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TEILDOKUMENT:
Wie förderungswürdig ist die Modernisierung des Wohnungsbestands? Position 1: Modernisierung hat nachgeordnete Priorität. Sie schafft keinen zusätzlichen Wohnraum, dient aber ebenso wie der Neubau der Vermögensbildung und -sicherung. Auf den Punkt gebracht: Neubauförderung dient zwei zentralen wohnungspolitischen Zielen, Modernisierungsförderung nur einem. Wohnungsneubau hilft Wohnungsnot mildern. Gleichzeitig entsteht Eigentum, dessen Bildung bei breiten Bevölkerungsschichten förderungswürdig ist. Modernisierung von Wohnraum kann - durch Wertsteigerung - ebenfalls zusätzliches Eigentum bilden oder auch drohenden Wertverfall einer Immobilie und damit Eigentumsverlust abwenden. In diesem Sinne ist auch sie förderungswürdig. Aber sie trägt nicht zum Abbau von Wohnraumknappheit bei. Dort, wo Wohnraum knapp ist, darf Modernisierung deshalb nur nachrangig, d.h. in deutlich geringerem Maße als der Neubau, gefördert werden, zumal Modernisierungsinvestitionen mit Neubauinvestitionen um knappe Investitionsmittel konkurrieren. Position 2: Modernisierung ist ebenso förderungswürdig wie Neubau; denn auch sie erhöht das Angebot an qualitativ angemessenem Wohnraum. Modernisierung findet dort statt, wo vorhandener Wohnraum qualitativ nicht mehr angemessen ist - sei es in Bezug auf den Bauzustand, sei es in Bezug auf die Ausstattung der Wohnungen und Wohnbauten. Dieses Prinzip schließt nicht aus, bei der Förderpraxis zwischen zeitgemäßer Ausstattung und unnötigem Luxus zu unterscheiden. Position 3: Modernisierung ist ebenso förderungswürdig wie Neubau; denn heute ist breite Vermögensbildung der einzige sinnvolle Förderungszweck. Die zentrale Aufgabe der Wohnungspolitik ist heute nicht mehr die Vermehrung von Wohnraum. Dies schafft der Markt allein. Das weiterhin bestehende Problem der Wohnungsversorgung einkommensschwacher Haushalte sollte aber durch eine Subventionierung von deren Nachfragekraft (Subjektförderung) und nicht durch Objektförderung angegangen werden. Wenn Wohnungsbau weiterhin gefördert wird, dann sollte dies einzig mit der Zielsetzung der breiten Vermögensbildung geschehen. Im Rahmen dieser Zielsetzung aber ist die Unterscheidung zwischen Neubau und Modernisierung nicht gerechtfertigt. Position 4: Modernisierung ist ebenso förderungswürdig wie Neubau; denn sie hilft verhindern, daß sich bestimmte Wohnquartiere wegen des Wegzugs einkommensstärkerer Bewohner zu reinen Armenvierteln " entwickeln. Mit zunehmender Verbesserung der Wohnungsversorgung für Normalverdiener" steigt deren Neigung, in attraktivere Wohnungen umzuziehen, insbesondere in Einfamilienhäuser im Eigenbesitz. Diese Neigung wird verstärkt, wenn sich eine soziale Degradierung" des bisherigen Wohnquartiers andeutet. Fortschreitender Degradierung ganzer Wohnanlagen oder auch ganzer Wohnviertel/Straßenzüge läßt sich u.a. dadurch Einhalt gebieten, daß Wohnungen in den betreffenden Quartieren durch Modernisierung aufgewertet und für einkommensstarke Haushalte besonders attraktiv gemacht werden. Freilich ist eine flächendeckende Modernisierung zu vermeiden, die das ganze Quartier für einkommensschwächere Haushalte preislich unzugänglich macht. Position 5: Modernisierung ist nicht förderungswürdig, denn sie erhöht das Mietniveau im Wohnungsbestand und verringert die Zahl preiswerter Wohnungen für Einkommensschwache. Viele Wohnungen sind deshalb preiswert, weil sie aufgrund ihrer Ausstattung und ihres Zustandes relativ unattraktiv sind. Verbessert man Ausstattung und Zustand und macht die Wohnung somit für nachfragekräftigere Haushalte attraktiver, läßt sie sich teurer vermieten. Durch die Modernisierung wechselt die Wohnung in eine höhere Preisklasse über. Für Einkommensschwache wird sie gegebenenfalls unerschwinglich. Anders ausgedrückt: die Modernisierung setzt die Wohnungen von Einkommens schwachen erhöhter Nachfragekonkurrenz aus. Dieser Konkurrenz können einkommensschwache Haushalte vielfach nicht standhalten. Sie werden aus dem Markt gedrängt. Der Mangel an erschwinglichem Wohnraum wird verschärft. In den gehobenen Marktsegmenten hingegen senkt das durch die Modernisierung neu hinzukommende Angebot tendenziell das Preis- und Mietniveau zum Vorteil der Haushalte mit mittlerem und höherem Einkommen. Einwand: Dieses Problem ließe sich durch ein spezifisches Ausgleichswohngeld" in angemessener Höhe beheben. Position 6: Modernisierung sollte Vorrang vor der Neubauförderung haben. Quantitativer Mangel an Wohnungen ist in Deutschland nicht mehr das zentrale Problem. Dementsprechend gewinnt die Anpassung vorhandener Wohnungen an die heutigen Ansprüche an Bedeutung. Unzureichende Modernisierung hingegen schafft neun Wohnungsmangel. Die Alternative zur Altbaumodernisierung ist Verfall des Bestandes plus Neubau, wie man dies z.B. in amerikanischen, französischen und belgischen Städten beobachten kann. Dies verbraucht Fläche, erfordert zusätzliche Infrastruktur und leistet der sozialen Polarisierung zwischen den Wohngebieten Vorschub. Position 7 Modernisierung ist nur in den Neuen Bundesländern förderungswürdig. Grundsätzlich gelten die Argumente zu Position 5. Aber in den Neuen Bundesländern gelten die Argumente zu Position 6. Denn hier geht es darum, Wohnsubstanz, die von akuter Entwertung bedroht ist, zu erhalten. Dort würde ein Verzicht auf Modernisierung bald zur Verringerung benutzbarer Wohnfläche führen. Position 8: Modernisierung mit ökologischer Zielsetzung ist förderungswürdig. Unabhängig von der Frage der Wohnungsversorgung der Bevölkerung stellt sich immer klarer der Imperativ, der zunehmenden Umweltbelastung Einhalt zu gebieten. Wohnungsnutzung ist ein wichtiges Feld, um Umweltbelastung zu vermindern, insbesondere, was den Energieverbrauch für Wohnzwecke betrifft. Solange direkte Zwangsmaßnahmen ausgeschlossen sind, ist finanzielle Förderung ein wichtiges Mittel, um die zugehörigen Investitionen (u.a. Wärmedämmung, Anlagen zur Nutzung emissionsarmer Energiequellen) in die Wege zu leiten. Ökologische Modernisierung bestehender Wohnungen zu fördern, tut zentralen wohnungspolitischen Zielen im Prinzip keinen Abbruch. Die unter Position 5 vorgetragenen Bedenken werden davon nicht berührt. Eine Konkurrenz um knappe wohnungspolitische Fördermittel wäre allerdings zu vermeiden; denn es handelt sich um zwei völlig verschiedene Politikziele, die auf unterschiedliche Fördertöpfe zurückgreifen sollten. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999 |