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Wirtschaftliche Auswirkungen von NAFTA

Die von NAFTA vereinbarte Handelsliberalisierung hat dem ohnehin wachsenden intensiven Warenaustausch zwischen den drei Mitgliedstaaten zusätzlichen Auftrieb gegeben. US-Exporte nach Mexiko stiegen im Jahr des Inkrafttretens des Abkommens (1994) um rund 22 Prozent, wodurch Mexiko als Abnehmer von US-Waren beinahe mit Japan, dem zweitwichtigsten Handelspartner der USA, gleichzog. Obwohl die Zuwachsrate bei den US-Einfuhren aus Mexiko im gleichen Jahr mit 23,6 Prozent höher ausfiel als die der US-Ausfuhren nach Mexiko, konnten die Vereinigten Staaten am Jahresende einen - wenn auch nur geringen - Handelsbilanzüberschuß (484 Millionen US-Dollar) verbuchen. Nach Kanada, ihrem wichtigsten Handelspartner, lieferten die USA 1994 Waren im Wert von rund 114 Milliarden US-Dollar, 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Die US-Importe aus Kanada nahmen im gleichen Jahr um 16 Prozent zu. Damit wies der Handel der Vereinigten Staaten mit ihren beiden Nachbarn 1994 deutlich höhere Steigerungsraten auf als die gesamten US-Exporte bzw. -Importe.

Die durch NAFTA bewirkte Zunahme des intraregionalen Handels hat die ohnehin bedenkliche wirtschaftliche Abhängigkeit Mexikos und Kanadas von den USA noch vergrößert: Der US-Anteil an den gesamten mexikanischen Exporten stieg zwischen 1992 und 1994 von 80,6 Prozent auf rund 85 Prozent. Im gleichen Zeitraum überschritt der US-Anteil an der mexikanischen Gesamteinfuhr die 70 Prozent-Marke; er erhöhte sich von 69,9 Prozent auf 72 Prozent. Die gleiche Entwicklung läßt sich hinsichtlich des Handels zwischen Kanada und den USA konstatieren: Betrug der US-Anteil an der kanadischen Gesamtausfuhr 1992 bereits fast 78 Prozent, machte er zwei Jahre später 82,5 Prozent aus. Der US-Anteil an den gesamten kanadischen Importen wuchs im gleichen Zeitraum von 63,5 Prozent auf knapp 66 Prozent.

Beim Zufluß an ausländischen Direktinvestitionen hat sich Mexikos Dependenz von den Vereinigten Staaten infolge von NAFTA - wenn auch nur geringfügig - verringert. Insgesamt stiegen die Direktinvestitionen aus Europa, Japan und den USA 1994 im Vergleich zum jährlichen Durchschnittswert der vier vorangegangenen Jahre (1990-1993) um 85,6 Prozent auf insgesamt rund 4,3 Milliarden US-Dollar an. Die höchste Wachstumsrate verzeichnete hierbei Japan (knapp 470 Prozent), aus dem 1994 518 Millionen US-Dollar an Direktinvestitionen nach Mexiko flossen. In der gleichen Größenordnung bewegten sich die Zuflüsse von 511 Millionen US-Dollar aus Europa (Schweiz und EU mit Ausnahme Griechenlands und Irlands), die sich im Vergleich zum jährlichen Durchschnittswert der Jahre 1990-1993 um rund 88 Prozent erhöhte. Die Vereinigten Staaten verbuchten 1994 die - verglichen mit Japan und Europa - niedrigste Steigerungsrate (67,5 Prozent). Der US-Dominanz im Bereich der Direktinvestitionen hat das allerdings keinen Abbruch getan: Mit fast 2,5 Milliarden US-Dollar an Direktinvestitionen in 1994 sind die USA nach wie vor der mit Abstand größte ausländische Investor in Mexiko.

Was NAFTA wirklich wert ist, zeigte sich 1995, als das mexikanische BIP infolge der mexikanischen Währungskrise vom Dezember 1994 um fast 7 Prozent schrumpfte und die Bruttoinvestitionen in den ersten neun Monaten gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum real um 30 Prozent sanken. Gleichzeitig ging der private Konsum um fast 13 Prozent zurück. Von dieser Wirtschaftskrise waren Mexikos NAFTA-Partner weniger betroffen als das Gros der mexikanischen Handelspartner: Während sich die mexikanischen Importe aus den USA und Kanada um rund 5 Prozent bzw. ungefähr 14 Prozent verminderten, schrumpften die Einfuhren aus der EU um fast ein Viertel. Dieser starke Rückgang ist nicht zuletzt auf NAFTA zurückzuführen: Heute sind bereits rund ein Drittel der Exporte der EU-Mitgliedstaaten nach Mexiko von den NAFTA-Bestimmungen betroffen. Dieser Anteil wird bis zum Jahre 1999 auf rund 43 Prozent ansteigen und im Jahre 2003 circa 90 Prozent betragen.

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Die mexikanische Währungskrise - eine Folge von NAFTA?

Die Auswirkungen der mexikanischen Finanzkrise vom Dezember 1994 und der damit einhergehenden Rezession waren weniger ökonomischer als vielmehr politischer Art. Der drastische Pesoverfall - Mitte Januar 1995 lag der Wechselkurs des Peso gegenüber dem US-Dollar um 40 Prozent unter dem Dezemberstand - führte zu einem mexikanischen Exportboom. Die Ausfuhren Mexikos in die Vereinigten Staaten wuchsen 1995 um rund 29 Prozent. Gleichzeitig sanken die mexikanischen Einfuhren aus den USA infolge der Wirtschaftskrise um 5,2 Prozent, was den US-Handelsbilanzüberschuß der Jahre 1991-1994 in ein Defizit in Höhe von rund 17 Milliarden US-Dollar verwandelte. Diese Umkehr brachte die Clinton-Administration und die NAFTA-Befürworter um eines ihrer Hauptargumente für eine nordamerikanische Freihandelszone, daß nämlich NAFTA zu einer Steigerung der US-Exporte nach Mexiko führen und dies wiederum neue Arbeitsplätze in den USA schaffen würde, gemäß der von der Clinton-Regierung aufgestellten Gleichung Freihandelsabkommen = US-Exporte = US-Jobs. Selbst einer der eifrigsten NAFTA-Befürworter, Gary Hufbauer vom Institute for International Economics, korrigierte nach der mexikanischen Krise seine Prognose über die Schaffung zusätzlicher US-Arbeitsplätze dank NAFTA drastisch nach unten, von 170.000 auf bestenfalls 0.

Dies gab den NAFTA-Gegnern neuen Auftrieb, die sich in ihren Voraussagen bestätigt sahen. Die Anti-NAFTA-Stimmung wurde durch das von der Clinton-Administration geschnürte Rettungspaket in Höhe von knapp 50 Milliarden US-Dollar noch zusätzlich angeheizt. Dieses sah IWF-Kredite in Höhe von 17,8 Milliarden US-Dollar, kurzfristige Kredite der Bank for International Settlements (BIS) in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar sowie kurzfristige Währungsswaps einiger lateinamerikanischer Länder und Kanadas in Höhe von jeweils einer Milliarde US-Dollar vor. Die USA stellten ihrerseits 20 Milliarden US-Dollar in Form von Kreditgarantien und Währungsswaps bereit, die Clinton per Executive Order aus dem Exchange Stabilization Fund abzweigte. Von dieser Möglichkeit, die nicht der Zustimmung des Kongresses bedarf, machte Clinton Gebrauch, nachdem Ende Januar 1995 klar war, daß sein Vorschlag eines Hilfspakets für Mexiko im US-Kongreß keine Mehrheit finden würde. Auch in der amerikanischen Öffentlichkeit stieß das Rettungspaket auf Ablehnung: In Umfragen lehnten bis zu 80 Prozent der Befragten die Kreditgarantien ab.

Sowohl die mexikanische Finanzkrise als auch die umstrittene Rettungsaktion der Clinton-Administration wurden zu Unrecht mit NAFTA in Verbindung gebracht: Die Währungskrise war vor allem auf das astronomische Höhen erreichende Leistungsbilanzdefizit (1994 rund 29 Milliarden US-Dollar bzw. 8 Prozent des BIP) sowie die damit einhergehende wachsende Abhängigkeit Mexikos von Portfolioinvestitionen zurückzuführen. Sicherlich hat die im Rahmen von NAFTA vorgenommene Handelsliberalisierung die durch die neoliberalen Wirtschaftsreformen ausgelöste Flut an Importen noch beschleunigt und damit zu dem gewaltigen Defizit in der mexikanischen Leistungsbilanz beigetragen; doch die Hauptursachen hierfür lagen in der Fixierung des Peso an den US-Dollar und der dadurch bewirkten Überbewertung der mexikanischen Währung, welche die Einfuhren verbilligte und die Ausfuhren verteuerte, sowie in der Anhebung der Zinsen, die vornehmlich kurzfristige Portfolioinvestitionen hoher Volatilität anzog. Das Leistungsbilanzdefizit in dieser Höhe ist also vor allem mit währungspolitischen und monetären Maßnahmen der mexikanischen Regierung bzw. der seit 1. April 1994 autonomen Zentralbank zu erklären.

Auch das Rettungspaket für Mexiko hatte keinen unmittelbaren Bezug zu NAFTA. Schon allein vom finanziell-wirtschaftlichen Gesichtspunkt war ein solches Hilfspaket Ende Januar dringend geboten. Eine weitere Beschleunigung des rasanten Peso-Verfalls hätte aufgrund der traditionell starken, in den neunziger Jahren noch gewachsenen wirtschaftlichen Interdependenz beider Staaten schwerwiegende Konsequenzen für die US-Volkswirtschaft gehabt. Ferner fürchtete die Clinton-Regierung, Anleger könnten im Falle der Zahlungsunfähigkeit Mexikos generell das Vertrauen in Schwellenländer verlieren. Gleichzeitig hatte die US-Regierung auch politische Motive für ein Hilfspaket wie die Furcht vor einer neuen Einwanderungswelle aus Mexiko und ein grundsätzliches Interesse an der politischen Stabilität seines südlichen Nachbarn.

Diese Gründe wurden jedoch vom überwiegenden Teil der amerikanischen Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen. Statt dessen verstärkte die mexikanische Währungskrise sowie Clintons Rettungspaket die Skepsis in der amerikanischen Öffentlichkeit nicht nur gegenüber NAFTA, sondern gegenüber Freihandelsabkommen überhaupt. Bill Clinton wird es künftig schwerer als jemals vor der Mexiko-Krise haben, die US-Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß der zwischen den drei NAFTA-Staaten vereinbarte Beitritt Chiles zum nordamerikanischen Freihandelsabkommen sowie weitere Freihandelsabkommen mit lateinamerikanischen Ländern bzw. Ländergruppen im nationalen Interesse der Vereinigten Staaten sind, ganz zu schweigen von der die gesamte Westliche Hemisphäre umfassenden Free Trade Area of the Americas (FTAA), die auf dem Miami-Gipfel vom Dezember 1994 ins Auge gefaßt wurde.

Dies ist insofern von Bedeutung, als im Falle der USA das öffentliche Meinungsbild in Handelsfragen im allgemeinen weitaus mehr Einfluß auf die Entscheidungsfindung der Kongreßabgeordneten hat als in anderen westlichen Demokratien. Die Clinton-Administration brachte zwar in ihrer ersten Amtsperiode sowohl das NAFTA- als auch das GATT-Abkommen der Uruguay-Runde durch den Kongreß, doch gelang es ihr nicht, die amerikanische Öffentlichkeit von den Vorteilen des Freihandels im allgemeinen und mit Lateinamerika im besonderen zu überzeugen. Dies belegt eine Anfang Oktober 1996 landesweit durchgeführte Umfrage: Danach glaubt eine knappe Mehrheit der US-Bürger (51 Prozent), daß Handelsabkommen weniger US-Jobs zur Folge haben, während 23 Prozent das Gegenteil denken. 57 Prozent der Befragten waren der Meinung, die US-Regierung sollte keine neuen Freihandelsverträge mit lateinamerikanischen Ländern aushandeln, 36 Prozent waren der gegenteiligen Auffassung. Bezeichnend für die handelspolitische Öffentlichkeitsarbeit der Clinton-Regierung ist folgendes Ergebnis: Wenig mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) gaben an, ihre Ansichten über Freihandel seien weniger positiv als noch vor einem Jahr, und zwar infolge von dem, was sie von NAFTA und GATT wissen. 27 Prozent hingegen sagten, ihre Auffassungen zu Freihandel seien positiver als noch vor einem Jahr.

Dies ist nicht zuletzt auf die zögerliche und unbeständige Handelspolitik zurückzuführen, die Clintons erste Amtsperiode kennzeichnete. In seinem ersten Jahr im Amt vergingen volle 10 Monate, bevor sich Clinton eindeutig für NAFTA aussprach. Noch zwei Monate vor der entscheidenden Abstimmung im Kongreß hatten die entschiedensten NAFTA-Befürworter unter den Kongreßabgeordneten Zweifel daran, daß Clinton voll und ganz hinter dem Abkommen stand. Von einer unentschlossenen US-Handelspolitik zeugen auch die Vorbereitung des Gipfels in Miami sowie die Umsetzung der dort getroffenen Vereinbarungen. Als Clinton im März 1994 offiziell Datum und Ort des Gipfels bekanntgab, war Handel nicht unter den zentralen Themen des Treffens. Erst auf Drängen der lateinamerikanischen Staaten, für die Gespräche über Handelsfragen von zentraler Bedeutung waren, wurde dieses Thema ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Ernsthafte Gespräche über Handelsfragen begannen erst Ende Oktober, gerade mal sechs Wochen vor dem eigentlichen Treffen, bei dem die ausgearbeiteten Vereinbarungen nur noch unterschrieben werden sollten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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