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TEILDOKUMENT:




Führt mehr Markt in der Wohnungswirtschaft zu besserer Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen?

Position 1: Ja

  • Mehr Markt heißt primär: weniger Eingriffe des Staates in die Preisbildung auf dem Wohnungsmarkt. Dazu gehört im weiteren Sinne auch die Verfügbarkeit des (Miet) Wohnungseigentümers über seine Wohnung. Eine freiere Verfügbarkeit, also geringerer Mieterschutz, macht die Kapitalanlage in Mietwohnungseigentum ebenso attraktiver wie ein höherer Mietzins. Der Effekt: Mietwohnungen werden nachfragegerecht erstellt.

  • Mehr Markt heißt aber auch: weniger kostentreibende Regulierungen im Baubereich und weniger restriktive Regulierungen bei der Baulandausweisung. Beides verbilligt den Wohnungsbau und macht es möglich, zusätzliche - bislang preislich überforderte - Nachfrage nach Wohnungen, insbesondere nach Eigenheimen, zu erschließen.

  • Mehr Markt heißt weiterhin: weniger Begünstigung relativ einkommensstarker Haushalte durch Zugang zu subventionierten Sozialwohnungen. Eine Beendigung dieses Zustands mobilisiert zusätzliche private Nachfrage (nämlich seitens der aus der bisherigen Privilegierung entlassenen, zu marktwirksamer Nachfrage fähigen Haushalte) bzw. setzt staatliche Mittel frei, um einkommensschwache Haushalte mit zusätzlicher Nachfragekraft auszustatten. Beides löst zusätzliche Bautätigkeit aus.

  • Mehr Markt heißt schließlich auch: geringere Transaktionskosten, d.h. Verringerung der Kosten, die beim Wohnungskauf und -verkauf bzw. bei der An- und Vermietung über den reinen Kaufpreis bzw. die Miete hinaus anfallen (vor allem Notar-, Gerichts-, Vermittlungsgebühren). Mehr Markt (in diesem Sinne von leichterem und deshalb mehr Marktumsatz) würde zwar keine Mehrproduktion von Wohnungen hervorbringen, aber eine bessere Nutzung des vorhandenen Wohnraums und dadurch ebenfalls eine Verminderung des Wohnraummangels. Die Neigung, bedarfsübersteigenden Wohnraum im Austausch gegen bedarfsgerechten Wohnraum gleichsam an den Markt zurückzugeben, würde steigen, wenn dieser Akt billiger wäre. Der Staat kann dazu beitragen, indem er die entsprechenden Regelungen lockert und auch, indem er die Vermittlung - das Zusammenführen von Angebot und Nachfrage - subventioniert oder den privatwirtschaftlichen Maklern Unterbietungskonkurrenz liefert (Markt als öffentliches Gut, das aktiv bereitzustellen ist).

Position 2: Nein

Das Problem auf dem Wohnungsmarkt ist nicht ein genereller Wohnungsmangel, sondern die Diskrepanz zwischen Wohnungsbedarf und der Kaufkraft, diesen Bedarf in ein Marktsignal umzusetzen, das zusätzliches Angebot auslöst. Mehr Markt bewirkt allenfalls, daß mehr Wohnraum für nachfragekräftige Haushalte bereitgestellt wird. Das wohnungspolitische Zentralproblem, nämlich angemessener Wohnraum für Einkommensschwache, bleibt ungelöst. Es wird sogar verschärft, wenn mehr Markt, d.h. freiere Preisbildung, dazu führt, daß die Preise für vordem erschwingliche Wohnungen steigen und einkommensschwache Haushalte dem Verdrängungswettbewerb unter den Nachfragern zum Opfer fallen.

Außerdem: Mehr Markt würde auch heißen: weniger staatliche Förderung des Wohnungsbaus, u.a. des Eigenheimbaus. Der Effekt: weniger Wohnungen werden nachgefragt und somit auch erstellt.

Auf dem Baulandmarkt könnte weniger Freiheit für die Preisbildung die Erstellung von Wohnungen verbilligen und somit ausweiten. Die Grundeigentümer würden um einen Teil der Knappheitsrente gebracht, können aber das Angebot nur dadurch verringern, daß sie auf Verkauf und Bebauung, und damit selbst mögliche Gewinne, verzichten. Allerdings müßte das preiskontrollierte Bauland für „Sozialwohnungen" reserviert werden. Dies käme einer politisch gewollten Aufwertung sozialer Belange im Verdrängungswettbewerb unter den diversen Nachfragern gleich. Dem vom Markt anerkannten „größeren Nutzen" auf Seiten der größeren Nachfragekraft würde ein politisch postulierter Nutzenanspruch entgegengestellt.

Mehr Markt heißt auch mehr Freiheit für spekulatives Angebots- und Nachfrageverhalten. Dieses kann sowohl auf dem Baulandmarkt als auch auf dem Wohnungsmarkt preistreibend wirken (spekulative, d.h. erwartungsorientierte Nachfrage bzw. Angebotszurückhaltung).

Position 3: In einigen Aspekten ja, in anderen nein

Eine stärkere Beachtung marktwirtschaftlicher Grundsätze führt zu besserer Wohnungsversorgung in zwei Bereichen:

  • Wo mit der Praxis Schluß gemacht wird, nachfragekräftige Haushalte mit subventionierten Wohnungen zu pri-vilegieren (Fehlbelegung von insgesamt knappen „Sozialwohnungen"). Diese Haushalte werden dann Wohnungen zum Marktpreis nachfragen und damit den Wohnungsbau stimulieren. Die freigegebenen „Sozialwohnungen" jedoch werden für Haushalte verfügbar, die für den freien Markt nicht genügend Nachfragekraft haben und deshalb auch keine Marktsignale für Investoren aussenden können. Freilich kann dies die soziale Entmischung von Wohnquartieren begünstigen (Entstehung von „Unterschichtghettos").

  • Wo eine Lockerung staatlicher Auflagen zu einer Verbilligung der Wohnungserstellung führt, sei es, daß das Bauen selbst, sei es, daß Bauland billiger wird.
    Mehr Markt im Sinne von leichterem Marktumsatz führt - wie unter Position 1 argumentiert - ebenso zu einem Abbau von Wohnungsmangel.
    In allen anderen Aspekten gelten die unter Position 2 vorgebrachten Argumente.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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