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[Essentials]

  • Die Mehrheit der politischen Führer des Landes, sowohl in der Regierung und als auch in der Opposition, ist nicht in der Lage, ihre klientelistischen und ethnischen Bindungen zugunsten einer nationalen Verantwortung aufzugeben. Erst langsam bildet sich eine neue politische Elite heraus, die das Land in einem demokratischen Sinne modernisieren will.
  • Starke Kräfte der Zivilgesellschaft haben ihren Druck auf die Regierung verstärkt, um vor den Wahlen Mindestreformen und nach den Wahlen eine umfassende Verfassungsrevision durchzusetzen. Der frühe Termin von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 29. Dezember lässt freilich wenig Zeit. Es ist die Zivilgesellschaft, die den Reformforderungen Nachdruck und politische Konturen gibt.
  • Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes ist zwischen Regierungs- und Oppositionsparlamentariern ein Reformpaket verabredet worden, das einige krasse Benachteiligungen der Opposition beseitigen soll. Diesem ersten Schritt müssen weitere dringend folgen. Entscheidend bleibt allerdings, wie der Staatsapparat die Umsetzung handhaben wird.
  • Ohne grundlegende Reformen an seinem politischen und ökonomischen System wird die Zukunft Kenias düster sein. Das bisher stabilste Land Ostafrikas würde seine Führungsrolle in der Region zunehmend verlieren. Die bisherigen Vorteile Kenias, die in einem relativ hohen Ausbildungs- und Organisationsgrad der Gesellschaft liegen sowie in einer vergleichsweise guten Infrastruktur, würden ohne Reformen verlorengehen.


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[Einleitung]

In den vergangenen Monaten befand sich Kenia oft in den Schlagzeilen der europäischen Presse. Meistens waren es Hiobsbotschaften über Unruhen an der Küste, wo Überfälle und Gewalttaten zu vermelden waren. Die Touristenströme begannen, wegen dieser Nachrichten zu versiegen - das Urlaubsparadies am Äquator war plötzlich nicht mehr zu verkaufen.

Was sich an der Küste abspielte, war in der Tat dramatisch und ist Ausdruck für die strukturellen und aktuellen Probleme, die das Land gegenwärtig durchmacht. Die Unruhen an der Küste sind aber nur die Spitze eines Eisberges von Problemen, die dringend nach Reformen und Veränderungen rufen. Kenia steht am Scheideweg, und die Entscheidungen der nächsten Monate werden zeigen, ob das Land weiter verfällt und zu einem weiteren Problemfall in Afrika wird, oder ob es sein Potential ausschöpfen kann, um seine führende Rolle in der Region wiederzugewinnen und auszubauen.

Der Problemstau hängt eng mit der Person des Staatspräsidenten Daniel arap Moi zusammen, der sein nunmehr 18 Jahren die Geschicke des Landes führt. Anfangs hatte er als Reformer gegolten, dieser Nimbus hat sich aber vollkommen in das Gegenteil verkehrt, denn Moi ist heute eine der Hauptursachen für die Versteinerung des politischen Systems. Der Problemstau ist jedoch ebenfalls Ausdruck der Haltung einer politischen Elite im Lande, die nur langsam zu begreifen beginnt, daß die Zeiten des Kalten Krieges und der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West beendet sind, als die westlichen Industrieländer das "westliche" Kenia zu jeder Zeit unterstützten. Will das stärkste Land Ostafrikas regional und international nicht weiter zurückfallen, muß es tiefgreifende Reformen durchführen, sich an Haupt und Gliedern den neuen Bedingungen anpassen und sein gesamtes öffentliches System verändern.

Starke Gruppen der Zivilgesellschaft haben dies inzwischen begriffen, und auch einzelne Politiker aus Regierung und Opposition beginnen, sich dieser Notwendigkeit zu stellen. Sie treten für Mindestreformen vor den zum Jahresende anstehenden Wahlen ein, und sie verlangen eine umfassende Verfassungsreform nach den nächsten Wahlen, um demokratische Verfahren und Institutionen, eine politische Kultur und Infrastruktur zu entwickeln, die entscheidende Entwicklungsimpulse in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft bewirken.

Diese Frage nach Reformen bewegt das Land seit Monaten, denn die Krise ist allerorten zu spüren: Das politische System verharrt in autoritärer Erstarrung, die Menschenrechte werden mißachtet, Rundfunk und Fernsehen verkünden täglich ausschließlich die Taten des Präsidenten, die Korruption steigt weiter an und droht, die Wirtschaft zu ersticken, die Infrastruktur verfällt zunehmend, und die Unruhen an der Küsten haben jetzt sogar auch noch die so wichtigen Tourismuseinkünfte halbiert. Kenia ist in einer Krise, die es entweder in eine zunehmend gewaltsame Entwicklung treiben wird mit Elementen der Auseinandersetzung wie im ehemaligen Zaire oder in Ruanda mit den politisierten ethnischen Spannungen. Oder Kenia wird die Krise nutzen, die Reformkräfte werden sich durchsetzen, und es kann sich ein neues Modell für Schwarzafrika entwickeln, das die Lücke zur Entwicklung in der übrigen Welt zu verkleinern vermag.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 1999

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