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TEILDOKUMENT:
Soll der Zeitplan für die EWU eingehalten werden?
Gemäß den Maastrichter Verträgen soll die EWU ab 1. Januar 1999 in Kraft treten. Bis 1. Juli 1998 soll entschieden werden, wer dabei ist. 1998 sollen auch die EURO-Kurse der Mitgliedswährungen festgelegt werden.
Position 1:
Sowohl am Zeitplan als auch an den vereinbarten Beitrittsbedingungen strikt festhalten. Also: in Kauf nehmen, daß anfangs nur wenige Länder der EWU angehören!
Denn:
- Eine Verschiebung der Währungsunion vertagt auch die mit ihr verbundenen Vorteile.
- Sie birgt die Gefahr, daß die beitrittsfähigen Länder ihre Beitrittsfähigkeit wieder verlieren (weil die Bedingungen außerhalb der EWU schwerer zu erfüllen sind als in ihr).
- Sie birgt außerdem die Gefahr, daß die politische Entschlossenheit zur EWU aufgrund der vielfältigen Schwierigkeiten nachläßt, was wiederum Signalwirkung für den ganzen, zur Zeit ohnehin auf der Kippe stehenden, europäischen Einigungsprozeß haben könnte.
- Sie verlängert die Phase der Ungewißheit und wirkt damit investitionshemmend.
- Andererseits gefährdet eine Aufweichung der Beitrittskriterien die mit der EWU angestrebten Vorteile, nämlich gesicherte Preisstabilität bei guten Wachstumsvoraussetzungen. Das Risiko erhöht sich, daß Länder aufgenommen werden, die zu der hierfür erforderlichen Finanz- und Lohnpolitik (noch) nicht fähig oder bereit sind.
- Eine Aufweichung der Beitrittsbedingungen kann Länder mit unterbewerteter (weil von den Finanzmärkten gemiedener) Währung in die EWU bringen und somit Wettbewerbsnachteile für die stabilen Kernländer", zumal Deutschland, zementieren.
- Sie erzeugt Mißtrauen bei den Akteuren auf den Finanzmärkten und beschwört damit Währungsturbulenzen herauf, die das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen.
- Die Gefahr einer - wie gesagt, nicht wünschenswerten - Aufweichung der Beitrittskriterien wächst mit einer Verschiebung; denn sie stellt gefaßte Beschlüsse grundsätzlich wieder zur Disposition.
- Der Rest der EU-Länder bleibt nicht für immer aus der EWU ausgeschlossen. Er kann sich später für eine Mitgliedschaft nicht minder gut qualifizieren wie bei einer Verschiebung der EWU. Der politische Wille, es zu tun, wird durch die Existenz der EWU eher gestärkt.
- Eine zunächst kleine EWU kann außerdem Teil eines breiteren Europäischen Währungssystems sein, in das auch die vorläufig ausgeschlossenen EU-Länder eingebunden sind und das somit die Währungsstabilität in der gesamten EU begünstigt.
- Schließlich gilt: Verträge sind einzuhalten!
Position 2:
Den Beginn der EWU nur dann verschieben, wenn Frankreich oder Deutschland die Beitrittsbedingungen nicht rechtzeitig erfüllen!
Denn:
- Es gelten prinzipiell die für Position 1 vorgebrachten Argumente hinsichtlich der Nachteile einer Verschiebung.
- Angesichts der Vorteile einer Währungsunion unter den Kernländern" der EU ließe sich sogar in Kauf nehmen, daß es für die zunächst ausgeschlossenen Länder schwerer wird, später dazuzustoßen.
- Aber: Eine EWU ohne Frankreich oder Deutschland verfehlt ihren zentralen politischen Zweck, nämlich die Versöhnung französischer politischer Ambitionen mit dem dominierenden Gewicht Deutschlands. Dieser Gesichtspunkt hat Vorrang vor ökonomischen Überlegungen.
- Beziehungsweise: Ohne Frankreich oder Deutschland sind die Vorteile der EWU nicht groß genug, um in Kauf zunehmen, daß ihre spätere Vervollständigung erschwert wird.
- Andererseits gefährdet eine Aufweichung der Beitrittskriterien die mit der EWU angestrebten Vorteile
(siehe Position 1).
Position 3:
Den Beginn der EWU verschieben, wenn die Mehrzahl der EU-Länder die im Maastrichter Vertrag festgelegten Grenzwerte der monetären und finanzpolitischen Konvergenz (noch) überschreitet!
Denn:
- Eine EWU nur mit denjenigen Ländern, die ihre Währung ohnehin seit langer Zeit fest an die D-Mark angebunden haben, ist ökonomisch weitgehend überflüssig.
- Die mit der EWU angestrebten Ziele (Festigung der europäischen Integration, gesicherte Preis Stabilität, bessere Wachstumsvoraussetzungen) würden verfehlt, wenn wichtige Länder der EU nicht mit von der Partie sind.
- Die Europäische Währung gerät unter Aufwertungsdruck gegenüber den restlichen EU-Währungen. Die Mitgliedsländer verlieren an Wettbewerbsfähigkeit. Protektionistische Gegenreaktionen, die den Gemeinsamen Markt gefährden, sind nicht auszuschließen
- Die aus der EWU ausgeschlossenen europäischen Länder entwickeln Ressentiments gegen die EU. Gegebenenfalls verweigern sie einer Kern-EWU" sogar die erforderliche Zustimmung.
- Für die zunächst ausgeschlossenen Länder wird die Erfüllung der Beitrittsbedingungen erschwert, da sie mit hohen Zinsen gegen das Mißtrauen der Finanzmärkte ankämpfen müssen. Der politische Durchhaltewille wird gefährdet.
- Andererseits gefährdet eine Aufweichung der Beitrittsbedingungen die mit der EWU angestrebten Vorteile (siehe Position 1).
Position 4;
Die EWU auf jeden Fall gemäß Zeitplan mit den fünf Kernländern." des Europäischen Währungssystems (EWS) starten. Notfalls die Beitrittsbedingungen entsprechend flexibel handhaben, aber ihre nachträgliche Erfüllung sicherstellen!
Denn:
- Es gelten die für Position 1 vorgebrachten Argumente hinsichtlich der Nachteile einer Verschiebung.
- Andererseits werden die mit der EWU angestrebten Ziele verfehlt, wenn nicht alle Kernländer" der EU mit von der Partie sind.
- Eine zu kleine EWU bringt für die Mitglieder außerdem gravierende Wettbewerbsnachteile, da die europäische Währung unter Aufwertungsdruck gegenüber den restlichen EU-Währungen gerät.
- Die in Maastricht festgelegten Beitrittsbedingungen sind zwar unabdingbar für die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der EWU.
- Aber ihre vollständige Erfüllung wird durch die EWU-Mitgliedschaft erleichtert, da die kostspielige Verteidigung der Währungsparität gegenüber den mißtrauischen Finanzmärkten (hohe Zinsen!) entfällt.
- Allerdings sollte die EWU durch entsprechende Sanktionen sicherstellen, daß ihre Mitglieder die Beitrittsbedingungen im nachhinein auch tatsächlich vollständig erfüllen.
Position 5:
Die EWU auf jeden Fall gemäß Zeitplan mit der Mehrzahl der EU-Länder starten und die Beitrittsbedingungen entsprechend flexibel handhaben!
Denn:
- Es gelten die für Position 1 vorgebrachten Argumente zu den Nachteilen einer Verschiebung.
- Eine EWU nur mit dem harten Kern des Europäischen Währungssystems jedoch ist ökonomisch weitgehend überflüssig und verfehlt ihre eigentlichen Ziele.
- Außerdem beeinträchtigt sie - wegen des Aufwertungsdrucks auf den EURO - die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsländer.
- Und sie führt zu einer politischen Spaltung Europas.
- Die als Beitrittsbedingungen festgelegten Grenzwerte sind ohnehin (notwendigerweise) willkürlich. Nicht ihre rigide, kontext-losgelöste Einhaltung ist ökonomisch wichtig, sondern die Beibehaltung der richtigen Tendenz.
- Die Risiken einer flexiblen Auslegung der Beitrittsbedingungen wiegen gering gegenüber den Nachteilen einer zu kleinen oder zu lange hinausgeschobenen EWU, zumal die Preisstabilität durch die europäische Zentralbank gewährleistet wird und die Einsicht in die Vorteilhaftigkeit einer soliden" Finanzpolitik vorhanden ist.
Position 6:
Die EWU auf jeden Fall verschieben, um den Ländern die Erfüllung der Beitrittsbedingungen zu erleichtern!
Denn:
- Der Versuch, die Beitrittsbedingungen um jeden Preis im vorgegebenen Terminrahmen zu erfüllen, überfordert mehrere Länder. Er führt (noch tiefer) in die Rezession, erzeugt Ressentiments gegen die EWU-Idee und steigert das Mißtrauen der Finanzmärkte, was dann wiederum zu Währungsturbulenzen führt. Das ganze EWU-Projekt würde gefährdet.
- Eine längere Zeitspanne gibt den Ländern mehr Zeit zur Entwicklung stabilitätskonformer Institutionen. Sie verringert die Gefahr eines Rückfalls in stabilitätswidriges Verhalten, nachdem die Beitrittsbedingungen in einem einmaligen Kraftakt erfüllt wurden.
© Friedrich Ebert Stiftung
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fes-library | Juli 1999
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