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2. Die Wachstumsschwäche hat mehrere Ursachen Es besteht immer die Gefahr, sich von Stimmungen mitreißen zu lassen. Davor müssen wir uns gerade bei der Beurteilung der aktuellen japanischen Wirtschaftslage schützen. Die japanische Wirtschaft steht zweifellos vor wichtigen strukturellen Herausforderungen. Sie befindet sich gleichwohl nicht in einer Krise, wie wir sie etwa bei südostasiatischen Nachbarstaaten beobachten. Japan hat kein Auslandsschuldenproblem. Es ist im Gegenteil die größte Gläubigernation der Welt. Seine Wirtschaft schrumpft nicht. 1996 erzielte sie, wenn auch einmalig, mit fast 4% das mit Abstand höchste Wirtschaftswachstum unter den G7-Staaten. Realistische Zukunftsszenarien prognostizieren schlimmstenfalls zwei Jahre Stagnation. Japans Industrie hat international an Wettbewerbsfähigkeit nicht eingebüßt, sie hat vielmehr durch den jüngst zu beobachtenden Abwertungstrend des Yen ihre Exporte trotz der Einbrüche in südostasiatischen Staaten deutlich steigern können. Schließlich spricht die Tatsache, daß Japan auch aus der "namenlosen" Zeit der 70er Jahre gestärkt hervorgegangen ist, für die Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit des Wirtschaftssystems. Im Kontrast zum Glanz des Wirtschaftswunderlandes vergangener Jahre und Jahrzehnte erscheint die aktuelle Lage der japanischen Wirtschaft natürlich in einem tiefen Schatten, und es stellt sich die berechtigte Frage, wie es dazu kommen konnte. Der Wachstumsschwäche liegen mehrere Faktoren zugrunde. Die durch den Zusammenbruch der "bubble economy" bedingte und durch die Globalisierung der Finanzmärkte verschärfte Krise des Finanzsystems, die Unstetigkeit der Fiskalpolitik, die starken Schwankungen im Außenwert der japanischen Währung und die Wirtschaftskrise in Südostasien zählen zu den offensichtlichsten Problemverursachern. Hinzukommt ein tiefer liegendes Strukturproblem, das sich zum Teil in der Krise des Finanzsystems äußert, aber auch in anderen Bereichen von Wirtschaft und Politik Anpassungs- und Reformdruck entfaltet. Es wird in Japan unter der Überschrift "Das Ende des catch-up Systems" diskutiert. Gemeint ist damit, daß zentrale Institutionen des japanischen Wirtschaftssystems, die sich im Kontext des wirtschaftlichen und technologischen Aufholprozesses gegenüber dem Westen entwickelt und bewährt haben, heute, wo Japan in vielen Bereichen längst zur Spitze vorgestoßen ist, ihre Funktionalität eingebüßt haben und sogar grundlegend reformiert werden müssen, um die Entwicklungsfähigkeit der Wirtschaft nicht zu gefährden. Die Diskussion bezieht sich auf die im Ausland viel beachteten Strukturmerkmale des Beschäftigungssystems, der Industrieorganisation und der Beziehung zwischen Ministerialbürokratie und Wirtschaft. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 1999 |