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TEILDOKUMENT:
Mittelfristige Auswirkungen der Industriepolitik auf die Handelsbilanz Als Beispiel für die erfolgreiche Reintegration in den Weltmarkt wird in der Regel der Automobilsektor angeführt. Dieser hat seit Beginn der Stabilisierung mehrere klar unterscheidbare Phasen durchlaufen, begonnen mit dem verstärkten Import von Pkw im Jahr 1994. Dann folgte eine Phase zunehmender lokaler Produktion bei hohem Importanteil der Vorprodukte; inzwischen werden auch die Autoteile wieder zunehmend in Brasilien selbst hergestellt. Spätestens seit der zweiten Phase sind die Investitionen in der Automobilproduktion eindrucksvoll hoch, und für die kommenden Jahre werden noch einmal Investitionen von einer Reihe von internationalen Herstellern von etwa US$ 20 Mrd. erwartet. Seit einiger Zeit ist auch eine massive Akquisitions- und Fusionswelle im Zulieferbereich zu beobachten, bei dem internationale Zulieferer, die in die globalen Netze der transnationalen Konzerne eingebunden sind, traditionelle brasilianische Familienunternehmen aufkaufen. Damit hat sich auch das Volumen der importierten Autoteile etc. sichtbar verringert. Der Automobilbereich steht auf diese Weise an der Spitze der Direktinvestitionen, da der Markt Brasiliens und des Mercosur als einer der weltweit dynamischsten Wachstumsmärkte für diese Branche gilt. Trotzdem hat sich die Anzahl der Beschäftigten in diesem Bereich von 200.000 (1990) auf 120.000 (1996) verringert. Gegen die Argumentation, daß andere Industriebranchen in Kürze diesem Muster der erfolgreichen produktiven Restrukturierung folgen würden und sich damit auch das Profil der Eingliederung in den Weltmarkt wieder ändern werde, gibt es jedoch ein schlagendes Argument: Während die nationale Entwicklungsbank BNDES für die Mehrzahl der Industriebranchen eine zwar intensive, aber erratische Industriepolitik verfolgt, die tendenziell versucht, aufgetretene Probleme nachträglich zu mildern, profitiert der Automobilsektor von einer Industriepolitik, die längerfristig klare Anreize für die lokale Produktion anstelle von Importen schafft. Nachdem 1995 im Zuge der Mexiko-Krise mit vorübergehend extrem hohen Zöllen auf fertige Pkw die Importe in diesem Bereich drastisch gesenkt worden waren, wurde anschließend ein Sektorabkommen abgeschlossen. Im Mittelpunkt steht die local content-Regel, die festlegt, daß die Unternehmen in den Genuß reduzierter Importzölle für Kapitalgüter und Vorprodukte kommen, wenn sie bestimmte Importquoten, gemessen am gesamten nationalen Produktionswert des Unternehmens, nicht überschreiten. Ungefähr gilt die Richtlinie, daß Importe und Endproduktionswert maximal ein Verhältnis von 1:2 haben dürfen, vorläufig befristet bis zum Jahr 1999. Hinzukommt noch ein intensiver Subventionskrieg zwischen den einzelnen Bundesländern, die mit hohen Subventionen und Steuernachlässen Unternehmensansiedlungen anlocken (nach Presseberichten decken diese in Einzelfällen bis zu 100 Prozent der Investitionskosten). Selbst wenn dieser Prozeß der produktiven Reintegration in die Weltwirtschaft auf einer breiten Basis erfolgreich sein sollte, ist immer noch die Frage nach den Nettoeffekten auf die Handelsbilanz zu klären. Hierzu sind zwei Untersuchungen aus dem Jahr 1997 zum aktuellen Investitionsverhalten äußerst aufschlußreich: eine Studie vom brasilianischen Unternehmerverband zum Investitionsverhalten der brasilianischen Unternehmen und eine weitere von der Universität in Campinas, die die ausländischen Direktinvestitionen untersucht. Beide kommen zu dem Schluß, daß die Investitionen insgesamt sichtbar angestiegen sind, daß aber die überwältigende Mehrheit dieser Investitionen auf den (häufig um den Mercosur erweiterten) Binnenmarkt ausgerichtet bleibt. Ausschließlich Unternehmen, die den Abbau von Rohstoffen und ähnliches betreiben, zielen primär auf den Weltmarkt. Angesichts des überbewerteten Wechselkurses und immer noch bestehender struktureller Probleme der brasilianischen Ökonomie ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß das Land nicht zur Exportplattform à la asiatische Tiger taugt. Also bestätigt sich auch hier - zumindest bisher - noch einmal, daß sich aus der bisherigen Industriepolitik keine Dynamisierung der Exporte angebahnt hat und daß sich insgesamt eine qualitative Verschiebung der Exporte hin zu traditionellen Exportgütern ergibt. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 1999 |