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TEILDOKUMENT:
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Manfred Pfister
Reformen in den kommunalen Verwaltungen Westdeutschlands
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1. Kommunale Verwaltungsreform in Westdeutschland
Hintergründe, Entwicklung, Beispiele
- Qualitätsdefizite, Kosten- und Zeitprobleme der öffentlichen Verwaltung werden seit Jahren verstärkt wahrgenommen. Sie zeigen an, daß sich das politisch-administrative System in einer strukturellen Krise befindet. In der Organisationsstruktur, die der traditionellen Verwaltung zugrunde liegt, werden Aufgabenzuwachs und -wandel stets mit organisatorischen und personellen Erweiterungen beantwortet. Gerade auf kommunaler Ebene, in den westdeutschen Städten, Gemeinden und Kreisen, ist in den letzten Jahren deutlich geworden, daß eine kritische Grenze längst errreicht ist.
- Angesichts der drückenden Finanzkrise werden auf seiten der Kommunal- und Kreisverwaltungen zunehmend die bestehenden Steuerungs- und Verantwortungsdefizite thematisiert. Die enormen Haushaltsdefizite zeigen aber auch, wie konjunkturabhängig die kommunalen Finanzen sind (nach immer neuen Eingriffen in die kommunale Finanzautonomie), und daß Aufgabenzuweisung ohne Kostenausgleich, explodierende Sozialhilfeausgaben und die Beteiligung an der Finanzierung der Lasten der deutschen Einheit die kommunale Selbstverwaltung in Frage stellen. Die Neustrukturierung der gesamtstaatlichen Finanzbeziehungen ist sicher eines der drängendsten Probleme, die sich derzeit stellen.
- Sehr deutlich wird die Schieflage der kommunalen Finanzen, wenn den Einnahmen über die Gewerbesteuer - neben dem Anteil an der Einkommenssteuer die entscheidende Quelle kommunaler Einnahmen - die exorbitant gestiegenen Ausgaben bei der Sozialhilfe gegenübergestellt werden. Schon 1992 lagen nach Angaben des Deutschen Städtetages die Gewerbesteuereinnahmen und die Ausgaben für Sozialhilfe in den westdeutschen Kommunen 5,4 Milliarden Mark auseinander. Sie sind seitdem noch weiter auseinandergedriftet. So gehen die Schätzungen für das Jahr 1994 davon aus, daß die Gewerbesteuereinnahmen weiter zurückgegangen sind, um knapp 2 Milliarden Mark auf 30,6 Milliarden, während bei den Ausgaben für Sozialhilfe ein Anstieg auf 47,5 Milliarden Mark erwartet wird, rund drei Milliarden mehr als 1993. Somit hat die Differenz schon eine Höhe von rund 17 Milliarden Mark erreicht.
- Die Beteiligung westdeutscher Kommunen an der Finanzierung des Fonds Deutsche Einheit belief sich 1994 auf insgesamt 12 Milliarden Mark. Mit dem Föderalen Konsolidierungsprogramm (FKP) haben sich Bund und Länder für die Jahre ab 1995 auf eine neue Grundlage für die Finanzzuweisungen von West nach Ost geeinigt. Die Belastungen, die dabei im Rahmen des Finanzausgleichs auf die westdeutschen Kommunen zukommen, werden von Städtetags-Präsident Norbert Burger auf insgesamt 8 Milliarden Mark jährlich geschätzt.
- Mit dem im Zusammenhang mit der Reform des § 218 StGB etablierten Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ist den Städten und Gemeinden vom Bund und den Ländern neuerlich eine Aufgabe übertragen worden, ohne dies mit einem entsprechenden Kostenausgleich zu verbinden. Die Finanzmisere der Kommunen wird sich dadurch weiter verschärfen: die erforderlichen Investitionen werden die kommunalen Haushalte mit voraussichtlich rund 21 Milliarden Mark belasten, bei den Betriebskosten wird von 4 Milliarden jährlich ausgegangen (Der Städtetag 11/1994).
- Seit 1991 hat sich vor allem in den Großstädten die Finanzlage so drastisch verschärft, daß man vielerorts von Haushaltskatastrophen sprechen kann. Aber auch die Haushalte von Landkreisen sowie vieler mittlerer und kleiner Städte sind in
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zunehmenden Maße defizitär geworden. So verwundert es nicht, daß Verwaltungsreformprozesse durch Haushaltssicherungsnotwendigkeiten ausgelöst bzw. dominiert werden. Von Strukturreformen kann aber nur dann gesprochen werden, wenn im Gegensatz zu reinen Kostenreduzierungsstrategien, die auf pauschale Stellenstreichungen und auf das Allheilmittel der Privatisierung setzen, versucht wird, Haushaltssicherung und weitergehende Reformziele miteinander zu verknüpfen. Heute finden bereits in über 100 westdeutschen Kommunal- und Kreisverwaltungen entschiedene Reformprozesse statt, die eine wirkliche Reorganisation der Verwaltung anstreben, oft begleitet von einer Neu-Definition öffentlicher Aufgaben, die über reine Wirtschaftlichkeitsaspekte hinaus soziale und ökologische Zielsetzungen miteinbezieht. Effektivität und Effizienz durch leistungsfähigere Organisationsformen zu steigern, neue Verantwortungsstrukturen zu schaffen, Verfahrensabläufe zu ändern und Kosten und Leistungen in ihrem Zusammenhang transparent zu machen stehen im Mittelpunkt dieser Reformprozesse.
- Je nachdem, welche Maßnahmen bei kommunalen Reorganisationsvorhaben im Vordergrund stehen, ist der Reformgehalt immer wieder umstritten - so auch beispielsweise beim Sanierungsprozeß, dem die Offenbacher Stadtverwaltung unterzogen wurde und wird. Vor dem Hintergrund einer besonders prekären Verschuldung (Kreditaufnahme, um Zinsen und Tilgung finanzieren zu können) und eines Sozialetats, der fast 50% des Haushalts ausmacht, begann 1992 dort ein massiver Stellenabbau (die 1991 noch 2.500 Stellen sollen bis 1996 auf ca. 1.200 reduziert werden), wurden Bäder, Theater, Jugendzentren geschlossen sowie städtische Einrichtungen (von Entsorgungs- und Reinigungsbetrieben bis zu den Altenheimen) strikt ausgegliedert, d.h. in Eigenbetriebe überführt. Diese Verselbständigung von Verwaltungseinheiten - hier muß betont werden, daß gerade auch die Personalvertretung daran in erheblichem Maße beteiligt war und ist - erfüllt die vorgenannten Reformkriterien durchaus: Die Entwicklung der Eigenbetriebe wird weiter politisch-administrativ gesteuert. Erwartet wird, daß diese innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren - nicht ab Ausgliederung, sondern erst, wenn mit Definition und Zuordnung der Leistungen sozusagen eine "Startposition" erreicht ist - marktfähige Leistungen erbringen. Weiterhin ist im Fall Offenbachs hervorzuheben, daß die Entwicklung auch durch ambitionierte Konzepte der Fortbildung und Personalentwicklung geprägt ist, Konzepte, die in ihrer Bedeutung für eine neue Verwaltungskultur nicht hoch genug eingeschätzt werden können.
- Innovationsdruck geht aber nicht nur von konkreten Faktoren wie dem Haushaltsdefizit aus. Veränderte Managementkonzepte des privatwirtschaftlichen Sektors und weitreichende Modernisierungsstrategien im öffentlichen Sektor anderer westlicher Staaten (der Carl-Bertelsmann-Preis 1993 hat Beispiele sehr weit fortgeschrittener Verwaltungsreformprozesse im Ausland hierzulande bekannt gemacht) wirken sich auf die Debatte um eine grundlegende Verwaltungsreform aus.
- Manche neuen Problemlagen, die ganz wesentlich mit gesellschaftlichen Veränderungsprozessen (Individualisierung, Wertewandel) zusammenhängen, verspürt gerade der kommunale Bereich als "bürgernächste" Verwaltungsebene sehr direkt: den immer größeren Bedarf bei Leistungs- und Betreuungsaufgaben, die steigenden Ansprüche an kundenorientiertes und flexibles Verwaltungshandeln, aber auch den zunehmenden Handlungsbedarf im Bereich Umweltschutz.
- Nicht nur diese neuen Problemkonstellationen und Ansprüche verweisen darauf, daß Kommunal- und Kreisverwaltungen eines modernen Steuerungssystems bedürfen. Auf der kommunalen Verwaltungstätigkeit lastet auch der Druck zunehmender staatlicher Regulierung, die sich in einer immer größeren Zahl auszuführender Gesetze und zu präzisierender Verwaltungsverfahren niederschlägt. Diese Entwicklung belegt nicht nur, daß eine grundlegend modernisierte Verwaltungsstruktur gebraucht wird, die eine flexiblere Aufgabenerledigung möglich macht, sondern sie verweist auch auf das Problem staatlicher Überreglementierung. Es gibt berechtigte Gründe zu fragen, wie sachgerecht die Flut von Regelungen und Durchführungsbestimmungen in manchen Bereichen
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überhaupt ist - auch vor dem Hintergrund der damit verbundenen Kosten.
- Die überkommene Arbeitsweise der (Kommunal-)Verwaltung mit ihren undurchschaubaren Verwaltungsabläufen, sich überschneidenden Arbeitsgebieten und ihrer Fixierung auf Tätigkeiten und Maßnahmen wird seit langem kritisiert. Ausgangspunkt sind dabei die bürokratischen Strukturen mit ihrem hierarchischen Organisationsaufbau und ihrer rigiden Arbeitsteilung, mit ihrer Orientierung auf Regeln und Verfahren statt auf Ergebnisse und "Produkte". Die Erledigung der Aufgaben, die "Leistungserbringung", unterliegt mithin einer bürokratischen Übersteuerung, und da es an klaren Vorgaben zu Leistungsprogramm und Arbeitszielen, aber auch an tragfähigen Verantwortungsstrukturen fehlt, kommt es auf seiten der politischen Gremien eher zu einer Untersteuerung. Welche Möglichkeiten bestehen, auf die daraus resultierenden Effizienz- und Effektivitätsdefizite zu antworten?
- Die Veränderung der Verwaltungsstrukturen durch Einführung dezentraler Steuerungsinstrumente mit klaren Verantwortungstrukturen: Dabei wird die Ressourcenverantwortung auf die Fachbereiche (oder Dezernate) übertragen. Immer häufiger wird dies schon zu Beginn von Reformprozessen mit der Einführung betriebswirtschaftlicher Haushaltsführung verbunden. Die Ergebnisverantwortung wird soweit wie möglich nach unten verlagert, d.h., die Beschäftigten sollen verstärkt Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen können. Zu einem solchen Vorgehen gehört, daß die zentralistische Funktion der Querschnittsbereiche bezüglich Organisation, Personal und Finanzen abgebaut wird. Die Umsetzung solch tiefgreifender Strukturreformen wird in der Praxis zumeist in Pilotbereichen erprobt.
- Ausgliederung und Verselbständigung kommunaler Einrichtungen: Auch dabei kommt es entscheidend darauf an, daß die Verwaltung Ziele vorgeben kann und über Steuerungsinstrumente verfügt. Nur dann können die kommunalen Interessen gegenüber Regie- und Eigenbetrieben oder Eigengesellschaften (GmbH, AG) auch gesichert werden.
- Eine Veränderung der Arbeitsorganisation hin zu produkt- und ergebnisbezogenen Organisationeinheiten: Funktionen sollen zusammengeführt, der interne Aufbau von Bereichen vom Dienstleistungsziel her gedacht werden. An die Arbeitsabläufe selbst sind Kriterien anzulegen, die danach fragen, welche Leistung zu erstellen ist und wie eine Form der Aufgabenerledigung aussehen könnte, die von den Fähigkeiten der Beschäftigten ausgeht. Die damit verknüpften Stichworte wie ganzheitliche Sachbearbeitung, Teamarbeit oder Mobilität der Beschäftigten weisen auf eine der wichtigsten Bedingungen für eine nachhaltige Verwaltungsmodernisierung hin: Es kommt nach aller bisherigen Erfahrung entscheidend darauf an, die Beschäftigten frühzeitig in den Verwaltungsreformprozeß miteinzubeziehen.
- Eine moderne Personalentwicklungs- und Personalführungspolitik: Es geht darum, die Beschäftigten als wichtige Ressource wahrzunehmen und die Entwicklung dieser Ressource auch als besonders wichtig anzusehen. Dies verlangt ein Personalmanagement, das durch Leitvorstellungen wie Fortbildung der Mitarbeiter/innen, Personalentwicklung, leistungsorientierte Aufstiegschancen und Bezahlung gekennzeichnet ist.
- Die veränderten (Qualitäts-)Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger machen es notwendig, das Dienstleistungsbewußtsein in der kommunalen Verwaltung zu stärken und die Information und den Zugang zu Verwaltungsleistungen zu verbessern und zu erleichtern. Die Praxis von Bürgerämtern oder Bürgerläden hat gezeigt, daß sich dabei auch Rationalisierungseffekte für die Verwaltung ergeben. Zu betonen ist auch die Rolle solcher Projekte als Träger von Innovation und Motivation: Verwaltungstypische Modernisierungshindernisse wie der Vorrang ordnungsstaatlicher Vorstellungen können schneller überwunden werden.
- Die jeweilige Ausgangslage in den Kommunen und Kreisen kann sehr unterschiedlich sein. Das betrifft einmal die Höhe der Verschuldung und im Zusammenhang damit auch die Möglichkei-
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ten, das Steuer mit Notmaßnahmen herumzureißen. So versucht Frankfurt (Schuldenstand: rund 10.000 DM je Einwohner), dem Haushaltskollaps durch Verkauf von städtischen Beteiligungen und Liegenschaften zu entgehen: 1994 wurde der Anteil an der Veba AG für rund 650 Millionen Mark verkauft, weitere rund 100 Millionen Mark brachte der Verkauf des Technischen Rathauses. Andere Kommunen dagegen können nicht aufs "Tafelsilber" zurückgreifen, weil sie schlichtweg nichts zu verkaufen haben. Sehr unterschiedlich kann die Ausgangslage auch hinsichtlich der Stärke der Reformkräfte sein. Zwar hat sich ein breit gestreutes Reformpotential entwickelt - sowohl bei Verwaltungsführungen und Personalvertretungen als auch bei Politikern und Gewerkschaft wird die Notwendigkeit eines Umbaus der Verwaltung gesehen -, aber genauso treten auf allen Ebenen immer wieder Widerstände auf, kann das Mißtrauen zwischen den verschiedenen Seiten eine Umsetzung von Reformkonzepten erschweren. Hier hat sich gezeigt, daß die Chancen für prozeßhafte und immer weiter vertiefte Verwaltungsreformen dann groß sind, wenn sie - gleichgültig, von wem sie ausgehen - auf breite Partizipation zielen.
- Unterschiede bei der Zielsetzung und der Durchführung von Reformvorhaben und -projekten sind auch in engem Zusammenhang mit der Größe der Kommune und dem Zeitpunkt zu sehen, zu dem der Reformbedarf thematisiert wurde. In einigen westdeutschen Großstädten wie z.B. der Landeshauptstadt Hannover, deren Stadtverwaltung rund 17.000 Beschäftigte [ Angabe bezieht sich auf das Jahr 1992] umfaßt, wurden sehr früh, noch vor der konjunkturell bedingten Verschärfung der Finanzkrise, Reorganisationsvorhaben angestoßen:
- Ein Haushaltsdefizit von fast 50 Millionen im Haushaltsplan 1988 führte in Hannover zu Diskussionen um Einsparungsmöglichkeiten und zu dem Plan, bei einer Unternehmensberatungsfirma eine Untersuchung in Auftrag zu geben mit dem Ziel, Vorschläge zu einer Neuorganisation der Stadtverwaltung zu erarbeiten.
- Das 1991 vorgelegte Gutachten brachte kein unmittelbar umsetzungsfähiges Konzept. Gerade von Hannover kann gesagt werden, daß sich ein Umsetzungskonzept erst in der konstruktiven Auseinandersetzung zwischen Personalrat und Verwaltung, die von Stellungnahmen der Wissenschaft zu Inhalten des Gutachtens und von der einsetzenden Diskussion um neue Steuerungsmodelle begleitet war, entwickelt hat.
- Der hannoversche Reformansatz könnte als »konzernartige Dezentralisierung der Kommunalverwaltungrise. Es wurde entschieden, mit direkten Sparvorgaben in eine Art Budgetierung einzusteigen, statt flächendeckend Stellen zu streichen; den Dezernaten sind nun Eckwerte vorgegeben, die auch nicht nachträglich verschärft wurden. Ab dem Haushalt 1995 ist für jedes Dezernat ein Budget vorgesehen, verbunden mit größeren Spielräumen bei der Umsetzung.
- Als Modell globaler Umsteuerung einer Verwaltung kann der Organisationsentwicklungsprozeß beim Main-Kinzig-Kreis gelten. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Ansätzen in anderen Kreis- und Kommunalverwaltungen. Natürlich ist ein Reformvorhaben, das die ganze Verwaltung umfaßt, bei einer Größenordnung von ca. 1.400 Beschäftigten auch eher möglich. Weitere besondere Merkmale dieses Modernisierungsvorhabens sind
- die ungewöhnlich intensive Zusammenarbeit zwischen Arbeitergeber- und Arbeitnehmerseite. Ein Kooperationsvertrag zwischen der Gewerkschaft ÖTV und dem Main-Kinzig-Kreis schreibt diese fest; wesentlicher Bestandteil ist die Einrichtung eines paritätisch besetzten Projektbeirates, der seine Entscheidungen nur einvernehmlich trifft.
- die Abkehr von der Praxis der Organisationsgutachten durch Unternehmensberatungsfirmen. Zwar wird im Main-Kinzig-Kreis explizit der Weg einer »Betriebswirtschaftlichen Neuorientierung gegangen ( so
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auch der Titel des Konzepts), ein Weg, bei dem von einer Eigenuntersuchung, von der Entwicklung eigener Vorstellungen und Kriterien ausgegangen wurde. Auf dieser Grundlage und im Wissen darum, daß bei der Umsetzung auf manchen Feldern externe Kompetenz gebraucht wird, wurde für die erste Projektphase ein Beratungsteam mit Projektmanagementfähigkeiten und Moderationskompetenz gesucht. Inzwischen steht das Projektteam der Kreisverwaltung auf eigenen Beinen.
- die Bereitschaft des Kreisauschusses, längerfristige strategische Entscheidungen zu diskutieren, wie auch der Umstand eines friktionsarmen Prozesses. Trotz der daraus resultierenden Reformdynamik rechnen die Promotoren des Projekts bei dem 1993 begonnenen Organisationsentwicklungsprozeß mit einer Dauer von 8 bis 10 Jahren.
- Bei Konzepten ganzheitlicher Veränderung liegt die Betonung darauf, daß es nicht nur um die Einführung eines neuen Steuerungsmodells geht, sondern um wirkliche Veränderungen in den Köpfen, um andere Denkstrukturen, um die Veränderung von Einstellungen. So geht die Zielsetzung Mitarbeiterorientierung beim Reorganisationsprozeß des Main-Kinzig-Kreises von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als die entscheidende Ressource aus. Ausdruck dafür ist die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung (Standortbestimmung nach innen) und die Beteiligung von Mitarbeiter/innen aller Hierchiestufen an den Veränderungsschritten. Festzustellen ist, daß nicht nur die von Hierarchisierung und Kontrolle geprägten Arbeitsabläufe die Motivationslücke bedingen, sondern daß die Gründe dafür auch in Defiziten beim Führungsverhalten und in fehlenden Leistungsanreizen zu suchen sind.
- Reformzielen wie verbesserter Dienstleistungsqualität und Bürgerorientierung entsprechen in der Praxis vor allem Bürgerladen- oder Bürgeramtskonzepte. Bei dem in Hagen in einer dezentralen Bürgerladeneinrichtung erprobten Ansatz kundenorientierten Verwaltens sind publikumsintensive Dienstleistungen unter der Maxime der Aufgabenintegration zusammengefaßt; das heißt, die Sachbearbeiter/innen sind für eine ganze Palette von Verwaltungsangelegenheiten, Auskunfts- und Beratungstätigkeiten zuständig. Kundenorientiertes Verwalten, das sich durch verbesserte Serviceleistungen (verständliche Formulare, schnellere Bearbeitung dank Technikeinsatz etc.) und personenvermittelte Beratung auszeichnet, bedeutet für die Beschäftigten neue Anforderungen. Ihnen wurden über Qualifizierungsmaßnahmen und intensives Training die erforderlichen Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen und Kommunikationsgeschick vermittelt.
- Notwendiger Bestandteil der Strukturreformen ist der Versuch, die Rollen von Politik (Rat, Kreistag) und Verwaltung neu zu definieren. Es erweist sich dabei als schwer aufzulösendes Problem, daß sich Politik und Verwaltung bisher zu einem System ergänzt haben, das wechselseitig die jeweiligen Erwartungen erfüllt. Zielvorstellung ist, daß die Politik eine Aufsichtsratsrolle übernimmt, d.h. für politisch-strategische Entscheidungen zuständig ist, die auf der Grundlage überprüfbarer, Leistungen und Kosten ausweisender Vorlagen gefällt werden. Beim gegenwärtigen Stand der Reformprozesse sind in dieser Weise veränderte Verantwortungsstrukturen noch eher selten.
- Der Organismus Verwaltung ist geprägt von ordnungsstaatlichen Vorstellungen und den Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Reformprozesse treffen daher immer wieder auf Widerstände und Verweigerungshaltungen. Strukturreform bedeutet somit auch, die Innovationsdiskussion unter breiter Beteiligung zu führen und immer wieder zu erneuern, damit sich die Denkstrukturen verändern. Nur dann sind Reformprozesse zu erwarten, bei denen nicht nur neue Instrumente wie Controlling und Budgetierung über alte Strukturen gestülpt, sondern die vorhandenen Organisationsstrukturen nachhaltig verändert werden.
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fes-library | Juli 2000
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