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Mieterschutz: Beibehalten oder lockern?



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Argumente für die Beibehaltung

Wohnungssicherheit ist so etwas wie ein soziales Grundrecht, zumal in einer Situation allgemeiner (wenn auch örtlich konzentrierter) Wohnraumknappheit. Kündigung ist für viele Haushalte mit extremen sozialen Härten verbunden. Demgegenüber müssen Gesichtspunkte der Flexibilisierung des Wohnungsmarktes zurücktreten.

Verringerter Mieterschutz führt nicht dazu, daß Wohnraum weniger knapp wird; denn das zentrale Problem auf dem Wohnungsmarkt ist nicht ein zu zögerlicher privater Wohnungsbau (wegen der relativen Unattraktivität dieser Kapitalanlage), sondern die Diskrepanz zwischen Wohnungsbedarf und der Kaufkraft, diesen Bedarf in ein Marktsignal umzusetzen, das zusätzliches Angebot auslöst. Verringerter Mieterschutz würde allenfalls das Angebot an Wohnungen erhöhen, die für einkommensschwache Haushalte ohnehin nicht erschwinglich sind. Das große soziale Opfer, das die von Kündigung betroffenen Haushalte erbringen müßten, würde wohnungspolitisch nicht belohnt werden.

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Argumente für die Lockerung:

Eine Lockerung des Mieterschutzes macht die Kapitalanlage in Mietwohnungseigentum attraktiver. Das Mietniveau kann niedriger sein als bei geltendem Kündigungsschutz, um Wohnungsbauinvestitionen auszulösen. Für individuelle Kleininvestoren, die heute der potentielle Ärger mit den Mietern abschreckt, wird die Investition in den Mietwohnungsbau eine ernsthafte Alternative. Der Effekt: Es werden mehr Mietwohnungen erstellt, zumal dort, wo hohe Nachfrage besteht und Wohnraum folglich sehr knapp ist. Mit sinkender Wohnraumknappheit tendieren die Mieten und die Kaufpreise beim Wohnungsbestand nach unten. Davon profitieren längerfristig alle Mieter, insbesondere aber die einkommensschwachen Wohnungssuchenden, denen bei geltendem Mietrecht nur Wohnungen zu relativ hohen Preisen angeboten werden.

Gelockerter Mieterschutz verbilligt die Wohnungsverwaltung, da die Rechtslage transparenter und die Rechtsdurchsetzung entsprechend kostengünstiger wird. Auch dies kommt den Mietern zugute.

Kündigungsschutz für Mieter verringert die Chancen für Risikogruppen (z.B. unsichere Einkommenslage), eine Wohnung zu bekommen.

Der bis heute praktizierte Mieterschutz stellt ein gravierendes Hindernis für erstrebenswerte Wohnmobilität dar. Denn er geht bei fortbestehender Wohnungsknappheit zwangsläufig einher mit einer gespaltenen Mietpreisentwicklung. In bestehenden Mietverträgen steigt die Miete nur mäßig (andernfalls würde der Kündigungsschutz ja unterlaufen), bei Neuverträgen tendiert sie dafür, sprunghaft anzusteigen. Die Folge: Wohnungswechsel bringt in der Regel eine drastische Mieterhöhung mit sich - ein starker Anreiz für Mieter, in der alten Wohnung zu bleiben, auch wenn andere Gründe für einen Wechsel sprächen.

Wohnungssicherheit ließe sich auch mit marktkonformen Mitteln herstellen, nämlich als langfristige Vertragsvariante, für die - je nach Marktlage - ein entsprechender Aufpreis zu bezahlen ist. Mit sinkender Wohnungsknappheit stiege das Interesse der Vermieter an einer langen Vertragsdauer.

Kündigungsschutz für Mieter in der jetzigen Form widerspricht zentralen Rechtsgrundsätzen (Vertragsfreiheit, Geltung abgeschlossener Verträge).

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Kompromißformel:

Mieterschutz beibehalten, aber durch höhere Mieten kompensieren!

Es gelten die sozialen Argumente für die Beibehaltung. Aber um die Attraktivität der Kapitalanlage „Mietwohnung" nicht zu sehr zu schmälern, soll der Vermieter für die Einschränkung seines Verfügungsrechtes über sein Eigentum durch eine höhere Rendite entschädigt werden.

Einwand:Die höhere Rentabilität, die der Vermieter als Kompensation für die beschränkte Verfügungsgewalt beansprucht, wird durch die Anpassung des Grundstückspreises hergestellt. Dieser wird sich immer so einpendeln, daß die erzielbare Miete unter Berücksichtigung der Baukosten, der erwarteten Wertsteigerung und sonstiger relevanter Aspekte, darunter auch Beeinträchtigungen durch Mieterschutz, einer angemessenen Kapitalverzinsung entspricht. Verringert sich bei vorgegebener Miete die Beeinträchtigung und somit der Renditeanspruch, wird der Grundstückspreis so lange steigen, bis die Verzinsung wieder „angemessen" ist. Steigt hingegen der Anspruch an eine „Mieterschutz-Kompensationsprämie", sinkt auch der Wert des Grundstückes so weit, bis die - vorgegebene - Miete wieder eine angemessene Verzinsung darstellt.

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Die Debatte beenden!

Für das wohnungspolitische Zentralziel „Angemessener Wohnraum für alle" ist weder die Beibehaltung noch die Lockerung des Mieterschutzes von entscheidender Bedeutung. Die durch die endlose öffentliche Debatte erzeugte Unsicherheit wirkt sich jedoch in hohem Maße negativ auf die Investitionsbereitschaft in neue Mietwohnungen aus. Einerseits erzeugt sie Attentismus (erst mal abwarten!), zum anderen belastet sie die Vermieterrolle mit einem gesellschaftlichem Odium (der Vermieter wird als latenter Ausbeuter gesehen). Letzteres gilt insbesondere für Wohnungen, die bevorzugt von sozial schwächeren Haushalten nachgefragt werden. Konsequenz: man investiert sein Geld lieber anders.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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