitspreise für Wohnungen werden im wesentlichen durch die Knappheit an bebaubarem Boden bestimmt. Der Preisanstieg in begehrten Wohngegenden kann in dem Maße gebremst werden, wie zusätzliches Bauland bereitgestellt wird.

    Probleme: Die Strategie wird dort undurchführbar, wo es keine bebaubaren Grundstücksreserven mehr gibt, aber die Nachfrage seitens einkommensstarker Zuzügler steigt.

  5. Verminderung des Preisauftriebs in bestimmten Wohngebieten durch Erschließung nahegelegener zusätzlicher attraktiver Wohngebiete

    Wird das Angebot an attraktiven Wohnungen für relativ Einkommens starke innerhalb eines städtischen Einzugsgebietes insgesamt erhöht, wirkt deren Nachfrage weniger preistreibend in spezifischen attraktiven Wohngegenden (mit Ausnahme einiger Spitzenlagen). Dies läßt sich durch stadtplanerische Maßnahmen vorantreiben. Eine Politik, die auf eine beschleunigte Bereitstellung von Bauland zielt, schafft hierfür generell günstigere Vorbedingungen.



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B. Politik gegen den Desintegrationsfaktor „Räumliche Konzentration von Wohnungstypen"

Werden in einer Wohngegend nur Wohnungen mit gehobenem Wohnwert und entsprechendem Preis angeboten, bleiben die relativ Einkommensstarken unter sich. Analoges gilt für eine Konzentration von Wohnungen mit sehr niedrigem Wohnwert. Eine derartige Tendenz kann der bewußten Strategie großer Bauträger oder auch von Gemeinden entsprechen, kann sich aber auch aus Fehleinschätzungen ergeben. Ihr läßt sich grundsätzlich mit raumplanerischen Mitteln entgegenwirken. Die dem gesellschaftlichen Integrationsziel verpflichtete politische Instanz (dies ist oft nicht die an Exklusivität interessierte Gemeinde) müßte entsprechende Bebauungsvorgaben machen können. Auch die Umwandlung bestehender Wohnungen (z.B. Miet-in Eigentumswohnungen) wäre gegebenenfalls zu begrenzen.

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C. Politik gegen den Desintegrationsfaktor „Wegzug nachfragekräftiger Haushalte"

Soziale „Ghettobildung" kann sich dadurch ergeben, daß alle, die es sich leisten können, eine bestimmte Wohngegend oder bestimmte Wohnanlagen verlassen und nur noch die Einkommensschwachen übrigbleiben. Der Wegzug der relativ Einkommensstarken kann die Folge gestiegener Wohnansprüche sein. Er kann aber auch die Reaktion auf die Degradierung einer bestimmten Wohngegend, z.B. aufgrund des vermehrten Zuzugs unerwünschter Nachbarn oder des Wohnungsverfalls mangels Renovierung, sein. Integrationsorientierte Wohnungspolitik muß sich auf die Werterhaltung bzw. die Wertsteigerung betroffener Wohngegenden bzw. -anlagen richten. Folgende Ansätze sind möglich:

  1. Förderung wohnwertsteigernder Modernisierungsmaßnahmen bei Wohnungen und Wohnumfeld

    Dies kann eine Anpassung der Wohnungssubstanz an gestiegene Ansprüche bewirken, stößt aber da an Grenzen, wo die Gesamtkonzeption von Wohnanlagen auf Ablehnung stößt (z.B. große Wohnblocks).

  2. Beseitigung von Modernisierungsblockaden durch Zulassung höherer Mieten

    Wirkt dort, wo Modernisierung unterlassen wird, weil sie sich für Vermieter aufgrund niedriger Mietobergrenzen nicht rechnet.

    Probleme: Gefahr, daß einkommensschwache Mieter aus den modernisierten Objekten verdrängt werden. Dies ist zum einen eine Frage des Ausmaßes zugelassener Mieterhöhungen. Zum anderen kann der Verdrängungseffekt evtl. durch Wohngeld für Einkommensschwache abgeschwächt werden.

  3. Vermeidung von Verdrängungseffekten aus teuren Wohngegenden, um massiven Zuzug von sozialschwachen Mietern in verbleibende preisgünstige Quartiere zu verhindern

    Siehe hierzu die auf Desintegrationsfaktor A und B gerichteten Politiken.

  4. Bewußter Einsatz des Instrumentes „Belegungsrechte", um auf Ablehnung stoßende Mieter möglichst breit gestreut unterzubringen

    Die Belegungsrechte wären so zu dosieren, daß die Toleranzgrenzen der übrigen Mieter nicht überschritten werden. Dies hilft natürlich nicht, wo es zu „spontanen", nicht über Belegungsrechte vermittelten Zuzugsbewegungen kommt (etwa aufgrund von Preiseffekten).

  5. Begleitende Werbe- und Betreuungsmaßnahmen, um die Toleranz der Nachbarn für neu hinzuziehende „Problemhaushalte" zu erhöhen

    Werden „Problemhaushalte" bewußt in intakte Wohnquartiere eingestreut, käme es darauf an, bei den „Alteingesessenen" Ängste abzubauen und eine weniger ablehnende Grundeinstellung gegenüber den neuen Nachbarn herzustellen, sowie bei letzteren die Bereitschaft und Fähigkeit zur Integration zu stärken. Wohnungspolitik ist hier auf die Mitwirkung der Sozialpolitik angewiesen.

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    D. Politik gegen den Desintegrationsfaktor „Diskriminierung"

    Bei allgemeiner Wohnungsknappheit können unerwünschte Mieter durch diskriminierende Wohnungsvergabe seitens der Vermieter aus bestimmten Wohnquartieren herausgehalten und in andere abgedrängt werden, wo sie sich dann konzentrieren. Derartige Diskriminierung kann sich auf bestimmte soziale Schichten, auf Ausländergruppen, auf „Alternative" oder auch auf Kinderreiche richten. Dem kann die Politik entgegenwirken, indem sie die Vergabeentscheidung an sich zieht - durch

    • Belegungsrechte,

    • Wohnungsbauförderung (die man an Konditionen binden kann),

    • staatliche Teilhabe an Wohnungsbaugesellschaften.


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    E. Politik gegen den Desintegrationsfaktor „Segregationspräferenz"

    Wenn gesellschaftliche Gruppen, wie etwa Zuwanderer bestimmter Nationalitäten, oder Angehörige subkultureller „Szenen", bevorzugt in der Nachbarschaft mit ihresgleichen wohnen, läuft dies dem Integrationsideal zuwider. Mit wohnungspolitischen Maßnahmen läßt sich dem aber nicht sinnvoll entgegenhalten.

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    F. Politik gegen den Desintegrationsfaktor „integrationsfeindliche Wohnbauten"

    Große vielgeschossige Wohnbauten sind nachbarschaftlichen Beziehungen weniger förderlich als kleine überschaubare. Sie bestärken auch Verhaltensdispositionen zur Rücksichtslosigkeit gegenüber Gemeinschaftseinrichtungen und -belangen. Die Zuschnitte vieler Wohnungen erschweren das Zusammenleben mehrerer Generationen auch dort, wo es prinzipiell gewollt wird (z.B. „Kinderzimmer" mit Minimalfläche). Derartige Integrationsinteressen werden im Wohnungsangebot zum Teil deshalb wenig berücksichtigt, weil sie sich kaum in zahlungskräftiger Nachfrage niederschlagen. Die Politik kann hier gegenlenken mit

    • gezielter Förderung integrationsfreundlicher Bauvorhaben,

    • der Sensibilisierung des Marktes durch Modellprojekte.

    © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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