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Demographie und Ökologie

Wesentliche Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Entwicklung, soziale Stabilität und regionale Sicherheit liegen im Bereich von Demographie und Ökologie. So hob der usbekische Präsident Karimow bei der Legitimierung einer starken Exekutive und eines eigenen "usbekischen Wegs zur Demokratie" die Probleme der demographischen Entwicklung besonders hervor. Zentralasien wies nach dem Zweiten Weltkrieg die höchsten Geburtenraten und das schnellste Bevölkerungswachstum von allen Regionen der ehemaligen Sowjetunion auf. Wenn sich auch in den letzten Jahren eine Abflachung dieser Wachstumskurve abzeichnet, kann man von einer "demographischen Wende" wohl noch nicht sprechen. Eine sehr ungleiche Bevölkerungsverteilung mit Dünne- und Dichtezonen - hier äußerst dünn besiedelte Wüsten- und Hochgebirgszonen, dort landwirtschaftliche Oasenzonen und Industriestandorte mit höchster Bevölkerungsdichte wie in Teilen des Fergana-Beckens - bilden den geographischen Rahmen für diese demographischen Prozesse. Länder wie Usbekistan und Turkmenistan stehen vor dem Problem, Arbeitsplätze für die zahlenmäßig starken jüngeren Bevölkerungsgruppen bereithalten zu müssen, wenn sie sozialen und kulturellen Krisen vorbeugen wollen. In diesem Zusammenhang ist die Rede von denkbaren Verführungen durch extreme nationalistische oder religiöse Kräfte, falls die soziale Stabilisierung scheitern sollte. Ein anderes relevantes Problem sind die aktuellen Wanderungsbewegungen in der Region. Auf einer internationalen Konferenz über Migration im GUS-Raum, die im Mai 1996 in Genf abgehalten wurde, gab man die Zahl der Migranten in Zentralasien mit 4,2 Millionen an. Soviele Menschen sind seit dem Zerfall der Sowjetunion entweder aus Zentralasien ausgewandert oder haben innerhalb der Region ihren Wohnort gewechselt. 700.000 Menschen wurden durch den Bürgerkrieg in Tadschikistan entwurzelt, mehr als zwei Millionen "Russischsprachige" emigrierten aus Zentralasien, überwiegend nach Rußland. Die Emigration erfaßte die wirtschaftlich aktiven Bevölkerungsteile und Spezialisten, die in Auswanderungsländern wie Kasachstan und Kirgistan dringend benötigt werden.

Unter den ökologischen Katastrophenzonen der ehemaligen Sowjetunion heben sich weite Landstriche Zentralasiens hervor. Kasachstan ist besonders vom Erbe nuklearer und chemisch-biologischer Hochrüstung der Sowjetunion belastet. Der bekannte Polygon von Semipalatinsk war nur eine Insel im Archipel sowjetischer Atomtestgelände in Kasachstan. Er diente bis 1963 mehr als 500 oberirdischen und bis 1989 weiterhin unterirdischen Atombombentests, über deren Gefährlichkeit die Bevölkerung der Umgebung im unklaren gelassen wurde. Kasachische Behörden teilten mit, daß das Land aus der sowjetischen Uranproduktion und den Atomversuchen 225 Millionen Tonnen radioaktive Abfälle geerbt hat, davon über 1 Million Tonnen hochradioaktive. Kasachstan produziert weiterhin Uran.

Zum Symbol einer spezifisch mittelasiatischen Umweltkrise wurde der Aralsee. Dem regionalen Wassersystem war zur Erweiterung der Landwirtschaft, insbesondere des Baumwollanbaus, seit den sechziger Jahren so viel Wasser entnommen worden, daß der Zufluß der beiden Hauptströme Amu-Darja und Syr-Darja zum Aral stagnierte. Der Wasserspiegel des viertgrößten Binnengewässers der Erde sank. Von mehr als 30.000 qkm freigelegten Seebodens werden jährlich Zigmillionen Tonnen Sand und Salz aufgewirbelt. Sie schädigen die Umwelt in einem Radius, der über regionale Dimensionen hinausgetreten ist. In den kritischen Schadenszonen leben zwischen 2,5 und 3 Mio. Menschen. Besonders die Bevölkerung am Nordufer auf kasachischer Seite und am Südufer in der Karakalpakischen Republik im Westen Usbekistans ist von "ökologischer Deportation" bedroht. Bereits in der Endphase der Sowjetunion wurden alarmierende Daten über die Krankheits- und Sterblichkeitsentwicklung in den ökologischen Schadenszonen Zentralasiens bekannt. Die Folgen schlimmster Umweltsünden kombinierten sich mit einer Unterentwicklung im Gesundheitswesen. Die Sterblichkeitsquoten bei Kleinkindern erreichten bereits in den achtziger Jahren in einigen Regionen Sowjetisch-Zentralasiens drittwelthafte Verhältnisse. Seitdem hat das Gesundheitswesen noch erhebliche Rückschläge erlitten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999

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