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TEILDOKUMENT:




VI. ERNEUERUNG DER MARKTWIRTSCHAFT -MODERNISIERUNG DES STAATES



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1. Relevanz der Aufgabe

Staat und staatliche Politik beeinflussen Standortqualitäten und internationale Wettbewerbsfähigkeit immer mehr. Es gibt keinen autonomen Privatsektor. Staatliche Regelungen sind genauso allgegenwärtig wie staatliche Abgaben und Wettbewerb. Der Staat ist gleichzeitig der "wichtigste Zulieferer" der Wirtschaft geworden. Die politische Diskussion hat sich lange Zeit fast ausschließlich auf die Frage einer Verringerung der Staatsquote kapriziert. In den 80er Jahren wurde der Eindruck erweckt, als würden Veränderungen der Staatsquote in Größenordnungen von 1% oder 2 % des Bruttosozialprodukts über das Schicksal der wirtschaftlichen Entwicklung entscheiden. In der Zwischenzeit ist deutlich geworden, daß Erfolge bei der Rückführung der Staatsquote nur sehr mühsam zu erzielen sind. Die Kosten der Vereinigung haben die Staatsquote erneut nach oben getrieben. Kürzungen bei öffentlichen Ausgaben bleiben ein konfliktreiches Dauerthema. Gleichzeitig wird immer deutlicher, daß langfristig immer höhere Anteile des Bruttosozialproduktes durch "Pensions- und Rentenberge", Gesundheits- und Pflegekosten als vorweg verteilt gelten müssen. Die staatlichen Investitionen verlieren langfristig durch ständige Privatisierung und bessere Zurechnung, aber noch mehr durch das hohe Wachstum der Personalkosten einschließlich der Kosten an Pensionen an Bedeutung. Gerade weil diese steigende Vorweg-Verteilung des künftigen Bruttosozialprodukts kaum mehr entscheidend gebremst werden kann, wird die Frage immer dringlicher, wie im staatlichen Produktions- und Regulierungssystem Effizienzsteigerungen realisiert werden. Ohne einen ständigen arbeitssparenden technischen Fortschritt im staatlichen Dienstleistungssystem läßt sich das Wachstum der Staatsquote kaum bremsen. Gleichzeitig wird immer deutlicher, daß die Art, wie der Staat Güter und Leistungen in der inneren Sicherheit, in der allgemeinen Verwaltung oder im Bildungssektor erzeugt, von erheblicher Relevanz Dur die Bürger und die Wirtschaft sind. Effizienzsteigerungen und eine höhere Qualität der Leistungen können zu einer sinkenden realen Staatsquote beitragen und gleichzeitig den "Zuliefererstaat" für die Wirtschaft effizienter machen.

Immer wichtiger wird es, den Vollzug der Staatstätigkeit, die Entschiedenheit und das Tempo, mit dem politische Probleme angegangen werden, zum Prüfstein zu machen. Die 80er und 90er Jahre haben gezeigt, wie groß die Neigung geworden ist, Probleme von der Einwanderung bis hin zur Subventionierung der Landwirtschaft, von der Verkürzung der Ausbildungszeiten bis hin zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen auf die lange Bank zu schieben. Die jetzige "Lean-Administration"-Welle, in der Rationalisierungsleistungen vom Typ McKinsey im Vordergrund stehen, setzt jedoch zu eng an. Bei der Modernisierung des Staates geht es um mehr als um den Einsatz von Computern und eine steigende Produktivität öffentlicher Bediensteter in der täglichen Arbeit. Es geht auch um eine Modernisierung politischer Entscheidungsprozesse, eine Konzentration auf wesentliche Staatsaufgaben. Es geht um einen steigenden Realitätsgehalt von Politik, um Prioritäten, die dem Aufgabengewicht und nicht aktuellen Aufregungen entsprechen. Es geht um Strategien, die den langfristigen Interessen der Bürger besser entsprechen.

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2. Modernisierung des politischen Entscheidungsprozesses

Zwei gegenwärtig ständig präsente Beispiele können zeigen, wie sehr politische Entscheidungsfähigkeit verloren gegangen ist. Die Einheitswerte sind seit mehr als zwei Jahrzehnten längst unrealistische und verzerrte Grundlagen der Steuererhebung gewesen. Dennoch war keine Regierung bereit, das unpopuläre Thema anzugehen. Alle Parteien warteten erkennbar ab, bis aus dem Mißstand ein verfassungswidriger Zustand wurde und das Gericht die Politik zum Handeln zwang.

Genauso gibt es niemanden, der rechtfertigen könnte, daß die Sozialhilfe, die immer mehr zu einer Mindesteinkommensregelung für große Gruppen geworden ist, aus lokalen Steueraufkommen finanziert wird. Es ist ein Skandal, daß arme Gemeinden in Regionen mit Strukturproblemen durch die anschwellende Sozialhilfe fiskalisch erdrosselt werden, während jede Mark Für die Wirtschaftsförderung benötigt würde.

Zukunftsfähige Politik muß eine langfristig angelegte Werbung für glaubwürdige Zukunftsentwürfe starten, um, gestützt darauf, Gestaltungsmehrheiten zu suchen. Eine solche Strategie ist durchaus erfolgversprechend. Der eindeutig meßbare Frust über die Politik, sichtbar u. a. in geringen Wahlbeteiligungen, spiegelt kein politisches Desinteresse wider, sondern eine Skepsis gegenüber der Fähigkeit von Politik, Lösungen zustande zu bringen.

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3. Strukturreformen in Parteien und im Staatsaufbau



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3.1. In den Parteien

Die Parteien sind auf eine Langfristorientierung der Politik kaum vorbereitet. Dies hat sehr stark auch mit der einseitigen Zusammensetzung ihrer aktiven Mitglieder zu tun. Mitarbeit in Parteien ist heute zeitaufwendig. Politisches Engagement wird nur dann wirksam, wenn man bereit ist, sich auf ellenlange, mühsame, wiederkehrende Konsensdebatten in immer heterogeneren Parteiorganisationen einzulassen. Diesen Zeitaufwand können vor allem diejenigen nicht erbringen, die als Manager und Unternehmer, als Selbständige oder auch als Spitzenbeamte mit hoher Verantwortung in ihrem Beruf eine ständig hohe Anspannung zu bewältigen haben. Die Tatsache, daß die Arbeitszeiten immer ungleicher werden und daß die Gesellschaft immer mehr in "Zeit-Reiche" und "Zeit-Arme" auseinanderfällt, führt zu Verzerrungen im politischen Prozeß, weil i.d.R. nur noch die Zeit-Reichen in der Lage sind, sich aktiv in der Politik zu engagieren. Dies hat Rückwirkungen auf die Themenauswahl und hat Rückwirkungen auf die Diskussionsstile. Hinzu kommt, daß die umfassende Verantwortung jeder regionalen Parteigliederung dazu führt, daß die Parteirepräsentanten über alles und jedes mitdiskutieren, mitentscheiden und mitkonzipieren müssen. Dies führt zu Ritualisierungen der Debatte, zu parteiöffentlichen Meinungen, die nicht kritisch und kompetent erarbeitet werden [(1) Als ein Indikator kann gelten, daß man immer häufiger in Gesprächen mit Parteimitgliedern bei Kritik an Beschlußlagen auf die Reaktion stößt: „ Du hast ja recht, aber...". Es gibt ein sozialverträgliches Wissen, das nach allgemeinem Mitgliederkonsens festgelegt wurde, von dem die einzelnen individuell immer wieder als "Unter vier Augen - Reformer" abweichen wollen.]. Dies führt auch dazu, daß wirtschaftliche Themen zu Randthemen werden, langfristige Strukturprobleme der Gesellschaft in den Diskussionen verkümmern, wenn man von Fragen der Umweltpolitik oder Themen, die viele Menschen unmittelbar und direkt treffen, wie etwa Wohnungsmangel, absieht.

Die Einseitigkeit der politischen Diskussion in den Parteien und die Einseitigkeit der Personal- und Themenauswahl wird sich in den gegebenen Strukturen nicht aufheben lassen. Die SPD wird überlegen müssen, wie Erfahrungs- und Realitätsbereiche, die völlig unterrepräsentiert sind, stärker in ihren Diskussionen zur Geltung kommen können. Auf jeden Fall ist es falsch, die zeitliche Präsenz zur alleinigen Voraussetzung Dur politische Partizipation zu machen. Parteien müssen sich öffnen, müssen sich in der Diskussion und vor allem bei der Auswahl von Wahlkreiskandidaten öffnen. Das kann bedeuten, daß Sympathisanten, die sich für eine Partei aussprechen, auch mitstimmen dürfen. Das kann bedeuten, daß Fachgremien Vorschlags- und Abstimmungsrechte erhalten. Patentrezepte lassen sich schon gar nicht von Außenstehenden formulieren. Das ungelöste Problem sollte jedoch nicht weiter vor sich hin schwelen. Gerade für eine Partizipation von Unternehmern und Managern an der politischen Willensbildung haben diese Argumente besondere Bedeutung. Die Partei muß sich für Gruppen öffnen, die sich ihr nicht mit Haut und Haaren als Vollmitglieder verschrieben haben, sondern kritische Anreger bleiben wollen.

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3.2. Komplexe Gremienherrschaft mit geringer Reformbereitschaft

In den täglichen Auseinandersetzungen wird deutlich, daß sich ein wichtiges Reformhindernis aus dem komplexen Machtgeflecht zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, zwischen Verbänden und Gewerkschaften, zwischen der Kommission in Brüssel und der Bundesregierung in Bonn, zwischen Ministerpräsidenten und Bundeskanzler, zwischen Gewerkschaften untereinander, zwischen Beamten, Bergarbeitern, Bauernverbänden oder Kirchen ergibt. In den meisten politischen Entscheidungen geht es nicht in erster Linie um die Interessen von Mehrheiten. Es geht um eine Balance in einem komplizierten Geflecht von Gremien einer Vierebenenherrschaft, die von politischen Profis gemanagt und betrieben wird. Das einzige, was in den letzten Jahren sicher konstatiert werden konnte, ist die Tatsache einer allmählichen Entwertung der Wahlstimmen. Immer weniger wird in Wahlen wirklich inhaltlich entschieden. Die zur Entscheidung anstehenden Menus werden komplexer. Immer häufiger begegnet man dem Hinweis, daß man selbst als Bürgermeister, Ministerpräsident, Minister oder Bundeskanzler gar nicht voll verantwortlich sei für das eigene Handeln, weil nationale oder internationale Interessenverflechtungen und Rücksichten, Handeln im Interesse einer Mehrheit oder im Interesse langfristiger Entwicklungsziele unmöglich machen. Als Ergebnis stehen in den Kommunalwahlen die wichtigsten Fragen nicht zur Entscheidung an, weil sie durch Rahmengesetze oder Finanzzuweisungen der Länder entschieden werden. Die Länder wiederum sind abhängig vom Bund. Und in die Bundespolitik mischt sich immer mehr die EU ein. Vom Import japanischer Autos über die Normen in der Industrie- und Bauwirtschaft, die Regeln der Sozialpolitik, bis hin zur Steuerpolitik reichen die Einflüsse. Über mehrere Ebenen hinweg regieren Fachausschüsse, Fachachsen der Verkehrs-, Regional- oder Technologiepolitiker. Die Öffentlichkeit hat längst den Überblick verloren. Nur ein Bruchteil der verschiedenen Entscheidungsgremien tagt öffentlich und läßt Transparenz zu.

Als Ergebnis erleben die Wähler, daß sie immer ohnmächtiger werden. Als EU-Wähler möchten sie z. B. die EU-Agrarpolitik abwählen, oder daß die EU-Politiker zur Finanzierung der von ihnen verantworteten Aufgaben auch direkte, nachvollziehbare Abgaben erheben, damit die Optionen auch tatsächlich zur Wahl stehen. So lange indirekte Finanzierungen, deren Umfang und Inzidenz niemand nachvollziehen kann, vorherrschen, so lange können nicht direkt gewählte und den Wählern nicht direkt verantwortliche Gremien mit ihrem Geld herumwirtschaften, ohne daß auch nur die geringste Chance besteht, sie dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Eine Abwahl ist ohnehin nicht möglich. Als Wähler für den Bundestag möchte man über eine Strategie des langfristigen Subventionsabbaus bzw. über effektivere Subventionen abstimmen, doch angesichts des Organisationschauvinismus der großen Interessenverbände stellen Parteien Konzepte erst gar nicht zur Wahl, die mit den gut organisierten Interessen in Konflikt geraten können. Genauso wenig gibt es Konzepte des Verkehrsmanagements gegen die wachsenden Staus. Es gibt nicht einmal Ansätze, das Mediensystem im Interesse der Kunden so zu organisieren, daß man Informationen ohne Unterbrechung durch dumme Werbung oder eingestreut zwischen Sensationsmeldungen aufnehmen kann Der Bürger als Kunde zählt nach wie vor kaum. Das Menü der Politik ist durch große Lücken charakterisiert. Gleichzeitig regieren Bürokraten noch immer in die Gestaltung von Wohngrundrissen hinein, gelingt es nicht, die "vested interests", die uns die höchsten Baukosten der Welt bescheren, in ihre Schranken zu weisen, bauen die Rechtsanwälte, Ärzte und andere gut organisierte Freiberuflergruppen ihre wettbewerbsvermindernden, ständischen Regulierungen und staatlichen Preisfixierungen aus. Der Staat scheut für seine Bediensteten immer noch den Wettbewerb wie der Teufel das Weihwasser und verhält sich im Ergebnis unsozial gegenüber den Bürgern. Angesichts einer Allparteienkumpanei stehen immer nur Restprogramme zur Wahl. Den Bürgern bleibt an den Urnen nur Frustration und Zorn darüber, daß wichtige Themen überhaupt niemals zur Abstimmung gestellt werden. Erst wenn der Wert der Stimmzettel wieder steigt, wenn Einnahme- und Ausgabenverantwortung auf den verschiedenen Ebenen besser zurechenbar werden, wenn die hoffnungslose und hemmungslose Verfilzung, die nur den Machtinteressen einer autonomen Politikerschicht nutzt, systematisch entflochten wird, können demokratische Kontrollen auch zu neuen Weichenstellungen führen. Am Anfang jeder effektiven Politik und jedes disziplinierten Umgangs mit öffentlichen Mitteln stehen Transparenz und Zurechenbarkeit. So gesehen ist eine Modernisierung politischen Entscheidungsprozesse, der Einnahme- und Ausgabengestaltung des Staates eine Schlüsselaufgabe, die Grundlage jeder Politik zugunsten des Standorts Deutschland.

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3.3. Reorganisation des Staates

Die Modernisierung des Staates muß mit einer großen Entflechtungsaktion beginnen, die von dem Ziel ausgeht, möglichst viele Kompetenzen zurück auf die kommunale Ebene zu verlagern. Die Veränderungsmöglichkeiten sind riesig. Die Schulen können rekommunalisiert werden, wobei ohnehin dezentrale Wettbewerbslösungen unterstützt werden sollten. Für eine Bund-Länder-Wohnungs- und Städtebaupolitik, die sich in Details einmischt, gibt es ohnehin seit langem keine Begründung. Dort, wo Kommunen vor lokalen überdurchschnittlichen Problemen stehen, können sie pauschale Zweckzuweisungen für Wohnungsmarkt und Stadtentwicklung erhalten. Ministerien auf Länder- und Bundesebene sind dafür nicht erforderlich. Viele Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen der Länder sind überflüssig, wenn größere leistungsfähige Kommunen mit leistungsfähigen, spezialisierten Verwaltungen gebildet werden. Insgesamt können die Länder ganz erhebliche Kompetenzen abgeben. Die Zahl der Ressorts und der Umfang fachlicher Zuständigkeit lassen sich erheblich reduzieren. Gleichzeitig sollte auch der Bund Kompetenzen verlagern, vom Städtebau über die Verkehrspolitik bis hin zur regionalen Wirtschaftsförderung reichen die Möglichkeiten. Eine Kompetenzverlagerung muß begleitet werden von einer stärkeren lokalen Autonomie. Politisches Ziel muß es sein, daß Länder und Gemeinden ihre eigenen Steuereinnahmen stärker direkt zu verantworten haben. Die Tendenz, Einnahmen als Quoten von Bundessteuern festzulegen, höhlt lokale Verantwortung und die Budgethoheit aus. Wo immer möglich, sind lokal und auf Landesebene individuelle Steuersätze vorzusehen, damit ein Wettbewerb über Einnahme- und Ausgabestrategien zwischen den Gebietsköperschaften entsteht und für die Wähler transparenter wird, welche politischen Optionen tatsächlich zur Verfügung stehen.

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4. Prinzipien der Effizienzsteigerung



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4.1. Mehr Wettbewerb und Zurechnung - der Bürger als Käufer staatlicher Leistungen

Die Politik muß ernst machen mit der Forderung: "Wettbewerb soweit wie möglich". Das wurde in der Vergangenheit vor allem auf den Privatsektor bezogen. Tatsächlich ist es möglich, mehr und mehr staatliche Leistungen im Wettbewerb zu erbringen. Die Privatisierungsdebatte der 80er Jahre war insofern weitgehend falsch programmiert, weil es vielfach nicht entscheidend ist, ob eine Leistung im öffentlichen oder privaten Sektor erbracht wird. Den Ausschlag gibt viel mehr, ob die Anbieter zurechenbarer und teilbarer staatlicher Leistungen Wettbewerbsverfahren unterworfen sind, oder ob sie als Monopolisten agieren. Die Bereiche einer Steuerung durch Wettbewerb sind auch im Staatssektor weit größer als angenommen. Im Prinzip lassen sich alle zurechenbaren und teilbaren Leistungen von den Schulen, über Kindergärten, Müllabfuhr bis hin zu Kraftfahrzeugzulassungen im Wettbewerb erbringen. Dies würde bedeuten, daß die Anbieter ihre Preise selbst kalkulieren und bestimmen. Bei Nachfragerückgang wird allerdings auch ein Arbeitsplatzrisiko entstehen. Eine solche Ausweitung des Wettbewerbs würde wahrscheinlich dazu führen, daß große Teile aller staatlichen Bediensteten bei privaten Unternehmen beschäftigt werden könnten, während diese öffentlichen Leistungen übernehmen. Der Straßenbau z. B. wird schon heute im öffentlichen Auftrag privat durchgeführt.

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4.2. Mehr Zurechnung

Immer größer werden Staatsbereiche, in denen Leistungen zugunsten bestimmter Gruppen, Unternehmen oder Einzelhaushalte bereitgestellt werden. Dies gilt für Straßen genauso wie für Universitäten oder auch für kommunale Planungsleistungen, die Grundstücke definieren und überhaupt erst nutzbar machen. In all diesen Bereichen sollten Steuern und Abgaben als Quasi-Preise behandelt werden, damit die Kunden des Staates erkennen können, welcher Aufwand betrieben wird. Prinzipien, die heute bei der Müllabfuhr und der Abwasserbeseitigung gelten, können auf immer weitere Bereiche ausgedehnt werden. Besonders leicht lassen sich diese Prinzipien in den Kommunen, die weitgehend Dienstleistungsorganisationen sind bzw. Infrastruktur bereitstellen, durchsetzen. Hier sollte die Grundsteuer als ein Quasi-Preis für kommunale Leistungen konstruiert werden. Ähnliches gilt für eine allgemeine wertschöpfungsorientierte Abgabe, die nicht nur von gewerblichen Unternehmen, sondern genauso von Freiberuflern aufgebracht werden muß, denn natürlich erbringen die Kommunen auch Leistungen zugunsten von Freiberuflern, zugunsten von Krankenhäusern und staatlichen Verwaltungen oder auch Universitäten.

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4.3. Mehr Innovationen in der Verkehrspolitik

Zurechnung kann schließlich die gesamte Verkehrspolitik revolutionieren. Als Ergebnis von Zurechnung kommt es nicht nur zu einer fairen Belastung derer, die Leistungen in Anspruch nehmen. Zurechnung verändert auch Verhaltensweisen. Dies ist offensichtlich bei der Nutzung von Straßen. Straßen als freie Güter werden immer im Übermaß nachgefragt. So lange keine Staupreise erhoben und Straßenkapazitäten nicht über Preise vermarktet werden, bleiben Staus ein unausrottbares Verkehrsproblem. Erst dann, wenn Straßennutzung entsprechend der Knappheit verteuert wird, kommt es zu Anpassungen der Verhaltensweisen und zu einer systematischen Suche nach Einsparungsmöglichkeiten.

Ein solches Ergebnis wird z. B. nicht durch höhere Benzinpreise erreicht, sondern nur durch spezifische, belastungsabhängige Stauabgaben. Der Staat als Anbieter von Leistungen würde durch solche Zurechnung gleichzeitig intensiver kontrolliert. Er müßte eine umfassende und detaillierte Kostenkalkulation entwickeln, in die auch Abschreibungen auf Anlagegüter einzugehen hätten. Im Ergebnis würde der gesamte Bereich der von einzelnen meßbar genutzten Leistungen oder auch in pauschalierter Form bewerteten Leistungen zu einem sich selbst finanzierenden Angebotssystem, das - gestützt auf ein leistungsfähiges Rechnungssystem und darauf aufbauend Kalkulation von Gebühren und Preisen - für die Nutzer und Wähler viel transparenter würde.

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4.4. Mehr Zuordnung der Kosten von Bildungsinvestitionen

Studenten an Hochschulen erhalten vom Staat besondere Investitionen in ihre eigene Zukunft zu einem erheblichen Teil geschenkt. Sie bringen Ausbildungs-, d. h. Lebenszeit ein, um durch höhere Qualifikation höheren Status, Selbstverwirklichung, aber auch höhere Einkommen zu erzielen. Durch die staatliche Investition entstehen Bildungsrenten, die den einzelnen privatisiert verbleiben. Als Ergebnis fördert der Staat durch seine Bildungsinvestitionen die Ungleichheit. In den letzten Jahren wird angesichts dieser Situation immer wieder über die Frage von kreditfinanzierten Studiengebühren diskutiert, mit denen Studenten Ausbildungsleistungen bei Hochschulen, die im Wettbewerb stehen, "kaufen" können. Die Hochschulen würden gleichzeitig einen Teil ihrer Einnahmen durch solche Studiengebühren erzielen mit dem Ergebnis, daß sie stärker kundenorientiert agieren und vor allem die Interessen der Studenten nach kürzeren und effizienteren Ausbildungszeiten besser wahrnehmen würden.

Gegen diese Vorschläge wird eingewandt, daß Kinder reicher Eltern Gebühren aus den Einkommen ihrer Eltern entrichten könnten und daß Kinder, deren Eltern nur über geringe Einkommen verfügen, dadurch z. T. vom Studium abgehalten würden. Angesichts dieser Sorgen könnte die Rückzahlung der Kredite einkommensabhängig gestaltet werden. Im Ergebnis würde dies bedeuten, daß Akademiker, die exotischen Studien nachgegangen sind, die wenig Einkommenerzielungsmöglichkeiten eröffnen, damit nicht mehr belastet würden als andere Einkommensbezieher. Der Abschreckungseffekt so ausgestalteter Kredite wäre gering. Sollte es in Grenzfällen bei risikoscheuen Jugendlichen dennoch zu einem Verzicht auf ein Studium kommen, so kann man dies hinnehmen, weil ohnehin eine Übernachfrage nach Studienleistungen besteht und man nicht mehr davon ausgehen muß, daß jede Bildungsmotivation für eine akademische Ausbildung geweckt werden muß. Es ist Zeit, daß ökonomische Prinzipien auch im Bildungssektor stärker durchgesetzt werden und die Bildungsrenten für wohlhabende Akademiker verringert werden.

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5. Überschätzte Wirkung staatlicher Maßnahmen

Der Wettbewerb zwingt die Unternehmen dazu, ihre internen Controlling-Svsteme ständig zu verbessern, um Kosten und ihre Verursachung detailliert zu erfassen. Gleichzeitig ist die genaue Zurechnung von Kosten die Voraussetzung für eine ständige Rationalisierung. Der Staat verhält sich demgegenüber nach wie vor inputorientiert. Die Abgeordneten beschließen, für bestimmte Zwecke Personal- und Kapitalressourcen bereitzustellen. Das Produktions- und Leistungsergebnis ist demgegenüber häufig kaum nachvollziehbar. Während man bei Straßen und Hochbauten die Ergebnisse noch einfach erkennen kann, sind alle Maßnahmen, bei denen mit Hilfe von steuerlichen Anreizen und staatlichen Programmen private Investitionen und privates Wirtschaftsverhalten beeinflußt werden sollen, in ihrer Wirkung nur sehr schwer zu beurteilen. Noch schwerer sind die Folgen von Regelungen abzuschätzen. Hier begegnet man einer systematischen Verzerrung. Maßnahmen dieser Art entstehen i.d.R. aus kritischen Situationen, in denen dringend Mißstände beseitigt werden sollen. Es sind Investitionen zu steigern, Umschulungsmaßnahmen zu fördern oder Beschäftigungseffekte zu erreichen. Gestützt auf gute Motive, wird ein großer Aufwand betrieben, wobei fast immer unterstellt wird, daß automatisch auch gute Ergebnisse entstehen. Eine systematische Wirkungsanalyse ist angesichts des staatlichen Rechnungssystems und angesichts der komplexen Anpassungsmechanismen, die auf Märkten in Gang gesetzt werden, objektiv schwer möglich. Dennoch zeigt die Erfahrung, daß die Wirksamkeit öffentlicher Maßnahmen generell überschätzt wird. Dabei spielt eine Rolle, daß Politiker und Beamte, die sich für bestimmte Maßnahmen eingesetzt haben, natürlich eine Neigung haben, die Erfolge besonders strahlend und durchschlagend darzustellen. Die Durchführer von Programmen sind meist auch diejenigen, die über die entscheidenden Informationen verfügen und diese auch interpretieren. Unter den geltenden Bedingungen wird die Forderung nach einem starken, wirksamen Staat, zu einem Wunschtraum.

Als Ergebnis solcher Konstellationen werden z. B. über zwei Jahrzehnte Beschäftigungsprogramme in ganzen Serien realisiert, ohne daß sich die Beschäftigungssituation entscheidend verbessert. Die wachsende Arbeitslosigkeit ist auch Zeichen sehr begrenzter staatlicher Einflußmöglichkeiten. Es scheint an der Zeit, kritischer und härter darüber zu wachen, daß optimistisch gestartete Programme nicht einfach deshalb fortgesetzt werden, weil politisches Prestige und der Zwang, den Bürgern Aktivität zu demonstrieren, sie am Leben erhalten. Das bedeutet allerdings auch, daß Politik in kritischen Situationen öffentlich anerkennen muß, daß wichtige Ziele kurzfristig nicht erreichbar sind. Im Wettbewerb der Parteien bei oberflächlichen Medien und oberflächlicher öffentlicher Debatte ist das schon fast ein heroischer Vorsatz.

Die SPD als "Staatspartei", die wichtige politische Ziele mit staatlichen Mitteln erreichen will, muß ganz besonders darauf achten, daß staatliche Maßnahmen wieder glaubwürdiger werden und der Autoritätsverlust staatlichen Handelns gestoppt wird. Das wird nicht durch Beschönigung von Wirkungen und überzogene Erfolgsmeldungen gelingen, sondern nur durch eine kritische und harte Auseinandersetzung mit den Realitäten.

Als ein Instrument könnten kritische und unabhängige Beurteilungsgremien bei allen relevanten Maßnahmen eingesetzt werden. Die Durchführung und Bewertung von Programmen sollte systematisch getrennt werden. Erfolge werden nur erzielt, wenn Kritik eindeutiger und jeweils frühzeitig möglich ist. Solche Vorschläge sind schwer umzusetzen, denn jedes Programm und jede Maßnahme gebären Interessen. Gerade wirkungslose Programme haben besonders dicke Freunde, denn sie haben in jedem Fall Verteilungswirkungen, weil sie denen, die staatliche Hilfen erhalten, das Leben leichter machen, ohne daß Realität dadurch ernsthaft verändert wird.

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6. Reorganisation der Kernverwaltung

Auch sehr weitgehende Ausweitungen von Wettbewerbsbereichen werden nichts daran ändern, daß der Staat vor allem im hoheitlichen Bereich große Verwaltungen aufrechterhalten muß, um wesentliche Kollektivgüter bereitzustellen. Auch hier

- - sind Modernisierungen und Verbesserungen möglich;

- - kann eine solide Kostenstellen-Rechnung eingeführt werden, damit die Bürger und die Parlamente Kosten besser beurteilen können;

- - kann eine Stärkung der Ressourcenverantwortung im Management bessere Ergebnisse und mehr Flexibilität bringen;

- - kann eine stärkere Trennung zwischen politisch-strategischen und administrativen Organisationen innerhalb des staatlichen Apparates mehr checks and balances mit sich bringen.

- - können Produktivitätssteigerungen in den Bereichen der Informationsverarbeitung vorgegeben werden mit dem Ergebnis, daß Ressourcen eingespart und Personal abgebaut werden muß, wenn nicht Aufgaben wachsen.

Allerdings ist es falsch, Analogien des Privatsektors in diesen Bereichen zu weit zu treiben. Der Staat hat Aufgaben sui generis zu erfüllen, die in vielen Bereichen nicht dem Wettbewerb unterworfen werden können. Hier wird es nach wie vor wichtig sein, daß Beamte, gestützt auf lebenslange Sicherheit, in ihrer Motivation und Leistungsbereitschaft gestärkt werden. Traditionen, die in langen historischen Prozessen gewachsen sind, haben hier ihre besondere Bedeutung und behalten ihren Wert. Die Kritik an dem Beamtenstatus ist dort angemessen, wo Leistungen, die, wie im Bildungssektor, auch im Wettbewerb erbracht werden können, in Formen hoheitlicher Verwaltung vollzogen werden. Es gilt, den Kernbereich hoheitlicher und strategischer staatlicher Tätigkeit herauszuarbeiten, um dort die besonderen Tugenden einer unabhängigen und kritischen Beamtenschaft zu nutzen und für den Staat und die Politikvorbereitung wirksam zu machen.

Bei der Diskussion über die Modernisierung der staatlichen Kernverwaltung darf man in keinem Fall bei einer bloßen Effizienzsteigerungsdebatte stecken bleiben. Die Verwaltungsreform droht zum Alibi für eine Modernisierung politischer Prozesse und eine Modernisierung staatlichen Steuerungstechniken zu werden. Es wäre makaber, wenn am Ende intensiver Bemühungen um Modernisierung der staatlichen Verwaltung unsinnige Regulierungen, unsinnige Programme mit höherer Effizienz, d. h. mit geringerem staatlichen Personalaufwand realisiert würden. Die wirklichen volkswirtschaftlichen Gewinne sind nicht bei einer Einsparung einiger Ministerialräte in Bonner Ministerien, sondern bei einer Verbesserung der Qualität staatlicher Steuerungsleistungen zu erzielen.

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7. Eine neue Knappheit - die Umweltarmut



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7.1. Umweltgüter, Kollektivgüter - einige Folgerungen

Es ist nicht üblich, die Umweltthemen unter der Gesamtüberschrift einer Modernisierung des Staates zu behandeln. Die Rechtfertigung besteht darin, daß Umweltgüter Kollektivgüter sind und daß Umweltarmut durch politische Verteilungs- und Allokationsentscheidungen bekämpft werden muß. Der Staat muß durch Rahmensetzungen, Anreize, Gebote und Verbote sicherstellen, daß Produktionsformen und Lebensweisen umweltverträglich bleiben.

Die Geschichte der Bereitstellung von Kollektivgütern ist eine Geschichte des ständigen Nachhinkens hinter einem privat z. T. stärker wachsenden Wohlstand. In den 60er Jahren faßte Galbraith mit dem Schlagwort "Öffentliche Armut - privater Reichtum" das strukturelle Problem einer ganzen Epoche zusammen. Die 70er und 80er Jahre sind durch eine wachsende Armut bei Umweltgütern charakterisiert. Dabei stellt sich allerdings die Bekämpfung der Umweltarmut weit schwieriger heraus als die Bekämpfung der öffentlichen Armut in den einzelnen Ländern. Umweltarmut ist weltweit. Sie tritt gerade auch dort auf bzw. wird dort verursacht (Regenwälder), wo gleichzeitig Armut bei privaten Gütern und bei Staatsgütern herrscht. Umweltarmut kann vor allem dort, wo es um den Schutz der Erdatmosphäre und den sparsamen Umgang mit Ressourcen geht, nicht in engen nationalen Grenzen überwunden werden. Umweltarmut als weltweites Phänomen braucht weltweite Strategien.

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7.2. Konzeptionelle Schwierigkeiten bei der Überwindung der Umweltarmut

Es bestehen erhebliche Unsicherheiten darüber, wie groß die Umweltprobleme tatsächlich sind und wie rasch etwa klimatische Veränderungen eintreten werden und welche Schäden zu erwarten sind. Es läßt sich schwer abschätzen, welcher umweltschonende technische Fortschritt in Zukunft möglich wird. Die Hoffnung, daß die künftigen Vermeidungskosten von Umweltbelastungen aufgrund eines hohen technischen Fortschritts dramatisch schrumpfen werden, verstärkt die Argumente für eine Verschiebung von Einschränkungsentscheidungen. Angesichts der Sicherheit der gegenwärtigen Kosten und der Unsicherheit der künftigen Nutzen bei gleichzeitiger, wachsender Hoffnung auf künftige sinkende Kosten wird die ohnehin bestehende Neigung, Lasten zu verschieben, fast unerträglich verschärft.

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7.3. Die Rolle von Unternehmern in der Umweltdebatte

Unternehmer und Manager der Wirtschaft haben in der Umweltdiskussion in der Vergangenheit eine bremsende und mahnende Rolle übernommen. Sie haben vor allem die Kosten und Risiken von Auflagen betont, die sich im internationalen Wettbewerb ergeben. Nicht selten konnten sie zeigen, daß verschärfte Auflagen in Deutschland nur zu einer Verlagerung von Produktionen in Länder mit weit geringeren Umweltstandards führten mit dem Ergebnis, daß sich die Umweltbelastungen insgesamt eher noch erhöhten. Eine Politik "hoher Schornsteine" ist gerade im internationalen Maßstab irrational. Die Kritik an Scheinlösungen hat ohne Zweifel ihre Berechtigung. Besser wäre jedoch eine konstruktive Mitarbeit an der Durchsetzung international gleichmäßiger Standards. In der Umweltpolitik könnten die Unternehmer verdeutlichen, daß kontinuierliche, langfristig vorhersehbare höhere Anforderungen und Auflagen mit geringeren volkswirtschaftlichen Kosten erreicht werden können als ad hoc krisenorientierte Verschärfungen. Abrupte Veränderungen rufen Entwertungen des bestehenden Kapitalstocks hervor und sind aufwendig. Technischer Fortschritt läßt sich dann kostengünstig produzieren, wenn langfristige Knappheitsveränderungen und damit Anreize kalkulierbar werden. In der Koordinierung zwischen Umweltpolitik und unternehmerischen Innovationsprozessen bleibt noch viel zu verbessern.

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7.4. Umweltschutz schafft Beschäftigung?

Als populäres Argument für verschärfte Umweltschutzmaßnahmen taucht immer die Hypothese auf, daß dadurch Arbeitsplätze gesichert werden. Diese Aussage ist in dieser Einfachheit und Direktheit nicht haltbar, denn natürlich werden Umweltgüter i.d.R. dadurch gesichert, daß Investitionen für private Güter und privaten Konsum in anderen Bereichen eingeschränkt werden. Welche Nettoergebnisse sich insgesamt ergeben, hängt sehr stark davon ab, wie arbeitsintensiv die Umweltgüter erzeugt werden und wie der initiierte Strukturwandel bewältigt wird. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat leider gezeigt, daß es immer schwieriger wird, Strukturwandel Olle Arbeitslosigkeit zu bewältigen. Der durch Umweltschutzmaßnahmen beschleunigte Strukturwandel kann durchaus auch zusätzliche Beschäftigungsrisiken hervorrufen.

Beschäftigungssteigernde Wirkungen können auftreten, wenn es gelingt, gestützt auf hohe eigene Umweltstandards, einen technischen Vorsprung zu entwickeln, der zur Basis eines künftigen Exports von umweltschonenden Produktionsformen führen kann. Diese Position hat eine erhebliche Bedeutung. Wer sie ernst nimmt, sollte systematisch eine staatlich unterstützte Marktforschung betreiben, um auf diese Weise herauszuarbeiten, in welchen Produktionsbereichen der Bedarf nach umweltschonendem technischem Fortschritt besonders dringlich ist und in welchen Bereichen Investitionen und Forschung besonderen Erfolg versprechen. Gestützt auf Prognosen eines solchen Bedarfs nach Umwelttechnologien, können gegenüber Unternehmen entsprechende Förderstrategien gestartet werden. Staat und Unternehmen können hier zugunsten künftiger Exporterfolge sehr viel stärker kooperieren.

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7.5. Modernisierung der Instrumente der Umweltpolitik

Man kann fast von einem Umweltparadoxon sprechen, weil in der westlichen Welt trotz wachsenden Unbehagens über die Umweltbelastungen nachhaltige Veränderungen, die diesem Unbehagen entsprächen, immer wieder ausblieben. Als eine Erklärung für dieses Umweltparadoxon muß man den Versuch ansehen, Umweltgüter als Kollektivgüter im wesentlichen durch Regulierungen und Auflagen des Staates zu sichern. In anderen Bereichen wird technischer Fortschritt deshalb erzielt, weil Innovationen zu Gewinnen führen und erlauben, Marktanteile zu erhöhen. Deshalb müssen Umweltgüter stärker individualisiert und die Umweltknappheit individuell zugerechnet werden. Daraus wird sich dann automatisch ein erhöhter Anreiz für umweltschonenden technischen Fortschritt ergeben. Die erhebliche Entkopplung zwischen industrieller Produktion und Energieverbrauch ist ein Beispiel für einen raschen, umweltschonenden technischen Fortschritt in Bereichen, in denen die Nutzen sofort spürbar und sichtbar wurden. Der Grundgedanke einer solchen Umweltpolitik ist seit langem formuliert. Es kommt darauf an, die tolerablen Umweltbelastungen politisch zu definieren und die verbleibenden Belastungs- oder Verschmutzungsrechte auf Märkten zu veräußern. In eine ähnliche Richtung wirkt eine ständige Verteuerung relativer Preise von umweltbelastenden Produktions- und Konsumformen; ständig, das heißt, nicht nur einmalig, sondern Jahr für Jahr, wie bei realen Lohnsteigerungen, um damit entsprechende langfristige Innovationsprozesse zugunsten eines umweltschonenden technischen Fortschritts einzuleiten.

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7.6. Internationalisierung der Umweltpolitik

Nachhaltige und dauerhafte Fortschritte können nur erzielt werden, wenn es gelingt, die Umweltpolitik stärker als bisher zu internationalisieren. Hier sind ganz verschiedene Facetten und Techniken möglich Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen:

- - In der Bundesrepublik werden mit extrem hohem Aufwand die Wärmeschutzmaßnahmen in Gebäuden erhöht. Angesichts des schon erreichten hohen Standards sind die zusätzlichen Einsparungen jedoch gering. Gleichzeitig läßt sich in Rußland bei sehr viel kälterem Klima und unzureichender technischer Ausstattung von Wohnungen durch geringe Investitionen, etwa durch Heizkostenverteiler und individuell regulierbare Ventile, mit gleichem Aufwand ein Mehrfaches an Energieeinsparungen erzielen. Das würde erfordern, internationale Umweltfonds zu bilden, aus denen Umweltschutzmaßnahmen dort mitfinanziert werden, wo ihre Nutzen besonders hoch sind.

- - Modelle dieser Art sind in Ansätzen in der Entwicklungshilfe realisiert. Im Umweltschutzbereich fehlen bisher ernstzunehmende Versuche, um durch eine Internationalisierung sicherzustellen, daß Umweltziele mit einer möglichst geringen Inanspruchnahme von Ressourcen gesichert werden können.

- - Eine sehr weitgehende Form der Internationalisierung wäre dann erreicht, wenn im Zuge der Individualisierung von Umweltgütern Menschen in ärmeren Ländern, die ihre "Verschmutzungsrechte" nicht ausschöpfen, diese auf internationalen Märkten veräußern. Dies käme gleichzeitig einem Ressourcentransfer in Länder gleich, in denen die Menschen u. a. aufgrund ihres sehr geringen Einkommens sehr umweltschonend leben.

Bemühungen zu einer wirklichen Internationalisierung stehen erst am Anfang, genauso wie die Bemühungen um einen umweltschonenden technischen Fortschritt noch längst nicht ausgereist sind. Angesichts der gewaltigen Einsparungsmöglichkeiten und den z. T. durchaus erträglichen Kosten sind Beschleunigungen eines umweltschonenden Fortschritts und rasch wirksam werdender Einsparungsmaßnahmen durchaus wahrscheinlich.

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8. Ein wachstumsfördernder Abgabenstaat

Herzstück jeder staatlichen Politik bleibt die Art, wie der Staat seine Einnahmen erzielt. Kein Feld der Politik erfreut sich vergleichbarer, nie endender Kontroversen. Dabei könnte in einigen Grundprinzipien Einigkeit herrschen, wenn auch in den Details natürlich ständig Raum für Kontroversen bleibt. Hohe Abgaben auf Einkommen und Gewinne reduzieren die Anreize für Arbeiten und Investieren. Bei einem komplizierten Steuersystem voller Ausnahmen und Sonderregelungen sorgen ganz Heerscharen von Spezialisten dafür, daß im Ergebnis, trotz progressiver Einkommensteuer, das obere Fünftel der Einkommensbezieher geringere durchschnittliche Steuerlasten trägt als das "nächste" Fünftel. Es ist bezeichnend, daß die politische Debatte sich immer wieder an der, gemessen am Ergebnis, irrelevanten Frage der Spitzensteuersätze festbeißt, während die im Durchschnitt tatsächlich erreichten Belastungen kaum Interesse hervorrufen. Eine Steuerreform, die den Namen verdient, steht immer noch aus. Sie müßte erreichen, daß Sparen und Investieren stärker belohnt, Arbeiten weniger belastet und Konsum bzw. die Inanspruchnahme von knappen, begrenzt verfügbaren Ressourcen verteuert werden. Die Einkommensteuer sollte insgesamt auf eine möglichst kleine Gruppe konzentriert werden. Gleichzeitig kann die Mehrwertsteuer eine höhere Bedeutung im Einnahmensystem erhalten. Um die Kritik an ihrer regressiven Wirkungen aufzufangen, läßt sich eine indirekte Progression dadurch erreichen, daß man die Konsumausgaben für das Existenzminimum steuerfrei stellt. Eine solche Regelung wäre technisch dadurch möglich, daß jeder Person auf die "zuviel gezahlte" Mehrwertsteuer in Gestalt eines bei allen Banken und Postämtern einlösbaren Gutscheins ein vierteljährlicher Rückzahlungsanspruch eröffnet wird.

Der langfristig steigende Einnahmebedarf des Staates und der sozialen Sicherungssysteme zwingt dazu, sehr viel sorgfältiger die Anreiz- oder auch Abschreckungswirkungen des Einnahmenstaates zu berücksichtigen. Traditionelle Positionen, die bei Abgabenquoten von 20% und 30% noch Sinn machten, verlieren an Bedeutung, wenn die Abgabenquoten mehr als 50% der Einkommen zu erreichen drohen.

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9. Modernisierung des Staates - eine Schlüsselstrategie für die SPD

Eine umfassende Modernisierung des Staates hat gerade für die SPD eine Schlüsselrolle. Die Politikverdrossenheit der letzten Jahre dürfte auch darauf zurückzuführen sein, daß die Politik aus guten Motiven immer wieder neue Programme startete, die dann die erhofften Beschäftigungseffekte, den hohen technischen Fortschritt oder mehr soziale Sicherheit und Geborgenheit brachten. Die gescheiterten Großprojekte der Technologie - von der EDV-Förderung über die Luftfahrt bis hin zum Schnellen Brüter -sind ein Alarmsignal.

Der Staat der wachsenden Infrastrukturleistungen, der Bildungsexpansion und der wachsenden Transferausgaben wurde immer mehr auch ein Staat des Bürokratismus, der mageren Ergebnisse und auch der Fremdheit und Kälte. Wer eine erfolgreiche Entwicklungspolitik starten will, muß zeigen, daß eine solche innere Entwicklungspolitik tatsächlich ein Klima der Leistungs-, Effizienz- und Qualitätssteigerung im staatlichen Sektor einschließt. Mit dem Staat, den wir heute haben, ist in vielen Fällen kein Staat zu machen. Der historisch gewachsene und gewucherte Staat läßt sich kaum mehr steuern. Vor diesem Hintergrund wird die Forderung nach einem Staat mit mehr Effizienz, der sehr viel eindeutiger auf Produktivitätssteigerungen setzt und dabei das Ziel nach mehr Gleichheit nicht aus den Augen verliert, zur Voraussetzung für eine erfolgreiche innere Entwicklungspolitik. Dabei müssen Banalerfahrungen wieder stärker ins Bewußtsein rücken. Was immer der Staat den Bürgern an Leistungen gewährt, hat er ihnen an anderer Stelle vorher genommen. Eine Million zusätzliche Staatsbedienstete in 20 Jahren bei einer deutlich geringeren Beschäftigungsexpansion im privaten Sektor sind kein "Reingewinn". Gerade deshalb erhalten Fragen der Produktivitätssteigerung innerhalb und außerhalb des Staatssektors immer größere Bedeutung. Es sollte zu denken geben, daß sich das Wachstum der Arbeitsproduktivität bei steigenden Forschungs- und Entwicklungsaufgaben ständig verlangsamt hat. Der "Überbau" frißt einen immer größeren Teil der Leistungssteigerungen, die in der Produktion oder durch die Informationstechnik im Dienstleistungssektor erwirtschaftet werden. Daraus folgt, daß es für den Staat immer schwieriger wird, Wohlfahrtsgewinne zu erwirtschaften. Die Modernisierung des Staates, die mehr sein muß als eine Verwaltungsmodernisierung, die effizientere Regulierungen, wirksamere Anreizsysteme genauso umfallt wie eine bessere Zurechnung von volkswirtschaftlichen Kosten, wird die Schlüsselstrategie bei der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des langfristigen Wohlstands und der Sicherung des Sozialstaats.


©Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 1999

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