FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:






Vorwort des Verfassers

Das kommunale Abgabenrecht ist zunehmend ins Rampenlicht des öffentlichen Interesses gerückt. Das ist nicht nur auf die Medienvielfalt zurückzuführen. Besonders die Frage, wieso und wofür der Bürger zahlen soll, ist in der letzten Zeit oftmals öffentlich kritisiert worden. Dabei wird nicht nur gefragt, „Wieso werde gerade ich herangezogen?". Die Öffentlichkeit will auch wissen, warum die Höhe der kommunalen Abgaben von Gemeinde zu Gemeinde zum Teil erheblich unterschiedlich ausfällt.

Viele Bürger sind verunsichert, weil sie zu Kommunalabgaben herangezogen werden. Vielfach wird in der (betroffenen) Öffentlichkeit der Protest laut, in der ehemaligen DDR sei die Erhaltung von Wohneigentum schon schwer genug bzw. schwerlich möglich gewesen, da z.B. die zu erzielenden Mieteinnahmen nicht kostendeckend gewesen seien. Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen käme – so wird zuweilen argumentiert – einer „Enteignung durch die kalte Küche" gleich, da viele betroffene Grundstückseigentümer nicht in der Lage wären, die umgelegten Beiträge zu zahlen. Aber auch im Bereich der Miete spielen die Kommunalabgaben eine wichtige Rolle. Auf die Nettokaltmiete aufgeschlagen und oftmals in den Zeitungsannoncen nicht aufgeschlüsselt und in der Höhe nicht genannt, kommen sie häufig einer „zweiten Miete" gleich.

Nicht zuletzt hat die zunehmende Diskussion um die Kommunalabgaben ihre Ursache darin, daß sich die finanzielle Situation der Städte und Gemeinden in der Vergangenheit stets verschlechtert hat. So sind diese, rein wirtschaftlich betrachtet, nicht in der Lage, die erstmalige Herstellung oder die Instandhaltung öffentlicher Einrichtungen oder Anlagen aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Eine finanzielle Beteiligung der Bürger ist daher nötig und zwingt die öffentliche Hand zur bestmöglichen Nutzung der ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Abwälzung der entstandenen Kosten.

Als Beispiel läßt sich die erstmalige Herstellung einer zum Anbau bestimmten Straße in einem (Neu-)Baugebiet als Erschließungsanlage nennen.

Eine solche Baumaßnahme ruft erhebliche Kosten hervor und bringt in erster Linie Vorteile für den Eigentümer des durch die Maßnahme erschlossenen Grundstücks mit sich, da sie die Erschließung und Bebaubarkeit seines Grundstückes sichert und so dessen Wert erheblich steigert. Deshalb ist es nur billig und gerecht, den Anlieger, der den Vorteil der Erschließungsanlage genießt, an den Kosten zu beteiligen.

Gerade im Hinblick auf Baumaßnahmen sind Gemeinden in den neuen Bundesländern oftmals doppelt betroffen. Auf der einen Seite sind Maßnahmen zur Erschließung oder zum Ausbau von beispielsweise Straßen vielerorts dringend erforderlich, auf der anderen Seite fehlt den Gemeinden häufig das Geld.

Das Kommunalabgabenrecht ist daher als Instrumentarium zur Beteiligung der Bürger an bestimmten öffentlichen Einrichtungen und Anlagen in einer über das Maß einer allgemeinen Steuerlast hinausgehenden Art und Weise von eminenter Wichtigkeit.

Allerdings zählt das Kommunalabgabenrecht zu den schwierigsten Gebieten des öffentlichen Rechts. Dadurch wird die rechtssichere Erhebung von Kommunalabgaben erschwert. Wegen einer Vielzahl von bundes- und landesrechtlichen Vorschriften, die sich verzahnen, und nicht zuletzt wegen einer starken Prägung des Rechtsgebietes durch verschiedene Einzelfallentscheidungen, ist die fehlerfreie Anwendung dieses so wichtigen Rechtsgebietes schwierig.

Die vorliegende Schrift wird versuchen, dem politisch und juristisch interessierten kommunalen Mandatsträger, insbesondere dem Bürgermeister, Hilfe zu geben, die anfallenden Aufgaben im Bereich des Abgabenrechts zu bewältigen und fehlerfrei zu lösen.

Dabei wird auch auf die Regelungen der Kommunalabgabengesetze der Länder und die für die Gemeinden im Hinblick auf das Erschließungsbeitragsrecht wichtigen Vorschriften der §§ 123 ff. des Baugesetzbuches eingegangen werden. Die Darstellungen zum Kommunalabgabengesetz werden in erster Linie anhand des Kommunalabgabengesetzes des Landes Brandenburg erfolgen.

Der Schwerpunkt wird bei den kommunalen Entgeltabgaben (Beiträge und Gebühren) liegen, wobei die Erschließungsbeiträge unter diese gefaßt werden.

Nicht nur da er Ansprechpartner der Bürger seiner Gemeinde in vielen Angelegenheiten ist, wird der Bürgermeister häufig mit Fragen zum Abgabenrecht konfrontiert werden. So wird er sicherlich von Bürgern angesprochen werden, die z.B. über die Höhe einer bestimmten Abgabenforderung verärgert sind.

Im Rahmen seiner Amtsführung wird er die gesetzlichen Bestimmungen zum Kommunalabgabenrecht anwenden und beachten müssen. Hier wird naturgemäß ein Schwerpunkt bei der Ausarbeitung der Beitrags- bzw. Gebührensatzung liegen. Ein weiterer Schwerpunkt der kommunalpraktischen Arbeit stellen die Beschlüsse dar, die die Gemeinde im Laufe der Veranlagung zu fassen hat. Da im Kommunalabgabenrecht viele Fehler im Verlauf des Veranlagungsverfahrens heilbar sind, sind diesbezügliche Kenntnisse in der kommunalen Praxis unabdingbar.

Die Erfahrung lehrt, daß im Kommunalabgabenrecht eine kompetente Beratung wichtig ist: Der ehrenamtliche kommunale Mandatsträger ist nämlich den gleichen Haftungsrisiken und Maßstäben unterworfen wie die hauptamtliche Verwaltung. Die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) führt dazu aus, daß sich der (ehrenamtliche) kommunale Mandatsträger daher Rat aus der Verwaltung oder auch von außerhalb zu holen habe.

Die vorliegende Schrift will daher einen rechtlich fundierten, praxisorientierten Rat für kommunale Mandatsträger geben. Sie kann jedoch keinesfalls den professionellen Rat im Streit- bzw. Prozeßfall ersetzen und geht daher nicht auf jede mögliche spezielle Rechtsfrage ein, um sie allumfassend und abschließend darzustellen. Dies ist bei einem Leitfaden zu einem so komplexen Thema wie dem Kommunalabgabenrecht auch nicht möglich. Für den weiter interessierten Leser finden sich in den Fußnoten wie auch in dem im Anhang abgedruckten Verzeichnis Hinweise auf weiterführende Literatur.

Im Anhang dieser Schrift findet der Leser Texte mehrerer einschlägiger Gesetze und Verordnungen sowie mehrere Mustersatzungen zur Abgabenerhebung.

Potsdam, im August 1998
Georg-Friedrich Klusemann

Siegbert Heid
Leiter der Arbeitsgruppe Kommunalpolitik


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1998

TOC Next Page