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Ist die Verwaltungsreform geschlechtsneutral? / von Barbara Stiegler. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1996. - 16 S. = 57 Kb, Text . - (FES-Analyse) Electronic ed.: Bonn: FES-Library, 1998 © Friedrich-Ebert-Stiftung
[Essentials:]
Leitbilder, Zielvorstellungen und Kernbegriffe der Verwaltungsreformdebatte müssen geschlechtsspezifisch dekodiert werden, die Konsequenzen, die sie für die Situation von Frauen als Beschäftigte und Bürgerinnen haben können, sind zu analysieren. Leitfrage ist, inwieweit die Bedürfnisse von Frauen berücksichtigt werden und eine erneute Ausgrenzung von Frauen verhindert wird.
* Frauenbüros, Gleichstellungsbeauftragte und andere frauenorientierte Reformprojekte sind in Gefahr, dem Rotstift zum Opfer zu fallen. Gleichstellung ist jedoch auch in der reformierten Verwaltung eine wichtige Querschnittsaufgabe. Kommunale Dienstleistungen und Projekte sind nach ihrem Beitrag für die Gleichstellung von Frauen und Männern zu prüfen und zu gestalten.
[Einleitung]
Verwaltungsreform wird als Zukunftskonzept für den öffentlichen Dienst diskutiert, ist in der Realität allerdings vom Zwang zur Personalkostensenkung geprägt. Diese Erfahrung spielt in den konkreten Umsetzungsprozessen vor Ort die entscheidende Rolle. Eine spezifische Diskussion um die Zukunft der Frauenarbeit in den Verwaltungen unter den Bedingungen der Verwaltungsreform und die Zukunft der Frauen als Bürgerinnen befindet sich erst am Anfang. Gerade Frauenarbeitsplätze sind aber bei einer Modernisierung der Verwaltungen besonders gefährdet. So droht zum Beispiel die Abschaffung der Schreibdienste durch Technikeinführung, die Privatisierung von Reinigungsdiensten und anderen hauswirtschaftlichen Dienstleistungseinrichtungen zur Reduzierung der Personalkosten. So droht auch der Abbau von kommunalen Dienstleistungen, die überwiegend von Frauen in Anspruch genommen werden. Erklärte Ziele der Verwaltungsreform vor allem auf kommunaler Ebene sind eine Verbesserung des Dienstleistungsangebotes und erhöhte BürgerInnenfreundlichkeit. Begriffe wie Aufgabenkritik, Organisationsentwicklung, Enthierarchisierung, Delegation von Verantwortung, Dezentralisierung, Prozeßorientierung und Beteiligung prägen die Debatte um die geeigneten Instrumente. Hingegen fehlt in der Regel in den formulierten Zielvorgaben für eine moderne Verwaltung die Gleichstellung der Geschlechter als zentrales Anliegen und als integraler Bestandteil der Modernisierung. Es ist aber eine alte Erfahrung, daß das Verschleiern von Machtbeziehungen zwischen den Geschlechtern genau dieses Machtverhältnis festigt, so daß nur eine explizite Formulierung dieses Zieles verhindern kann, daß die tradierten Geschlechterhierarchien weiterbestehen. Die Geschlechterfrage spielt bislang nur dann eine Rolle, wenn sie von Frauen eindringlich thematisiert wird oder wenn Frauen sich in konkreten Reformprozessen stark engagieren und versuchen, diese auch zu ihren Gunsten zu nutzen. Seit langem gibt es eine Kritik an Verwaltungssystemen aus Frauensicht. Auch wenn nicht immer gleich sichtbar, so ist die öffentliche Verwaltung doch nach wie vor eine männliche" Institution, die dem Modell des Militärs nachgebildet ist und die vorrangig auf die Bedürfnisse von Männern reagiert: ein Männerbund, der durch den Ausschluß von Frauen aus den wichtigsten Bereichen des Systems und durch den Ausschluß von Bedürfnissen, die aus dem Reproduktionsbereich stammen, gekennzeichnet ist, ein System, in dem Tugenden wie Disziplin, hierarchisches Denken, Gehorsamspflicht und Befehlsgewalt gepflegt werden Tugenden, die dem sozialisatorisch eingeübten weiblichen Denken fern liegen, ein System, in dem männliche Machtrituale eingeübt werden, in dem das Senioritätsprinzip herrscht und in dem die Unterordnung von Frauen als Zuarbeiterinnen implementiert ist, ein System, das vorrangig androzentrische Daseinsfürsorge bietet, das also primär auf die Bedürfnisse männlicher Lebensweisen eingeht. Die Reformdebatte könnte die bisherigen spezifisch Frauen betreffenden Defizite und die Kritik der Frauen daran aufgreifen und Verwaltungen intern nach anderen Prinzipien strukturieren und extern in ihren Leistungen auf andere Bedürfnisse ausrichten. Im folgenden wird untersucht, ob die Leitbilder, Zielvorstellungen und Kernbegriffe, die von der Verwaltungsreformdebatte formuliert wurden und sie bestimmen, dieser Kritik standhalten können. Dazu müssen sowohl die produzierten Leitbilder und Vorstellungen als auch die Kernbegriffe geschlechtsspezifisch dekodiert werden, das heißt, sie müssen auf die Konsequenzen, die sie für die Situation von Frauen als Beschäftigte und Bürgerinnen haben können, analysiert werden. Es wird dabei zu prüfen sein, inwieweit die Bedürfnisse von Frauen ernst genommen und eine erneute Ausgrenzung von Frauen verhindert wird.
1. Der allseits interessierte und flexible Mitarbeiter
In der Debatte um ein Modell des effizienten öffentlichen Dienstes wird häufig das Leitbild des allseitig interessierten, flexiblen, qualifizierten, rundum verfügbaren Mitarbeiters produziert. Ein räumlich und zeitlich fast unbegrenztes Engagement wird gefordert, der ideale Mitarbeiter als hochmotivierter Workaholic trägt deutlich männliche" Züge. Denn einem solchen Leitbild können Frauen kaum entsprechen, wenn sie die Reproduktionsarbeit für Männer, Kinder und Alte leisten. Für diese Arbeit brauchen sie im Gegenteil kürzere, berechenbare Erwerbsarbeitszeiten und entsprechende Pausen, in denen sie über bestimmte Zeiträume flexibel aus dem Arbeitsprozeß ausscheiden können. Seit langem kritisieren Frauen, daß der Zuschnitt von Erwerbsarbeitsplätzen bereits heute eigentlich 1,5 Personen erfordert, weil diejenigen, die diese Arbeitsplätze innehaben, nicht in der Lage sind, sich um ihre Kinder oder Betreuungsbedürftige zu kümmern. In der Reformdebatte wird das Bild eines Mitarbeiters entwickelt, dessen allseitige Verfügbarkeit für die Erwerbsarbeit noch zum Ideal erhoben wird. Dieses Bild widerspricht auch den Bedürfnissen jener Männer, denen es in ihrem Leben nicht nur um die Erwerbsarbeit, sondern auch um intensive persönliche Erfahrungen in den Beziehungen zum Partner und zu ihren Kindern geht und die zur Übernahme praktischer Verantwortung für Kinder und andere ihnen nahestehende Personen bereit sind. Freilich sind diese Zeitpioniere" noch immer seltener als die Literatur über sie glauben macht.
2. Der Kunde
Geschlechtsspezifisch sind heute schon die Bilder, die in der Kommune von den Bürgern und Bürgerinnen herrschen: Frauen sind in diesen Bildern gemeinhin die Bittstellerinnen, weil sie Leistungen für die ihnen zugewiesenen Reproduktionsarbeiten fordern. Sie sind die Symptomträgerinnen struktureller Benachteiligungen, wenn sie als Sozialhilfeempfängerin auftreten, oder die Opfer, wenn sie zum Beispiel in Frauenhäusern wohnen. Der Mann wird hingegen eher als zahlungskräftiger Bauherr oder Autobesitzer gesehen, ist also dem Bild des Kunden bereits ähnlicher. Wenn sich nun der gesamte öffentliche Dienst in ein Dienstleistungszentrum verwandeln soll, dem ein zahlungskräftiger Kunde gegenübertritt, wird deutlich, wer zukünftig als Nutznießer gedacht ist: der Bürger als Kunde, der sich die öffentlich erstellten Produkte aussucht, der in eine marktmäßige Beziehung zum Anbieter tritt mit der Freiheit, das Angebot zu nutzen oder auch nicht. Aus dem Rathaus soll ein Kaufhaus werden, wenn aus dem Bürger ein Kunde wird. Diese Vermarktung öffentlicher Dienste, dieses neue Bild der Zielgruppe für öffentliche Dienstleistungen widerspricht zum einen der demokratischen Grundlage des Gemeinwesens, nach dem die öffentliche Verwaltung Ausdruck und Umsetzung politischen Willens, nicht von Marktgesetzen ist. Die Basis des öffentlichen Dienstes ist nicht das Kapital, sondern das Parlament. Diese Sichtweise wirkt aber auch geschlechtsspezifisch, und zwar als Ausgrenzung vieler Frauen, die eben finanziell nicht so mächtig sind, um zwischen verschiedenen Angeboten auswählen oder gar Leistungen ablehnen zu können. Frauen zählen eher zu der mittellosen Gruppe, die keine Marktmacht besitzt und die bei ausschließlicher Geltung von Marktgesetzen ganz aus dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage herausfiele. Wenn zum Beispiel die Gebühren für die Betreuung von Kindern sich weiter erhöhen, können Frauen solche Dienstleistungen nicht mehr nachfragen; bei der herrschenden Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern haben sie gar keine andere Wahl als die Arbeit selbst zu übernehmen. Wenn der öffentliche Nahverkehr immer teurer wird, werden vor allem die Frauen immobiler, weil das Familienauto" üblicherweise vom Ehemann benutzt wird. Das Bild vom Kunden nutzt nur den Frauen, die genügend finanzielle Mittel besitzen, um im Marktgeschehen überhaupt präsent zu sein: gerade diejenigen, die auf öffentliche Dienstleistungen angewiesen sind, um überhaupt annähernd gleiche Lebenschancen zu haben wie die umworbenen Kunden, fallen durch das Raster. Das Bild des Kunden ist richtig, soweit es die Demütigungen, die den Bittstellern und Bittstellerinnen nach kommunalen Leistungen oft angetan werden, vermeiden will. Wenn aber das Leitbild des Bürgers und der Bürgerin als Träger von Rechten wie dem auf gleiche Lebensbedingungen durch das Leitbild des Kunden ersetzt wird, sind es besonders Frauen, die dadurch benachteiligt werden.
3. Aufgabenkritik
Im Rahmen der Aufgabenkritik, die innerhalb der Verwaltungsreformprozesse stattfindet, fallen oft Aufgaben dem Rotstift zum Opfer, die bisher von Frauen geleistet worden sind: Hier stehen Schreibdienste, Putzdienste, Kantinenarbeiten, aber auch einfache Bürotätigkeiten zur Disposition. Die Folgen für die Frauenarbeitsplätze bei Privatisierungen dieser Aufgaben sind häufig beschrieben worden: Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsverhältnisse verschlechtern sich. Es ist eine alte Erfahrung aus dem industriellen Bereich, daß die nicht zur Kernbelegschaft gehörenden randständigen Gruppen die ersten sind, die geopfert werden. In den Verwaltungen sind es überwiegend Frauen. Unter dem reformerisch klingenden Begriff der Aufgabenkritik kann sich diese Erfahrung der Ausgrenzung wiederholen. Die Frauen werden zu den Verliererinnen der Reformprozesse, wenn nicht eine frauenfreundliche Personalpolitik darauf abzielt, gerade die Arbeitsplätze der Frauen zu erhalten und zu qualifizieren. Das geschieht zum Beispiel bei der Einführung qualifizierter Mischarbeit, wie sie flächendeckend etwa im Land Bremen vereinbart ist, aber auch bei Projekten der Arbeitserhaltung und Anreicherung im Reinigungsbereich, wie sie zum Beispiel in Hessen mit Unterstützung der Gewerkschaft ÖTV durchgeführt werden (vgl. Dürk 1995). Frauenförderung muß daher im Rahmen der Aufgabenkritik mitgedacht werden, so daß sichergestellt wird, daß der Anteil an den Arbeitsplätzen, den Frauen bisher in der Verwaltung innehatten, nicht unterschritten wird. Eine schlanke" Verwaltung, so zeigen internationale Vergleiche, zeichnet sich aber auch dadurch aus, daß sie bestimmte Leistungen für den Bürger und die Bürgerin nicht mehr erbringt. Welche Leistungen dabei zur Disposition stehen, läßt sich bereits heute absehen: Knappe Kassen begründen Streichung von Geldern für Frauenprojekte, für Weiterbildungsangebote für Frauen, für Beratungsstellen für Frauen, für Mädchenarbeit, teilweise sogar für Frauenhäuser. Angebote, die in den letzten Jahren insbesondere von den Frauenbüros organisiert wurden, zählen nicht zu den Kernaufgaben der Kommune. Vielmehr gelten sie als Sonderaufgaben, die die Kommune sich in Zeiten guter Finanzausstattung leisten kann. Sind diese Zeiten aber vorüber, müssen solche Extras" zurückgenommen werden. Aufgabenkritik darf demnach nicht geschlechtsneutral verstanden werden: Die Veränderung von Aufgaben oder deren Streichung aus dem Angebot von öffentlichen Dienstleistungen hat geschlechtsspezifische Wirkungen. Diese müssen erkannt und zum Gegenstand politischer Entscheidungen gemacht werden. Dabei wird sich zeigen, wessen Lebensrealität durch öffentliche Dienstleistungen verbessert werden soll: die eines Mannes, der sich, von privater und unbezahlt zu leistender Arbeit befreit, einzig der Erwerbsarbeit und der Freizeit widmen kann, oder die einer Frau, die überwiegend die Haus- und Sorgearbeit für Männer, Kinder und Hilfsbedürftige leistet.
4. Effektivität und Wirtschaftlichkeit
Unter diesen Begriffen wird eine Angleichung des öffentlichen Sektors an die private Wirtschaft angestrebt, die in der Debatte oft kritiklos als effizient gilt. Für die Beschäftigten kann dies zur Folge haben, daß ihre Arbeitsplatzsicherheit in Frage gestellt wird; krankheitsbedingte Kündigungen oder andere Verschlechterungen der Arbeitsverhältnisse im Hinblick auf Befristungen, Ungeschütztheit sowie Sozialpläne können dann auch in den öffentlichen Dienst Eingang finden. Im Zeichen von Effizienz wird nicht nur die typische Frauenarbeit in der Reinigung, in den Kantinen und im Schreibdienst ausgelagert. Selbst das Risiko, das mit der Geburt eines Kindes verbunden ist, wird weiter privatisiert und dabei der Mutter allein aufgeladen. Ihrem Wunsch nach einer frühen Beendigung des Erziehungsurlaubs wird oft nicht mehr stattgegeben, das heißt, Frauen werden gezwungen, weiterhin unentgeltlich die private Kinderbetreuung zu leisten, und sie werden von der bezahlten Erwerbsarbeit ausgegrenzt. Für Erziehungsurlauberinnen werden oft keine Vertretungen eingestellt, und das Freiwerden ihrer Stelle wird als Gelegenheit zur Einsparung und Umstrukturierung genutzt. Das hat zum Ergebnis, daß die Kollegen und Kolleginnen durch Erziehungsurlauberinnen besonders belastet werden: diese Arbeitsverdichtung auf dem Rücken der Beschäftigten führt leicht dazu, daß schließlich die betroffenen Mütter für die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verantwortlich gemacht werden. Die Verwaltungen werden bei der vorhandenen Verpflichtung zum Personalabbau über die nächsten Jahre hinweg ihre Aufgaben mit dem bestehenden Personalbestand und ohne nennenswerte Neueinstellungen zu bewältigen haben. Durch die Einführung neuer Steuerungselemente wie Kosten- und Leistungsrechnung, Controlling und andere Verfahren entsteht aber auf der anderen Seite eine Vielfalt neuer Aufgaben. Unter diesen Voraussetzungen kann sich eine gezielte Frauenförderung als höchst effizient erweisen, da sie die Qualifikations- und Entwicklungspotentiale der Frauen aufgreift und fördert. Dies gilt zum Beispiel für die Durchsetzung qualifizierter Mischarbeit für Frauen aus den Schreibdiensten, weil die vielfältigen Kompetenzen von Frauen durch die Anforderungen an den Arbeitsplätzen endlich auch genutzt werden. Die Gruppe der Maschinenschreiberinnen, Phono- und Stenotypistinnen wird durch die Einführung von Arbeitsplatzrechnern weitgehend nicht mehr benötigt. Dabei handelt es sich aber in der Regel um Frauen mit einer qualifizierten Berufsausbildung, die oft nach einer Familienpause" als Schreibkraft" im öffentlichen Dienst wieder Zugang zur Erwerbsarbeit gefunden haben. So ist es unter Effizienzgesichtspunkten mehr als sinnvoll, wenn im Zuge der sich vermindernden Schreibarbeit diesen Frauen qualifizierte Aufgaben übertragen werden. Als effizient wird auch diskutiert, Leistungsprämien zu vergeben, denn unter Effizienz wird verstanden, daß Leistung sich lohnen muß. Erfahrungen in England und Schweden zeigen aber, daß sich durch Leistungsprämien die Lohndiskriminierung von Frauen erhöht: Werden zum Beispiel Arbeitsprämien dafür eingeführt, daß man mehr Arbeit übernimmt, so ist das vielen Frauen aufgrund der zeitlichen Belastung durch Reproduktionsarbeit gar nicht möglich. Werden Prämien für Qualifikationen gezahlt, die in der freien Wirtschaft gebraucht werden und dort besser honoriert werden, so sind das in der Regel typisch männliche Qualifikationen, die Frauen aufgrund der geschlechtsspezifischen Teilung des Ausbildungsmarktes kaum erwerben konnten. Nicht zuletzt zeigt sich, daß Teilzeitbeschäftigte bei jeder Form von Leistungsprämien häufig benachteiligt werden, weil die (in der Regel männlichen) Vorgesetzten, die die Beurteilung abgeben, traditionell unterstellen, daß Teilzeitbeschäftigte weniger Engagement in ihrem Beruf zeigen. Nicht selten impliziert das Effizienzdenken eine mechanistische Betrachtung und Behandlung von Problemen, in denen lebendige Menschen eine Rolle spielen. Ein sogenannter weiblicher Blick", der viele Nebenbedingungen und komplexe Zusammenhänge berücksichtigt, der das Chaos als Normalfall akzeptieren kann, gilt demgegenüber als ineffizient. Das gilt nicht nur für die Reformansätze zur Neustrukturierung der Sozialhilfe, sondern auch für die organisatorische und technische Gestaltung von Arbeitsabläufen. Wenn Frauen aus ihrem anderen Lebenszusammenhang heraus ein etwas anderes Problembewußtsein haben, andere Prioritäten setzen und andere Beurteilungskriterien anwenden, werden diese als weniger tauglich definiert. Das Effizienzdenken birgt die Gefahr, der Entpolitisierung öffentlicher Dienste Vorschub zu leisten. Überdeutlich wird dies in den Bestrebungen, die vorhandenen Mitbestimmungsrechte von Personalräten aus Kosten- und Effizienzgründen in bloße Anhörungsrechte zu verwandeln. Wenn die Betonung der Wirtschaftlichkeit zum obersten Prinzip wird, kann dies also zum Abbau demokratischer Strukturen führen. Gerade eingerichtete Frauenbüros werden wieder zur Disposition gestellt, ihre Notwendigkeit insbesondere in kleineren Kommunen angezweifelt. So hat zum Beispiel der Hessische Städtetag darüber diskutiert, ob man nicht die Kommunen aus dem Geltungsbereich des Frauenfördergesetzes ganz herausnehmen könne. Die jüngste Rechtsprechung ist dem Begehren kleiner Kommunen in Niedersachsen gefolgt und hat die Einrichtung einer Gleichstellungsstelle in diesen Kommunen für nicht zumutbar erklärt. Die Beteiligung von Frauen in Abstimmungs- und Aushandlungsprozessen ist jedoch ein demokratisches Element, das auch entsprechende Kosten verursacht. Im Sinne einer erweiterten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung muß der Nutzen von Beteiligungsprozessen für eine demokratische und frauenfördernde Verwaltung gesehen werden und gegenüber reduzierten, rein kostenorientierten Denkweisen durchgesetzt werden. Frauen brauchen die Sicherung ihrer Beteiligung an Entscheidungsprozessen, um männlich dominierte Vorhaben in ihrem Sinne zu verändern. Das Effizienzdenken entpolitisiert die kommunale Verwaltung aber auch, wenn politisch gewollte und demokratisch legitimierte Dienstleistungen und Angebote mit dem Hinweis auf mangelnde Effizienz abgewiesen werden: Wenn nur noch zählt und durchsetzbar ist, was die wenigsten Kosten verursacht, werden andere Ziele, zum Beispiel Chancengleichheit der Geschlechter oder auch soziale Gerechtigkeit, vernachlässigt werden müssen. Vernachlässigt werden dann aber aber auch gerade die Menschen, die sich in Lebenslagen befinden, in denen sie solche Zielsetzungen zur Durchsetzung ihrer Interessen brauchen. Es zeigt sich, daß unter Wirtschaftlichkeit oft auch die Rückverlagerung von ehemals kommunalen Dienstleistungen in die Privatsphäre verstanden wird: Da werden die Leistungsberechtigten für öffentliche Dienstleistungen eingeschränkt, und wer nicht mehr dazugehört, muß die Leistung privat aufbringen. Da werden bestimmte kommunale Aufgaben auf Initiativen, in Freiwilligenprogramme, in die ehrenamtliche Arbeit, in den Bereich der Selbsthilfe übertragen, und dieser Prozeß wird als Demokratisierung mißverstanden. Damit passiert aber genau eine Verkehrung dessen, was im Interesse vieler Frauen liegt: Frauen brauchen nämlich eher den Ausbau öffentlicher Dienstleistungen, die Entprivatisierung ihrer privat und unbezahlt geleisteten Arbeit an Kindern und an Alten. Sind solche Verlagerungen öffentlicher Dienstleistungen in den Bereich der unbezahlten Arbeit erfolgt, wird gar nicht mehr wahrgenommen und politisch gewertet, wer diese Arbeit in Initiativen und Ehrenamt leistet: meist jene, die viel soziales Engagement, aber nicht unbedingt große finanzielle Mittel besitzen, in der Regel also Frauen. Es soll nicht geleugnet werden, daß es gerade für Frauen bestimmte Lebenslagen gibt, in denen sie sich ehrenamtlich engagieren und dabei subjektiv hochzufrieden sind aber dies darf nicht dazu führen, daß diese speziellen Situationen zur Grundlage sozialpolitischer Sparkonzepte gemacht werden. Eine Debatte über die öffentliche Grundfürsorge und Grundvorsorge, in der Frauen wirklich gehört würden und mitzuentscheiden hätten, brächte mit Sicherheit ein weitaus größeres Aufgabenfeld für die öffentliche Hand als es noch vor der Finanzkrise der öffentlichen Haushalte vorhanden war. Zur Überprüfung der Effizienz öffentlicher Dienstleistungen werden Verfahren wie Produktbeschreibungen und Zielgruppendefinitionen benutzt. Damit soll geprüft werden, was eine Verwaltung mit welchem Aufwand für wen leistet für wen sie wie effizient ist. Wenn solche Verfahren zum Beispiel in dem Sinne angewendet werden, daß die Produktpalette der Kommune in Hinblick darauf transparent wird, in welchem Umfang sie der Zielgruppe Frauen Nutzen bringt, könnten sie der Herstellung gleicher Lebenschancen für Männer und Frauen dienen vorausgesetzt, man zöge die entsprechenden Konsequenzen, wenn sich herausstellt, daß es ein geschlechtsspezifisches Ungleichgewicht gibt. Allerdings wird oft das Gegenteil praktiziert: Selbst Gleichstellungsstellen sehen sich gezwungen, ihre Leistungen als sogenanntes Produkt" zu formulieren. Das führt unter anderem dazu, daß alle Bemühungen und Versuche, für Frauen etwas zu tun, die nicht erfolgreich waren und die vielen Widerstände nicht überwinden konnten, den Charakter von Mißerfolgen und unproduktiven Leistungen erhalten müssen. Der Zwang zur Formulierung von Produkten als Verfahren der Effizienzbestimmung verkennt dann den besonderen Charakter der politischen Arbeit für Frauen und damit der Gleichstellungsstelle: Sie muß sich an vielen Stellen gegen patriarchale Denkweisen und Strukturen durchsetzen, und ihr Produkt" ist manchmal gerade dadurch gekennzeichnet, daß es zunächst niemand haben will.
5. Transparenz
Verwaltungsreform bedeutet auch die Schaffung von Transparenz der Abläufe und Leistungen. Hintergrund der Undurchschaubarkeit der öffentlichen Verwaltungen sind aber nicht nur eine Vielzahl verschlungener Dienstwege und Anweisungen, sondern auch ein Gemengelage unausgesprochener Interessen und Machtbeziehungen. So gibt es im Zusammenhang von Organisationsentwicklungsprozessen immer wieder die Erfahrung, daß Beschäftigtengruppen Veränderungen blockieren, weil sie ihre Statusprivilegien erhalten wollen. Ein solcher Mechanismus ist im Zusammenhang mit der Umsetzung qualifizierter Mischarbeit in Bremen genauer untersucht worden (vgl. Winker 1995): Die Gruppe der Sachbearbeitenden erschwerte den Umsetzungsprozeß durch hartnäckiges Festhalten an der tradierten Hierarchie. In dieser Hierarchie sind die Frauen, die für andere die Schreibarbeit leisten, eindeutig am unteren Ende angesiedelt und sollen nach den Vorstellungen der Sachbearbeitenden auch dort verbleiben. Transparenz im Sinne einer frauenförderlichen Verwaltungsentwicklung fördert eine Gestaltung des Reformprozesses, bei dem die Frauen in die Lage versetzt werden, ihre Sichtweisen und Interessen deutlich einzubringen. Das kann zum Beispiel durch gemeinsame Vorbereitungstreffen oder durch die Ersetzung von Mehrheitsentscheidungen durch das Konsensprinzip geschehen. Bei der Moderation solcher Beteiligungsprozesse muß darauf geachtet werden, daß Frauen aktiv einbezogen und in die Lage versetzt werden, ihre Interessen zu artikulieren und durchzusetzen. Transparenz muß sich auch auf die bisher verborgenen und unterdrückten Interessen und Vorstellungen der Frauen beziehen. Transparenz öffentlicher Aufgabenerledigung bedeutet aber auch, daß die Geschlechtsspezifik von Betroffenheit und Nutzen öffentlicher Dienstleistungen deutlich wird: Transparenz ist gefordert, wenn zum Beispiel Mittel, die für die Jugendarbeit ausgegeben werden, vornehmlich den Jungen und weniger den Mädchen zugute kommen, oder wenn kommunale Beschäftigungsförderung vornehmlich auf Arbeitsplätze für Männer und weniger auf Arbeitsplätze für Frauen ausgerichtet ist. Transparenz ist gefordert, wenn zum Beispiel die Gestaltung von Wohnungen, Plätzen und Verkehrsadern eher den Bedürfnissen der männlich geprägten Lebensweise entspricht und auf die männliche Erwerbsarbeitsorientierung, die männlichen Freizeitbedürfnisse und die männliche Angstfreiheit vor gewalttätigen Übergriffen abgestimmt ist. Eine solche Transparenz könnte nicht ohne politische Folgen bleiben, solange an der Gleichstellung der Geschlechter als politischem Ziel festgehalten wird. Eine solche Transparenz würde zu einem größeren Angebot für Mädchen und weibliche Jugendliche, einer frauenfreundlichen Gestaltung des Wohnungsbaus, der Verkehrspolitik, des öffentlichen Nahverkehrs und der Kultur führen, sie würde zu einer regionalen Wirtschaftsförderung führen, die Arbeitsplätze für Frauen schafft und der Weiterbildung von Frauen Priorität einräumt.
6. Lean Management und neuer Führungsstil
Lean Management bedeutet bekanntlich unter anderem den Abbau mittlerer Führungsebenen. Nun befinden sich dort überwiegend die Führungspositionen, die für Frauen überhaupt erreichbar sind. Das bedeutet, daß die Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen sich quantitativ verschlechtern, zumal in Übergangszeiten auch noch die angemessene" Versorgung derjenigen Führungskräfte ansteht, die bei den Verschlankungsprozessen ihre Positionen verloren haben. Doch die schwindenden Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen sind nicht die einzige Gefahr und nicht einmal die größte: Viel wichtiger ist es, darauf zu achten, daß die notwendige Verlagerung der Kompetenzen von der mittleren Führungsebene auch auf die von Frauen besetzten Arbeitsplätze erfolgt und daß sich nicht wiederum eine geschlechtsspezifische Kompetenzzuweisung zu Lasten der Frauen ergibt. Darüber hinaus wird bei der Diskussion um die Verschlankung der Führungsebene die Position der Zuarbeiterinnen (Sekretärinnen) selten berücksichtigt. In Modellversuchen zur humanen Gestaltung der öffentlichen Verwaltung ist es vorgekommen, daß man die Gruppe der Sekretärinnen in den Konzepten schlicht vergessen hat. In der Praxis der Einführung von Lean Management werden sie im Gegensatz zu ihren Chefs nicht mit einer zumutbaren Stelle versorgt, sondern oft in den Schreibdienst abgeschoben. Im Zuge einer frauenförderlichen Verschlankung des öffentlichen Dienstes müssen für die bisherigen Zuarbeiterinnen neue, qualifizierte Aufgabenzuschnitte entwickelt werden, die Handlungs- und Entscheidungsspielräume beinhalten und eine über die nächste Technisierungswelle hinausgehende Sicherung von Berufsperspektiven für die betroffenen Frauen ermöglichen. Bei der Entwicklung von neuen Führungsstilen lassen sich Umdenkungsprozesse erkennen, die die Verwaltungen eher im Sinne der als weiblich geltenden Wertvorstellungen verändern wollen. Allerdings werden, wie so oft, diese sogenannten weiblichen Prinzipien, wenn ihre Qualität nicht mehr zu ignorieren ist, dann von Männern besetzt. So galt in der Vergangenheit ein eher autoritärer Führungsstil als Idealform des männlich ausgeübten Führungsverhaltens, während heute der kommunikative Führungsstil nachgefragt wird. Obwohl damit die als weiblich geltenden Verhaltensweisen zum bevorzugten Stil gehören, wird die moderne Führungspersönlichkeit nach wie vor im Mann und nicht in der Frau gesehen. Männer berauben als weiblich geltende Prinzipien sehr schnell ihrer geschlechtsspezifischen Zuordnung zu Frauen und bemächtigen sich ihrer, wenn ihr Wert erst einmal anerkannt ist. Es läge in der Logik der dualistischen Zuschreibung bestimmter Charaktereigenschaften zu bestimmten Geschlechtern, nach diesem Wandel der Anforderungen nun vermehrt Frauen in Führungspositionen zu befördern. Doch dann, wenn es um Machterhalt geht, wird sogar die Naturhaftigkeit des Geschlechterdualismus und die damit verbundene Merkmalszuschreibung infragegestellt: Soziale Kompetenz, vormals als Wesensmerkmal von Frauen angesehen und dazu genutzt, sie in dienenden Funktionen zu halten, wird nun als eine Fähigkeit definiert, die als Ergebnis sozialer Lernprozesse durchaus auch von Männern erworben werden kann wenn auch viele von ihnen dazu längere und intensive Kurse benötigen. Die Gleichstellung der Geschlechter erfordert immer auch die Aufhebung der geschlechterdualistischen Merkmalszuschreibungen und ihrer Verankerung in geschlechtsspezifischen Charaktereigenschaften, im Wesen" der Geschlechter oder in der Biologie. Insofern ist die neue Einsicht, daß soziale Kompetenz erlernbar ist, ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings muß am Ende die Gleichstellung der Geschlechter, nicht die erneute Privilegierung der Männer stehen, auch in Führungspositionen.
7. Dezentralisierung
Dezentrale Ressourcenverantwortung bedeutet, daß die Entscheidung über Personal- und Sachmittel auf einzelne Abteilungen und Bereiche vor Ort delegiert wird. Wenngleich dadurch eine Enthierarchisierung von Entscheidungen möglich wird, bestehen jedoch auch Gefahren speziell für die weiblichen Beschäftigten: Während eine zentrale Stelle gegenüber Personen zu größerer Neutralität neigen dürfte, können bei der Entscheidung vor Ort leichter persönliche Vorurteile wirken und diesen sind Frauen in besonderem Maße ausgesetzt. Dezentrale Ressourcenverantwortung kann auch dazu führen, daß befristete Arbeitsverhältnisse, Arbeitsintensivierung durch standardisierte Leistungsvorgaben, ein höheres Entlassungsrisiko, Abfindungszahlungen, Frühverrentungen und unakzeptable Umsetzungsangebote Einzug in den öffentlichen Verwaltungsbereich erhalten. Solche Verschlechterungen können vor allen Dingen diejenigen treffen, die eine eher randständige Position in den Belegschaften einnehmen, also die Frauen. Dezentralisierung von Entscheidungen bedeutet auch, daß einzelne an ihrem Arbeitsplatz mehr Verantwortung übernehmen. Ohne für alle zugängliche Qualifizierungsprogramme und ohne eine besondere Förderung von Frauen besteht die Gefahr, daß hier nur Arbeitsplätze für bereits Hochqualifizierte entstehen, während die einfacher oder fachlich weniger spezifisch Ausgebildeten, und das sind eher die Frauen, weniger Chancen haben, einen neu definierten Arbeitsplatz in den so reformierten Organisationsstrukturen zu finden. Eine Dezentralisierung von Verwaltungsaufgaben an Einrichtungen, an denen öffentliche Dienste direkt vor Ort in Anspruch genommen werden können, wie es zum Beispiel im Modell des Bürgerbüros oder des Bürgerladens" realisiert wird, dient Frauen, gerade weil sie oft weniger mobil sind als Männer, und erleichtert den Zugang zu den öffentlichen Diensten. Dies gilt auch für die Flexibilisierung der Öffnungszeiten, die gerade für jene nützlich sind, die durch vielfältige Fremdbestimmung, zum Beispiel bei der Kinderbetreuung, in ihren Zeitarrangements auf weniger starre Angebote angewiesen sind. Eine Dezentralisierung könnte auch auf die öffentlichen Investitionen bezogen werden, das heißt, daß öffentliche Mittel weniger für aufwendige Prestigeprojekte als für kleinere, weniger spektakuläre Vorhaben verwendet werden. Dies käme dann auch den Frauen zugute, da die für sie wichtigen Dienstleistungen oft in die als zweitrangig bewerteten Aufgabenfelder der Verwaltung abgedrängt sind und am ehesten den Streichungen und Kürzungen unterliegen. Gerade in Zeiten knapper Kassen ist die Konzentration der wenigen verfügbaren Mittel auf Großprojekte wie Neubau öffentlicher Gebäude oder von Schwimmbädern etc., die zwar die kommunale Identität fördern mögen, jedoch oft nur für wenige Bürger und Bürgerinnen nutzbar sind, verfehlt und geht an den Interessen vieler Bürgerinnen vorbei.
8. Beteiligung
Die Einrichtung kommunaler Frauenbüros bzw. des Amtes der Frauenbeauftragten ist eine Reform des öffentlichen Dienstes, die dem Demokratieprinzip gefolgt ist: Frauen als die eine Hälfte der Bevölkerung erhielten ein wenig mehr Macht, ein wenig mehr Öffentlichkeit, ein wenig mehr Ressourcen. Auch intern haben Frauenbüros oft viele Reformprinzipien bereits verwirklicht: geringe Hierarchie untereinander, hohe Flexibilität der Mitarbeiterinnen, starker Bezug zur Zielgruppe. Unter dem Zeichen der erneuten Reformierung des kommunalen Sektors droht diesen Einrichtungen nun, den allgemeinen Einsparungskonzepten zum Opfer zu fallen. Dies wäre ein Rückschritt, solange die Verwirklichung gleicher Lebenschancen für Männer und Frauen als Ziel auch kommunaler Politik gilt. Daher müssen im Gegenteil die Reformprozesse weiter vorangetrieben werden und die Gleichstellung als Querschnittsaufgabe verstanden werden, der sich alle Ebenen verpflichtet fühlen und deren Durchsetzung auch auf allen Ebenen kontrolliert werden muß. Jede kommunale Dienstleistung und jedes kommunale Projekt muß nach seinem Beitrag für die Gleichstellung von Frauen und Männern befragt werden und diesem Ziel entsprechend effektiver gestaltet werden. Gerade die kommunalen Frauenbüros haben in der Vergangenheit die Demokratisierung in den Gemeinden vorangetrieben, indem sie die Bürgerinnen beteiligt haben: durch direkte Befragungen und die Einrichtung von Planungszellen für Frauen; durch Institutionalisierung von Räten für weiblichen Fach- und Sachverstand und Anhörungen, in denen Frauen als Fachfrauen gehört wurden sowie durch die Quotierung von Räten und Hearings. Diese Beteiligung von Frauen, durch die der Androzentrismus der öffentlichen Dienste zurückgedrängt werden kann, muß weitergehen: Frauenbeauftragte sollten einen Bürgerinnendialog zur Erstellung eines Leistungskatalogs ihrer Kommune initiieren und daran mitarbeiten, daß die Ergebnisse eines solchen Dialogs politisch durchgesetzt werden. Versteht man Demokratisierung nicht nur als mehr Beteiligung und Einflußnahme von Männern, müssen alle Reformvorhaben mit solchen Prozessen eng verknüpft werden.
Checkliste für Reformvorhaben aus Frauensicht
Die Reorganisierung des öffentlichen Dienstes in Bund, Ländern und Gemeinden darf nicht einseitig mit rein buchhalterischer Perspektive unter dem Primat der Stelleneinsparung stehen. Der Reformprozeß und die verschiedenen Modellprojekte müssen sich vor allem den Fragen stellen, die durch die spezifische Situation, die Bedürfnisse, Forderungen und Qualitäten der Frauen als Mitarbeiterinnen des öffentlichen Dienstes und als Bürgerinnen formuliert werden. Der folgende Fragenkatalog kann hierbei als Checkliste" dienen, um frühzeitig Fehlentwicklungen zu vermeiden und die frauenspezifischen Aspekte bei der Ausgestaltung des öffentlichen Dienstes und der öffentlichen Dienstleistungen von Anfang an zu berücksichtigen: Ist die Gleichstellung in den Zieldefinitionen des Reformprozesses für die Gemeinde verankert? Werden Frauen im Prozeß der Reform an allen Stellen beteiligt (alle Gruppen von Frauen, auch die Teilzeitbeschäftigten), und verläuft der Beteiligungsprozeß so, daß Frauen ihre Interessen wirklich artikulieren und durchsetzen können? Ist die Frauenbeauftragte in allen wichtigen Gremien vertreten, sind diese Gremien paritätisch besetzt? Beinhalten Reformkonzepte genügend attraktive Positionen für Frauen bzw. wird personalpolitisch etwas dafür getan, damit attraktive Arbeitsplätze auch mit Frauen besetzt werden? Welche Maßnahmen zur Personalentwicklung, welche Veränderungen der Arbeitsaufgaben, der Qualifikation und der Bezahlung werden den Frauen, deren Arbeitsplätze wegfallen sollen, angeboten? Besteht die Gefahr, daß Qualifikationen von Frauen auf den neu geschaffenen Arbeitsplätzen wieder unentgeltlich genutzt werden (formale Qualifikation, Berufserfahrung, Lebenserfahrung, Engagement, soziale Kompetenz, Streßresistenz)? Werden die Lebenszusammenhänge, in denen Frauen überwiegend stehen, wenn sie Männer, Kinder und Alte betreuen, in den neuen Arbeitsbedingungen berücksichtigt, und zwar so, daß diese Frauen nicht zur zweiten Wahl bei personalpolitischen Entscheidungen werden müssen? Wird Verantwortung und Arbeit für Kinder und Alte bei der Gestaltung von Arbeitszeit und bei der Gestaltung von Anforderungen an die Flexibilität honoriert oder dient sie wieder als Ausgrenzungskriterium? Wird die Einstellung zur und die Praxis der Frauenförderung bei der Beurteilung von Führungskräften zum wichtigen Kriterium gemacht? Erfolgt eine Aufwärtsbeurteilung, die durch regelmäßige Mitarbeiterinnenbefragungen unterstützt wird? Wie sichert die Verwaltung die Interessen der beschäftigen Frauen, die bereits verankert sind? Gibt es ein eigenes Institut, etwa eine Clearing-Stelle, in der die Frauen Unterstützung finden? Werden in den Schulungskonzepten auch Qualifikationen wie Selbstbehauptung und Gruppenfähigkeit vermittelt? Sind die Schulungen auf die Lebenssituation von Frauen mit Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen abgestimmt? Inwieweit werden die ökonomisch schwächeren Frauen von Veränderungen kommunaler Dienstleistungen betroffen? Werden alle Versuche, die Gleichheit der Lebenschancen von Männern und Frauen herzustellen, in Zukunft weiter unterstützt, auch wenn sie nicht sofort erfolgversprechend erscheinen; ist ihnen ein angemessenes Budget zugeordnet? Wenn ehemals kommunale Dienstleistungen in den ehrenamtlichen oder privaten Arbeitsbereich verlagert werden: Wird diese Dienstleistung dann in Zukunft von Frauen unbezahlt geleistet werden müssen? Werden staatliche Prestigeprojekte weiterverfolgt zu Lasten kleinerer öffentlicher Vorhaben, die vornehmlich den Frauen nutzen? Sind weiterhin und vermehrt Mittel für die Demokratisierung und die ihr dienenden Strategien vorgesehen wie Bürgerinnenbeteiligung und Frauenfachräte? Inwieweit wird die Reform der öffentlichen Dienstleistungen auch dazu genutzt, bisher nicht erhobene aber berechtigte Ansprüchen von Frauen an kommunale Dienstleistungen Rechnung zu tragen?
Literatur
Bundesarbeitsgemeinschaft Kommunaler Frauenbüros (Hrsg.): Frauenpolitik zwischen Tilburg-Fieber und demokratischer Gestaltung. Mannheim 1995. Sigrid Damm-Rüger, Barbara Stiegler: Soziale Qualifikationen im Beruf. Eine Studie zu typischen Anforderungen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern. Bielefeld 1996. Barbara Dürk: Verwaltungsreform statt Ruin mit konkreten Projekten den Modernisierungsprozeß gestalten. In: Einbruch in den Herrenclub". Bündnis 90/Die Grünen (Hrsg.), Hamburg 1995 Heike Gumpert, Doris Hülsmeier, Magret Köhlbach, Barbara Stiegler, Gabriele Winker: Verschiedene Beiträge zu Chance für Schreibkräfte: Mischarbeit". In: Computer. Information für Betriebs- und Personalräte, Heft 6, 1994 Barbara Holland-Cunz: Frauenpolitik im schlanken Staat. Die Poetik" der lean administration und ihre Realität. In: Zeitschrift für Frauenforschung, Heft 1 und 2, 1995 Gertraude Krell: Neues Steuerungsmodell und kommunale Gleichstellungsarbeit. In: Zeitschrift für Frauenforschung, Heft 1 und 2, 1995 Maria Oppen: Schlanker Staat Magere Beschäftigungsperspektiven für Frauen. In: Einbruch in den Herrenclub. Bündnis 90/Die Grünen (Hrsg.), Hamburg 1995 Barbara Stiegler: Veränderung der Schreibarbeit. Neue Berufsperspektiven für Frauen durch qualifizierte Mischarbeit. ÖTV Frau, Materialien Nr.5, Stuttgart 1994 Gabriele Winker: Büro. Computer. Geschlechterhierarchie. Frauenförderliche Arbeitsgestaltung im Schreibbereich. Opladen 1995. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 1998 |