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Bedeutung und Umfang einer Steuerreform : (Kurzfassung) ; Thesenpapier des Managerkreises / unter der Federführung von Ulrich Pfeiffer. Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung. - [Electronic ed.]. - Bonn, [1997]. - 5 S. = 22 KB, Text
Electronic ed.: Bonn: FES-Library, 1998

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT






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1.) Die Dimension der Aufgabe

In der Bundesrepublik dominieren Lähmung und Realitätsverweigerung. Die Deindustrialisierung und der Übergang in die Informations- und Dienstleistungswirtschaft, sowie ein ökologischer Umbau der Volkswirtschaft, werden nur unzureichend bewältigt. Selbst die hohe Arbeitslosigkeit und steigende Ungleichheit haben die Regierung nicht wachgerüttelt. Eine Generalüberholung, zu der eine Steuerreform gehört, könnte die Diskrepanz zwischen der Wirklichkeit, den politischen Zielen und Versprechungen (Halbierung der Arbeitslosigkeit bis 2000), in einem langfristigen Erneuerungsprozeß überwinden.

Zur Kritik des gegenwärtigen Steuer- und Abgabensystems:

• Das Steuersystem ist zu komplex. Seine Betriebskosten sind zu hoch. Es dominieren ein unübersichtliches Herumverteilen und Herumsteuern. Die Steuerprogression, schon bei mittleren Einkommen, geht zu weit und wird politisch nur deshalb durchgehalten, weil Dank vieler Sonderregelungen nur eine Minderheit der Spitzenverdiener die Spitzensteuersätze auch tatsächlich trägt.

Investitionsfinanzierung aus Gewinnen ist zu teuer. Risikotragende Sachinvestitionen werden im Vergleich zur Geldvermögensbildung zu stark belastet.

• Noch immer besteht eine Armutsfalle beim Übergang aus Transfereinkommen in Erwerbseinkommen und stabilisiert die Arbeitslosigkeit für niedrig qualifizierte Arbeitnehmer.

• Die Grundsteuer und Gewerbesteuer werden auf verzerrten Bemessungsgrundlagen erhoben. Die Finanzierung der Sozialhilfeausgaben aus örtlichen Steuereinnahmen zwingt Unternehmen in strukturschwachen Gebieten dazu, einen großen Teil ihrer Steuerzahlungen im Ergebnis für lokale Sozialpolitik herzugeben.

• Noch immer entstehen durch Autofahrer riesige volkswirtschaftliche Kosten, die nicht durch die Benzin- und Kraftfahrzeugsteuer abgegolten werden. Der Staat subventioniert eine überzogene räumliche, verkehrserzeugende Arbeitsteilung und Trennung von Wohnen und Arbeiten.

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2.) Grundsätze für einen Umbau des Steuer- und Abgabensystems

Abrupte Änderungen führen zu Entwertungen, Anpassungshärten und volkswirtschaftlichen Schäden. Umsteuerungen sollten erst nach rechtzeitigen Ankündigungen vorgenommen werden.

Es nutzt der Wirtschaft wenig, wenn die Steuerpolitik für fast jeden guten Zweck eine Steuervergünstigung gewährt. Die nicht begünstigten Bereiche tragen um so höhere Steuerlasten. Nur die Förderung des ökologischen Umbaus und von Innovationen bleibt gerechtfertigt. Geeignete Instrumente sind jedoch Zulagen und Programme, nicht Abschreibungserleichterungen mit progressiven Effekten.

Kapital, hochqualifizierte Arbeit und Unternehmen werden immer mobiler. Ein Steuersenkungswettlauf, der versucht Unternehmen anzulocken, wird im Ergebnis die immobilen Produktionsfaktoren, insbesondere weniger qualifizierte Arbeit, stärker belasten oder die Einnahmekapazität des Staates unerträglich begrenzen. Eine internationale Koordinierung, eine Anhebung der Mehrwertsteuer oder von Steuern auf die Produktion lokaler, nicht handelbarer Produkte oder Ressourcen (Immobilien), wäre die Alternative.

Immer wieder wird versucht, fast alle wichtigen Ziele mit einer Steuer zu erreichen. Tatsächlich sollte das Gesamtsteuersystem optimiert werden, um dogmatische Fixierungen zu vermeiden.

Als eine wichtige, verteilungspolitische Bedingung sollte das obere Fünftel der Einkommensbezieher - im Vergleich zu heute - nach einer steuerlichen Gesamtreform einen höheren oder zumindest gleichen Anteil an den Steuern tragen. Die Konzentration der Debatte auf den Spitzensteuersatz verdrängt materielle Fragen der Verteilung.

Der Anstieg der Sozialabgaben, unter Bedingungen eines schwachen Wachstums, verschärft die Sorge um die Grenzen der Belastbarkeit der Erwerbstätigen und die negativen Nebenwirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft insgesamt. Der Zielkonflikt lautet:

• hat der Sozialstaat Priorität oder

• ist die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft so gefährdet, daß es ein Gebot sozialer Verantwortung wird, die Sozialausgaben zu begrenzen.

Je mehr Produktivitätssteigerungen die geburtenstarken Jahrgänge während ihres Berufslebens erwirtschaften, um so höher können die späteren Transferleistungen sein. Wer hohe Alterssicherung will, der muß die Bedingungen für Produktivitätssteigerungen verbessern.

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3.) Eckwerte für ein verbessertes Steuer- und Abgabensystem

Einkommensteuertarif: Der Tarif sollte langfristig mit einem möglichst niedrigen Satz (unter 15 %) bei einem großzügig bemessenen Existenzminimum starten und bei 40 %, möglichst darunter, enden. Dies erfordert eine erhebliche Ausweitung der Bemessungsgrundlage. Die Streichungen von Standardvergünstigungen müssen weiter reichen als in der SPD und auch in der CDU diskutiert. Hier sind nur typische oder wichtige Beispiele herausgegriffen, die das Ausmaß der Veränderungen verdeutlichen sollen.

Verknüpfung von Transfereinkommen und Einkommensteuer: Die Produktivität vieler Langzeitarbeitsloser oder niedrig qualifizierter Erwerbstätiger ist im Vergleich zu den Bruttolohnkosten zu gering. Gleichzeitig lohnt es sich aus Sicht der Erwerbspersonen nicht, eine Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen, weil dann Sozialhilfe und/oder Wohngeld gekürzt oder gestrichen werden können. Niedrigere Einstiegslöhne sind möglich, wenn das zusätzlich zur Sozialhilfe verdiente Markteinkommen nicht mehr mit einem „Grenzsteuersatz" von 100 Prozent belegt wird. Dadurch sinkt auch der Anreiz zur Schwarzarbeit.

Die SPD hat vorgeschlagen, die Lohnkosten mit 30 Mrd. DM durch Absenkung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zu entlasten. Gewisse Beschäftigungseffekte sind zu erwarten. Doch schon eine geringe zusätzliche Steigerung der Löhne und Gehälter in der nächsten Tarifrunde würde den Effekt zunichte machen. Die Beschäftigungseffekte könnten weit höher ausfallen, wenn die Arbeitskosten im unteren Bereich der Qualifikation deutlich gesenkt werden.

Einkommensteuer und Mehrwertsteuer: Die Einkommensteuer wirkt auch bei mäßiger Progression leistungsmindernd. Sie verzerrt die Wahl zwischen Arbeitseinsatz und Freizeit. Hohe Grenzbelastungen aus Steuer und Sozialabgaben reduzieren u.a. die Renditen von Qualifizierungsbemühungen und führen zu einer Unterschätzung des Werts der Arbeit. Angesichts der langfristig noch weiter steigenden Beiträge zur Sozialversicherung empfiehlt sich, in einem längeren Übergangsprozeß, die Mehrwertsteuer in mehreren Stufen zu erhöhen. Ihre leicht regressiven Wirkungen könnten auch kompensiert werden, indem ein gleitender Übergang zwischen Sozialhilfe und Einkommenbesteuerung geschaffen wird. Ein großzügig bemessenes Existenzminimum wirkt in die gleiche Richtung.

Steuerliche Privilegien für Zuschläge von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit: Der Versuch einer Streichung in einem Sprung müßte in den betroffenen Branchen kurzfristig zu einer Gewinnkompression und zu Einkommensbußen bei den Beschäftigten führen. Die kurzfristigen Anpassungsprobleme haben wenig mit den langfristigen Wirkungen gemein. In der politischen Diskussion werden die Regelungen als Vergünstigungen für die Arbeitnehmer gezählt. Dies ist sicher richtig, wenn ein kurzfristiger Abbau geplant ist. Langfristig profitieren die Endnachfrager der begünstigten Produkte, denn die Steuervorteile werden durch den Wettbewerb an die Käufer weitergegeben. Da Preise nicht in einem Sprung über Nacht angepaßt werden können, sollten Abbaufristen von 5 Jahren vorgesehen werden.

Kilometerpauschale: Die wesentliche Wirkung dürfte darin bestehen, daß Arbeitnehmer sich größere und leistungsstärkere Autos leisten können. Das Lamento über die Benachteiligung dünn besiedelter ländlicher Gebiete ist weit übertrieben.

Standortentscheidungen sind gleichzusetzten mit Lebensstilentscheidungen. Deshalb sollte der Staat diese Entscheidungen als private und persönliche Einkommensverwendung (keine Werbungskosten) behandeln. Genau so gut könnte jemand, der sich entschließt, sehr teuer citynah zu wohnen, um die dortigen hochwertigen Arbeitsplätze gut zu erreichen, seine überdurchschnittlichen Mietausgaben als Werbungskosten geltend machen.

Förderung durch Zulagen: Die progressive Einkommensteuer führt automatisch dazu, daß alle Investitionsanreize und Vergünstigungen mit progressiver Wirkung zur Geltung kommen, was Wettbewerbsverzerrungen zur Folge hat. Die progressive Einkommensteuer eignet sich nicht als Medium für spezielle Investitionsanreize. Der Staat sollte Investitionshilfen als Zulagen oder als offene Subventionen ausgestalten. Als Zwecke für solche Förderungen kommen risikoreiche FuE-Investitionen oder die Hergabe von risikotragendem Eigenkapital in Frage.

Besteuerung von Immobilienvermögen: Private Kapitalanleger, die Vermögen im Immobiliensektor anlegen, genießen sehr hohe Abschreibungssätze und können Verluste aus Vermietung mit anderen Einkunftsarten verrechnen. (Eine Größenordnung von 40-50 Mrd. an Verlusten dürfte realistisch sein.) Haushalte mit Spitzeneinkommen können als Wohnungsinvestoren bei gleichen Kosten und Erträgen höhere Renditen erreichen als Wohnungsunternehmen oder Vermögensanleger mit geringen Einkommen. Es kommt zu einer Wettbewerbsverzerrung und einer erheblichen Vermögenskonzentration. (Vermögenswert des Wohnungsvermögens der privaten Haushalte rd. 5.500 Mrd. DM in 1993).

Zugunsten der Regelung spricht das Argument „gleiche Besteuerung aller Einkunftsarten". Das Prinzip der Wettbewerbsneutralität und der gleichmäßigen Besteuerung stehen gegeneinander. Die großzügigen steuerlichen Regelungen, dies wird im Vergleich mit anderen Ländern deutlich, haben dazu beigetragen, die Bau- und Bodenkosten in die Höhe zu treiben. (Barwert der Steuerausfälle pro m² Wohnfläche in Hochkostenregionen zwischen 1.500 und 1.800 DM.) Durch eine stufenweise Aufhebung der Verlustverrechnung die es in den meisten europäischen Ländern nicht gibt, ließe sich bei entsprechender Angebotspolitik ein neuer Markt mit preiswertem Wohneigentum schaffen. Die Wohnungsversorgung würde sich nicht verschlechtern. Es ergäbe sich ein erheblicher Spielraum, Spitzensteuersatz und Tarif abzusenken.

Körperschaftsteuer: Es besteht Einigkeit, daß einbehaltene Gewinne deutlich weniger besteuert werden sollen als bisher. Die Investitionsfinanzierung im mittelständischen Unternehmensbereich könnte sich verbessern. In der Bundesrepublik hat der Satz für ausgeschüttete Gewinne wegen der Anrechnung in der Einkommensteuer eine reduzierte Bedeutung. Dies gilt nicht für international tätige Unternehmen. Die unbefriedigende Situation bei den Direktinvestitionen zwingt zum Nachdenken.

Eine drastische Senkung der Steuersätze hat einen eindeutigen Investitionsanreiz. Eine geringere Besteuerung dürfte daneben positive Zinseffekte haben. Nicht zu unterschätzen ist das Signal des Staates, der demonstriert, die Investitionslenkung voll den Preisen und Märkten zu überlassen.

Gewerbesteuer und kommunale Aufgabenfinanzierung: Die Kommunen benötigen eine Steuer, die an Wertschöpfungsprozessen ansetzt, weil sie zugunsten der Aufrechterhaltung der Wertschöpfung in Produktionsunternehmen, Einzelhandelsgeschäften aber auch zugunsten der Freiberufler erhebliche Leistungen erbringen. Nach dem Verursacherprinzip sollten diese kommunalen Leistungen ein Quasipreis für kommunale Infrastruktur und kommunale Dienste sein. Eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage der Gewerbeertragssteuer unter Einbeziehung der freien Berufe und unter Einbeziehung auch kleiner Unternehmen, würde es erlauben, die Steuersätze zu senken und die Kritik an den Belastungen weitgehend aufzufangen.

Sollte eine solche Verbreiterung nicht möglich sein, dann empfiehlt sich als zweitbeste Lösung eine erhöhte Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer.

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4.) Ökologische Steuerreform

Jede ökologische Steuerreform will durch Verteuerung knapper Ressourcen oder die Verteuerung von Emissionen die relativen Preise beeinflussen und damit die Produktions- und Verbrauchsstrukturen in einem ökologisch erwünschten Sinn verändern. Die quantitativ relevanten Verbrauchs- und Belastungsbereiche, bei denen sich Eingriffe besonders lohnen, sind:

Heizenergie für Wohnungen und sonstige Gebäude,

Transportenergie für Autos.

• die Bodennutzung.

Die Belastung von Prozeßenergie in der Produktion macht nur Sinn in einer international abgestimmten Aktion, weil sonst nur Verlagerungen ohne Einspareffekt begünstigt werden.

Bisher fehlt eine systematische Strategie. Deutschland redet Grün, artikuliert Wertewandel, liebt jedoch Raserei auf Autobahnen, maximiert Flugreisen im Urlaub und besteuert Bodennutzung und Benzin geringer als die meisten anderen Länder. Die Politik empfindet ihre ökologischen Sorgen immer in fiskalischen Notzeiten besonders intensiv und bringt dies z.B. durch Verteuerung von Benzin zum Ausdruck. Ökosteuern, die in fiskalischen Notzeiten auf die Tagesordnung gesetzt werden, verlieren an Akzeptanz.

Verteuerung von Automobilität: Durch gesetzlich feststehende, ständige reale Verteuerung von Energie oder Abgasemissionen sollten langfristig angelegte ständige Spar- und Substitutionsprozesse angeregt werden. Die Preissteigerungsraten der Mineralölsteuer sollten um mindestens 1 % Punkt über der Steigerungsrate des Nettoeinkommens liegen und zusammen mit den Rentensteigerungen festgesetzt werden. Die Mehreinnahmen sind für Senkungen der Einkommensteuer oder für Verbilligung der Bruttolöhne im unteren Qualifikationsbereich zu verwenden.

Die Staukosten (Zeitkosten und Umweltkosten) steigen ständig an. Sie werden durch Verteuerung der Energie nicht verringert. Hier sind variable Stauabgaben erforderlich. Sie sollten unter Berücksichtigung der Erfahrungen im Ausland (Mauttechnik in Oslo und in asiatischen Städten) rasch erprobt werden.

Verteuerung der Bodennutzung durch Übergang zu einer Bodenwertsteuer: Allokations- und verteilungspolitisch dürfte eine Steuer auf den Verkehrswert des Bodens weit günstigere Auswirkungen haben als die bisherige Bemessungsgrundlage. Eine Bodenwertsteuer würde Anreize eröffnen, ressourcenschonend zu wohnen und zu arbeiten. Schwierigkeiten ergeben sich aus dem Übergang durch starke Belastungsverschiebungen. Dabei ist es durchaus möglich, um Härten zu vermeiden, subjektorientierte Belastungsobergrenzen einzuführen.


©Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1998