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TEILDOKUMENT:
4. Die Administration Die Reform der Verwaltung ist der in politischer Hinsicht sensibelste Teil des Reformpakets, zum einen, weil die LDP ihren Wahlkampf 1996 vor allem mit dem Versprechen einer Verwaltungsreform geführt und gewonnen hat, zum andern, weil die Reichweite der anderen Reformen, insbesondere des Staatshaushalts und der Regulierung, vom Erfolg der Verwaltungsreform abhängt. Wie diese Reform letztlich aussehen wird, läßt sich derzeit noch nicht absehen. In den zuständigen Gremien werden vier Reformschritte diskutiert: Erstens die Stärkung des Ministerpräsidentenamtes, dem die heutige Management and Coordination Agency (die für die Beziehungen zwischen Kabinett und Verwaltung zuständig ist, und deren Generaldirektor im Ministerrang die Funktion eines Regierungssprechers innehat) und das Ministry of Home Affairs (das vor allem für die Beziehungen zwischen Zentralregierung und den Lokalregierungen zuständig ist) zugeordnet werden sollen. Der Amt des Premierministers übernimmt zudem vom Finanzministerium die Zuständigkeit für die endgültige Zusammenstellung des Staatshaushalts. Schließlich erhält das Amt Sondervollmachten für Krisenfälle. Zweitens die Reduktion der Zuständigkeit der Ministerien auf zentrale strategische Aufgaben, während alle Implementierungsfunktionen auf mit privaten Managementmethoden geführte agencies" nach britischem Vorbild übertragen werden. Schätzungen zufolge würden über 70% der japanischen Ministerialbeamten auf solche agencies" umverteilt werden. Drittens die Restrukturierung des Ministerialapparats selbst (s. Kasten): Die Zahl der Ministerien und Behörden im Ministeriumsrang soll von 20 auf 10 reduziert werden. Es fällt auf, daß das MITI diesem Projekt zufolge auf gewaltige Dimensionen anschwillt, indem es sich die Kompetenzen des Landwirtschaftsministeriums und vor allem des Ministeriums für Post und Telekommunikation einverleibt. Viertens die Privatisierung des Postdienstes, der Postsparkasse und der Post-Lebensversicherung. Hierbei handelt es sich um das am weitesten reichende und umstrittenste Reformvorhaben. Gegen die Privatisierung der Postdienste treten nicht nur die Postgewerkschaften auf, die 300.000 Bedienstete vertreten, sondern auch die lokalen Postmeister, eine der Säulen der LDP-Wahlunterstützung. Sprengkraft erhielte die Privatisierung der Postdienste vor allem deshalb, weil die Postsparkasse mit ihren Einlagen von 1,96 Billionen US$ das Rückgrat des sogenannten zweiten Staatshaushalts", des Fiscal Investment and Loan Program (FILP ) ist. Die Privatisierung der Postsparkasse hätte weitreichende Auswirkungen auch auf das FILP und alle an ihm beteiligten Institutionen. Das FILP finanziert sich aus den Mitteln der Postsparkasse und den Überschüssen der Sozialversicherung, die an das Trust Fund Bureau des Finanzministeriums fließen. Zum Teil kauft das Trust Fund Bureau Regierungsanleihen. Zum Teil fließen die FILP-Mittel an öffentliche Korporationen und Banken, um vor allem Basisindustrien und Infrastrukturprojekte zu finanzieren. Reform der zentralen Staatsverwaltung
So wurde mit FILP-Mitteln der Bau gebührenpflichtiger Autobahnen, Häfen und Flughäfen finanziert, während der Bau gebührenfreier Landstraßen aus normalen Steuermitteln gedeckt wird. In den 50er und 60er Jahren flossen die FILP-Mittel vor allem in die Transportinfrastruktur und in der Form billiger Kredite in den Kohlebergbau, die Werftindustrie und die Stromerzeugung. Seit den 70er Jahren hat sich das Gewicht auf die Finanzierung von Kleinunternehmen, des Wohnungsbaus und der sozialen Infrastruktur verlagert. Kredite des Fiscal Investment and Loan Program lagen - mit der Ausnahme der letzten beiden Jahre - immer um mindestens 2% unter dem Zinssatz der Banken. Das Programm wurde weder von den Postsparern subventioniert - die Zinsen auf Guthaben bei der Postsparkasse lagen über denen der Banken -, noch wurde es aus dem ersten" Haushalt bezuschußt. Die Ziele des FILP enthalten einen Widerspruch: Das Programm soll gleichzeitig den Kleinsparern der Postsparkasse angemessene Erträge garantieren und kostengünstige Kredite für öffentliche Projekte bereitstellen. Daß dieser Widerspruch bislang nicht offen sichtbar wurde, kann nur darauf zurückgeführt werden, daß die privaten Banken dank regulierter niedriger Zinssätze auf Bankeinlagen exzessive, d.h. durch den Markt nicht gerechtfertigte Gewinne erwirtschafteten. Die Funktionsbedingung für das FILP (das vom Volumen 1994 etwa die Hälfte des ersten" Haushalts ausmachte) ist m.a.W. ein reguliertes und wenig effizientes privates Finanzsystem mit niedrigen Einlagezinsen. Was die Kreditzinsen angeht, ist das FILP schon heute nicht mehr wettbewerbsfähig": Im Fiskaljahr 1996 stieg das Volumen der nicht abgerufenen Mittel des FILP dramatisch an, weil dessen Zinssätze nun über denen der privaten Banken lagen. Nicht abgerufene Mittel des Fiscal Investment
Das FILP ist einem doppelten Risiko ausgesetzt: einem Zinsrisiko und einem Kreditrisiko. Eine Anhebung des generellen Niveaus der Einlagen-Zinssätze, möglicherweise das Ergebnis der vorgesehenen Deregulierung des privaten Finanzsystems, würde die Postsparkasse vor erhebliche Probleme stellen. Die meisten Postguthaben können nach sechs Monaten abgerufen werden, und viele Postkunden würden ihr Geld in ertragreichere Anlagen lenken, wenn die Postsparkasse nicht selbst ihre Einlagezinsen anhebt. Sie kann dies aber in nur begrenztem Umfang tun, da sie das Gros ihrer Mittel zu einem langfristig fixen und niedrigen Zinssatz an das Trust Fund Bureau verliehen hat. Das Kreditrisiko liegt darin, daß die Kreditnehmer des FILP, die öffentlichen Korporationen und Banken, keineswegs immer finanziell gesund sind. Ein wichtiger Kreditnehmer des Programms ist die bereits erwähnte JNR Settlement Corporation, die enorme Schulden vor sich herschiebt, und andere öffentliche Korporationen wie die Housing Loan Corp. stehen nicht besser da. Damit steht das FILP vor ähnlichen Problemen, wie sie die privaten Banken belasten: Das Trust Fund Bureau hat Schwierigkeiten, neue Kreditnehmer zu finden, und gleichzeitig könnten sich viele der in der Vergangenheit vergebenen Kredite als uneinbringlich erweisen, während die Überschüsse der Postsparkasse zwischen höheren Einlagen- und niedrigen Kreditzinsen aufgerieben würden. Wird die Regierung Hashimoto mit ihrer Verwaltungsreform so weit gehen, die Postdienste zu privatisieren und damit letztlich den gesamten zweiten Staatshaushalt" zur Disposition stellen? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sieht es so aus, als teste man mit dieser Idee die Öffentlichkeit, um die Stärke des potentiellen Widerstandes auszuloten. Wichtigster Protagonist ist Gesundheits- und Wohlfahrtsminister Koizumi, der - unkorrigiert vom Premierminister - immer wieder mit radikalen Privatisierungsforderungen auf sich aufmerksam macht. Der Protest der Gewerkschaften ist vorprogrammiert, entscheidend wird aber sein, ob die Hinterbänkler der LDP ihre Position in den Wahlkreisen durch die Abschaffung eines so weitverzweigten Multiplikatorsystems, wie es das Postwesen ist, gefährdet sehen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999 |