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Der Weg zum "schlanken Staat" : Diskussionspapier / von Volker Eichener. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1998. - 12 Bl. = 30 Kb, Text
Electronic ed.: Bonn: FES-Library, 1998

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT






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Vorbemerkung

Nicht zu Unrecht ist der Staat in die Kritik geraten. Bei einer Staatsquote von über 50 % haben nur noch wenige Bürger das Gefühl, im öffentlichen Bereich „value for money", d.h. eine angemessene Gegenleistung für die entrichteten Steuern und Abgaben zu erhalten. Die öffentliche Verwaltung leidet unter bürokratischer Schwerfälligkeit, demotivierten, nicht leistungs- und bürgerorientierten Mitarbeitern, mangelnder Effizienz und geringer Leistungsqualität. Beklagt wird nicht nur die mangelnde Effizienz der öffentlichen Verwaltung, sondern, was noch schlimmer ist, deren unzureichende Effektivität hinsichtlich der Verwirklichung politischer Ziele. Zunehmend wirkt öffentliches Handeln auch kontraproduktiv, wenn die Initiative von Bürgern und Unternehmen gehemmt wird, wenn politisch gewünschte Großprojekte kaum noch unter Beachtung aller Vorschriften und Verfahrenswege realisiert werden können.

Eine vom Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung 1996 in Auftrag gegebene empirische Untersuchung zum Thema Unternehmen und Staat [ Pfeiffer, U. & Weltzien, D. (1996), Unternehmen und Staat . Auswertung einer schriftlichen Befragung vom 23. April 1996. Unter Mitarbeit von Markus Sigismund, Bonn: empirica. Gesellschaft für Struktur- und Stadtforschung mbH. Die Ergebnisse der Studie basieren auf 63 zurückgesandten Fragebögen, die an Mitglieder des Managerkreises verschickt worden waren. Die Auswertung der Fragebögen wurde in das vorliegende Diskussionspapier selektiv eingearbeitet.] hat darüber hinaus spezifische Beispiele für Bereiche erbracht, in denen aus unternehmerischer Sicht deutliche Mißstände herrschen. So wurde dort festgestellt, daß

• ein besonderes Mißverhältnis zwischen Kosten und Nutzen, die in Beziehungen zwischen staatlichen Stellen und Unternehmen entstehen, existiert;

• technisch überholte Formen der Kontrolle oder Regulierung durch den Staat angewandt werden;

• zahlreiche Zielsetzungen von Regelungen nicht mehr zeitgemäß sind;

• hohe Belastungen für Unternehmen bei geringem Nutzen für das Unternehmen oder für die Allgemeinheit auftreten;

• große Zeitverzögerungen im Planungs- und Entscheidungsprozeß der Unternehmen durch staatliche Vorgaben oder Genehmigungen entstehen;

• unklare oder unbestimmte Zuständigkeiten mit der Folge unklarer Entscheidungssituationen herrschen;

• widersprüchliche Regelungen und Auflagen, die von unterschiedlichen staatlichen Stellen kommen, vorgenommen werden und

• weltfremde Forderungen und Vorgaben, die dem wirtschaftlichen Alltag nicht mehr gerecht werden, ergehen. [ Vgl. ebd., S. 2.]

Erste, zaghafte Versuche, die öffentliche Verwaltung bürgerfreundlicher zu machen - etwa in Form von „Bürgerämtern" - werden konterkariert durch ein zunehmend rauher werdendes Klima zwischen Investoren und Genehmigungsbehörden, zwischen Bürgern, Unternehmen und einer Finanzverwaltung, die die Eskalation von Steuerflucht und Steuerschikane systematisch anheizt.

Widerstände der Bediensteten, deren Privilegien bei steigender Arbeitslosigkeit und wachsenden Soziallasten in der Bevölkerung immer weniger Akzeptanz finden, gegen Reformversuche tragen dazu bei, die Staatsverdrossenheit weiter zu schüren.

Der Ruf nach dem „schlanken Staat" wird immer lauter. Pauschale Forderungen nach einem Rückbau des Staates, nach Privatisierung öffentlicher Leistungen gehen jedoch am Kern des Problems vorbei. Eine „Demontage" des Staates mit dem Ziel, den liberalen „Nachtwächterstaat" zu schaffen, kann keine Alternative darstellen.

Im Gegenteil, Bürger und Wirtschaft brauchen einen modernen, starken, leistungsfähigen Staat. Sie brauchen vor allem eine öffentliche Verwaltung, die von dem Diktat des Sparzwangs befreit ist, die wieder Spielräume für Innovationen aufweist und die auch neue, zeitgemäße Leistungen anzubieten vermag, die den Standort Deutschland sichern und stärken helfen. Der Staat muß dabei auch manche Leistungen einschränken, um Ressourcen freizumachen, die für Zukunftsaufgaben dringend benötigt werden, bespielsweise für die Forschungsförderung. Dies erfordert einen aktiven Staat - aber einen Staat, der seine Rolle neu definieren muß.

Der leistungsfähige Staat muß jedoch ein „schlanker Staat" sein, der sich - wie die Unternehmen der Wirtschaft - von unnötigem und hinderlichem Ballast befreit hat. Auf dem Weg zum schlanken Staat sind drei Aufgaben zu lösen:

1. Eine Aufgabenkritik.

2. Eine Organisationskritik.

3. Eine Kulturkritik.

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1. Aufgabenkritik

Im Gleichschritt mit der ständigen Ausweitung der Staatsquote und einer kontinuierlichen Auffächerung staatlicher Instrumente wurden immer mehr Aufgabenfelder durch staatliche Einrichtungen besetzt, die von ihrer Aufgabenstellung her nicht unbedingt nach einer staatlichen Leistungserstellung verlangt hätten. Das permanente, z.T. auch eigendynamisch vorangetriebene Wachstum der Staatsaufgaben hat einen Stand erreicht, der nach einer Revision und Aufgabenkritik verlangt.

Die Überforderung der staatlichen Verwaltung wie auch deren hoher Personalbestand und die hohe Abgabenquote sind nicht nur Folge von veralteten Organisationsstrukturen und Führungsinstrumenten, sondern auch das Resultat einer gesetzlichen Regelungsdichte, die von Gesetzgebern und Regierungen und damit von der Politik zu verantworten sind.

1.1 Aufgabenkritik in der Leistungsverwaltung

Im Bereich der Leistungsverwaltung sind die öffentlichen Aufgaben unter den Kriterien der Effektivität und der Effizienz zu bewerten. Insbesondere hinsichtlich des Kriterium der Effektivität, also der Erfüllung politischer Ziele, ist zu fragen, welche Aufgaben unter den Bedingungen des sozio-ökonomischen Wandels notwendig oder entbehrlich sind. Bei der Aufgabenkritik sind folgende Fragen zu stellen:

• Aufgrund welcher politischen Ziele wird eine öffentliche Leistung erbracht?

• Welche Effekte einschließlich aller Nebeneffekte weist die tatsächliche Leistungserbringung im Hinblick auf diese und andere Ziele auf? Wie hoch ist der Zielerreichungsgrad? Wie sind die verteilungspolitischen Effekte zu bewerten?

• Müssen die Leistungen zwingend durch die öffentliche Hand erbracht werden oder können diese Ziele durch nicht-staatliche, d.h. private oder gesellschaftliche Leistungsanbieter bzw. durch public private partnerships besser, d.h. effektiver und effizienter, erbracht werden?

Bei der Beantwortung dieser Fragen wird sich herausstellen, daß die - legitimen - politischen Ziele, die vielen öffentlichen Leistungen zugrundeliegen, durch diese nicht optimal erbracht werden. Vor dem Hintergrund des sozio-ökonomischen Wandels, insbesondere des Trends zur Polarisierung der Lebenslagen und Einkommen („Zweidrittelgesellschaft") ist nach neuen Organisationsformen zu fragen, mit denen sozialpolitische Ziele effektiver und effizienter verwirklicht werden können.

Ein erster Ansatz kann dazu der Übergang von der Objektförderung zur Subjektförderung zu sein. Die flächendeckende Objektförderung von Schauspielhäusern, Symphonieorchestern und Schwimmbädern weist verteilungspolitisch problematische Effekte auf, weil in erster Linie die mittleren und oberen Einkommensschichten davon profitieren. Ein sozialpolitisch effektiverer und effizienterer Umgang mit den knapp gewordenen Mitteln konzentriert sich darauf, den Zugang der sozialpolitischen Zielgruppen zu solchen Angeboten - die auch privatwirtschaftlich betrieben werden können - zu fördern, indem beispielsweise Ermäßigungen von der individuellen Einkommenssituation („Sozialpaß") abhängig gemacht werden. Der Staat muß solche Leistungen nicht selber erstellen, er kann sich darauf beschränken, private Leistungsanbieter zu unterstützen und die sozialpolitischen Ziele durch eine entsprechende Individualförderung zu erreichen.

Ein zweiter Ansatz besteht darin, bürgerschaftliches Engagement zu fördern. Für Selbsthilfe und Selbstorganisation stehen in der Bürgerschaft, beispielsweise in der Elternschaft von Kindergärten und Schulen, in Vereinen, in Nachbarschaften, enorme Ressourcen zur Verfügung. Auch wenn das klassische ehrenamtliche Engagement tendenziell zurückgeht, läßt sich bürgerschaftliches Engagement durch Organisationsformen mobilisieren, die den modernen Lebensstilen angepaßt sind, beispielsweise durch gemeinschaftliche Projekte, die an einen unmittelbar sichtbaren Erfolg versprechen, oder durch Nachbarschaftshilfe nach dem Prinzip der indirekten Gegenseitigkeit durch Kooperations- oder Tauschringe oder die Revitalisierung des Genossenschaftsgedankens. Anstatt die Ansätze bürgerschaftlichen Engagements durch eine von der Bundesregierung beschlossene Besteuerung im Keim zu ersticken, sollte der Staat dieses Engagement initiieren, moderieren und unterstützen.

Beide Ansätze - die Kooperation mit privaten Betreibern und die Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements - deuten auf eine veränderte Rolle des Staates hin, der nicht mehr selber alle Leistungen erbringt, sondern der initiiert, moderiert, kooperiert, steuert und unterstützt, um eine maximale Effektivität bei minimalem Mitteleinsatz zu erreichen.

1.2 Aufgabenkritik in der Eingriffsverwaltung

Im Bereich der Eingriffsverwaltung, insbesondere der Genehmigungsverfahren, hat das Wachstum der staatlichen Zuständigkeiten und Regelungen einen Stand erreicht, der kontraproduktive Effekte produziert. Privatwirtschaftliche Initiative wird nicht unterstützt, sondern gehemmt. Innovative Großprojekte können kaum noch unter Beachtung aller Regelungen und Vorschriften verwirklicht werden. Der Leviathan hat sich selber gebunden, wenn politisch gewünschte Projekte durch nachgeordnete Behörden blockiert werden. Die klassische Eingriffsverwaltung mit ihrer hohen Regelungsdichte und dem Anspruch, jedes Detail durch spezielle Vorschriften, Normen und Grenzwerte regeln zu wollen, beruht auf der Fiktion, daß der Gesetzgeber die Anwendungsbedingungen seines Handelns in allen Situationen vollständig antizipieren könnte. Diese Voraussetzung ist angesichts der zunehmenden sozio-ökonomischen Komplexität und Innovationsgeschwindigkeit nicht mehr gegeben.

So wurden auch von den Unternehmen überwiegend Genehmigungsverfahren und bauliche Vorschriften als Anlässe für Probleme und bürokratische Hindernisse genannt: Für fast zwei Drittel der Unternehmer sind "Genehmigungsverfahren" der häufigste Stein des Anstoßes. Jedes zweite Unternehmen hat in der Regel Schwierigkeiten mit baulichen Vorschriften. Seltener gab es hingegen Probleme mit bestehenden technischen Normen und dem Datenschutz (jeweils nur 10%). [ Vgl. ebd., S. 9.] Abbildung 1 veranschaulicht dieses Ergebnis:

Abb. 1: Anlässe für Hindernisse*

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* Mehrfachnennungen waren möglich.

Die Fragmentierung der staatlichen Verwaltung führt dazu, daß bei komplexen Zielsystemen (gleichzeitige Realisierung von wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit) politisch erstrebenswerte Gesamtoptima nicht mehr realisiert werden können, wie sich insbesondere an den Genehmigungsverfahren für industrielle Investitionen, aber auch für Wohnungsbauprojekte (beispielsweise kostengünstiges Bauen) zeigen läßt.

Auch hier verdeutlicht die empirische Analyse auf der einzelwirtschaftlichen Ebene, in welchem Umfang die zeit- und kostenaufwendige Auseinandersetzung mit staatlichen Auflagen und Verordnungen bei der Mehrzahl der Unternehmen zu strategischen Konsequenzen geführt hat:

Die häufigste Reaktion auf einen schweren Konflikt war die Ausgliederung des "Problembereichs" des Unternehmens (rund 21%), z.T. ging damit die komplette Auflösung des eigenen Unternehmenszweigs einher (14%). Die Verlagerung eines Unternehmensteils oder eines Unternehmensschwerpunkts (ins Ausland) waren mit 14% bzw. 5% ebenfalls häufig auftretende Anpassungsreaktion auf bürokratische Schwierigkeiten in Deutschland. Neben diesen gravierenden Veränderungen in der laufenden Unternehmensplanung wurden eine Fülle weiterer Maßnahmen in den Bereichen Personalpolitik (Beschäftigungsabbau, mehr Freie Mitarbeiter) sowie Investitionspolitik (Investition nicht getätigt, niedrigere Investitionsneigung) aufgeführt. Schließlich versuchten einige Unternehmen als Konsequenz auf ihre Negativ-Erfahrungen mit Genehmigungsbehörden einen "neuen Weg" im Umgang mit Behörden ("andere Vorgehensweise bei Genehmigungsverfahren, Abstimmung mit Behörde vor Antrag" etc.) zu finden. [ Vgl. ebd., S. 12.] Die Konsequenzen werden in Abbildung 2 detailliert dargestellt:

Abb. 2: Operative / strategische Konsequenzen*

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* Mehrfachnennungen waren möglich.

Genehmigungsverfahren dienen dazu, bei Investitionen die Berücksichtigung des öffentlichen Interesses zu gewährleisten. Das öffentliche Interesse, das letztlich ein Konstrukt aus wirtschaftspolitischen Interessen, Umwelt- und Sozialverträglichkeitsinteressen darstellt, wird jedoch im Rahmen der herrschenden Verwaltungsfragmentierung in einzelne Partialaspekte aufgelöst, die von einer Vielzahl von Behörden in wenig koordinierten Genehmigungsvefahren anhand voneinander isolierter Einzelkriterien und Grenzwerte entschieden werden, was nicht selten dazu führt, daß das öffentliche Gesamtinteresse verfehtl wird, weil z.B. Kompensationsmaßnahmen und indirekte Effekte in fragmentierten Genehmigungsverfahren nicht berücksichtigt werden können. Die klassische Eingriffsverwaltung ist an der Einhaltung von Normen orientiert, nicht jedoch an der Verwirklichung von Zielen.

Die bürokratische Auflösung des öffentlichen Interesses in ressort- und behördenspezifische Partialinteressen läuft deshalb auf eine Selbstentmachtung der Politik hinaus, weil selbst über große Projekte vielfach nicht mehr politisch entschieden werden kann, sondern diese den in Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsverfahren gegossenen Sachzwängen unterworfen sind.

Das alternative Demokratiemodell besteht darin, daß auf der Basis einer Gesamtwürdigung eines Projektantrags darüber entschieden wird, ob das öffentliche Gesamtinteresse in ausreichendem Maße erfüllt ist. Dazu muß die Verwaltungsfragmentierung aufgehoben werden.

Der einfachste Ansatz, eine Gesamtwürdigung zu ermöglichen, besteht darin, die Entscheidungen in ressortübergreifenden Gremien zu fällen, beispielsweise durch Ämterkonferenzen.

Ein weitergehender Ansatz, der insbesondere in Nordrhein-Westfalen mit der Regionalisierung der Strukturpolitik angestrebt wurde, besteht in der Rücknahme staatlicher Steuerung und der Delegation von Entscheidungskompetenz an Gremien funktionaler Repräsentation auf der regionalen Ebene. Wenn auf der regionalen Ebene ein Konsens über die positiven Effekte eines bestimmten Projekts erzielt worden ist und wenn alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen (öffentliche Akteure, Wirtschaft, Arbeitnehmer, gesellschaftliche Gruppen) diesen Konsens mittragen, dann ist auf der regionalen Ebene eine ausreichende demokratische Legitimation gewährleistet, die einen zentralstaatlichen Genehmigungsprozeß überflüssig werden läßt.

Projekte, die auf einem Konsens basieren, oder, in anderen Worten, bei denen ein Interessenausgleich gewährleistet worden ist, könnten mit vereinfachten und beschleunigten Genehmigungsverfahren honoriert werden, während die traditionellen Genehmigungsverfahren nur noch bei spannungsreichen, in der Region umstrittenen Projekte angewandt werden.

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2. Organisationskritik

Die Aufgabenfelder, die nach einer Aufgabenkritik dem öffentlichen Sektor verbleiben, müssen mit höchstmöglicher Effizienz bearbeitet werden. Dabei sind moderne Managementmethoden anzuwenden, die in der Wirtschaft erfolgreich praktiziert werden.

Dabei sind erstens Entscheidungen über Eigenerstellung, Fremdbezug und Kooperation (public private partnerships) auf der Basis einer vollständigen Kostenrechnung zu treffen (make or buy). Diese Entscheidung setzt jedoch eine Überwindung der Kameralistik zugunsten einer doppelten Buchführung voraus, die Kostenrechnung und Controlling ermöglicht. Bei einer solchen Kostenrechnung sind auch die Kosten zu berücksichtigen, die Unternehmen und Bürgern aufgebürdet werden.

Zweitens ist die öffentliche Verwaltung zu reorganisieren, um handlungsfähige und zugleich wirtschaftliche Einheiten zu schaffen. Fachverantwortung und Ressourcenverantwortung müssen zusammengeführt werden. Durch die Einrichtung von profit centern mit eigener Budgetverantwortung und Finanzautonomie können bessere Anreize zum sparsamen und effizienten Umgang mit öffentlichen Mitteln geliefert werden als mit administrativen Instrumenten des Haushaltsrechts und der VOB/VOL, die kontraintuitive Effekte aufweisen.

Die öffentliche Verwaltung muß nicht mehr hoheitlich, sondern unternehmerisch geführt werden. Dazu gehört:

• Eine Orientierung des Verwaltungshandelns an den Bedürfnissen der Bürger, die als Kunden anzusehen sind. Dabei sind Methoden des Marketings und der Marktforschung anzuwenden, beispielsweise regelmäßige Bürgerbefragungen, um die Qualität des Verwaltungshandelns messen zu können.

• Dezentrale Ressourcenverantwortung auf der operativen Ebene (teilautonome Arbeitsgruppen, profit center). Diese Reorganisation führt zugleich zum Abbau von Hierarchieebenen.

• Budgetierung bei gleichzeitiger Autonomie bei der Verwendung der Mittel, da die Empfänger der Mittel am besten beurteilen können, wie sie die knappen Ressourcen am sinnvollsten einsetzen.

• Die Einführung von Wettbewerb zwischen öffentlicher und privater Leistungserstellung sowie zwischen den Kommunen erzeugt einen Druck zur Optimierung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses öffentlicher Leistungen.

• Flexibilisierung von Organisation und Dienstrecht, um einen optimalen Arbeitseinsatz zu ermöglichen.

• Leistungsorientierte Entlohnung. Gute Arbeit muß auch im öffentlichen Dienst angemessen entlohnt werden. Ein simultaner Abbau von Zulagen nach BAT und Aufbau von Leistungskomponenten als Anreizsystem.

• Die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung als Grundlage für Optimierungsprozesse, make-or-buy-Entscheidungen und Anreizsysteme für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Das Ziel der organisatorischen Umgestaltung des öffentlichen Dienstes muß darin bestehen, die traditionell zentralistische, hoch arbeitsteilige und durchhierarchisierte Verwaltungsorganisation in eine dienstleistungsorientierte und dezentrale Organisation umzubauen.

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3. Kulturkritik

Aus seinen historischen Wurzeln heraus tritt der Staat dem Bürger nicht als Dienstleister gegenüber, sondern hoheitlich. Die Behördenkultur ist dementsprechend immer noch von einer Polizeimentalität geprägt. Der typische Beamte begegnet dem Bürger mit Mißtrauen und Macht. Diese Mentalität muß reformiert werden.

Der Beamte einer Genehmigungsbehörde muß das Ziel haben, den Antragsteller bei seinem Vorhaben zu unterstützen und administrative Hindernisse zu beseitigen. Verstöße gegen geltende Rechtsnormen sollten Anlaß sein, konstruktive Hinweise zu geben, wie diese Verstöße zu heilen sind. Es darf keine Ablehnung mehr geben, ohne daß Hinweise zur Heilung der Ablehnungsgründe geliefert werden. Der Verwaltungsmitarbeiter muß ein Selbstverständnis als Berater entwickeln. Die öffentliche Verwaltung benötigt eine Dienstleistungsorientierung.

Auf politischer, nicht administrativer Ebene ist zu entscheiden, ob ein Projekt unterstützt werden soll. Wenn eine positive Entscheidung gefallen ist, wird in der Administration eine Projektgruppe gebildet, die das Ziel hat, den Antrag durch die bestehenden Vorschriften und Verwaltungsverfahren zu navigieren.

Wir müssen das obrigkeitsstaatliche Verhältnis ablösen durch ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Bürger und Staat: Der Bürger respektiert den Staat, und der Staat fördert und unterstützt den Bürger. Der Staat schränkt das bürgerschaftliche Engagement nicht ein - durch Genehmigungszwänge, Verbote und Gebote -, sondern überträgt dem Bürger Verantwortung.

Ein schlanker Staat ist

• durchschaubar,

• zuständig,

• kompetent,

• handlungsfähig und

• verantwortlich.

Ein schlanker Staat mit einer guten Verwaltung ist somit auch ein Garant für eine stabile Demokratie.

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Fazit

Das klassische Staatsverständnis trennte Staat und Gesellschaft. Der hoheitliche Leistungs- und Eingriffsstaat trat den Bürgern mit Vorschriften und Verboten, Steuern, Abgaben und öffentlichen Leistungen gegenüber. Durch eigendynamische Prozesse sind sowohl Leistungsumfang als auch Regulierungsprozesse auf ein Maß angewachsen, das vom Staat nicht mehr finanziert und bewältigt werden kann, das kontraintuitive Effekte erzeugt und das die Wirtschaft eher behindert denn fördert.

Der schlanke Staat nimmt gegenüber der Gesellschaft eine andere Rolle wahr. Der schlanke Staat produziert nicht mehr ein breites Spektrum öffentlicher Leistungen, sondern unterstützt die gesellschaftliche Selbstorganisation. Der schlanke Staat regelt, prüft, genehmigt und kontrolliert nicht mehr, sondern moderiert gesellschaftliche Interessenaushandlungsprozesse. Der schlanke Staat fördert gesellschaftliche Selbstorganisation, wo immer er kann - ohne daß dies immer mit finanzieller Förderung verbunden sein muß. Der Staat als Moderator gesellschaftlicher Prozesse ist die Vision des schlanken Staates, der historisch gewachsenen Ballast abwirft, damit er neue Aufgaben wahrnehmen kann und die gesellschaftliche und wirtschaftliche Innovationskraft fördern kann.


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