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Bedeutung und Umfang einer Steuerreform : Thesenpapier des Managerkreises / unter der Federführung von Ulrich Pfeiffer. Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung. - [Electronic ed.]. - Bonn, [1997]. - 19 S. = 64 Kb, Text
Electronic ed.: Bonn: FES-Library, 1998

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT






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1. Die Dimension der Aufgabe


1.1. Partialreformen reichen nicht mehr aus

In der Bundesrepublik dominieren Lähmung und Realitätsverweigerung. Hohe Arbeitslosigkeit und wachsende Umweltprobleme, schwaches Wachstum und steigende Ungleichheit haben die Regierung nicht wachgerüttelt. Eine Steuerreform als eine Schlüsselstrategie muß eingebettet sein in eine umfassende Modernisierung. Eine Generalüberholung wird fast alle tangieren - die Autofahrer genauso wie die S-Bahnbenutzer, die Bauern genauso wie die Beamten und die Bergarbeiter. Nur dadurch wird die Ernsthaftigkeit der Situation und die Ernsthaftigkeit der Bemühungen glaubwürdig dokumentiert, wird die Diskrepanz zwischen der Wirklichkeit, den politischen Zielen und Versprechungen (Halbierung der Arbeitslosigkeit bis 2000), einem langfristigen Erneuerungsprozeß, geschlossen werden.

Die gegenwärtige Steuerreformdebatte greift zu kurz. Trotz der seit 2 Jahrzehnten steigenden Arbeitslosigkeit, trotz ganzer Serien fehlgeschlagener Beschäftigungsprogramme wird nicht versucht einen breit angelegten Erneuerungsprozeß zu starten. Deutschland hat nach dem Kriege für mehr als zwei Jahrzehnte eine beispiellose industrielle Entwicklung erreicht. Gegenwärtig wird jedoch immer deutlicher, daß die Deindustrialisierung, der Übergang in die Informations- und Dienstleistungswirtschaft, sowie ein ökologischer Umbau der Volkswirtschaft nur unzureichend bewältigt werden und die strukturelle Arbeitslosigkeit dabei zunimmt. Angesichts des dauerhaften, sich nicht verlangsamenden Strukturwandels, sind drastische Maßnahmen notwendig, um Anpassungsschwäche und Trägheit zu überwinden. Benötigt werden:

• Mehr Unternehmerleistungen und mehr Risikokapital. Mehr Beschäftigung für niedrig Qualifizierte. Hohe Leistungsanreize für Arbeitnehmer und Selbständige, denn Arbeitsplätze entstehen durch qualifizierte Arbeit, durch Innovationen und Investitionen.

• Mehr gleichheitsfördernde Maßnahmen, denn zwischen Regionen und Gruppen, vor allem zu Lasten niedrig qualifizierter Arbeitnehmer, wächst die Ungleicheit.

1.2. Zur Kritik des gegenwärtigen Steuer- und Abgabensystems

• Das Steuersystem ist zu komplex. Die Betriebskosten dieses Systems sind zu hoch. Es kam zu einem unübersichtlichen Herumverteilen ohne durchgehende Prinzipien. Die Allokationswirkungen sind widersprüchlich und weitgehend kontraproduktiv. Verschiedene Regelungen - so die Gewerbesteuer - sind völlig denaturiert.

• Die Belastungen der Einkommen im mittleren Bereich sind zu hoch. Die Steuerprogression geht zu weit und wird politisch nur deshalb durchgehalten, weil wegen einer Vielzahl von Sonderregelungen nur eine Minderheit der Spitzenverdiener die Spitzensteuersätze auch tatsächlich trägt. In den Unternehmen begegnet man immer häufiger der Frage, was nutzt es, wenn wir mehr leisten? Das meiste frißt der Staat. Es wird politisch unerträglich, daß die Progression zusammen mit den Sozialabgaben bei breiten Mittelschichten immer schärfer zugreift, denen die Techniken der Reichen, durch hohe steuerbegünstigte Investitionen Steuersparmöglichkeiten auszuschöpfen, nicht zur Verfügung stehen.

• Investitionsfinanzierung aus Gewinnen ist zu teuer. Risikotragende Sachinvestitionen werden im Vergleich zur Geldvermögensbildung zu stark belastet.

• Noch immer besteht eine Armutsfalle beim Übergang aus Transfereinkommen in Erwerbseinkommen. Hier liegt eine der zentralen Ursachen der Beschäftigungsschrumpfung für niedrig qualifizierte Arbeitnehmer.

• Das kommunale Steuersystem ist völlig aus den Fugen. Die Grundsteuer und Gewerbesteuer werden auf verzerrten Bemessungsgrundlagen erhoben. Die Finanzierung der ständig überproportional wachsenden Sozialhilfeausgaben aus örtlichen Steuereinnahmen zwingt Unternehmen in strukturschwachen Gebieten dazu, einen großen Teil ihrer Steuerzahlungen im Ergebnis für lokale Sozialpolitik herzugeben. Für Wirtschaftsförderung bleibt zu wenig übrig.

• Noch immer entstehen durch Autofahrer riesige volkswirtschaftliche Kosten (Staukosten, Unfallkosten, Umweltbelastungen, Landschaftszerstörung), die nicht durch die Benzin- und Kraftfahrzeugsteuer abgegolten werden. Der gesamte Mobilitätssektor wird rundum subventioniert, was eine überzogene räumliche verkehrserzeugende Arbeitsteilung und überzogene Trennung von Wohnen und Arbeiten zur Folge hat.

• Noch immer fördert der Staat die Ungleichheit auf unterschiedlichen Wegen. (Beispiel: Verschenken von Bildungsleistungen an Akademiker, die lebenslange Bildungsrenten erhalten.)

1.3. Reformen auf der Verwendungsseite des Budgets nicht vergessen

Man darf die Einnahmenseite nicht isoliert sehen. Auch das Subventions- und Sozialsystem, muß in einem Jahrzehnt der Erneuerung an absehbare künftige Bedingungen des Wirtschaftens angepaßt werden. Die Sucht nach erhaltenden, am Ende immer unwirksamen Subventionen muß genauso bekämpft werden, wie die Neigung der Sozialpolitiker künftige Erwerbsgenerationen vorab zu verpflichten immer größere Teile des erwirtschafteten Bruttosozialprodukts für andere abzuzweigen.

Die Vorwegverteilungsquoten (Zins- und Tilgungsleistungen, öffentliche Pensionszahlungen, Renten, Krankenversicherung, Pflegeversicherung) müssen als strategische Größen in die Planung der Einnahme- und Ausgabeseite der Budgets eingehen und begrenzt werden. Erst dann können die Leistungen für laufende Bedürfnisse festgelegt werden, sollen die periodisch auftretenden Krisen und ad hoc unter dem Druck der Verhältnisse durchgepeitschten Kürzungsaktionen vermieden werden.

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2. Grundsätze für einen Umbau des Steuer- und Abgabensystems


2.1. Keine verordneten Anpassungsschocks

Abrupte Änderungen des Abgaben-, Subventions- und Ausgabensystem führen zu Entwertungen, Anpassungshärten und volkswirtschaftlichen Schäden. Umsteuerung können erst nach rechtzeitigen Ankündigungen so vorgenommen, daß Anpassungen im Zuge von Reinvestitionen oder in kleinen Schritten vorgenommen werden können.

2.2. Allokationssteuerung auf wesentliche Felder begrenzen

In der Vergangenheit war die Steuerpolitik bereit, für fast jeden guten Zweck eine Steuervergünstigung zu gewähren. Daraus ergab sich im Laufe der Zeit eine Wirrnis der Wirkungen. In Zukunft sollten besondere Steuerungen auf folgende Bereiche konzentriert werden:

• Förderung des ökologischen Umbaus durch eine ökologische Steuerreform, weil Umweltgüter als Kollektivgüter nicht durch Markt und Wettbewerb gesichert werden können.

• Förderung von Innovationen, Unternehmensgründungen und von sehr risikoträchtigen Investitionen, um die volkswirtschaftliche Rentabilität dieser Investitionen voll zum Tragen zu bringen. Dort, wo Erträge von Investitionen (Innovationen) bei unterschiedlichen Marktteilnehmern landen, droht genauso Unterinvestition wie dort, wo hohe Risiken entstehen und Banken und Kapitalmarkt überempfindlich auf diese Risiken reagieren. Geeignete Instrumente sind jedoch Zulagen und Programme, nicht Abschreibungserleichterungen mit progressivem Effekten .

2.3. Internationale Vernetzungen und Steuerreform

Der internationale Handel wächst schneller als das Bruttoweltprodukt. Kapital, hochqualifizierte Arbeit und auch Unternehmen oder ihre Funktionen werden immer mobiler. Ein Steuersenkungswettlauf, der versucht Unternehmen anzulocken, wird im Ergebnis die immobilen Produktionsfaktoren, insbesondere weniger qualifizierte Arbeit stärker belasten, oder die Einnahmekapazität des Staates unerträglich begrenzen. Im Prinzip sind nur zwei Lösungen möglich:

• Eine internationale (explizite oder implizite) Koordinierung mit dem Ergebnis, daß etwa Körperschaftssteuersätze und Spitzensteuersätze der Einkommensteuer in Bandbreiten vereinbart werden oder

• eine Anhebung von Mehrwertsteuern und Steuern auf die Produktion lokaler, nicht handelbarer Produkte oder Ressourcen. (Immobilien)

2.4. Keine dogmatische Fixierung auf einzelne Abgaben

Immer wieder werden Debatten über einzelne Steuern unter der Prämisse geführt, daß fast alle wichtigen Ziele mit einer Steuer erreicht werden sollen. Tatsächlich sollte das Gesamtsteuersystem optimiert werden. Das kann z.B. bedeuten, durch ein großzügig bemessenes steuerbefreites Existenzminimum in der Einkommensteuer und einen niedrigen Einkommensteuersatz oder verbesserte Zahlungen in der Sozialhilfe, die regressiven Wirkungen eines hohen Mehrwertsteuersatzes zu kompensieren. Das erfordert, den Körperschaftssteuersatz und die Spitzensteuersätze der Einkommensteuer aufeinander abzustimmen oder den Abbau von Abschreibungserleichterungen und die daraus resultierenden, z.T. verzerrenden Investitionsanreize, durch eine generelle Absenkung der Steuersätze zu kompensieren.

2.5. Verteilungsfragen nicht ausklammern

Die Ungleichheit in der Bundesrepublik hat ständig zugenommen. Allerdings kam es nicht zu einer ausgeprägten Lohnspreizung, wie in den USA oder Großbritannien. Die Ungleichheit wächst dennoch,

• weil die Zahl der Akademikerhaushalte wächst, denen der Staat die Bildungsinvestitionen weitgehend schenkt, statt sie angemessen an den Kosten (z. B. durch kreditfinanzierte Studiengebühren) zu beteiligen.

• weil Familien mit Kindern benachteiligt werden.

• weil eine unbewältigte Einwanderung und ein unzureichendes Bildungssystem eine zu große Zahl niedrig qualifizierter Arbeitskräfte hervorrufen (ohne daß ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung stehen) und die Arbeitslosigkeit wächst.

• weil der Staat die Vermögensbildung in Immobilien bei den Reichen in unerträglich starkem Ausmaß fördert.

• weil Märkte und Technik sich ändern und Menschen mit spezifischen knappen Qualifikationen (The winner take all) immer höhere Einkommen erzielen, während die Art des technischen Fortschritts gleichzeitig bei Erwerbstätigen mit mittleren Qualifikationen (Facharbeitern) eine erhebliche Entwertung hervorruft.

• In der Verteilungspolitik geht es deshalb immer weniger um den alten Interessenkonflikt zwischen Kapital und Arbeit. Immer mehr rücken spezielle Verteilungsfragen zischen kinderlosen (Ehe)Paaren mit zwei Einkommen und Familien mit mehreren Kindern, Erwerbstätigen und Rentnern, oder steuerbefreiten Landwirten und unselbständig beschäftigten Arbeitnehmern, zwischen staatlich regulierten Freiberuflern und echten Freiberuflern, Patienten und dem Personal des Gesundheitssektors, zwischen reichen Staatspensionären ohne Kinder und Witwen ohne eigenen Rentenanspruch, die Kinder großgezogen haben, zwischen Bodeneigentümern und Bausparern in den Vordergrund.

Als eine wichtige verteilungspolitische Bedingung sollte das obere Fünftel der Einkommensbezieher nach einer steuerlichen Gesamtreform einen höheren oder zumindest gleichen Anteil an den Steuern tragen als heute. Die Konzentration der Debatte auf den Spitzensteuersatz verdrängt materielle Fragen der Verteilung und konzentriert sich weitgehend auf ein Scheinthema. Der Staat sollte vor allem sicherstellen, daß die Verteilung, wie sie sich aus marktwirtschaftlichen Prozessen ergibt, nicht noch verschlechtert wird.

2.6. Sozialstaat und Wachstum

Der Anstieg der Sozialabgaben unter Bedingungen eines schwachen Wachstums führt immer häufiger zu der Fragestellung, wo die Grenzen der Belastbarkeit der Erwerbstätigen liegen oder wann negative Nebenwirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft insgesamt zu befürchten sind.

• Hat der weitere Ausbau des Sozialstaats Priorität, oder

• ist die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft so gefährdet, daß es ein Gebot sozialer Verantwortung wird, die Sozialausgaben zu begrenzen? [ Vorwärts 5/97, S. 16]

Eine Antwort darauf ist nicht mit objektiver Sicherheit möglich. Sie hängt natürlich von den künftigen Produktivitätssteigerungen ab. Je mehr Produktivitätssteigerungen die geburtenstarken Jahrgänge während ihres Berufslebens erwirtschafteten um so höher können die späteren Transferleistungen sein. Materiell bleibt auf die Erfahrungen der letzten Jahre zu verweisen, daß die wirtschaftliche Entwicklung durch die hohen Belastungen aus der Wiedervereinigung beeinträchtigt wurde. Beim Anstieg der Sozialausgaben, als Folge der Alterung der Bevölkerung, kumulieren sich zwei Risiken.

Das erste Risiko entsteht aus der steigenden Abgabenquote selbst. Das zweite Risiko entsteht aus der Alterung, denn nach aller Erfahrung dürfte die Mobilität, die Flexibilität und die Erneuerung des Wissens durch die Alterung beeinträchtigt werden. Die These, das künftig finanzierbare Niveau der Sozialleistungen sei eine Funktion der künftigen Produktivitätssteigerungen, kehrt sich bei materieller Betrachtung in einen Hinweis auf künftige Risiken um.

Vor diesem Hintergrund spricht ein Gebot der Vorsicht und der Verantwortung gegenüber künftigen Erwerbstätigen und Rentnern dafür, den Anstieg der Sozialleistungen zu bremsen, und Elemente eines Kapitaldeckungssystems bei verstärkten individuellen Sparleistungen vorzusehen, um die Risiken zu vermindern und die Voraussetzungen für künftiges Wachstum zu verbessern.

2.7. Vereinfachung

Die Komplexität und wirre Vielfalt der geltenden Regelungen ermöglicht leistungslose Clevernessprämien, führt zu einem unüberschaubaren Herumverteilen, beschäftigt ein Heer von Spezialisten und ruft unüberschaubare, oft unproduktive Lenkungswirkungen hervor. Sollen Preise und Nachfrage die wirtschaftliche Tätigkeit steuern, dann sind die meisten Sonderanreize zu beseitigen. Demokratische Kontrolle und Willensbildung setzt Transparenz voraus. Jede künftige Reform muß die Schraube der ständigen Detailregelungen zurückdrehen.

2.8. Nicht die beabsichtigten sondern die realen Wirkungen gelten bei einer Beurteilung

Viele politischen Maßnahmen werden nach ihren Zielen und nicht nach ihren realen Wirkungen beurteilt. Dabei spielt natürlich die Neigung der Interessenten eine Rolle ihren Informationsvorsprung für verzerrte Wirkungsanalysen zu nutzen. Beispiele findet man in allen Subventionsbereichen: in der Agrarpolitik genauso wie in der Wohnungspolitik oder Arbeitsförderungspolitik. Würde man die Erfolgsmeldungen aus allen staatlichen Förderprogrammen ernst nehmen, dann müßten wir in einer Welt der Überbeschäftigung, der Innovationsschwemme und der Gleichheit leben. Tatsächlich geht das Wachstun zurück und wächst die Arbeitslosigkeit. Zuletzt wurde sogar die Erwartung genährt, wegen einer bloßen Haushaltskürzung und Rückführung der Defizite würde sie bis 2000 halbiert werden.

Ein Beispiel: Die Unterbesteuerung der Landwirtschaft in der Einkommensteuer und die offenen Preissubventionen sollen dazu dienen, die Einkommensdisparitäten gegenüber anderen Berufen abzubauen. Tatsächlich dürfte das insgesamt im Sektor verfügbare Einkommen durch diese Hilfen erhöht werden. Es ist jedoch ein Fehlschluß, wenn man daraus die Folgerung zieht, daß die individuellen Einkommen gleichermaßen erhöht werden, weil das individuelle Einkommen sehr stark dadurch bestimmt wird, wie groß die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft ist. Tatsächlich locken die Agrarsubventionen ständig mehr Beschäftigte in den Sektor. Sie erzeugen die Illusion von Möglichkeiten der Einkommenserzielung, die tatsächlich durch die langfristige Entwicklung nicht gegeben sind. Dieser Beschäftigungseffekt senkt die Einkommen der Einzelnen. Gleichzeitig wird ein Teil der Subventionen in erhöhtem Kapitaleinsatz und sinkender Kapitalprodukivität verbraucht. Die gesamte Agrarpolitik ist ein Selbstbetrug, weil sie zu Kapital- und Arbeitsverschwendung führt und im Ergebnis unsozial wirkt. Analog kann man über die Kohlepolitik urteilen. Die Subventionsgeber vernachlässigen immer wieder, daß nicht ihre Intentionen sondern die Marktanpassungen beim Einsatz von Kapital und Arbeit und die ausgelösten Preisveränderungen über die wirtschaftlichen Ergebnisse entscheiden. Solche Überlegungen und Argumentationsketten muß man gleichermaßen bei den günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen für den Mietwohnungsbau, den „gezielten" Investitionsanreizen für bestimmte Investitionsformen oder auch bei den regionalwirtschaftlichen Hilfen berücksichtigen. Eine rationale Steuerpolitik, genauso wie eine rationale Subventionspolitik, fällt ihre Entscheidungen nicht aufgrund der erwünschten sondern aufgrund der realen Wirkungen.

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3. Eckwerte für ein verbessertes Steuer- und Abgabensystem


3.1. Anmerkungen zum Geltungsbereich einer Reform

Die Reform der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer haben eine Schlüsselrolle. Sie sind nicht in einem Sprung zu schaffen, weil die Anpassungen in verschiedenen Bereichen zu groß sind.

Dringlich bleibt eine Reform der Gewerbesteuer. Nachdem als Folge des Verfassungsgerichtsurteils auch die Grundsteuer neu geordnet werden muß, steht eine Neuordnung des kommunalen Finanzsystems an. Ergiebige, und in ihrem Niveau selbständig festsetzbare Steuern, bleiben eine wichtige Grundlage kommunaler Selbständigkeit und eine Grundlage konstruktiver Kooperation zwischen Unternehmen und Kommunen.

Eine allgemeine Progression der Einkommensteuer, die nicht de facto durch Vermeidungsmöglichkeiten weitgehend auf dem Papier steht, hat erhebliche Auswirkungen auf die Leistungsbereitschaft. Eine effektiv geltende Progression muß deutlich niedriger werden. Eine Forderung nach hohen Spitzensteuersätzen, die nicht angibt welcher Anteil der Spitzenverdiener diese Sätze tatsächlich tragen wird ist weithin Scheinpolitik. Die Progression muß im Zusammenhang mit anderen Regelungen, die ebenfalls progressiv wirken, gesehen werden.

Die Armutsfallen bestehen weiter. Arbeitsanreize im unteren Einkommensbereich sind fast noch wichtiger als bei Spitzenverdienern, die mehr direkte Befriedigung aus der Arbeit ziehen können. In einer High-Tech-Welt müssen bewußte Anstrengungen unternommen werden, um den Arbeitsmarkt für niedrig Qualifizierte zu beleben. Wirtschaftswachstum allein wird gerade in diesem Bereich versagen.

Natürlich gibt es vom Familienlastenausgleich bis hin zur Unterstützung von Behinderten zahlreiche andere Themen. Der Managerkreis konzentriert sich auf wesentliche, wirtschaftliche Bereiche.

3.2. Einkommensteuer

3.2.1. Tarifverlauf und Bemessungsgrundlage

Der Tarif sollte langfristig bei einem möglichst niedrigen Satz (unter 15%) bei einem großzügig bemessenen Existenzminimum starten und bei 40%, möglichst darunter, enden. Dies erfordert eine erhebliche Ausweitung der Bemessungsgrundlage. Die Streichungen von Standardvergünstigungen müssen weiter reichen als in der SPD und auch in der CDU diskutiert, weil sonst zu große Einkommensteuerausfälle entstehen.

3.2.2. Streichung von Vergünstigungen

Steuerliche Privilegien für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit

Die politische Diskussion hat sich hier sehr verhärtet. Der Streit ist unsinnigerweise symbolisch geworden. Der Versuch einer Streichung in einem Sprung müßte in den betroffenen Branchen kurzfristig zu einer Gewinnkompression und zu Einkommenseinbußen bei den Beschäftigten führen. Diese kurzfristigen Anpassungsprobleme sollten jedoch nicht verhindern im Rahmen einer allgemeinen Steuerreform die Regelung zu überprüfen.

Gedacht war sie als Anreiz, um die Auslastung der Kapazitäten zu verbessern, gedacht als Ausgleich für Arbeitnehmer in Sektoren mit notorisch verschobenen Arbeitszeiten. Diese Motive übersehen die dauerhaften Anpassungen bei Preisen und Investitionen und übertreiben die Einkommensvorteile für die Arbeitnehmer. Auf Wettbewerbsmärkten werden die Endabnehmer der Produkte zu den Gewinnern, weil die Sondervorteile zu niedrigeren Preisen führen. Es gibt jedoch keinen Grund, daß wir uns als Zeitungsleser durch höhere Steuerzahlungen subventionieren, weil Zeitungen nachts gedruckt werden müssen. Es ist sinnvoll, daß die Konsumenten die erhöhten Produktionskosten, die als Folge von Nachtarbeit entstehen, selbst tragen. Dies gilt selbst bei Nachtarbeit von Ärzten und Krankenschwestern, denn es ist nicht einzusehen, daß die Allgemeinheit und nicht die Gemeinschaft der Krankenversicherten solche Kosten trägt. In der politischen Diskussion werden die Regelungen als Vergünstigungen für die Arbeitnehmer gezählt. Dies ist sicher richtig, wenn ein kurzfristiger Abbau geplant ist. Langfristig profitieren die Arbeitgeber in den begünstigten Sektoren genauso wie die Endnachfrager der begünstigten Produkte, denn die Sonderanreize werden im Wettbewerb der Begünstigten weitgehend wegkonkurriert. (Dies wird von der SPD in anderem Kontext anerkannt, denn die Beibehaltung der hohen Steuervorteile im Mietwohnungsbau werden mit den Vorteilen, die bei den Mietern entstanden sind, gerechtfertigt. Hier wird nicht angenommen daß die Produktionsfaktoren dadurch höher entlohnt werden.) Natürlich können Marktmechanismen durch monopolistische Praktiken der Gewerkschaften ausgehebelt werden. In diesem Fall können Subventionsrenten längere Zeit bestehen bleiben. Auf Wettbewerbsmärkten kommen die Subventionen auf Dauer den Konsumenten zugute oder sie führen zu geringerer Produktivität.

Kompensationen ausfallender Steuervorteile brauchen Zeit, weil Preise nicht in einem Sprung über Nacht angepaßt werden können. Anpassungsfristen von 5 Jahren dürften realistisch sein.

Kilometerpauschale

Die Motive für ihre Aufrechterhaltung und ihre Einführung sind komplex. In ländlichen Regionen sollten peripher lebende Arbeitnehmer die Chance erhalten, weiter entfernt liegende Arbeitsplätze kostengünstig zu erreichen. In der Vergangenheit spielte sicher auch das Motiv, die Motorisierung zu fördern, mit. Wichtig erschien eine Erhöhung der Mobilität der Arbeitnehmer.

• Alle diese Motive sind wenig relevant. Die wesentliche Wirkung dürfte darin bestehen, daß Arbeitnehmer sich größere und leistungsstärkere Autos leisten können. Nicht das „ob" einer Motorisierung steht, abgesehen von einigen Grenzfällen, an sondern das „wie groß und wie stark" kann das Auto sein. Natürlich werden auch Standortentscheidungen beeinflußt. Bei dem Kauf eines Hauses 10 km weiter entfernt vom Arbeitsort bleiben die Entfernungskosten etwas geringer. Sie könnten allerdings auch durch ein sparsameres Auto gesenkt werden. Das Lamento über die Benachteiligung dünn besiedelter ländlicher Gebiete ist weit übertrieben.

• Eine steuersystematische Betrachtung unterstellt Werbungskosten. Der Weg zur Arbeit macht die Einkommenserzielung erst möglich. Wesentlich dürfte sein, daß Standortentscheidungen gleichzusetzen sind mit Lebensstilentscheidungen und mit der Wahl einer ganz spezifischen Wohnumwelt. Deshalb sollte der Staat diese Entscheidungen als private und persönliche Einkommensverwendung und die Aufwendungen, die daraus resultieren, nicht als Werbungskosten behandeln. Genau so gut könnte jemand, der sich entschließt, sehr teuer citynah zu wohnen um die dortigen Arbeitsplätze gut zu erreichen, seine überdurchschnittliche Miete als Werbungskosten geltend machen.

Bei beiden Regelungen gilt, Haushalte haben bei ihren Entscheidungen die Steueranreize genutzt und sich an die vom Staat gesetzten Rahmenbedingungen angepaßt. Der Entzug muß deshalb allmählich erfolgen und lange Übergangsfristen zugestehen. Die Arbeitnehmer, die Gewerkschaften müssen die Möglichkeit haben, den Ausfall der steuerlichen Subventionen für Nachtarbeit und Feiertagsarbeit durch allmähliche Lohnsteigerungen zu kompensieren. Die Unternehmer müssen die Möglichkeit haben ihre Preise zu erhöhen. Haushalte, die in großer Entfernung zum Arbeitsplatz leben, sollen beim nächsten Autokauf auf geringeren Benzinverbrauch achten, um die ausfallenden staatlichen Hilfen zu kompensieren. Die Übergangsprobleme dürfen jedoch nicht zu einer dauerhaften Aufrechterhaltung solcher verzerrenden Hilfen mißbraucht werden.

Besteuerung von Immobilienvermögen

Private Kapitalanleger, die Vermögen im Immobiliensektor insbesondere im Wohnungssektor anlegen, genießen sehr günstige steuerliche Regelungen:

• In der Vergangenheit waren die Abschreibungssätze regelmäßig sehr hoch (degressive Abschreibung, gegenwärtig beginnend mit 5% Abschreibung).

• Verluste aus Vermietung können mit anderen Einkunftsarten verrechnet werden.

Dies führt dazu, daß vor allem private Haushalte mit Spitzeneinkommen aus anderen Einkunftsarten als Wohnungsinvestoren auftreten können, da bei gleichen Kosten und Erträgen ihre Renditen höher sind als die von Wohnungsunternehmen oder von Vermögensanlegern mit geringen Einkommen. Es kommt zu einer Wettbewerbsverzerrung und einer erheblichen Vermögenskonzentration. Zugunsten dieser Regelung spricht natürlich das Argument „gleiche Besteuerung aller Einkunftsarten". Das Prinzip der Wettbewerbsneutralität und der gleichmäßigen Besteuerung stehen gegeneinander.

Unabhängig von der Vermögenskonzentration haben die großzügigen steuerlichen Regelungen, dies wird im Vergleich mit anderen Ländern deutlich, dazu beigetragen, die Bau- und Bodenkosten in die Höhe zu treiben. Nur aufgrund der erheblichen steuerlichen Mitfinanzierung bleiben die Mieten in Großstädten angesichts der hohen Baukosten erträglich. In Hochkostenregionen mit typischerweise hohem Fremdfinanzierungsanteil entstehen im Barwert pro qm Wohnfläche steuerliche Ausfälle zwischen 1.500 und 1.800 DM.

Eine Aufhebung der Verlustverrechnung und Absenkung der Abschreibung würde den Wettbewerbsvorsprung des Mietwohnungssektors im Vergleich zum Wohnungsbau für Selbstnutzer deutlich reduzieren. Im Übergang ergäbe sich ein Rückgang der Investitionstätigkeit. Auf Dauer ließe sich jedoch durch eine entsprechende Angebotspolitik ein neuer Markt mit preiswertem Wohneigentum schaffen. Verschiedene Schätzungen machen deutlich, daß bei sinkenden Kosten die Quote der Eigennutzer langfristig, wie in anderen Ländern auch, bis auf 60% ansteigen kann (Bundesrepublik gegenwärtig rund 42%). Die Wohnungsversorgung würde sich nicht verschlechtern, da bei niedrigeren Kosten größere Gruppen direkt als Nachfrager am Neubaumarkt auftreten könnten. Im Ergebnis wäre eine bessere Funktionsweise des Marktes bei breiter Vermögensstreuung möglich. Die Mitfinanzierung des Staates würde drastisch reduziert. Angesichts der riesigen Beträge, die allein der Wohnungssektor jährlich verschlingt, ergäbe sich ein erheblicher Spielraum, Spitzensteuersatz und Tarif abzusenken.

Deshalb sollte auch die Möglichkeit, Verluste aus Vermietung und Verpachtung mit anderen Einkommensarten zu verrechnen, in einem Stufenplan aufgehoben werden. Die Verrechnung der Verluste könnte von anfänglich 100% in Stufen für jeden Folgejahrgang während einer Übergangszeit von 6-8 Jahren auf Null reduziert werden. Der letzte Jahrgang, der nach altem Recht behandelt wird, könnte noch 100% der ermittelten Verluste, so lange sie anfallen, geltend machen. Die nächsten Jahrgänge könnten nur noch Jahrgang für Jahrgang sinkende Anteile der Verluste geltend machen. Die daraus resultierenden Mieterhöhungen lassen sich leicht durch Kostensenkungen kompensieren. Die extrem hohen Bau- und Bodenkosten in der Bundesrepublik sind nur möglich gewesen, weil steuerliche und andere Subventionen die hohen Kosten auch für Mieter mit mittleren Einkommen tragbar machten. Das Ende der Verlustverrechnung würde die Wettbewerbsverzerrungen aufheben. Der Marktanteil selbstgenutzten Wohneigentums würde kräftig steigen. Die gegenwärtig staatlich geförderte Vermögenskonzentration bei Immobilienvermögen würde zurückgehen.

Die Regelung hätte fiskalisch und vermögenspolitisch eine zentrale Bedeutung. Im Jahre 1989 gab es 2 Mio. Eigentümer mit insgesamt 30 Mrd. DM nicht ausgeglichenen Verlusten aus Vermietung. Die Zahl ist inzwischen deutlich gestiegen, ebenso der Verlustbetrag. Eine Größenordnung von 40-50 Mrd. dürfte heute realistischer sein. Die Regelung wird weit überwiegend von Haushalten in Anspruch genommen, die hohe Einkommen erzielen und trägt wesentlich dazu bei, daß die oberen Einkommensgrupppen effektiv niedrigere Steuersätze tragen als Haushalte aus den anschließenden Einkommensgruppen. Sie bedeutet im wirtschaftlichen Ergebnis eine staatliche Förderung der Vermögenskonzentration. (Vermögenswert des Wohnungsvermögens der privaten Haushalte rd. 5.500 Mrd. DM in 1993.)

3.3. Körperschaftsteuer

Es besteht Einigkeit, daß einbehaltene Gewinne deutlich weniger besteuert werden sollen als bisher. Die Investitionsfinanzierung im mittelständischen Unternehmensbereich könnte sich deutlich verbessern. In der Bundesrepublik hat der Satz für ausgeschüttete Gewinne wegen der Anrechnung in der Einkommensteuer eine reduzierte Bedeutung. Dies gilt nicht für international tätige Unternehmen. Die unbefriedigende Situation bei den Direktinvestitionen zwingt zum Nachdenken. Die Gründe für die hohen Direktinvestitionen in Großbritannien und Schweden sollten untersucht und berücksichtigt werden.

In der politischen Diskussion wird kontrovers diskutiert, ob die Beibehaltung hoher degressiver Abschreibungssätze nicht zu einer Verbesserung der Investitionsneigung beitragen könne. Man darf nicht nur den isolierten Recheneffekt sehen. Eine drastische Senkung der Steuersätze hat einen eindeutigen Investitionsanreiz. Eine geringere Besteuerung dürfte daneben positive Zinseffekte haben. Nicht zu unterschätzen ist das Signal des Staates der demonstriert, die Investitionslenkung voll den Preisen und Märkten zu überlassen. Die positiven Wirkungen einer solchen Orientierung sind leider kaum zu messen. Im Sinne einer neuen, glaubwürdigen Steuerpolitik wäre eine möglichst weitgehende Tarifabsenkung wichtiger als die Beibehaltung einer hohen degressiven Abschreibung. Märkte müssen für Unternehmer deutlich wichtiger sein als die Politik.

3.4. Verknüpfung von Transfereinkommen und Einkommensteuer

Die Arbeitsmarktentwicklung ist dadurch charakterisiert, daß Erwerbspersonen mit niedrigen Qualifikationen immer größere Schwierigkeiten haben, eine Dauerbeschäftigung zu finden. Aus der Sicht der Arbeitgeber ist die Produktivität vieler Langzeitarbeitsloser oder niedrig qualifizierter Erwerbstätiger im Vergleich zu den Bruttolohnkosten, die sie zu tragen haben, viel zu gering. Bei volkswirtschaftlichen Kosten einer Wiederbeschäftigung eines niedrig qualifizierten Arbeitslosen von nahezu Null, sind die privaten Kosten der Beschäftigung durch die hohen Abgaben extrem hoch. Aus der Sicht der Erwerbspersonen lohnt es vor allem nicht eine Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen, weil dann Sozialhilfe und/oder Wohngeld gekürzt oder gestrichen werden. Bei steigenden Einkommen in den untersten Lohngruppen oder beim Übergang aus der Sozialhilfe führen Abbau des Wohngeldes und/oder Entzug der Sozialhilfe zu geringen Steigerungen des verfügbaren Einkommens. Der Grenzsteuersatz klettert auf 100% und zerstört jeden Arbeitsanreiz. Das Steuer- und Transfersystem muß hier nachhaltig entrümpelt werden.

Die SPD hat demgegenüber vorgeschlagen, die Lohnkosten mit 30 Mrd. DM durch Absenkung der Arbeitgeber und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zu entlasten. Daraus wird ein hoher Beschäftigungseffekt erwartet. Diese Beschäftigungseffekte können allerdings wenn zusätzliche Lohnsteigerungen ausgelöst werden wieder kompensiert werden. Hinzu kommen die negativen Beschäftigungseffekte durch die Aufbringung der Mittel. Ziemlich sicher dürfte sein, daß die Beschäftigungseffekte höher ausfallen, wenn die Arbeitskosten im unteren Bereich der Einkommen und der Qualifikation deutlich gesenkt werden.

Als Einstieg könnten die Sozialbeiträge für niedrig qualifizierte Beschäftigte weitgehend auf Null gesenkt werden. Eine große Lösung, bei der Sozialhilfeempfänger Transfereinkommen und Lohneinkommen systematisch verknüpfen und nur einen Teil der Arbeitseinkommen angerechnet erhalten, ruft fiskalisch nicht tragbare Belastungen hervor. Die Entkoppelung von Bruttolohnkosten und Nettoeinkommen im unteren Bereich dürfte allerdings erhebliche Beschäftigungseffekte haben und wäre gleichzeitig ein wirksamer Beitrag zu mehr Gleichheit.

Als Zwischenlösung könnten die Anwendungsbereich von Lohnkostenzuschüssen ausgeweitete werden. Hier ergeben sich Wirkungsprobleme weil erhebliche Mitnehmereffekte auftreten können. Die jüngste Entwicklung der Arbeitslosigkeit zeigt, daß junge Erwerbstätige mit niedrigen Qualifikationen, immer häufiger arbeitslos werden. und auch dauerhaft arbeitslos bleiben. Hier können lebenslange Stigmatisierungen und Dauerarbeitslosigkeit in erschreckendem Umfang entstehen.

Vor dem Hintergrund dieser Risiken und der wachsenden Mißbräuche sollten auch sehr drastische Maßnahmen geprüft werden. So die Kürzung von Sozialhilfe für Erwerbsfähige bestimmter Altersgruppen, denen dann allerdings auch die Möglichkeiten zu (niedrig bezahlter) Arbeit zur Verfügung stehen müssen, damit aus abgesenkten Transfereinkommen und Erwerbseinkommen zusammen ein erträgliches Einkommen erwirtschaftbar wird.

Lösungen dieser Art sind unbefriedigend. Sie sind nur vertretbar, weil nicht erworbene Qualifikationen nicht mehr in ausreichendem Umfang nachgeholt werden können. Auf Dauer ist eine weit bessere Ausbildung erforderlich, um die Qualifizierungslücken und ihre Negativfolgen erst gar nicht entstehen zu lassen.

3.5. Spezielle Investitionsanreize

Eine progressive Einkommensteuer führt automatisch dazu, daß alle Investitionsanreize und Vergünstigungen mit progressiver Wirkung zur Geltung kommen, was Wettbewerbsverzerrungen zur Folge hat. Die progressive Einkommensteuer eignet sich nicht als Medium für spezielle Investitionsanreize. Der Staat sollte Investitionshilfen als Zulagen oder als offene Subventionen ausgestalten. Als Zwecke für solche Förderungen kommen risikoreiche FuE-Investitionen oder die Hergabe von risikotragendem Eigenkapital in Frage.

3.6. Einkommensteuer und Mehrwertsteuer

Die Einkommensteuer wirkt auch bei mäßiger Progression leistungsmindernd. Sie verzerrt die Wahl zwischen Arbeitseinsatz und Freizeit. Hohe Grenzbelastungen aus Steuer und Sozialabgaben reduzieren die verfügbaren Einkommen aus zusätzlicher Arbeit, oder die Renditen von Qualifizierungsbemühungen. Gerade der letzte Aspekt erhält immer größere Bedeutung. Auch die Entscheidungen zur Arbeitszeitverkürzung werden beeinflußt, weil die Gefahr entsteht, daß Arbeitnehmer unterschätzen, welchen Wert die Arbeit tatsächlich hat, weil die verfügbaren Nettobeträge weit geringer sind als der volkswirtschaftliche Wert der Arbeit, die nicht nur verfügbare Einkommen erbringt sondern Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge erwirtschaftet.

Angesichts der langfristig noch weiter steigenden Beiträge zur Sozialversicherung empfiehlt es sich, in einem längeren Übergangsprozeß, die Mehrwertsteuer in mehreren Stufen zu erhöhen. Die regressiven Wirkungen einer höheren Mehrwertsteuer könnten auch kompensiert werden, indem ein gleitender Übergang zwischen Sozialhilfe und Einkommensbesteuerung geschaffen wird. Ein großzügig bemessenes Existenzminimum wirkt in die gleiche Richtung. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß die gleichen Politiker, die sich so besorgt über die (schwachen) regressiven Wirkungen der Mehrwertsteuer äußern, oft wenig Skrupel haben, durch eine Erhöhung der Agrarpreise regressive Umverteilungen zwischen Bauern und z.B. Familien mit Kindern aus auszulösen.

3.7. Gewerbesteuer und kommunale Aufgabenfinanzierung

Die Gewerbesteuer ist zu einer Großbetriebssteuer bzw. eine Steuer auf juristische Personen denaturiert. Immer weniger Arbeitsplätze oder Wertschöpfungsvorgänge werden davon betroffen. Aus kommunalpolitischer Sicht benötigen die Kommunen eine Steuer, die an Wertschöpfungsprozessen ansetzt, weil sie zugunsten der Aufrechterhaltung der Wertschöpfung in Produktionsunternehmen, Einzelhandelsgeschäften, aber auch zugunsten der Freiberufler, erhebliche Leistungen erbringen. Nach dem Verursacherprinzip sollten diese kommunalen Leistungen pauschal durch eine Steuer abgegolten werden. Sie ist ein Quasipreis für kommunale Infrastruktur und kommunale Dienste. Eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage der Gewerbeertragsteuer unter Einbeziehung der freien Berufe und Einbeziehung auch kleiner Unternehmen, würde es erlauben, die Steuersätze zu senken und die Kritik an den Belastungen weitgehend aufzufangen.

Sollte eine solche Verbreiterung nicht möglich sein, dann empfiehlt sich als zweitbeste Lösung eine erhöhte Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer.

Das Dilemma der kommunalen Unternehmensbesteuerung, ganz gleich auf welcher Bemessungsgrundlage, ergibt sich nicht in erster Linie aus der Besteuerung selbst sondern aus der Verwendung der Steuer. In den letzten Jahren haben sich in den kommunalen Haushalten der Gemeinden in strukturschwachen Gebieten die Sozialausgaben ständig erhöht. Die lokalen Unternehmen werden zur Finanzierung dieser Verteilungsleistungen herangezogen. Es ist absurd, eine Mindesteinkommensregelung aus lokalem Steueraufkommen zu finanzieren, weil dies im Ergebnis bedeutet, daß Unternehmen in strukturschwachen Gebieten, die auf kommunale, die wirtschaftliche Entwicklung fördernden Leistungen besonders stark angewiesen sind, hohe Steuern für soziale Zwecke tragen. Das Äquivalenzprinzip wird mit Füßen getreten. Die Verarmung der Kommunen in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit bedeutet im Ergebnis auch eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung, weil die Unternehmen in den verarmten und durch Sozialhilfe ausblutenden Kommunen keine adäquate Gegenleistung für ihre Steuerzahlungen erhalten. Die gesamte Debatte über die Gewerbesteuer vernachlässigt diesen Aspekt, weil sie nur die Einnahmeseite betrachtet, während sich Probleme der kommunalen Unternehmensbesteuerung auch aus der Verwendung der Einnahmen ergeben.

Eine Lösung dieses Problems kommunaler Finanzverfassung setzt eine Verlagerung der Finanzierung der Sozialhilfe auf zentralere Haushalte voraus. Die Finanzierung der Sozialhilfe aus lokalem Steueraufkommen wird immer dazu führen, daß die Belastungen dort am größten sind, wo die Steuerkraft niedrig ist. Die steuerpflichtigen Unternehmen in strukturschwachen Gebieten erhalten zu wenig für ihre Steuern, weil ihre Steuern zu einem erheblichen Teil (indirekt) für Umverteilungen verbraucht werden. Eine Verlagerung der Sozialhilfelasten auf die Länder wird nicht einfach möglich sein. Es geht immerhin um einen Betrag von rd. 50 Mrd. DM (1995). Außerdem bestehen erhebliche regionale Differenzen. Dies würde z.B. regionale Veränderungen der Lastenverteilung zur Folge haben.

Die regionale Ungleichheit der Einkommen und Lebenschancen hat in den letzten Jahren genauso zugenommen wie die Ungleichheit zwischen Qualifizierten und Nichtqualifizierten. Das geltende kommunale Steuersystem verstärkt diese Ungleichheit. Kommunen mit hoher Jugendarbeitslosigkeit können am wenigsten für die Jugendlichen tun. Arme Kommunen in strukturschwachen Gebieten bedeuten wenig sozialen Ausgleich und wenig Wirtschaftsförderung. Das ist unerträglich.

3.8. Grundsteuer

In den gleichen Zusammenhang gehört auch eine Reform der Grundsteuer, die gleichzeitig auch Anreize für einen sparsamen Umgang mit Boden bringen sollte (vgl. Ziffer 4.3).

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4. Ökologische Steuerreform


4.1. Geltungsbereiche

Jede ökologische Steuerreform will durch Verteuerung knapper Ressourcen oder die Verteuerung von Emissionen die relativen Preise beeinflussen und damit die Produktions- und Verbrauchsstrukturen in einem ökologisch erwünschten Sinn verändern, um die Umweltbelastungen zu senken. Die quantitativ relevanten Verbrauchs- und Belastungsbereiche bei denen sich Eingriffe besonders lohnen sind:

• Heizenergie für Wohnungen und sonstige Gebäude,

• Transportenergie für Autos,

• die Bodennutzung.

Die Belastung von Prozeßenergie in der Produktion macht nur Sinn in einer international abgestimmten Aktion, weil sonst nur Verlagerungen ohne Einspareffekt begünstigt werden.

4.2. Bisher geringe Erfolge und geringe Glaubwürdigkeit der Politik

Bisher fehlt eine systematische Strategie. Deutschland redet Grün, artikuliert Wertewandel, liebt jedoch Raserei auf Autobahnen, maximiert Flugreisen im Urlaub und besteuert Bodennutzung und Benzin geringer als die meisten anderen Länder. Es bleibt die Frage, warum die Umsetzung der verbal weithin akzeptierten Grundsätze auf erhebliche Schwierigkeiten stößt. Ganz offensichtlich besteht trotz der ökologischen Sorgen noch keine hinreichend feste Überzeugung, daß die Kosten einer ökologisch motivierten Umstrukturierung, etwa durch Verteuerung von Energie, den langfristigen Nutzen tatsächlich aufwiegen.

Wahrscheinlich spielt auch eine Rolle, daß die Politik ihre ökologischen Sorgen immer in fiskalischen Notzeiten besonders intensiv empfindet und dann z.B. durch Verteuerung von Benzin zum Ausdruck bringt. Ökosteuern, die in fiskalischen Notzeiten auf die Tagesordnung gesetzt werden, verlieren an Akzeptanz, weil natürlich niemand mehr glaubt, daß sie durch Senkung anderer Steuern kompensiert werden.

Gerade bei staatlich induzierten, ökologisch motivierten Umstrukturierungen gilt die Forderung, diese Veränderungen durch langfristige Ankündigungen so zu steuern, daß Entwertungen des Kapitalstocks oder von Arbeit möglichst vermieden werden können. Die gegenwärtige Debatte über eine weitere Verteuerung von Benzin macht besonders deutlich, wie ökologische Steuerreformen nicht durchgeführt werden sollten. Die Anhebung käme ohne Vorwarnung und ohne Anpassungsmöglichkeit. Ihr Ökoeffekt ist deshalb kurzfristig gering, denn die Nachfrage nach Benzin ist kurzfristig unelastisch, weil Anpassungen Zeit benötigen. Unangekündigte Steuererhöhungen werden zu irrationalen ökologischen Strafaktionen, die mit Recht Widerstand und Protest auslösen. Politikern, denen das fiskalische Wasser bis zum Halse steht, werden unglaubwürdig, wenn sie sich durch Ökosteuern vor dem politischen Ertrinken zu retten suchen. Umweltpolitische Autorität ist so nicht zu gewinnen.

Während das ökologische Gewissen oft eine Funktion der jeweiligen fiskalischen Notsituation ist, begegnet man auf der anderen Seite einem ökologischen Rigorismus, der nicht berücksichtigt, daß es wenig bringt, bei uns Produktionsprozesse zu reduzieren, die dann an anderer Stelle der Welt umweltbelastend um so besser florieren. Bei international mobilen Produktionsprozessen kann ökologische Steuerung nur gleichmäßig auf der Grundlage internationaler Vereinbarungen praktiziert werden.

4.3. Grundsätze und Instrumente

Es ist bisher nicht gelungen, zwischen den Parteien Grundsätze einer rationalen ökologischen Umsteuerung zu vereinbaren. Die Dringlichkeit eines solchen Konsens nimmt zu, denn die Umsteuerung kann nicht beliebig aufgeschoben werden.

Verteuerung von Automobilität

Durch gesetzlich feststehende, ständige reale Verteuerung von Energie oder Abgasemissionen sollten langfristig angelegte ständige Spar- und Substitutionsprozesse angeregt werden. Die Steigerungsraten der Abgaben sollten um mindestens 1% Punkt über der Steigerungsrate des Nettoeinkommens liegen und zusammen mit den Rentensteigerungen festgesetzt werden. Die Mehreinnahmen sind für Senkungen der Einkommensteuer oder für Verbilligung der Bruttolöhne in unteren Qualifikationsbereich zu verwenden.

Die Staukosten (Zeitkosten und Umweltkosten) steigen ständig an. Sie werden durch Verteuerung der Energie nicht verringert. Hier sind variable Stauabgaben erforderlich. Sie sollten unter Berücksichtigung der Erfahrungen im Ausland (Mauttechnik in Oslo und in asiatischen Städten) rasch erprobt werden.

Die industrielle Entwicklung hat seit der Ölkrise zu einer ständigen Entkopplung von Bruttosozialprodukt und Produktionsenergie geführt. Hier sind in vielen Bereichen Grenzen der technischen Ausnutzbarkeit erreicht. Hier müssen Substitutionsprozesse angestoßen werden, die zu anderen technischen Lösungen führen. Politisch bestehen die größten Vorbehalte, weil eine solche Verteuerung sehr regressiv wirkt. Sie ist dennoch notwendig, weil sonst nachhaltige Wirkungen nicht erzielt werden können. Auch hier sollte die Verteuerung ex ante festgelegt werden und an die Erhöhung der Nettoeinkommen geknüpft werden.

Als soziale Ausgleichsmaßnahme wäre das Wohngeld für Haushalte mit geringen Einkommen zu erhöhen. Dadurch würden die Belastungssteigerungen verringert. Die Anreizwirkung bliebe wegen der hohen Energiekostenanteile am verfügbaren Einkommen dennoch bestehen.

Verteuerung der Bodennutzung durch Übergang zu einer Bodenwertsteuer

Die Grundsteuer wird auf einer sehr verzerrten Bemessungsgrundlage erhoben. Im Rahmen der Neubewertung als Folge des Verfassungsgerichtsurteils kann eine andere Bemessungsgrundlage gewählt werden. Allokations- und verteilungspolitisch dürfte eine Steuer auf den Verkehrswert des Bodens die günstigsten Auswirkungen haben. Die Wirkungen wären stark progressiv. Allerdings ergeben sich erhebliche Übergangshärten, weil Grundstücke mit geringem Gebäudewertanteil und hohem Grundstücksanteil (Villen auf großen Flächen) sehr viel höhere Belastungen tragen müßten als bisher. Gleichzeitig würden im Wohnungsbestand dicht verbaute Innenstadtgebiete entlastet. Eine Bodenwertsteuer würde Anreize eröffnen ressourcenschonend zu wohnen und zu arbeiten. Der Umgang mit Grundstücken würde sparsamer. Anpassungen der Nutzung an veränderte Wertverhältnisse würden rascher vorgenommen. Unter Ökonomen und Kommunalpolitikern besteht Einigkeit über die positiven Wirkungen einer Bodenwertsteuer. Die Schwierigkeiten ergeben sich aus dem Übergang. Trotz dieser Schwierigkeiten sollte eine solche Lösung versucht werden. Dabei ist es durchaus möglich, um Härten zu vermeiden, subjektorientierte Belastungsobergrenzen einzuführen, um z.B. auszuschließen, daß Witwen mit geringer Pension, die in einem großzügigen Einfamilienhaus leben, das in der Vergangenheit der Familie zum Wohnen diente, nicht durch die Steuer vertrieben werden.

4.4. Argumente und Rechtfertigungen

Die umweltpolitische Debatte wird vielfach mit dem Argument geführt, daß Umweltschutz Arbeitsplätze schafft. Dies ist in dem Sinne richtig, daß Auflagen, die z.B. Schadstoffemissionen reduzieren sollen, zu Investitionen führen. Die Produktion der entsprechenden Filter, Zentrifugen oder anderen Einrichtungen, die zu einer saubereren Produktion führen, rufen natürlich Beschäftigung hervor. Allerdings müssen die Endabnehmer der Produkte einen höheren Preis zahlen, mit dem Ergebnis, daß ein Teil ihres Einkommens zur Sicherung der Umweltgüter verwendet wird und andere Güter weniger nachgefragt werden. Die für Umweltzwecke im Wege der Preiserhöhung abgezweigten Einkommensteile können nicht für andere Zwecke wie Taxifahren oder Restaurantbesuche verwendet werden. Es ist eine offene Frage, ob die Verwendungsstruktur des Einkommens, die als Folge von Umweltschutzmaßnahmen entsteht, zu einem arbeitsintensiveren Bruttosozialprodukt führt als die gegenwärtige Verwendung. Darüber hinaus ist völlig offen, ob im Zuge einer ökologisch motivierten Umstrukturierung nicht Anpassungsprobleme mit der Folge struktureller Arbeitslosigkeit entstehen. Bisher zeigt sich, daß ein Grund der Arbeitslosigkeit aus der Schwierigkeit resultiert, Strukturwandel zu bewältigen. Es ist wenig plausibel, daß ausgerechnet der umweltpolitisch motivierte, und durch staatliche Maßnahmen induzierte Strukturwandel, kein Risiko einer strukturellen Arbeitslosigkeit hervorbringen soll.

In der gegenwärtigen Situation wäre es sinnvoll, wenn versucht würde, die Beschäftigungseffekte zu maximieren. Der Vorschlag die Lohnnebenkosten zu senken ist populär. Allerdings dürften die Beschäftigungseffekte mager ausfallen. Die Senkung der Lohnnebenkosten um einen Prozentpunkt hat sicher geringe Beschäftigungseffekte. Doch schon eine geringe zusätzliche Steigerung der Löhne und Gehälter in der nächsten Tarifrunde um einen Prozentpunkt würde den Effekt zunichte machen.

Die gegenwärtige Situation ist durch einen Mangel an Lehrstellen und durch eine hohe Arbeitslosigkeit bei jüngeren Menschen charakterisiert. Hinzu kommt eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit bei niedrig Qualifizierten. Die Beschäftigungseffekte wären mit hoher Wahrscheinlichkeit stärker, wenn die Mehreinnahmen einer Verteuerung von Energieverbrauch und anderen Ressourcen gezielt für die Verbesserung der Beschäftigungssituation von Jugendlichen oder niedrig Qualifizierten verwendet würden. Eine solche Verwendung läge auch im Interesse der Unternehmen, denn die volkswirtschaftlichen Renditen solcher gezielten Maßnahmen wären nachhaltig und würden auch die Unternehmen entlasten, weil Jugendliche ohne ausreichende Ausbildung und Qualifizierung für die Steuerzahler auf Dauer zu Mehreinnahmen führen.

Eine einmalige proportionale Entlastung aller Arbeitskosten kann und sollte besser durch eine Tarifvereinbarung erreicht werden. Gegenwärtig schrumpft die Industriebeschäftigung in ihre produktiven Bereiche hinein. Dadurch kommt es zu hohen Produktivitätssteigerungen. Werden die Löhne parallel zu diesen Produktivitätssteigerungen angehoben, dann sind weitere Verringerungen der Beschäftigung programmiert. Eine Lohnzurückhaltung würde demgegenüber die Beschäftigungsentwicklung positiv beeinflussen. Sie wäre gleichzeitig eine Nagelprobe für die Tarifpartner. Würde dagegen der Eindruck erweckt, durch kräftige Lohnsteigerungen die Einkommenseinbußen einer ökologisch motivierten Benzinverteuerung oder CO2 Abgabe zu kompensieren, dann blieben Beschäftigungseffekte aus.

Es ist verständlich, daß die Politik eine möglichst populäre Verwendung der Ökoeinnahmen versucht. Den Steuerzahlern und Unternehmen wäre jedoch mehr gedient, wenn der Staat volkswirtschaftlich möglichst produktive Verwendungen durchsetzt. Die Verteilungseffekte dieser Verwendung können dann politisch entschieden werden.


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