FES | ||
|
|
TEILDOKUMENT:
Wohnungspolitik im Dienste gesellschaftlicher Integration Gesellschaftliche Integrationsdefizite begünstigen asoziale" Verhaltensdispositionen. Wohnstrukturen reflektieren nicht nur gesellschaftliche Integration oder Desintegration, sie sind auch ein Hebel, über den gesellschaftliche Integration beeinflußt werden kann. Integrationsfördernde Wohnstrukturen sind deshalb ein wichtiger Aspekt der Wohnungspolitik. Im Vordergrund stehen dabei
Desintegrationsfaktoren auf dem Wohnungsmarkt
A. Politik gegen den Desintegrationsfaktor Gefälle der Knappheitspreise" Die räumliche Trennung der sozialen Schichten wird unvermeidlich in dem Maße, wie die Bezieher relativ niedriger Einkommen durch flächendeckend wirksame hohe m2-Preise aus ganzen Wohnvierteln herausgedrängt werden. Diesem Effekt läßt sich mit fünf Strategien entgegenwirken.
Alle, die dies beantragen, bekommen nach Maßgabe ihrer Bedürftigkeit Wohngeld in ausreichender Höhe, um auch teuere m2-Mieten zu bezahlen. Probleme: Ein Rechtsanspruch ohne Restriktionen hat unübersehbare finanzielle Konsequenzen. Eine Obergrenze für das Wohngeld macht die Strategie unwirksam, wenn die Preisunterschiede zwischen Wohngegenden zu hoch werden. Dies wurde durch den sozialen Wohnungsbau par excellence erreicht. Der Integrationseffekt gelang, weil der Zugang zu Sozialwohnungen" nicht auf die untersten Einkommens schichten beschränkt war. Probleme: Sozialer Wohnungsbau für alle Bedürftigen ist nur dann möglich, wenn das Bedürftigkeitskriterium sehr eng definiert wird. Das schwächt aber den Integrationseffekt ab. Ein breites Bedürftigkeitskriterium hingegen schafft schwer legitimierbare Privilegien für eine Gruppe von glücklicherweise Auserwählten. Dem Dilemma kann man evtl. durch eine Staffelung der Sozialwohnungs"-Mieten nach dem Einkommen der Mieter entgehen. Verdrängungskonkurrenz unter den Wohnungsnachfragern wird vermieden, wenn der Mieterhöhung enge Grenzen gesetzt sind. Tendenziell wird dann die bestehende Mieterstruktur konserviert, da Wegzug den Verlust eines Privileges bedeutet. Man würde nämlich auf ein Marktsegment mit ungünstigerem Preis-Leistungs-Verhältnis oder in eine Warteschlange verwiesen. Probleme: Diese Strategie läßt die Probleme neuer Wohnungssuchender außer Acht. Je nach dem, an welche Bedingungen die Mietobergrenze gebunden ist, läßt sie sich durch Investitionen der Vermieter in die Qualitätsverbesserung (Altbaumodernisierung, Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen) umgehen. Wird dies unterbunden, besteht die Gefahr, daß der allmähliche Qualitätsverfall der Wohnungen einkommensstärkere Mieter vertreibt und somit zur Ghettobildung" führt. Knappheitspreise für Wohnungen werden im wesentlichen durch die Knappheit an bebaubarem Boden bestimmt. Der Preisanstieg in begehrten Wohngegenden kann in dem Maße gebremst werden, wie zusätzliches Bauland bereitgestellt wird. Probleme: Die Strategie wird dort undurchführbar, wo es keine bebaubaren Grundstücksreserven mehr gibt, aber die Nachfrage seitens einkommensstarker Zuzügler steigt. Wird das Angebot an attraktiven Wohnungen für relativ Einkommens starke innerhalb eines städtischen Einzugsgebietes insgesamt erhöht, wirkt deren Nachfrage weniger preistreibend in spezifischen attraktiven Wohngegenden (mit Ausnahme einiger Spitzenlagen). Dies läßt sich durch stadtplanerische Maßnahmen vorantreiben. Eine Politik, die auf eine beschleunigte Bereitstellung von Bauland zielt, schafft hierfür generell günstigere Vorbedingungen. B. Politik gegen den Desintegrationsfaktor Räumliche Konzentration von Wohnungstypen" Werden in einer Wohngegend nur Wohnungen mit gehobenem Wohnwert und entsprechendem Preis angeboten, bleiben die relativ Einkommensstarken unter sich. Analoges gilt für eine Konzentration von Wohnungen mit sehr niedrigem Wohnwert. Eine derartige Tendenz kann der bewußten Strategie großer Bauträger oder auch von Gemeinden entsprechen, kann sich aber auch aus Fehleinschätzungen ergeben. Ihr läßt sich grundsätzlich mit raumplanerischen Mitteln entgegenwirken. Die dem gesellschaftlichen Integrationsziel verpflichtete politische Instanz (dies ist oft nicht die an Exklusivität interessierte Gemeinde) müßte entsprechende Bebauungsvorgaben machen können. Auch die Umwandlung bestehender Wohnungen (z.B. Miet-in Eigentumswohnungen) wäre gegebenenfalls zu begrenzen.
C. Politik gegen den Desintegrationsfaktor Wegzug nachfragekräftiger Haushalte"
Soziale Ghettobildung" kann sich dadurch ergeben, daß alle, die es sich leisten können, eine bestimmte Wohngegend oder bestimmte Wohnanlagen verlassen und nur noch die Einkommensschwachen übrigbleiben. Der Wegzug der relativ Einkommensstarken kann die Folge gestiegener Wohnansprüche sein. Er kann aber auch die Reaktion auf die Degradierung einer bestimmten Wohngegend, z.B. aufgrund des vermehrten Zuzugs unerwünschter Nachbarn oder des Wohnungsverfalls mangels Renovierung, sein. Integrationsorientierte Wohnungspolitik muß sich auf die Werterhaltung bzw. die Wertsteigerung betroffener Wohngegenden bzw. -anlagen richten. Folgende Ansätze sind möglich:
Dies kann eine Anpassung der Wohnungssubstanz an gestiegene Ansprüche bewirken, stößt aber da an Grenzen, wo die Gesamtkonzeption von Wohnanlagen auf Ablehnung stößt (z.B. große Wohnblocks). Wirkt dort, wo Modernisierung unterlassen wird, weil sie sich für Vermieter aufgrund niedriger Mietobergrenzen nicht rechnet. Probleme: Gefahr, daß einkommensschwache Mieter aus den modernisierten Objekten verdrängt werden. Dies ist zum einen eine Frage des Ausmaßes zugelassener Mieterhöhungen. Zum anderen kann der Verdrängungseffekt evtl. durch Wohngeld für Einkommensschwache abgeschwächt werden. Siehe hierzu die auf Desintegrationsfaktor A und B gerichteten Politiken. Die Belegungsrechte wären so zu dosieren, daß die Toleranzgrenzen der übrigen Mieter nicht überschritten werden. Dies hilft natürlich nicht, wo es zu spontanen", nicht über Belegungsrechte vermittelten Zuzugsbewegungen kommt (etwa aufgrund von Preiseffekten). Werden Problemhaushalte" bewußt in intakte Wohnquartiere eingestreut, käme es darauf an, bei den Alteingesessenen" Ängste abzubauen und eine weniger ablehnende Grundeinstellung gegenüber den neuen Nachbarn herzustellen, sowie bei letzteren die Bereitschaft und Fähigkeit zur Integration zu stärken. Wohnungspolitik ist hier auf die Mitwirkung der Sozialpolitik angewiesen.
D. Politik gegen den Desintegrationsfaktor Diskriminierung"
Bei allgemeiner Wohnungsknappheit können unerwünschte Mieter durch diskriminierende Wohnungsvergabe seitens der Vermieter aus bestimmten Wohnquartieren herausgehalten und in andere abgedrängt werden, wo sie sich dann konzentrieren. Derartige Diskriminierung kann sich auf bestimmte soziale Schichten, auf Ausländergruppen, auf Alternative" oder auch auf Kinderreiche richten. Dem kann die Politik entgegenwirken, indem sie die Vergabeentscheidung an sich zieht - durch E. Politik gegen den Desintegrationsfaktor Segregationspräferenz" Wenn gesellschaftliche Gruppen, wie etwa Zuwanderer bestimmter Nationalitäten, oder Angehörige subkultureller Szenen", bevorzugt in der Nachbarschaft mit ihresgleichen wohnen, läuft dies dem Integrationsideal zuwider. Mit wohnungspolitischen Maßnahmen läßt sich dem aber nicht sinnvoll entgegenhalten.
F. Politik gegen den Desintegrationsfaktor integrationsfeindliche Wohnbauten"
Große vielgeschossige Wohnbauten sind nachbarschaftlichen Beziehungen weniger förderlich als kleine überschaubare. Sie bestärken auch Verhaltensdispositionen zur Rücksichtslosigkeit gegenüber Gemeinschaftseinrichtungen und -belangen. Die Zuschnitte vieler Wohnungen erschweren das Zusammenleben mehrerer Generationen auch dort, wo es prinzipiell gewollt wird (z.B. Kinderzimmer" mit Minimalfläche). Derartige Integrationsinteressen werden im Wohnungsangebot zum Teil deshalb wenig berücksichtigt, weil sie sich kaum in zahlungskräftiger Nachfrage niederschlagen. Die Politik kann hier gegenlenken mit © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999 |