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TEILDOKUMENT:




III. DIE VORAUSSETZUNGEN FÜR WETTBEWERBSFÄHIGKEIT VERBESSERN



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1. Verschwendung abbauen



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1.1. Die Verschwendungsbereiche

Verschwendung bedeutet hoher Ressourcenverbrauch bei geringem Nutzen oder geringer Produktivität. Arbeitslosigkeit ist die größte Verschwendung. Der Abbau von Arbeitslosigkeit muß daher im Zentrum aller Bemühungen stehen. Deshalb ist es irrational, wenn Unternehmer nicht genauso intensiv wie Gewerkschafter darüber nachdenken, wie Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann. Jeder Akteur muß dabei aus seiner Rolle heraus Information und Konzeptionen entwickeln. Die Motivation der Unternehmer wird ganz einfach aus der Tatsache begründet werden können, daß die Kosten der Arbeitslosigkeit auch starke Unternehmen und starke Regionen in einer ökonomischen Osmose treffen.

Strategien gegen Verschwendungen stiften Nutzen für große Gruppen, allerdings kurzfristig oft nicht bei denen, die unmittelbar betroffen sind. Gerade hier liegt die politische Aufgabe. Marktwirtschaftliche Entwicklungspolitik bedeutet, Wege freizuschaufeln für mehr Produktivitätssteigerungen, bedeutet, denen, die innovativ sind und Märkte erschließen können, die Mühlsteine abzunehmen.

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1.2. Der Mobilitätssektor als Verschwendungssektor

Der wohl größte Verschwendungssektor ist der Mobilitätssektor, in dem zu viel Energie und Fläche sowie immer mehr Zeit in unproduktiven Staus unsinnig und umweltbelastend verbraucht werden. Die klassischen verkehrspolitischen Ziele, z. B. "Mehr Güterverkehr auf Schienen und weniger auf Autobahnen" oder "Mehr öffentlicher Personennahverkehr und weniger Individualverkehr" sind richtig. Doch diese bis zum Überdruß erhobenen Forderungen scheitern bis auf weiteres an der Trägheit des Eisenbahnsystems, an langwierigen Planungsprozessen, an fehlendem Wettbewerb und an der Unfähigkeit, technisches Wissen über effiziente Logistik so zu organisieren, daß es für Unternehmen und private Haushalte voll nutzbar wird. Schließlich finden Strategien einer übermäßigen Ausweitung des öffentlichen Personennahverkehrs ihre Grenzen an dessen Starrheiten. Schienen sind nun einmal für die Versorgung von Flächen wenig geeignet. Die gegenwärtige, noch mehr die künftige Standortstruktur ist durch starke Dezentralisierungstendenzen gekennzeichnet. Die Bautätigkeit und die Verteilung der Arbeitsplätze und Menschen benötigt immer mehr Raum. Die disperse Wohnbebauung nimmt zu. Eine Ursache hierfür liegt auch in der rundum direkt oder indirekt subventionierten Mobilität. Gleichzeitig haben sich die bisherigen Steuerungsinstrumente als völlig unbrauchbar erwiesen. Eine bloße Angebotsverknappung von Straßenkapazitäten reicht nicht aus, die Auslastung des ÖPNV zu verbessern, weil die Menschen sich als sehr stauresistent erweisen.

Als Kern jeder künftigen und innovativen Verkehrspolitik müssen alle Mobilitätssubventionen abgebaut werden. An Stelle von Angebotsrationierungen und Staus müssen rationalere Steuerungstechniken sowie die Prinzipien der Zurechnung volkswirtschaftlicher Mobilitätskosten und des Subventionsabbaus treten. Die notwendigen Innovationen liegen in der Beeinflussung der Nachfrage, liegen in einer Strategie, die Verkehr und Mobilität entkoppelt. Mit einem gegebenen Aufkommen an Verkehr muß ein Mehr an Mobilitätsergebnissen erzeugt werden. Solche Entkopplungsstrategien erfordern, daß der einzelne Anreize für eine rationellere Nutzung der Verkehrsmittel erhält. Zurechnung von Folgekosten und Subventionsabbau sind deshalb Schlüsselbegriffe. Ihre Grundsätze gelten auch gegenüber dem öffentlichen Personennahverkehr, denn auch seine Subventionierung ruft zusätzlichen Autoverkehr hervor. Es ist bequem, am Endpunkt einer S-Bahn-Linie zu wohnen, mit der Bahn zum Arbeitsplatz zu pendeln und sich für alle sonstigen Zwecke, insbesondere für Freizeit und Einkaufen, auf das Auto zu stützen.

Ein Abbau der Subventionen im öffentlichen Personennahverkehr ist nur vertretbar, wenn parallel der Autoverkehr seine volkswirtschaftlichen Kosten trägt. Dies erfordert eine ständige reale Erhöhung der Benzinpreise bzw. eine Belastung der Emissionen. Darüber hinaus müssen zur Reduzierung der Staus auf überlasteten Straßen zusätzlich belastungsabhängige Stauabgaben erhoben werden, damit der einzelne die volkswirtschaftlichen Kosten des von ihm miterzeugten Staus spürt und trägt.

Eine solche Zurechnung volkswirtschaftlicher Kosten und Verteuerung kann nur in einem langen Anpassungskonzept (10-15 Jahre) realisiert werden. Sie erfordert

- Anpassungen in der Siedlungsstruktur und in der Mischung von Wohnen und Arbeiten,

- Verringerungen der räumlichen Arbeitsteilung und des dadurch erzeugten Verkehrsaufkommens,

- ein Mobilitätsmanagement, bei dem z. B. Mitfahrmöglichkeiten geschaffen werden, um mit gegebenem Verkehr mehr Mobilität zu erreichen,

- eine insgesamt bessere logistische Steuerung, die vor allem den Güternahverkehr mit weniger Verkehrsleistungen abwickelt. Die Engpässe liegen hier vielfach bei der öffentlichen Planung. Es geht nicht an, daß immer häufiger ökologische Vorortsorgen ökologisch wichtige Gesamtstrategien torpedieren und verhindern.

Insgesamt wird eine komplexe Systemsteuerung notwendig, bei der Siedlungsentwicklung und Verkehr als Einheit gesehen werden und bei denen die einzelnen, gestützt auf Kosten- und Preistransparenz in einem flexiblen System jeweils die Mobilitätsformen wählen, die ihrer Situation am besten gerecht wird.

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1.3. Der Wohnungssektor

Im Wohnungssektor gibt es eine "unsichtbare Hand" der Baukostensteigerungen. Sie entsteht aus staatlich normierten Rollen der Architekten, den hochspezialisierten, überqualifizierten Gewerken, dem unzureichenden Zusammenspiel zwischen planenden Kommunen und Investoren, den überhöhten Sicherheits- und Koordinierungsanforderungen staatlicher Genehmigungen, den hohen Mindestnormen individualistischer Gerichtsurteile, die gleiche Qualität für alle Preisstufen fordern. Als Ergebnis sind die Vorfertigungsanteile auf deutschen Baustellen gering, ist der Bauablauf archaisch organisiert, sind Bodenpreise und Infrastruktur teuer, wird für eine durchschnittliche Wohnung das Doppelte an Ressourcen aufgewendet wie in Nachbarländern. Die hohen Sparquoten der deutschen Haushalte werden weit mehr als in anderen Ländern im Wohnungssektor verbraucht. Die Deutschen verwenden zu viel Kapital für Wohnungen, das anderweitig besser verwendet werden könnte. Ohne Verlust an Wohnkomfort könnten pro Jahr 30 bis 50 Mrd. DM eingespart werden.

Eine Senkung der Bau- und Bodenkosten würde den Staat erheblich entlasten, denn als Kompensation für die überhöhten Kosten werden riesige Subventionen gewährt. Gleichzeitig wäre ein Markt preiswerter Objekte in seiner Funktionsweise sozialer. Er würde weite Teile des sozialen Wohnungsbaus und auch der Wohngeldzahlungen überflüssig machen. Abbau der Verschwendung im Wohnungssektor brächte für die privaten Haushalte eine riesige Rationalisierungsrendite, die ihren Lebensstandard steigern und ihre Steuerlast verringern könnte.

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1.4. Subventionierung bedeutet fast immer Verschwendung.

Die Forderung nach Subventionsabbau ist so alt wie die Subventionen selbst. Trotz massiver Argumente, wenn nicht sogar Beweise gegen die Schädlichkeit von Erhaltungssubventionen bleibt die Subventionsneigung der Politik unausrottbar wie eine Sucht. Die Erklärung dafür ist einfach. Strukturwandel, insbesondere in der Form des abrupten Abbaus von regional konzentrierten Kapazitäten, fährt jeweils für die Betroffenen zu erheblichen Härten. Alternative Beschäftigungsmöglichkeiten sind praktisch niemals sofort in Sicht. Also drängt sich die Strategie auf, vorhandene Kapazitäten so lange wie möglich selbst um den Preis zu erhalten, daß der Aufbau neuer Industrien verzögert wird. Diese politische Mechanik läßt sich nicht mit bloßen Argumenten aus der Welt schaffen. Es muß überlegt werden, wie Subventionsformen werden, die weniger auf Dauer angelegt sind und die möglichst geringe, zusätzliche verschwenderische Investitionen anregen.

In der Tendenz wird ein solches Ergebnis dadurch erreicht, daß erhaltende Subventionen weniger pauschal an die Unternehmen insgesamt, sondern stärker zugunsten von Arbeitsplätzen für ältere Arbeitnehmer gezahlt werden. Die Erfahrung von 30 Jahren Agrarpolitik zeigt, daß durch Subventionen und die begleitenden Versprechungen der Politik immer wieder junge Menschen sich nur einen Beruf in der Landwirtschaft entschieden haben, ohne, Für ihren ganzen Lebenszyklus gesehen, über ausreichende Einkommenerzielungsmöglichkeiten zu verfügen. Erhaltungssubventionen haben so immer wieder neue soziale Härten erzeugt und Anpassungslasten hervorgerufen. Man muß vermuten, daß, ohne eine Erhaltungspolitik und ohne dauernde irrationale Versprechungen der Agrarpolitik, die Bauern die Unvermeidbarkeit eines Schrumpfungsprozesses in der Landwirtschaft früher und eindeutiger erkannt hätten und ihre Folgerungen gezogen hätten. Die Agrarpolitik war auch eine jahrzehntelange Aufforderung zu irrationalen Berufsentscheidungen. Eine ursprünglich sozial motivierte Politik, die Härten des strukturellen Wandels vermeiden wollte, hat auch neue Härten erzeugt, weil sie Lebensplanungen hervorgerufen hat, deren Rahmenbedingungen sie nicht garantieren konnte.

Ähnliche Argumente gelten Für den Bergbau oder auch Dur die Werftindustrie bzw. nur alle Wirtschaftsbereiche, in denen Erhaltungserwartungen geweckt wurden. Als eine fruchtbare Technik kann sich auch erweisen, Regionen mit Strukturproblemen pauschale "Entwicklungshilfen" zu gewähren, die für die Neuaussiedlungen von Unternehmen, die Qualifizierung von Arbeitnehmern oder Neugründungen von Unternehmen eingesetzt werden könnten. Hätten die Bergbauregionen den Barwert aller Erhaltungssubventionen als zusätzliche Finanzhilfe erhalten, wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit gelungen, rascher neue Sektoren aufzubauen und Innovationen voranzubringen.

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1.5. Vergeudung von Lebenszeit in der Ausbildung - die ärgerlichste Verschwendung

Deutschland hält nicht nur den Weltrekord in Bau- und Bodenkosten, sondern auch den Weltrekord in Ausbildungszeiten. Dies gilt vor allem für die akademische Ausbildung. Die volkswirtschaftlichen Folgeschäden eines Berufseintritts erst mit dem 30. Lebensjahr sind unübersehbar. Junge Erwerbstätige, die überaus gebildet, aber mit einem Mangel an Erfahrung erst mit 30 ihr Berufsleben beginnen, sind nicht mehr ausreichend risikofähig. Junge Frauen sind zu wenig familienfähig, weil sie innerhalb kurzer Fristen Karriere und Mutterrolle miteinander vereinbaren sollen. Die Bildungspolitiker sehen nur ihre fast schon berufschauvinistischen Ausbildungsziele. Es wird ohnehin immer weniger möglich, die Stoffülle zu bewältigen. Insbesondere die Entwicklung der Technik verkürzt das "Haltbarkeitsdatum" unseres Wissens. Immer wichtiger wird es, Lernfähigkeiten zu erlernen und sie dauerhaft einzusetzen. Bildung muß anders als bisher organisiert werden. Sie muß vor allem in kürzeren Fristen möglich sein, damit junge Erwerbstätige sich eine ausreichende Orientierungsphase zugestehen können, in der sie Arbeitsplätze wechseln, ihre Fähigkeiten testen, Risiken eingehen, um dann allmählich festere und stabilere Karrieren anzustreben. Die Unternehmen sollten ein Kartell bilden und kurze Ausbildungsfristen in der Einstellung honorieren und sie zu einer allgemeinen Politik machen. Die Systemanreize sind gegenwärtig viel zu gering. In einem wettbewerbsfreien Bildungssektor wird effiziente Ausbildung nicht honoriert.

Es ist auch an der Zeit, daß die Unternehmer ihre Zurückhaltung aufgeben und sich an einer Reformdebatte des Bildungssystems beteiligen. Ohne mehr Wettbewerb zwischen autonomen Bildungsinstitutionen, ohne mehr Kosten- und Ressourcenverantwortung sowie eine Stärkung der Position der Nachfrager, die den Bildungsinstitutionen z. B. aus rückzahlbaren, niedrig verzinsten Ausbildungskrediten, durch ihre persönliche Nachfrage mehr Erträge bringen, wird eine nachhaltige Reform nicht zustande kommen.

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2. Technologiepolitik



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2.1. Überschätzte Technologiepolitik?

Die Bundesrepublik verfügt seit Jahren über einen Spitzenplatz in einer großen Breite mittlerer Technologien: Automobilproduktion, Werkzeugmaschinen, chemische Produkte, Medizintechnik. Die Liste der Erfolgsbereiche ist lang. Gleichzeitig bildet die Breite hochwertiger Produkte die Grundlage des Wettbewerbserfolges und die Grundlage einer hohen Anpassungsfähigkeit. Dennoch gibt es eine immer wieder aufflackernde Diskussion über Lücken im High-Tech Bereich. Gegen eine Technologielücke sprechen allein schon die hohen Aufwendungen, die im internationalen Vergleich für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen unternommen werden (Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen in v. H. des BIP: Japan 2,9 %; Westdeutschland 2,8 %; USA 2,8 %; Frankreich 2,3 %; (Großbritannien 2,2 %; Italien 1,2 %)

Als unbestechlicher Indikator zur Beantwortung der Frage nach der Technologielücke kann die günstige Handelsbilanzsituation gelten. Die Tendenz zu Exportüberschüssen signalisiert eine hohe Wettbewerbsfähigkeit bei allerdings steigender Arbeitslosigkeit. Die hohe Wettbewerbsfähigkeit bei Gütern mittlerer Technologie war begleitet von einer wachsenden Gruppe von Erwerbstätigen, die aus dem Prozeß der nationalen Arbeitsteilung, des Wettbewerbs und der Verbesserung von eigenen Fähigkeiten einfach ausgeklinkt sind. Vollbeschäftigung setzt z. B. für eine Million Arbeitslose 50 000 Unternehmensgründungen oder unternehmerische Expansionsentscheidungen à 20 zusätzlichen Arbeitsplätzen voraus. Es gibt nicht nur eine Lücke bei High-Tech Produktionen, es gibt auch eine Unternehmenslücke und eine Produktlücke.

Technologie und Technologiepolitik haben hier ganz eindeutig eine Schlüsselstellung. Aber neue Technologien erzeugen auch Probleme. So sind im Zuge des technischen Fortschritts die Chancen für hochqualifizierte Arbeitskräfte offensichtlich gestiegen, während das Überangebot an Arbeitskräften mit niedriger Qualifikation ständig zunimmt. Ihre Arbeitsplätze sind doppelt gefährdet:

- durch den Konkurrenzdruck aus Niedriglohnländern,

- durch die Konkurrenz mit automatisierten Maschinen, die einfache Arbeiten fast völlig übernehmen können.

Die staatliche Förderung für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen liefert nur eine Grundlage ständiger Innovationen. Staatliche Politik kann vor allem die Diffusion von neuen Techniken beschleunigen. Dennoch werden ihre Erfolge in der öffentlichen Diskussion wahrscheinlich überschätzt. Es sollte zu denken geben, daß in Jahrzehnten, in denen die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung als Anteil des Bruttosozialprodukts gestiegen sind, Produktivitätssteigerungen sich von Jahrfünft zu Jahrfünft verlangsamten.

Dieses Technologie-Paradoxon macht deutlich, Produktivitätssteigerung hängt von mehr ab als von automatischen Fabriken und arbeitssparenden Produktionstechniken. Immer deutlicher wird, daß der "staatliche und gesellschaftliche Überbau", d. h. die Summe aller komplizierten Regelungen und Organisationen, die eine moderne Gesellschaft kennzeichnen, einen hohen Anteil des Produktivitätsfortschritts verbraucht und selber zuwenig Innovationen hervorbringt.

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2.2. Erhöhte Effizienz in der staatlichen Technologieförderung

Zielgenaue, effiziente staatliche Förderungen sind schwierig, weil Entwicklungsprozesse sehr vielfältig und komplex sind. Es wirken zusammen:

- Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen in großen und kleinen Unternehmen,

- kreative Einzelleistungen,

- kooperierende Unternehmen,

- innovationsfreudige Konsumenten, die neue Produkte rasch abnehmen,

- Gründungs- und Expansionsbedingungen für technologieorientierte Unternehmen,

- ausreichendes Risikokapital und risikobereite Kreditgewährung, um Neuland zu erschließen, und

- die enge Kooperation zwischen staatlichen Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen und technologieorientierten Unternehmen.

Einen leistungsfähigen Innovationsstandort zu schaffen, ist deshalb schwerer als einen guten Produktionsstandort zu erhalten. Allerdings werden Produktionsstandorte auf Dauer nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie gleichzeitig auch Innovationsstandorte sind.

Der Schlüssel zum Erfolg bleibt angesichts der schwierigen Abschätzung des Forschungserfolgs eine enge Kooperation zwischen förderndem Staat und Unternehmen. Dabei muß die Interessenlage der Beteiligten nüchtern eingeschätzt werden. Unternehmen werden staatliche Hilfen immer bereitwillig in Anspruch nehmen. Der fordernde Staat kann nicht erkennen, inwieweit Mitnehmereffekte entstehen oder inwieweit, gestützt auf staatliche Hilfen, auch Forschungsrichtungen mit geringen Aussichten auf Erfolg erprobt werden.

Dieses Dilemma ist grundsätzlich unauflöslich und kann durch Transparenz und Information nur abgemildert werden. Vieles spricht deshalb z. B. für eine allgemeine Diffusionsförderung, die all denen zugute kommt, die neue Technologien erproben und einsetzen. Die Wirtschaftsentwicklung der letzten 100 Jahre hat gezeigt, wie wichtig die Fähigkeit geworden ist, sich aus dem riesigen Reservoir internationalen technischen Wissens zu bedienen. Die Förderung von Direktinvestitionen, von internationalen Kooperationen, der Austausch von Experten, aber auch die Vermarktung komplexer Produkte und Systeme tragen zur Diffusion von technischem Wissen bei und setzen Lernprozesse in Gang. Dabei werden eine aktive Neugierde, eine Bereitschaft, sich auf neue Techniken einzulassen, immer wichtiger. Technikfeindlichkeit kann genauso hinderlich werden wie eine übervorsichtige Einstellung gegenüber technischen Verfahren und neuen Forschungsrichtungen.

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2.3. Einige Folgerungen für die Technologiepolitik

In der Bundesrepublik mit ihrer breiten Produktionsstruktur sind Diffusionsstrategien wichtiger als in anderen Ländern. Anders als Frankreich oder Japan, die sich auf bestimmte Bereiche konzentrierten, muß breite Anwendung stärker im Vordergrund stehen. Immer wieder wird mit Recht kritisiert, daß dem "Wissenschaftswunder" ("Economist") kein entsprechendes Diffusionswunder gegenübersteht. Produktinnovationen sind, gemessen am vorhandenen Wissen, zu langsam. Hier liegen erhebliche Reserven.

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2.4. Forschungsclubs auf der Grundlage von Forschungsabgaben

Neben enger Kooperation und engem Informationsaustausch sollte das Wissen und sollten die Interessen der Unternehmen selbst direkt für die Verwendung staatlicher Mittel eingesetzt werden. Hierzu könnten Forschungsclubs von Unternehmen in gleichen Branchen auf gesetzlicher Grundlage ins Leben gerufen werden, die sich aus staatlich festgesetzten Abgaben, die von den beteiligten Unternehmen zu erbringen sind, finanzieren. Dadurch entstünde ein „Zwangspool", der für gemeinsame, sektoral wichtige Forschungs- und Innovationsprojekte aufgewendet werden könnte. Öffentliche Finanzierung und ein privat organisierter Such- und Forschungsprozeß kämen zusammen.

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2.5. Förderung von Technopolen

Ostdeutschland ist eine Wirtschaftsregion mit zu geringen eigenen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen. Schon bald werden Hochschulabsolventen vor Ort nicht genügend Arbeitsplätze finden. Deshalb sollte in Anlehnung an Erfahrungen in Spanien, Frankreich, Korea oder Japan versucht werden, zwei große Technopole zu entwickeln (Region Leipzig/Halle, Region Berlin), um dort Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen in Kooperation mit den Hochschulen zu konzentrieren. Ausgehend von einer solchen räumlichen Bündelung, sind Synergieeffekte möglich, weil Kooperationen erleichtert werden und sehr spezialisierte Arbeitsmärkte entstehen.


©Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 1999

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