FES | ||
|
|
TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 9]
Zusammenfassung
Umweltprobleme entstehen mit dem ständigen Stoffwechsel des Menschen mit der Natur. Die moderne Lebens- und vor allem Produktionsweise hat diesen Stoffwechsel und mit ihm die Umweltprobleme eskalieren lassen. Die IuK-Techniken ermöglichen es, über diesen Stoffwechsel und seine Umwelteffekte laufend Informationen zu erfassen, zu speichern, zu verarbeiten und weiterzuleiten. "Produkte der Zukunft" auf dem Gebiet dieser Techniken können insbesondere in der Wirtschaft, in den Betrieben, in der Produktion i.w.S. dazu beitragen, die Entscheidungsgrundlagen für einen verbesserten Umweltschutz und günstigere Bedingungen für Umweltforschung, -planung und -politik zu schaffen. Die Produkte auf dem Gebiet der IuK-Techniken umfassen neben der Hardware immaterielle Produkte - die Software, also Umweltdatenbanken, Umweltmonitoring- und Simulationsmodelle u.ä. - und komplexe Anwendungskonzepte wie "Öko-PPS" und betriebliche Umweltinformationssysteme. Sie eignen sich zur Gestaltung und Strukturierung der Betriebe und ihrer Prozesse im Hinblick auf umweltbezogene Zielsetzungen. Der zugrunde zu legende Produktbegriff muß der Komplexität derartiger Systeme und der Immaterialität großer Teile der Produkte der IuK-Techniken Rechnung tragen. Diese Studie analysiert die ökologischen Aspekte der materiellen und der immateriellen Komponenten iuk-technischer Systeme und die ökologische Problematik des Gesamtprozesses der Informatisierung. Daraus werden Schlußfolgerungen für die Entwicklung von "Produkten der Zukunft" in den verschiedenen Bereichen - Hardware, Software, Telekommunikation, komplexe Anwendungskonzepte und die Informatisierung als Gesamtprozeß - und für die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen abgeleitet, die diese Entwicklung unterstützen. Bei der Hardware konzentriert sich die ökologische Kritik an den Produkten bislang vor allem auf den PC-Bereich. Der sonstige Hardware-Bereich ist dagegen kaum erfaßt. Damit bleiben insbesondere die Nutzung der IuK-Techniken im betrieblichen Bereich und die komplexen netzwerkförmig aufgebauten Rechnersysteme außerhalb der Betrachtung. Eine Reihe der für PCs gewonnenen Erkenntnisse lassen sich allerdings auch auf die "großen" Systeme übertragen. Im Software-Bereich existiert bis heute keine "Software-Ökologie" ( analog zur Software-Ergonomie). Es fehlt also die Abschätzung der Umwelteffekte von Softwaresystemen allgemein. Dagegen hat sich ein Zweig der Informatik entwickelt, der systematisch und gezielt versucht, Umweltprobleme zu lösen oder zu ihrer Lösung beizutragen, indem die Potentiale der Methoden der Informatik - wie Datenban- [Seite der Druckausg.: 10] ken, Simulationsmodelle, Expertensysteme u.a. -genutzt werden, um Anwendungskonzepte zu entwickeln, die auf mehreren Wegen zur Verbesserung des Umweltschutzes, vor allem in den Betrieben, nach wie vor den Haupt-verursachern von Umweltproblemen, eingesetzt werden können. Ähnlich ist der Stand bei der Abschätzung der Umwelteffekte der komplexen Anwendungs-konzepte, in deren Rahmen in den Betrieben die verschiedenen Methoden der Informatik eingesetzt werden. Sie haben wegen ihres den Betriebsprozeß gestaltenden, strukturierenden Charakters i.d.R. auch Umweltauswirkungen. Diese werden jedoch bisher stark vernachlässigt. Der Gesamtprozeß der Informatisierung, seit langem Gegenstand kritischer Betrachtung, ist durch ein Dilemma geprägt: Einerseits erlauben die IuK-Techniken, vor allem in den Betrieben einen wirksameren Umweltschutz zu erreichen. Andererseits tragen ihre produktivitätssteigernden Effekte zum weiteren Wachstum und damit zur Umweltbelastung und -zerstörung bei. Da irgendwelche Ausstiegs- und Wendeszenarien in diesem Bereich unrealistisch sind, sind Schlußfolgerungen für Produkte der Zukunft auf dem Gebiet der IuK-Techniken abzuleiten. Bei der Hardware sind die Möglichkeiten dazu beschränkt. Insbesondere die Marktdynamik zwingt zur Fortschreibung der gegebenen Produktionsweise und Produkteigenschaften. Dennoch ist eine Verallgemeinerung der in der PC-Kritik erreichten ökologischen Veränderungen der Technik ("green PC") zweckmäßig und wünschenswert. Bei der Software stellt sich neben der Entwicklung einer Software-Ökologie die Aufgabe, die bestehenden Entwicklungen in der Umweltinformatik auszubauen. Am Beispiel des Umweltmonitoring und der Simulationstechnik werden Zukunftsperspektiven angesprochen. Der Wert der Telekommunikation und ihrer Dienste ist vor allem in der Unterstützung der Auseinandersetzung mit Umweltproblemen im Betrieb durch Fernübertragung von Daten und Wissen zu sehen, weitaus weniger dagegen in der Ermöglichung der Teleheimarbeit oder der "virtuellen Firma". Neben der Software ist insbesondere der Bereich der komplexen Anwendungssysteme zukunftsträchtig. Die Umweltinformatik ist jedoch primär methodenorientiert. Die betriebliche Praxis benötigt Konzepte der systematischen Anwendung dieser Methoden zur Lösung von umweltbezogenen Problemen, die in die betriebliche Organisation und ihre Abläufe eingebettet sind. Derartige i.d.R. schwer zu realisierende Konzepte ermöglichen z.B. die Verwirklichung des "produktionsintegrierten Umweltschutzes" und anderer Paradigmen und damit ein Abgehen von den end-of-pipe-Umweltschutzmaßnahmen in den Betrieben. Hier liegt ein umfangreicher und herausfordernder Entwicklungsbereich, der zum Aufbau umfassender Systeme z.B. eines betrieblichen umweltorientierten Informationsmanagements oder des Öko-Controlling führt. Der unvermeidliche Prozeß der ökologischen Informatisierung vor allem der Betriebe schafft Raum für die Entwicklung von Produkten der Zukunft auf dem Gebiet der IuK-Techniken. Der Wert dieser Produkte liegt in den positiven Effekten auf die Umwelt, die sich im betrieblichen Ablauf auf der Grundlage z.B. der Infor- [Seite der Druckausg.: 11] mationen, die von "betrieblichen Umweltinformationssystemen" bereitgestellt werden, durch Änderungen der Entscheidungen und Planungen, durch entprechende Kontrollen usw. erzielen lassen. Ein wichtiger und sehr umfassender Beitrag der Informatisierung der Gesellschaft insgesamt schließlich besteht in der Unterstützung der "Effizienzrevolution", die auch ein entscheidendes Mittel zur Lösung umweltbezogener Probleme sein kann. Schlußfolgerungen für die politische Umsetzung und Unterstützung des Prozesses der ökologischen Informatisierung basieren auf der Einsicht, daß die Dynamik der Märkte und das bereits erwachte Interesse der Verantwortlichen in den Betrieben nicht ausreichen, um das Potential der IuK-Techniken zur Verbesserung der Umweltbedingungen zügig und wirksam zu entwickeln. Vielmehr sind hier auch der Staat und die Parlamente gefordert. Die Wirtschaftspolitik muß das Interesse in den Betrieben an besseren umweltorientierten Entscheidungen zusammenbringen mit dem Verlangen in der Gesellschaft nach mehr Transparenz eben dieser betrieblichen Entscheidungen. Sie muß zudem das gerade in der Umweltinformatik spürbare Engagement in der Wissenschaft und auch die Gewerkschaften bzw. die betrieblichen Interessenvertretungen der Belegschaften einbeziehen. Besondere Aufmerksamkeit muß auf die kleinen und mittleren Unternehmen und deren organisatorische und finanzielle Förderung bei entsprechenden Projekten gerichtet werden. Die Orientierung auf den sehr umfassenden Prozeß der ökologischen Informatisierung kann auch ein Ansatzpunkt für die überfällige Reform in Hoch- und Fachhochschulen sein. Da in der Umweltinformatik und bei der Entwicklung der komplexen Anwendungskonzepte nach wie vor ein erheblicher Forschungsbedarf besteht, sind auch die Forschungs- und darüber hinaus die allgemeine Bildungspolitik - diese im Zusammenhang mit gezielten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen - gefordert. Über die erreichbaren positiven Umwelteffekte hinaus legitimiert noch eine weitere Eigenschaft dieses Prozesses ein umfangreiches förderndes Eingreifen der Parlamente und des Staates: Die ökologische Informatisierung schafft erhebliche zusätzliche Beschäftigung in ganz verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen - in den Anwenderbetrieben, bei Entwicklern und Produzenten, bei Beratern, bei den technologieorientierten Dienstleistungen, auf vorgelagerten Produktionsstufen, in komplementären High-Tech-Produktionen u.a. Eine politische Initiative in die Richtung der systematischen und zügigen Förderung der Nutzung der modernen IuK-Techniken für die Lösung der vielfältigen Umweltprobleme im nach wie vor zentralen Bereich der Gesellschaft, in der Wirtschaft, in den Betrieben, in der Produktion erscheint höchst sinnvoll. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2000 |