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TEILDOKUMENT:




Wie soll es mit dem sozialen Wohnungsbau weitergehen?

Position 1:

Den Neubau von „Sozialwohnungen " für breite Schichten fortsetzen und bedarfsgerecht ausweiten!

Auch wenn es zur Zeit keinen allgemeinen Wohnungsmangel gibt, reicht das Angebot an erschwinglichem Wohnraum dennoch vielerorts nicht aus, um den Bedarf einkommensschwacher Haushalte zu decken. Mit zunehmender Inanspruchnahme bestehenden Wohnraums durch einkommensstarke Nachfrager geht dieses Angebot sogar tendenziell zurück. Sowohl um bestehenden Wohnungsmangel zu beheben, als auch um künftigen zu verhindern, ist es also wichtig, weiterhin neue erschwingliche Wohnungen zu schaffen. Sozialer Wohnungsbau ist hierfür das effizienteste Instrument. Setzt man dagegen auf die Strategie, die Nachfragekraft der einkommensschwachen Haushalte durch Wohngeld zu stärken, erhöht das zunächst nur das Mietniveau, d.h. die Knappheitsrente des bebauten Bodens. Ob dies zu erhöhter Bautätigkeit seitens privater Investoren führt, ist unsicher. Private Wohnungsbauinvestition wird nämlich stark von der Erwartung zunehmender Nachfrage, und nicht von der Erwartung einer „Normalisierung" des Mietniveaus bestimmt. Bei fortgesetzt hohen Mieten kommt die Alternativstrategie „Wohngeld für alle einkommensschwachen Haushalte" auf Dauer sehr teuer. Aus den gleichen Gründen ist auch die Alternative „Sicherung kommunaler Belegungsrechte auf dem freien Wohnungsmarkt" keine adäquate Antwort auf das Problem des quantitativen Mangels an preiswertem Wohnraum. Belegungsrechte, die aus dem Wohnungsbestand erworben werden, bewirken wiederum nur eine Umverteilung vorhandenen Wohnraums auf dem Weg der Nachfragekonkurrenz! Es kommt hinzu, daß in Kommunen mit knappem Wohnungsangebot Belegungsrechte schwer zu bekommen sind.

Werden neue Sozialwohnungen nur für sehr Einkommens schwache und nicht für „breite Schichten" bereitgestellt, entstehen - falls sich überhaupt Bauträger hierfür finden - reine Unterschichten-Wohnquartiere („Sozialghettos"). Dieser Prozeß verstärkt sich durch den beschleunigten Wegzug mittlerer Einkommensgruppen aus der Nachbarschaft.

Dort, wo Wohnungen insgesamt knapp sind, drückt der Soziale Wohnungsbau mit seinen niedrigen Mieten auch das Vergleichsmietenniveau auf dem freien Wohnungsmarkt und kommt somit auch jenen zugute, die keine Sozialwohnung bekommen.

Position 2:

Den Neubau von „Sozialwohnungen" fortsetzen, aber vom Prinzip der „Kostenmiete" abgehen und statt dessen die „Sozialmiete" als Prozentsatz der örtlichen Vergleichsmiete festsetzen!

Es gelten die unter Position 1 vorgebrachten Argumente. Aber das Prinzip der „Kostenmiete" schafft zu große, vom Ergebnis her willkürliche Ungleichheiten zwischen den diversen geförderten Haushalten. Außerdem leistet es der Mißachtung von Kosteneffizienz beim Erstellen der Wohnungen Vorschub.

Position 3:

Den Neubau von „Sozialwohnungen" fortsetzen, aber die Zielgruppe eingrenzen!

Es gelten die unter Position l vorgebrachten Argumente. Aber die realistischerweise verfügbaren Finanzmittel reichen auch nicht annähernd aus, um in absehbarer Zeit die ganze bisherige Zielgruppe mit „Sozialwohnungen" zu versorgen. Deshalb sollte dem Ziel, mehr Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten zu schaffen, eine geringere Priorität zuerkannt werden. Statt dessen sollte das Förderkriterium „Bedürftigkeit der Mieter" stärker berücksichtigt werden.

Die Einkommensgrenzen für die Berechtigung zu einer „Sozialwohnung" sollten gesenkt werden. In anderen Worten: die sogenannte „Randgruppenförderung" sollte in den Vordergrund treten. Andernfalls müssen wegen der Knappheit der Mittel selbst viele Angehörigen der besonders subventionsabhängigen „Randgruppen" auf eine „Sozialwohnung" verzichten.

Darüber hinaus ist es generell zweifelhaft, ob Steuermittel zur Ausstattung breiter Bevölkerungsschichten mit mehr Wohnraum verwendet werden sollen.

Position 4:

Den Neubau von „Sozialwohnungen" fortsetzen, aber die Miethöhe in Abhängigkeit vom Einkommen staffeln!

Es gelten die unter Position 3 vorgebrachten Argumente. Aber eine Einengung der Förderung auf die untersten Einkommensschichten fördert die „Ghettobildung" von sozialschwachen Quartieren. Eine Staffelung der „Sozialmieten" im Sinne der „einkommensorientierten Förderung" wirkt dem entgegen und spart gleichzeitig Fördergelder ein, was eine Ausweitung des Sozialen Wohnungsbaus ermöglicht. Die vertragliche Festlegung der Staffelmiete baut eine spätere Ausgleichsabgabe („Förderausgleich") gleichsam von vornherein mit in das System ein.

Position 5:

Den Neubau von „Sozialwohnungen " fortsetzen, aber mit wirksamen Maßnahmen zur Verbilligung von Bauland verbinden!

Es gelten die den Positionen 1 bis 4 gemeinsamen Argumente. Aber jede Begünstigung der Wohnungsbauinvestition konterkariert sich zum Teil selbst, wenn das Angebot an Bauland unelastisch ist: die erhöhte Nachfrage seitens der Investoren treibt die Baulandpreise in die Höhe. Das schlägt auch auf die Mieten durch. Um diesen Verteuerungseffekt für den sozialen Wohnungsbau auszugleichen, müssen tendenziell immer höhere Subventionen gezahlt werden. Dieser Falle ließe sich entgehen, wenn es gelänge, das Angebot an Bauland im Gleichschritt mit der (geförderten) Nachfrage auszuweiten. Die Marktmieten, in denen ja sowohl die Wohnungserstellungs- und Bewirtschaftungskosten als auch die Knappheitsrenten der Grundstückseigentümer enthalten sind, würden auf breiter Front sinken (zentrale und andere besonders bevorzugte Lagen ausgeschlossen). Die Spanne, die es durch Förderung zu überbrücken gilt, wird geringer.

Ansätze zur Verbilligung von Bauland sind: politischer Druck auf Kommunen zur Ausweisung von mehr Bauland, steuerliche Sonderbelastung von unbebautem Bauland, Senkung der Grunderwerbssteuer, Abschöpfung von Planungswertgewinnen, verstärkter Rückgriff auf Erbbaurecht, Bodenbewirtschaftung mit Preiskontrollen.

Position 6:

Den Neubau von „Sozialwohnungen" einstellen und statt dessen die Subventionierung einkommensschwacher Mieter und den Erwerb kommunaler Belegungsrechte zugunsten benachteiligter Wohnungssuchender auf dem freien Wohnungsmarkt ausweiten!

Die Förderung von „Sozialwohnungen" erzeugt in zwei Punkten markante soziale Ungerechtigkeiten:

  • Selbst bei einer zielgenaueren Vergabe reichen die verfügbaren Finanzmittel bei weitem nicht aus, um allen einkommensschwachen Haushalten eine „Sozialwohnung" bereitzustellen. Deren Nutzung bleibt deshalb auf unabsehbare Zeit ein Privileg. Zu seiner Finanzierung tragen auch die Steuern derer bei, die trotz Bedürftigkeit keine „Sozialwohnung" bekommen. Ist die Baukapazität, z.B. mangels Bauland, begrenzt, führt der Soziale Wohnungsbau nicht zur Erstellung von mehr Wohnraum, sondern macht dem privaten Wohnungsbau das Terrain streitig. Die Nachfrage der nicht geförderten Haushalte, der reichen wie der armen, wird auf ein kleineres Angebotssegment konzentriert und treibt dort die Mieten in die Höhe - und das alles zu Lasten der Steuerzahler, die den Sozialen Wohnungsbau finanzieren.

  • Da die Einkommensverhältnisse begünstigter Haushalte sich ändern und eine schnell wirksame Beendigung einmal gewährter Mietvergünstigungen nicht durchsetzbar ist, führt der Soziale Wohnungsbau zwangsweise zu einer immensen Fehlleitung staatlicher Fördermittel zugunsten mittlerer und sogar höherer Einkommensschichten. Eine zu drastische „Fehlbelegungsabgabe" hingegen fördert das Entstehen von „Unterschichten-Ghettos" in den einmal gebauten Sozialwohnungsbeständen.

Hinzu kommt, daß die Knappheit der privilegierten „Sozialwohnungen" Immobilität fördert. Man verläßt eine derartige Wohnung auch dann nicht, wenn veränderte Lebensumstände einen Wohnungswechsel nahelegen.

Die gleiche Summe an Fördermitteln würde mehr bewirken, wenn sie zielgenau den einkommensschwachen Haushalten zur Verfügung gestellt würde, um sie auf dem Wohnungsmarkt nachfragefähig zu machen. Die mit Hilfe des staatlichen Wohngeldes aufgestockte Kaufkraft auf dem freien Wohnungsmarkt wird die private Wohnungsbau-Investition anregen und somit zum Abbau des Wohnungsmangels - dort, wo er besteht - führen.

Die Erfahrung zeigt, daß die Privatinvestition schneller auf Knappheitssituationen auf dem Wohnungsmarkt reagiert als staatliche Wohnungsbaupolitik. Die Subventionierung der Wohnungsnachfrage einkommensschwacher Haushalte läßt sich auch mit einer gewissen Objektförderung (Zuschüsse zu Baukosten) verbinden, um den Subventionsbedarf für die Haushalte abzusenken (z.B. nach Art des „Möglinger Modells").

Im übrigen geht es heute nicht mehr darum, neue preiswerte Wohnungen in großer Zahl bereitzustellen; denn die Wohnungsversorgung auch der einkommensschwächeren Bevölkerung ist weitestgehend gelöst. Die heutigen Herausforderungen sind andere, nämlich:

  • Wohnraumknappheit in einigen städtischen Ballungsgebieten,

  • Gruppen mit ganz spezifischen Problemen auf dem Wohnungsmarkt (kinderreiche Haushalte, Mieter mit unsicheren Einkommensverhältnissen, nicht „nachbarschaftsfähige" Personen),

  • soziale Entmischung von Wohnquartieren.

Diese Herausforderungen verlangen jeweils spezifische wohnungspolitische Antworten, wobei sozialer Wohnungsbau allenfalls in einigen städtischen Ballungsgebieten eine angemessene ist.

Position 7:

Die dem sozialen Wohnungsbau zugedachten Fördermittel der Subventionierung einkommensschwacher Mieter und dem Erwerb kommunaler Belegungsrechte zuführen. Dies aber mit einer Neuverteilung der finanziellen Verantwortlichkeiten zwischen Kommunen, Ländern und Bund verbinden!

Es gelten die unter Position 6 vorgebrachten Argumente. Bei der jetzt geltenden Verteilung der finanziellen Zuständigkeiten würde eine Verlagerung der Wohnungspolitik auf Wohngeld und Belegungsrechte zugunsten Benachteiligter jedoch zu einer Überforderung der Kommunen führen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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